Auch wenn es im heutigen Stadtbild oft schwer vorstellbar ist, so galt das römische Augsburg in seiner Blütezeit als eine der wichtigsten Handelsmetropolen des Voralpenlandes. Als glanzvolle Hauptstadt der Provinz Raetien war die Siedlung das mit Abstand größte zivile Zentrum der Region und ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Zusammenlebens in der Provinz.
In der vorliegenden Arbeit soll auf die verschiedenen Ausbaustufen und Raumkonzepte eingegangen werden, die das Herz der florierenden Siedlung erfuhr – von den Anfängen als Kastell vor dem Vierkaiserjahr bis zum prachtvollen Mittelpunkt der Provinzhauptstadt im zweiten Jahrhundert. Das römische Forum von Augusta Vindelicum soll dabei ebenso im Fokus stehen wie die zentralen, öffentlichen Gebäude.
Im Folgenden soll die Arbeit grob in die beiden Etappen des Ausbaus geteilt werden. Das erste Kapitel umreißt das historische Vorfeld bis zum Vierkaiserjahr des Jahres 69/70. Behandelt wird das Kastell, aber auch die Entwicklung des zivilen vicus soll angeschnitten werden. Das zweite Kapitel befasst sich einführend mit dem Ausbau des Forums und dessen Umgebung vom letzten Drittel des ersten Jahrhunderts bis in das zweite Jahrhundert hinein.
Hierbei wird auch ein geraffter Überblick zu der allgemeinen Stadtentwicklung miteingebunden. Anschließend erfolgt eine Binnengliederung in die verschiedenen Befundkomplexe, welche den postulierten Forumsbereich umgaben – zunächst der Platz an sich sowie folgend den südlich angrenzenden Statthalterpalast. Der letzte Unterpunkt befasst sich mit den öffentlichen Gebäuden, welche dieses Areal umgaben – also nicht direkt an das Forum grenzten, aber dennoch zum engeren Stadtkern zählen können und damit ohne Zweifel eine herausgehobene Rolle im gesellschaftlichen Leben der Siedlung spielten. Zu nennen wären hierbei die Markthalle im Norden, der Heilige Bezirk im Westen, die große Thermenanlage sowie kleinere Gebäudefunde. In diesem Zusammenhang soll auch kurz auf Gebäudetypen eingegangen werden, bei denen ein Befund zwar bislang ausblieb, deren Existenz von der Forschung allerdings als sehr wahrscheinlich angesehen wird. Ein Fazit rundet die Arbeit schließlich ab und trifft zusammenfassende Aussagen über die Dimensionen, Etappen und repräsentativ-stadtgeschichtlichen Sachverhalte des Forumsausbaus sowie der Gestaltung des Stadtkerns.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vom Kastellvicus zur Provinzhauptstadt
2.1 Historisches Vorfeld - Kastell und Kastellvicus des ersten Jahrhunderts
2.2 Ausbau und Blütezeit - das Forum von Augusta Vindelicum
2.2.1 Postuliertes Forumsareal
2.2.2 Statthalterpalast
2.2.3 Öffentliche Gebäude des Stadtzentrums
2.2.3.1 Markthalle
2.2.3.2 Heiliger Bezirk
2.2.3.4 Thermenkomplex
2.2.3.5 Andere Gebäudetypen
3. Fazit
4. Literaturverzeichnis
5. Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
Auch wenn es im heutigen Stadtbild oft schwer vorstellbar ist, so galt das römische Augsburg in seiner Blütezeit als eine der wichtigsten Handelsmetropolen des Voralpenlandes. Als glanzvolle Hauptstadt der Provinz Raetien war die Siedlung das mit Abstand größte zivile Zentrum der Region und ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Zusammenlebens in der Provinz. Machten die militärischen Anfänge der Siedlung als Nachschublager das Entstehen einer großen Stadt zunächst eher unwahrscheinlich, so trug die günstige Lage Augsburgs zwischen Wertach und Lech im ersten Jahrhundert bereits zum massiven Wachstum und Ausbau der jungen Zivilsiedlung bei. Wie bereits Kempten ein gutes halbes Jahrhundert zuvor, erfuhr nun auch Augsburg einen großangelegten Ausbau in topographischer und architektonischer Hinsicht. Ganz im Mittelpunkt stand dabei ohne Zweifel der repräsentative Stadtkern. In der vorliegenden Arbeit soll auf die verschiedenen Ausbaustufen und Raumkonzepte eingegangen werden, die das Herz der florierenden Siedlung erfuhr - von den Anfängen als Kastell vor dem Vierkaiserjahr bis zum prachtvollen Mittelpunkt der Provinzhauptstadt im zweiten Jahrhundert. Das römische Forum von Augusta Vindelicum soll dabei ebenso im Fokus stehen wie die zentralen, öffentlichen Gebäude.
Trotz einiger Vorbehalte können die Grabungen und die Grabungsberichte Ludwig Ohlenroths1 2 3 als eine Grundlage der modernen Erforschung und archäologischen Erschließung der antiken Stadtgeschichte Augsburgs gelten. Neben den umfassend der römischen Antike
Augsburgs gewidmeten archäologischen wie historischen Forschungen von Bakker oder auch
Schaub waren vor allem die Augsburger Beiträge zur Archäologie für die vorliegende Fragestellung sehr ergiebig. Zu nennen wären darunter vor allem die Werke von Willburger4 über Wandmalerei, Tremmel5 über den Kastellvicus sowie Müller6 über Monumentalarchitektur.
Im Folgenden soll die Arbeit grob in die beiden Etappen des Ausbaus geteilt werden. Das erste Kapitel umreißt das historische Vorfeld bis zum Vierkaiserjahr des Jahres 69/70. Behandelt wird das Kastell, aber auch die Entwicklung des zivilen vicus soll angeschnitten werden. Das zweite Kapitel befasst sich einführend mit dem Ausbau des Forums und dessen Umgebung vom letzten Drittel des ersten Jahrhunderts bis in das zweite Jahrhundert hinein.
Hierbei wird auch ein geraffter Überblick zu der allgemeinen Stadtentwicklung miteingebunden. Anschließend erfolgt eine Binnengliederung in die verschiedenen Befundkomplexe, welche den postulierten Forumsbereich umgaben - zunächst der Platz an sich sowie folgend den südlich angrenzenden Statthalterpalast. Der letzte Unterpunkt befasst sich mit den öffentlichen Gebäuden, welche dieses Areal umgaben - also nicht direkt an das Forum grenzten, aber dennoch zum engeren Stadtkern zählen können und damit ohne Zweifel eine herausgehobene Rolle im gesellschaftlichen Leben der Siedlung spielten. Zu nennen wären hierbei die Markthalle im Norden, der Heilige Bezirk im Westen, die große Thermenanlage sowie kleinere Gebäudefunde. In diesem Zusammenhang soll auch kurz auf Gebäudetypen eingegangen werden, bei denen ein Befund zwar bislang ausblieb, deren Existenz von der Forschung allerdings als sehr wahrscheinlich angesehen wird. Ein Fazit rundet die Arbeit schließlich ab und trifft zusammenfassende Aussagen über die Dimensionen, Etappen und repräsentativ-stadtgeschichtlichen Sachverhalte des Forumsausbaus sowie der Gestaltung des Stadtkerns.
2. Vom Kastellvicus zur Provinzhauptstadt
Anders als bei dem Beispiel par excellence, dem Forum Romanum, liegt bei Augsburg kein 7 freigelegtes, erschlossenes oder leicht zugängliches Ausgrabungsgebiet vor. Die Siedlungskontinuität im Bereich der Altstadt zerstörte und bedeckte einen Großteil der antiken Bausubstanz. Die erschwerten Grabungsbedingungen, mit denen die moderne Augsburger Stadtarchäologie bis heute umzugehen hat, erlaubten darum in den letzten
Jahrzehnten nur Schlaglichter in die römische Antike. Dennoch ermöglichen die mittlerweile zahlreichen archäologischen Funde und Befunde zusammen mit historischen Interpretationen und Thesenbildungen ein weitaus ausdifferenzierteres Bild der raetischen Provinzhauptstadt Augusta Vindelicum als noch vor fünfzig Jahren. Die großen Entwicklungslinien der Stadttopographie und die Existenz von wichtigen, öffentlichen Bauten können durch die mannigfaltigen Einzelfunde und -grabungen auch im römischen Siedlungszentrum erschlossen werden. Das Forum samt den umgebenden Gebäudekomplexen bildet als pulsierendes Herz der Stadt und Mittelpunkt des sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen7 8
Handelns9 einen besonders interessanten Ansatzpunkt. Die Bedeutung der Stadt wird zusätzlich hervorgehoben durch die Tatsache, dass Augusta Vindelicum die einzige bekannte Siedlung in Raetien ist, der je ein römisches Stadtrecht verliehen wurde. Dieser Aspekt macht Raetien und Augsburg in den Nordwestprovinzen des Römischen Reiches geradezu einzigartig.10
2.1 Historisches Vorfeld - Kastell und Kastellvicus des ersten Jahrhunderts
Nach der Aufgabe des Militärlagers von Augsburg-Oberhausen in frühtiberischer Zeit wurde ein neuer Siedlungsbereich im heutigen Domviertel erschlossen.11 12 13 Von einer autochtonen Vorgängersiedlung, beispielsweise durch die keltische Urbevölkerung, kann nicht 12 ausgegangen werden. Noch im zweiten Jahrzehnt des ersten nachchristlichen Jahrhunderts wurde ein Kastell in diesem Areal gegründet, dessen Belegungszeitraum sich Schätzungen nach von 5/15 bis 69/70 nach Christus erstreckte. Den Anfangspunkt setzte dabei der Umzug des Lagers Augsburg-Oberhausen, wohl nach einer Flutkatastrophe, wohingegen die Aufgabe des Kastells wohl durch eine Brandkatastrophe im Vierkaiserjahr erfolgte. Um das Vexillationslager konnte sich entlang der Ausfallstraßen ein florierendes Lagerdorf, ein vicus, 13 entwickeln. Im ersten Jahrhundert kann der Charakter der Besiedlung also durchaus gleichermaßen als militärisch und zivil gelten - sowohl Soldaten als auch Handwerker und Händler gehörten zu den Bewohnern des frühen Augsburgs.14
Der als gesichert geltende Verlauf15 von via praetoria und via principalis innerhalb des Grabenverlaufs offenbart eine Kastellausrichtung nach Westen, in Richtung des vicus.16 17 17
Mehrere Grabungen belegen einen von Osten nach Westen verlaufenden Spitzgraben, der ebenfalls in das erste Jahrhundert datiert. Mit einer Tiefe von etwa 2,60 Meter umschließt er ein Areal von 320 Meter in nord-südlicher Ausdehnung und 140 beziehungsweise 160 Meter in ost-westlicher Richtung. An der Ostseite verlief der Graben strategisch günstig entlang der Kante der Augsburger Hochterrasse. Auf der Westseite scheint eine Toranlage auf der Höhe 18 der zusammentreffenden Ausfallstraßen nach Nordwesten und Südwesten wahrscheinlich. Die Größe der Lager-Ostseite kann durch den heutigen Lechverlauf und fehlende Grabungsergebnisse nur geschätzt werden. Allgemein wird für die östliche retentura jedoch eine mindestens gleich große Fläche wie für die westliche praetentura angenommen. Die Gesamtfläche des Kastells würde damit mindestens zehn Hektar einnehmen.18 19 20 21 22 23 24 25 Diese relativ 20 große Grundfläche lässt zudem Spekulationen über die Größe und Zusammensetzung der stationierten Truppe zu. Bakker vermutet aufgrund der Kastellgröße und der archäologischen 21
Funde eine über tausendköpfige Besatzung, bestehend aus einer ala und einer 22
Infanterieeinheit. Die Zivilbevölkerung des vicus wurde bei dieser Schätzung außen vor gelassen. Das Lagerdorf erstreckte sich entlang der Ausfallstraßen, im Norden circa bis zum Pfannenstiel, im Südwesten bis in den Bereich der Frölichstraße - also sogar jenseits der 23 späteren, antiken Stadtmauer von Augusta Vindelicum. Grabungen entlang der Ausfallstraßen belegten lang-rechteckige Holzbauten, deren Schmalseiten sich zu den Straßen ausrichteten und damit das gängige Bild eines Kastellvicus zeichnen. Das größtenteils aus
Streifenhäusern bestehende Lagerdorf muss einen zivilen Charakter besessen haben.
Aufgrund der archäologischen Grabungsergebnisse lassen sich zusammenfassend ein Kastell samt zugehörigem vicus von der frühtiberischen bis zur flavischen Zeit belegen. Interessanterweise kann man bei den Bauten fast ausschließlich von Holz oder Fachwerk ausgehen. Nach Gerhard Weber können die in der frühen Kaiserzeit eroberten Nordwestprovinzen respektive Raetien zunächst lange als Holzbaugebiete zählen. Erste Steinbauten - hauptsächlich militärisch - erfolgten erst ab tiberischer Zeit, in zivilen Orten wie Kempten erst ab der Mitte des Jahrhunderts und vor allem ab flavischer Zeit. Endgültig setzte sich der Ausbau in Stein jedoch erst im zweiten Jahrhundert durch - bei Militäranlagen, Gutshöfen, aber nicht zuletzt auch in der neuen Hauptstadt Augusta Vindelicum.26 27 28 29 Nichtsdestotrotz konnten kürzlich in Augsburg auch Reste von Steinbauten aus der 27 frühkaiserzeitlichen Epoche nachgewiesen werden. Nach der gewaltsam herbeigeführten Brandkatastrophe des Vierkaiserjahres konnten bereits die Weichen für die weitere
Entwicklung der römischen Siedlungsgeschichte gestellt werden. Die Eroberung des transdanubischen Gebietes ab den siebziger Jahren des ersten Jahrhunderts stellte durch die Besetzung des Dekumatlandes eine direkte Verbindung zwischen Rhein und Donau her und machte die Aufrechterhaltung eines Militärstandpunktes bei Augsburg zusätzlich uninteressanter. Der zivile und wirtschaftliche Aspekt der Siedlung wurde gestärkt, der militärische Schwerpunkt an den Limes verlegt, zunächst nach Heidenheim, dann Aalen, im späteren zweiten Jahrhundert schließlich nach Regensburg. Die topographisch günstige Lage Augsburgs half dabei, Kempten den Rang als römisches Handelszentrum der Region langsam aber sicher abzuringen.30 31 32
2.2 Ausbau und Blütezeit - Das Forum von Augusta Vindelicum
Die Jahrzehnte um die erste nachchristliche Jahrhundertwende können durchaus als Beginn der römisch-antiken Blütezeit verstanden werden, infolge deren Augsburg und Raetien wirtschaftlich wie kulturell florieren sollten. Der ungefähre Zeitraum zwischen dem Vierkaiserjahr bis circa in das Jahr 120 kann als Katalysator für die folgenden Jahrzehnte gelten und wird zudem von zwei historischen Ereignissen gerahmt, die von enormer Wichtigkeit für die weitere Entwicklung Augsburgs sein sollten - die Ernennung zur 31
Provinzhauptstadt Ende des ersten Jahrhunderts sowie die Verleihung des Munizipialrechts 32 durch Kaiser Hadrian 121. Ab der flavischen Zeit expandierte die Stadt fast explosionsartig, vor allem im Norden und Nordwesten des alten Kastells wurden neue Parzellen systematisch erschlossen. Das Zentrum erfuhr eine Verdichtung. Das ehemalige Kastellgelände wurde als 34 neues Wohnsiedlungsgebiet genutzt und zur Keimzelle der zivilen Stadt. Während sich die Straßen in der Osthälfte des postulierten Stadtgebietes größtenteils in Nord-Süd-Richtung orientierten, folgten die Straßen des westlichen Teils eher einer nach Westen oder Nordwesten weisenden Linie. Ein regelmäßiges, orthogonal geplantes Straßensystem lag in Augusta
Vindelicum also nicht vor. Der Befund untermauert die These, dass der Osten der Stadt - samt dem möglichen Forum - nach der Planierung des alten Kastells erschlossen und bebaut wurde. Der entlang der Ausfallstraßen organisch gewachsene vicus im Westen blieb von der Gliederung des „neuen Viertels“ allerdings weitgehend unberührt.
Die Holzbauweise wurde im letzten Drittel des ersten Jahrhunderts zunächst beibehalten, jedoch ersetzten Schwellbauten die Pfostenbauten.33 34 35 36 37 38 39 Erschlossene Fachwerkbauten wiesen eine nunmehr ausdifferenziertere Binnengliederung auf, während beispielsweise Funde von Austernschalen im Siedlungsgebiet Hinweise auf den Wohlstand der damaligen Bewohner liefern. Vor allem die zahlreichen Funde von Wandmalerei, Wanddekorationen und Scheinarchitekturelementen gewinnen nach dem Vierkaiserjahr deutlich an Qualität und 37 orientierten sich zunehmend an italischen Vorbildern. „Dem enormen
Bedeutungsaufschwung der Siedlung Augusta Vindelicum im frühen 2. Jahrhundert steht der sowohl in der Bautätigkeit als auch in den Denkmälern und Funden sichtbare
Bedeutungsrückgang von Cambodunum ab dieser Zeit gegenüber.“ Als Grund für den Zentralenwechsel kann die verkehrstechnisch günstigere Lage Augsburgs an Lech, Wertach sowie Via Claudia festgemacht werden. Auch die Nähe des Statthalters zu den Limestruppen kann in Betracht gezogen werden. Das Ende der flavischen Zeit - von Tremmel als Vicusperiode IV bezeichnet - wird erneut durch einen ausufernden Brandhorizont markiert, der sich grob in die 90er Jahre datieren lässt - den Jahren, in denen Augsburg sich als neue Provinzhauptstadt behauptete.40 Bereits in flavischer Zeit war eine große Ausdehnung des Stadtgebietes erreicht worden, ein weitreichender Ausbau in Stein erfolgte jedoch wohl erst nach einem weiteren großflächigen Brand in frühtrajanischer Zeit. Die nördlich der Donau erschlossenen Kalksteinbrüche waren dafür wesentlich. Allgemein überwog bis in das vierte Jahrhundert hinein die Zahl der Renovierungen und Anbauten die Zahl der großangelegten Neubauten.41 42 43 Spätestens unter Kaiser Hadrian etablierte sich die großflächige Steinbebauung in Augusta Vindelicum, wiederum nach einem flächig nachgewiesenen Brand. 42
Nichtsdestotrotz wurde die hölzerne Wohnbebauung nie ganz aufgegeben. Hinsichtlich Verwaltung, Wirtschaft und Kultur avancierte das römische Augsburg zur unangefochtenen 43
Metropole der gesamten Provinz. Die Ernennung zum municipium durch Hadrian kann darum weniger als Ursache, sondern viel eher als eine Folge oder als weiterer Katalysator der Expansion und Prosperität gelten. Die kaiserzeitliche Stadtmauer44 umschloss schätzungsweise eine Fläche von circa 85 Hektar, eine ungefähre Hochrechnung ergebe eine Bevölkerungszahl um die 10000.45
Gottlieb hält die von Tacitus um das Jahr 100 erwähnte - und oft diskutierte - splendidissima colonia in Raetien klar für das antike Augsburg um die erste Jahrhundertwende - im Sinne einer römisch geprägten Stadt. Mussten sich alle Einrichtungen der Provinzialbehörde zwar in Augsburg befinden, so fehlen bislang dennoch die untermauernden Funde und Befunde in vielen Bereichen. So kann nur der allgemeine Wissensstand zum römischen Städtewesen als relativ unsicherer Vergleich herangezogen werden.46 Völlig unklar ist dagegen bis heute die Einteilung Raetiens in Gebietskörperschaften und die Größe des von der Stadt verwalteten Territoriums.47 48 Der in den Jahrzehnten vor der Verleihung des Munizipialrechts erfolgte Aufstieg Augsburgs als neue Provinzhauptstadt und zivile Handelsmetropole Raetiens ist einer Theorie Schaubs zufolge eng mit dem Vorhandensein entsprechender Architektur verbunden: Erst die Errichtung öffentlicher Bauten und die Anlage eines Forums konnten zur Stadtwerdung führen und einen Umzug der Zentralverwaltung von Kempten nach Augsburg 48 ermöglichen. Noch im zusammenfassenden Bericht von Wolfgang Hübener aus dem Jahr 1958 wird erwähnt, dass valide Hinweise auf einen Marktplatz beziehungsweise das Forum bislang fehlen würden.49 Obgleich entsprechende Spuren in der Tat lange Zeit fehlten, wurde die Existenz des vollen Repertoires an repräsentativen Gebäuden in einer so bevölkerungsreichen Provinzhauptstadt nie angezweifelt - vom Forum samt Basilika und curia, Statthalterpalast und Amtsräumen des ordo decurionum über Theater, Tempel und
Vorratsspeicher.50 Als Grund für die fehlenden Funde können die erschwerten Grabungsbedingungen im Raum Augsburg gelten.51 52 53 Erst in den letzten Jahrzehnten war es der Forschung und Stadtarchäologie möglich, die ungefähre Lage des Forums näher einzugrenzen und Fundkontexte als entsprechende öffentliche Bauten zu identifizieren.
2.2.1 Postuliertes Forumsareal
Die Einplanierung eines Kastells ging nicht nur im Falle von Augsburg mit einer großangelegten Stadtanlage einher. Vor allem Forum und Basilika können ohne weiteres als Mittelpunkte städtischen Lebens gelten. Als geradezu standardisierte Grundausstattung 52 gehörten sie zu den ersten öffentlichen Bauten vieler junger Römergründungen. Die Lage 53 des Forums von Augusta Vindelicum postulierten Schaub und Bakker im Bereich des heutigen Benediktinerstifts St. Stephan, der Karmelitenmauer sowie des Stephansgartens.54 Die ungefähre Breite beträgt damit 65 Meter, die Ausdehnung von Nord nach Süd circa 161,50 Meter. Dies ergibt eine Grundfläche von circa 10500 Quadratmetern.55 Die ursprüngliche Annahme56 57 58, das Forum befände sich weiter westlich, kann damit revidiert werden. Das ebenfalls im Westen liegende, ehemals als praetorium gedeutete Steingebäude läge damit ebenso abseits des Platzes wie die große Markthalle am ehemaligen Kastellgraben im Nordwesten. Die alte via praetoria würde dieser These folgend am Forum geendet haben, während die Weiterführung der alten via principalis nach Norden und Süden neue Parzellen 57 für eine insula -Bebauung erschloss. Die Nord-Süd-Straße wurde in ihrer zweiten Phase von 3,60 Meter auf 5,60 Meter erweitert, die Ost-West-Straße von 2,60 Meter auf 3,60 Meter. Das Nordende des Forums markierte die ehemalige Lagerringstraße, die via sagularis, das Ost- 58 und Südende wurde durch zwei schmalere Straßen begrenzt. Das fast völlige Fehlen von Funden, die auf Privathaushalte oder Werkstätten hinweisen, macht eine öffentliche Nutzung des Gebietes zusätzlich wahrscheinlich.59
Die von Schaub und Bakker postulierte Lage des Forums wird durch die Interpretation mehrerer archäologischer Befunde und Funde in diesem Areal untermauert, die zudem allesamt rechtwinklig zur ehemaligen via principalis verlaufen.60 Ein ungewöhnlich mächtiges Fundament am Westende des Forums macht einen Torbau oder einen Triumphbogen am Treffpunkt der via praetoria mit dem Marktplatz denkbar.61 Die von Schaub als Überbleibsel des ehemaligen Stabsgebäudes gedeuteten Fundkontexte können allgemein als eines der ersten Steingebäude der jungen Zivilsiedlung gelten, das sich bereits in die Mitte des ersten Jahrhunderts datieren lässt. Das Gebäude dürfte in den Jahren nach 70 das erste Gebäude im Areal des Forums gewesen sein. Gesichert ist jedoch nur die durch die gesamte Kaiserzeit erfolgende Nutzung des monumentalen Eingangsbereiches - theoretisch als möglicher Zentraleingang.62
Im Norden des Forums wurden zwei nebeneinanderliegende, wohl öffentliche Gebäude freigelegt.63 Ein nach Süden hin ausgerichtetes Gebäude wies zunächst Merkmale eines Podiumstempels auf, begrenzt durch die Portikus entlang der via principalis im Westen. Neuere Theorien sehen im nördlichen Bauwerk dagegen kein Heiligtum mehr, sondern viel eher ein Amtsgebäude, beispielsweise eine curia oder ein tabulatorium. Schaub vergleicht den podiumsartig erhöhten Raum samt südlich ausgerichtetem Treppenfundament mit ähnlichen Beispielen aus Pompeji und Ostia. Der östlich anschließende Raum besäße demnach ein niedrigeres Laufniveau. Im Westen konnte eine an den Bau angegliederte Portikusanlage angeschnitten werden. Die bislang ergrabene Rückwand führt über 34 Meter nach Osten, wobei ein Ende vorläufig nicht erreicht werden konnte.64 Schaub mutmaßt einen symmetrischen Aufbau des Gebäudes und vermutet darum einen gleichartig erhöhten, über Treppen zu erreichenden Raum wie im Westen.65 Der südliche Baukörper befindet sich in einem Abstand von 13 Metern zum „Amtsgebäude“. Er kann als zweischiffiger,
[...]
1 OHLENROTH 1956 und OHLENROTH 1957.
2 BAKKER 1985, BAKKER 1993 und BAKKER 2000.
3 SCHAUB/BAKKER 1998 und SCHAUB 2001.
4 WILLBURGER 2004.
5 TREMMEL 2012.
6 MÜLLER 2016.
7 Für den gesamten Augsburger Raum liegen fast nur Einzelbauteile vor, die römische Architektur ist weitgehend unbekannt und aufgehende Bauten liegen ebenfalls nicht vor. Die Fundorte der Bauteile offenbaren eine weitreichende Verschleppung, beweisen parallel jedoch auch deutlich die Existenz von großen, öffentlichen Bauten im Bereich der raetischen Provinzhauptstadt, MÜLLER 2016, S. 76.
8 ZORN 1994, S. 28.
9 RABOLD 2005, S. 169-171.
10 GAIRHOS 2016, S. 113.
11 BAKKER 2000, S. 88.
12 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 178.
13 Zwischen dem augusteischen Lager von Augsburg-Oberhausen und dem tiberischen Kastell im Domviertel bestand also eine ungebrochene Siedlungskontinuität, vgl. BAKKER Anfänge 1985, S. 36-39.
14 BAKKER 2000, S. 89.
15 SCHAUB 2001, S. 32f.
16 Abb.1
17 Grabungen wie in der Stephansgasse 1981 oder 1991-1993, im Neuen Kautzengäßchen 1989-1990 oder bei St. Gallen 1959-1960 legten verschiedene Stellen des Grabens und Kastells frei und ermöglichten eine Einschätzung der ungefähren Kastellgröße. In der Stephansgasse konnten auch die Grundmauern des Marktgebäudes gesichert werden, vgl. BAKKER 1993.
18 BAKKER 1993, S. 87f.
19 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 179.
20 Bakker vermutet in dem Augsburger Kastell sogar das wichtigste und größte militärische Zentrum des Voralpenlandes der julisch-claudischen Zeit, vgl. BAKKER 2000, S. 89.
21 Abb.2
22 Dies belegen auch militärische Einzelfunde mehrerer Grabungen innerhalb des umwehrten Areals sowie eine Gruppe von flavischen Reitergrabsteinen, vgl. BAKKER 1993, S. 88.
23 BAKKER 1993, S. 88.
24 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 179.
25 Eine Grabung am Fronhof 8 von 1984 bis 1986 untersuchte beispielsweise ein mehrperiodiges Streifenhaus des ersten Jahrhunderts. Kastell und Kastellareal wurden wohl bereits im zweiten nachristlichen Jahrzehnt vermessen, schließlich wurde der Verlauf der Straße Richtung Kempten endgültig festgelegt und ein mindestens 8 auf 20 Meter großer, langrechteckiger Pfostenbau mit der Schmalseite zur Straße hin errichtet. Ein Gebäudeneubau um die Mitte des Jahrhunderts hielt die alten Grundstücksgrößen bei. Nach der Brandkatastrophe von 70 wurde beim erneuten Bebau ein massives Fachwerkgerüst etwa einen Meter in den Boden eingelassen. Der Ausbau in Stein erfolgte schließlich um die Jahrhundertwende, vgl. TREMMEL 2012. S. 21-39.
26 Viele technische wie organisatorische Voraussetzungen für Holzbau und Steinbau sind bis heute ungewiss. Weber vermutet ein in collegiae organisiertes Bauwesen, in Augsburg vermutet er bis ins dritte Jahrhundert einen größeren Steinmetzbetrieb. Der Ausbau von Holz in Stein könnte seines Erachtens nach eng mit der wachsenden Prosperität und dem Prestige von Siedlungsorten zusammenhängen, vgl. WEBER 2000, S. 81-87.
27 LIPPS 2016, S. 106f.
28 Die Auseinandersetzungen des Vierkaiserjahres 69 sowie der Durchzug norischer Truppen 70 scheinen als Grund hierfür wahrscheinlich, SCHAUB 2001, S. 29.
29 ROECK 2005, S. 15.
30 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 186-188.
31 Es fällt schwer, den Übergang des Hauptstadtstatus von Kempten zu Augsburg genau zu datieren, vgl. CZYSZ 2005, S. 205f.
32 GOTTLIEB Recht 1985, S. 53.
33 BAKKER 2000, S. 91.
34 ZORN 1994, S. 30.
35 BAKKER Topographie 1985, S. 43.
36 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 180.
37 WILLBURGER 2004, S. 111-117.
38 BAKKER 1993, S. 90.
39 CZYSZ 2005, S. 206f.
40 In dieser Zeit beginnen bereits erste Steinüberbauungen über niedergebrannten Gebäudekomplexen, vgl. SCHAUB 2001, S. 29.
41 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 188f.
42 TREMMEL 2012, S. 116f.
43 BAKKER 2000, S. 92.
44 GAIRHOS 2016, S. 114.
45 ROECK 2005, S. 17.
46 GOTTLIEB Recht 1985, S. 52f.
47 GOTTLIEB Stadt 1985, S. 57-59.
48 SCHAUB 2001, S. 29.
49 HÜBENER 1958, S. 171.
50 Nichtsdestotrotz konnten Thermenbauten sowie Wohngebäude freigelegt werden, die von einer hohen Lebensqualität zeugten, vgl. BAKKER Topographie 1985, S. 45.
51 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 180.
52 Rabold bezieht sich hierbei hauptsächlich auf das römische Ladenburg, vgl. RABOLD 2005, 169.
53 Abb.3
54 Abb.4
55 In römisches Flächenmaß umgerechnet und zusätzlich dem circa 6 Meter breiten cardo beliefe sich die Fläche fast genau auf 9 actus, also 120 auf 120 römische Fuß, vgl. SCHAUB 2001, S. 35.
56 BAKKER 1993, S. 91.
57 Die via praetoria bestand somit als decumanus maximus weiter, vgl. SCHAUB/BAKKER 1998, S. 183.
58 SCHAUB 2001, S. 35.
59 Lediglich zahlreiche Schuhnägel sowie Graffiti auf dem Säulenputz konnten geborgen werden, vgl. SCHAUB/BAKKER 1998, S. 184.
60 SCHAUB 2001, S. 37.
61 SCHAUB/BAKKER 1998, S. 184.
62 SCHAUB 2001, S. 39.
63 Abb.4, arabische Ziffern 5 und 6.
64 SCHAUB 2001, S. 37.
65 Abb.5
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