Ludwig Wittgenstein und der Linguistic Turn

Ein Vergleich zu Wilhelm von Humboldts sprachphilosophischen Ansichten


Term Paper, 2020

15 Pages, Grade: 2,0


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Ludwig Wittgenstein und der Linguistic Turn

3. „Philosophische Untersuchungen“ von Ludwig Wittgenstein
3.1. Kritik an der Abbildtheorie
3.2. Die Gebrauchstheorie der Bedeutung
3.3. Der radikale Deskriptivismus
3.4. Die Sprache als Urphänomen

4. Wilhelm von Humboldt und die Sprache
4.1. Sprache als Organismus
4.2. Kritik an der Abbildtheorie
4.3. Der Verstehensprozess

5. Vergleich: Wittgenstein und Humboldt

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der linguistic turn oder auch linguistische Wende genannt, ist nach der kopernikanischen Wende eines der bedeutendsten Ereignisse der Philosophie des 20. Jahrhunderts (Rorty, 1997, S. 3). Dass die Sprache nicht allein zur Abbildung der Wirklichkeit dient oder als bloßes Verständigungsmittel ist jedoch kein Gedanke, welcher erst der Philosophie des 20. Jahrhunderts zugesprochen werden darf. Wilhelm von Humboldt beschäftigte sich bereits ein ganzes Jahrhundert zuvor mit der Sprache. Er erkannte in ihr eine erkenntniskonstruktive Funktion, die er als „Bedingung aller weiteren philosophischen Auseinandersetzungen“ betrachtete (Welbers, 2001, S. 48).

Dennoch zählt Humboldt nicht zu den Protagonisten in Bezug auf den linguistic turn und findet unter Fachphilosophen, die sich mit der Sprachphilosophie auseinandersetzen, selten Aufmerksamkeit. Obwohl Humboldts sprachphilosophischen Vorstellungen und die Kerngedanken, die für den linguistic turn sorgten, in einigen Punkten übereinstimmen, wird er in damit zusammenhängender Literatur nicht erwähnt. Die Parallelen zwischen Humboldts Theorie und der Philosophie der linguistischen Wende werden im Spätwerk Ludwig Wittgensteins besonders deutlich.

Dieses wird in der vorliegenden Arbeit näher untersucht. Vorangestellt wird die Darstellung des linguistic turns und Ludwig Wittgensteins Einfluss darauf. Die sprachphilosophischen Gedanken Wittgensteins werden hauptsächlich auf das Werk „Philosophische Untersuchungen“ bezogen. Die sprachtheoretischen Überlegungen Humboldts werden anhand seines Hauptwerkes „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ rekonstruiert. Abschließend werden beide Theorien auf Grundlage der vorangegangenen Rekonstruktion miteinander verglichen und es werden Vor- und Nachteile herausgearbeitet und erörtert.

2. Ludwig Wittgenstein und der Linguistic Turn

Ludwig Wittgenstein ist zum bedeutendsten Ideengeber der zwei sprachphilosophischen Strömungen im 20. Jahrhundert geworden. Diese waren die Philosophie der idealen Sprache (ideal language philosophy) und die Philosophie der normalen Sprache (ordinary language philosophy). Während sich die Vertreter der Idealsprachenphilosophie (dazu gehörten u.a. Frege, Whitehead, Carnap) auf das Frühwerk Wittgensteins, den „Tractatus logico-philosophicus“ beziehen, folgen die Vertreter der Normalsprachenphilosophie (u.a. Ryle, Austin, Strawson) dem Spätwerk „Philosophische Untersuchungen“ von Wittgenstein.

Trotz mancher Differenzen und kontrastreicher Gegenüberstellung haben beide Strömungen die philosophische Untersuchung der Sprache und deren Problematiken zum Kern. Der Unterschied wird deutlich bei der Herangehensweise an diese Problematik und die differenten Auffassungen der Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks. Die Vertreter der Philosophie der idealen Sprache bedienten sich der Methode die Sprache als eine ideale Zeichensprache mit einer logischen Syntax zu konstruieren. Diese Methode unterscheidet sich dahingehend, dass das reale Objekt vom Ausdruck bezeichnet wird, im Gegensatz zur neuzeitlichen subjektiven Bildungstheorie. In dieser wird die Vorstellung des Subjekts als Bedeutung von Ausdrücken festgelegt (Schrenk & Newen, 2008, S. 11).

Gottlob Frege zeichnet sich dabei als Begründer der Bedeutungstheorie der Idealsprachenphilosophie aus. Mit seiner „Begriffsschrift“ (1879) bildet er die Grundlage für ein logisches Kalkül zur Formalisierung der natürlichen Sprache (vgl. ebd. S.19). Die Bedeutungstheorie hatte zum Ziel die objektive Wahrheit wissenschaftlicher Aussagen zu verteidigen. Daher lehnte er psychologische Erklärungsversuche zur Bestimmung sprachlicher Ausdrücke vehement ab (vgl. ebd. S. 17f). Diese Gedanken Freges bezeichneten den Beginn der linguistischen Wende. Für viele Denker in der Zeit des linguistic turns waren Freges Überlegungen das Fundament ihrer Theorien, so auch für den frühen Wittgenstein. Später entfernte sich Wittgenstein von diesen Gedanken und kritisierte sie stark. Er erkannte, dass traditionelle philosophische Probleme nur Illusionen waren, die aufgrund von Missverständnissen über die Funktion von Sprache entstanden sind. Die Verwendung und Bedeutung der Sprache wurde in den Mittelpunkt philosophischen Denkens gerückt. Die Bedeutung von Worten hinge also von der kontextabhängigen Verwendung ab, da der Zusammenhang zwischen Ausdruck und Objekt generell arbiträr sei.

3. „Philosophische Untersuchungen“ von Ludwig Wittgenstein

Im Vorwort des Werkes „Philosophische Untersuchungen“ von Ludwig Wittgenstein möchte er seine Leserschaft „zu eigenen Gedanken anregen“ (Philosophische Untersuchungen, S. 9)1. Er entwirft ein fragmentarisches Werk, welches er mit einem „Album“ vergleicht, um die Akzentuierung auf den subjektiven Charakter zu legen. Die Schrift setzt sich aus „philosophischen Bemerkungen“ bzw. einer „Menge von Landschaftsskizzen“ zusammen, welches er auf seiner philosophischen „Gedankenfahrt“ durch ein „weites Gedankengebiet, kreuz und quer, nach allen Richtungen hin“ entworfen habe (vgl. PU S. 7f).

Im Folgenden soll das Werk inhaltlich näher beleuchtet und Kernpunkte herausgearbeitet werden.

3.1. Kritik an der Abbildtheorie

Im Kern des Spätwerks Wittgensteins steht eine Kritik an der Reduktion der Sprache auf ihre bloße Abbildfunktion. Bereits im ersten Paragraphen kritisiert Wittgenstein das der Funktion der Sprache allein die Repräsentation der Wirklichkeit zugeschrieben wird. Er versucht zu zeigen, dass die Abbildtheorie nicht den Anspruch erheben dürfe eine Sprachtheorie darzustellen, wenn diese der Sprache nur diesen einen Aspekt zuerkennt. Also folglich sei die Abbildtheorie nur eine „primitive Vorstellung von Art und Weise, wie die Sprache funktioniert“ (PU 2).

Anhand einer Reihe von sprachlichen Phänomenen lässt sich erkennen, dass diese nicht mit der Theorie erklärt werden können: „Denken wir allein an die Ausrufe. Mit ihren ganz verschiedenen Funktionen: Wasser! Fort! Au! Hilfe! […] Bist du nun noch geeignet, diese Wörter ‚Benennung von Gegenständen‘ zu nennen?“ (PU 27).

[...]


1 Im Folgenden werden Zitate aus dem Werk „Philosophische Untersuchungen“ mit PU abgekürzt, sowie mit zugehöriger Nummerierung bzw. dazugehörigem Paragraphen gekennzeichnet.

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Details

Title
Ludwig Wittgenstein und der Linguistic Turn
Subtitle
Ein Vergleich zu Wilhelm von Humboldts sprachphilosophischen Ansichten
College
University of Leipzig  (Philosophie)
Course
Verstehen und Anerkennen: Grundlagen der Ethik in Wittgensteins Spätwerk
Grade
2,0
Author
Year
2020
Pages
15
Catalog Number
V1220483
ISBN (eBook)
9783346646477
ISBN (Book)
9783346646484
Language
German
Keywords
Theoretiosche Philosophie, Wittgenstein, Sprachphilosophie
Quote paper
Vivien Weigel (Author), 2020, Ludwig Wittgenstein und der Linguistic Turn, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1220483

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Title: Ludwig Wittgenstein und der Linguistic Turn



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