Eheformen in der Antike


Term Paper (Advanced seminar), 2007

18 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Polyandrie bei den Kelten

2. Polyandrie bei den Spartanern

3. Polygynie in Mesopotamien

4. Polygynie bei den Makedoniern

5. Polygynie bei den Persern

6. Geschwisterehe in Ägypten

Zusammenfassung

Quellen- und Literaturverzeichnis

Quellen

Literatur

Einleitung

In der Antike gab es nicht nur die von den Römern und Griechen praktizierte Monogamie, sondern daneben auch weitere Eheformen. In einer Reihe von Kulturen existierte Polygamie – eine Form der Ehe, bei der ein Partner ständig mit mehreren Partnern des anderen Geschlechts zusammenlebt. Aufgrund ihrer Kontakte zu anderen Kulturen der antiken Welt, wussten Griechen und Römer sehr wohl, dass neben ihrer monogamen Eheform auch Polygynie – die eheliche Verbindung eines Mannes mit mehreren Frauen – und die seltenere Form der Polyandrie – die eheliche Verbindung einer Frau mit mehreren Männern praktiziert wurden. Auch war in einigen Kulturen die Geschwisterehe üblich.

Polygamie ist nach wie vor ein aktuelles Thema, denn sie wird auch heute noch beispielsweise in Tibet praktiziert. Hier sind sowohl Polygynie als auch in anderen Gegenden Polyandrie verbreitet. Üblich ist, dass bei der Polygynie ein reicher Mann mehrere Schwestern heiraten kann und dass bei der Polyandrie eine Frau mehrere, meistens zwei, Brüder heiratet. Die Eheform der Polyandrie hat ihren Ursprung in der tibetischen Feudalzeit. So konnte ein männliches Familienmitglied zur Sklavenarbeit herangezogen werden, während das Land der Familie weiterhin von dem weiteren männlichen Familienmitglied bestellt werden konnte.[1]

Im Folgenden sollen exemplarisch anhand mehrerer Kulturen verschiedene polygamische Eheformen der Antike beleuchtet werden. Zentrale Fragen, die beantwortet werden sollen, sind zum einen, welche Gründe Polygamie hat und zum anderen, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen sie auftritt.

Ziel ist es, zu zeigen, dass Polygamie in der Antike weit verbreitet war. Daher können aufgrund der Fülle der verschiedenen untersuchten Kulturen die jeweiligen politischen, sozialen, rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen nicht detailliert analysiert werden.[2] Quellen für dieses Thema finden sich bei den griechischen und römischen Schriftstellern, die selbst in den Kontakt mit den Sitten anderer Kulturen gekommen waren, wie Plutarch, Polybios und Caesar. Daneben bietet das Alte Testament Belege für Polygamie im alten Mesopotamien und im alten Israel. Herodot ist mit seinem Bericht über seine Reisen bis nach Ägypten und Skytien eine Quelle für die orientalischen Völker der Antike. Allerdings wird in sämtlichen Quellen die polygamische Eheform im Zuge der Lebensbeschreibungen bekannter Persönlichkeiten meist nur erwähnt und nicht weiter analysiert.

Einschlägige Literatur zu dem Thema Polygamie in der Antike ist kaum vorhanden. Beispielsweise lässt selbst der Neue Pauly einen eigenen Artikel zur Polygamie vermissen.[3] Unter dem Stichwort „Ehe in der Antike“ wurde bisher viel geschrieben, aber in den meisten Werken wird auf einleitende Definitionen verzichtet und sich auf die monogamen Eheformen der Griechen und Römer konzentriert, ohne zu erwähnen, dass daneben andere Formen der Ehe existierten. Ehe in der Antike wird vor allem im Zuge der – anglistischen- Gender- und Frauenforschung behandelt.[4] Unter dem Schlagwort der Polygamie finden sich vor allem Werke über Polygamie im heutigen Afrika und bei den Mormonen. Ein überblicksartiges Werk, das eine Gesamtschau der verschiedenen Eheformen antiker Kulturen bietet, ist m.E. ein Desiderat.

Literatur über Polygamie der Makedonier, wie die Aufsätze von Carney[5], und der Perser, wie das Werk von Brosius[6] beschreibt vor allem die extrem komplexen dynastischen Strukturen und dynastischen Machtkämpfe der Perser und Makedonier. Ebenso ist dies der Fall bei dem Werk von Odgen[7] Zur Polygamie im alten Mesopotamien liefert Friedl[8] die zentrale Darstellung. Zur Polygamie in Sparta liefert der Aufsatz von Schmitz, der das Thema unter einem stark ethnologisch-anthropologischen Blickwinkel untersucht, Informationen.[9] Für Polygamie bei den Kelten ist beispielsweise das Werk von Moreau[10] hilfreich. Informationen über polygame Eheformen sind in der Literatur zu den Kelten kaum vorhanden, denn überwiegend stehen rein archäologische Themen im Vordergrund.

Zunächst werden die Polyandrie bei den Kelten, wofür Caesar als zentrale Quelle dient, und bei den Spartanern, wo Xenophon und Polybios Quellenmaterial liefern, betrachtet. Danach soll die Polygynie im alten Mesopotamien untersucht werden, wofür das Alte Testament als Quelle dient. In diesem Abschnitt wird auch auf das alte Israel und die Sonderform der Leviratsehe eingegangen. In einem nächsten Kapitel wird die Polygynie in Makedonien untersucht, wobei aufgrund des Quellen- und Literaturmaterials nur die Situation im Herrscherhaus betrachtet werden kann. Plutarch ist als Quelle hierfür zu nennen. In einem weiteren Schritt wird aufgrund der Quellenbasis von Strabon und Herodot die Polygynie bei den Persern untersucht. Zuletzt soll noch auf die Geschwisterehe, die vor allem im ägyptischen Herrscherhaus praktiziert wurde, eingegangen werden.

1. Polyandrie bei den Kelten

Einzig Caesar berichtet, dass die Kelten Großbritanniens polygame Ehen führten. Bei den Kelten der Gegend um Kent sind Frauen mit mehreren Männern gleichzeitig verheiratet. „Von allen Einwohnern sind am meisten zivilisiert die Bewohner von Cantium (…) Zehn Männer, in anderen Fällen zwölf, haben gemeinsam Frauen, und zwar meist Brüder mit Brüdern und Väter mit ihren Söhnen. Von ihnen stammende Kinder gelten als deren Kinder, die ein Mädchen zuerst heimführten.“[11] Polyandrie scheint aber nur in Großbritannien vorgekommen zu sein. Dieser Sonderfall lässt sich mit der starken Stellung der Frau im Inselkeltentum erklären. Hier waren die Kelten wahrscheinlich matriarchalisch organisiert. Auf dem Festland dagegen lebten die Kelten monogam und ihre Gesellschaft war rein vaterrechtlich bestimmt.[12] Dass Polyandrie eine Ausnahme auch im Inselkeltentum darstellte, zeigt die Tatsache, dass das altirische Recht – zumindest für die Oberschicht – Polygynie vorsah, jedoch nicht Polyandrie.[13] Bei den Germanen war immer die Möglichkeit vorhanden, mehrere gesetzlich vollgültige Ehen nebeneinander zu schließen, wovon allerdings nur Reiche Gebrauch machen konnten.[14] In der „Germania“ des Tacitus findet sich ein Hinweis darauf, dass Polygamie bei den Germanen vorkam. „Trotzdem hält man dort die Ehen sehr streng ein, und keinen Bereich ihrer Sitten sollte man mehr loben. Denn fast als einzige unter den Barbaren geben sie sich mit einer Frau zufrieden, mit Ausnahme ganz weniger, die sich jedoch nicht aus Sinnlichkeit so verhalten, sondern wegen ihrer vornehmen Herkunft mehrfach mit Heiratsangeboten umworben werden.“[15] Tacitus erwähnt hier, dass die Mehrzahl der Germanen, vor allem ihre Herrscher, polygam lebt.[16] Tacitus beschreibt in diesem Werk die Germanen als Gegenbild zu den Römern. Auch die Ausführungen über die Ehe sind nur vor den römischen Gegenbildern zu verstehen.[17]

2. Polyandrie bei den Spartanern

In Sparta waren Frauen den Männern gleichberechtigt, was auf die restliche griechische Welt ungewöhnlich und befremdlich wirkte. Mädchen wurden ebenso wie die Jungen kraft- und körperbetont erzogen und waren daher selbstbewusst. Das spartanische Erbrecht erlaubte es auch den Frauen, zu erben.[18]

Bei Polybios ist ein Beleg für praktizierte Polyandrie bei den Spartanern zu finden: „Denn bei den Lakedämoniern war es eine althergebrachte Sitte, dass drei und vier, bisweilen mehr Brüder eine Frau hatten und ihre Kinder gemeinschaftlich waren; ebenso war es wohlanständig und gebräuchlich, wenn man eine hinreichende Zahl von Kindern erzeugt hatte, seine Frau an einen Freund zu verheiraten.“[19] Ebenfalls wird erwähnt, dass man seine Frau an einen Freund zum Zwecke der Kinderzeugung „ausleihen“ konnte.

Ein Weg für Frauen, zu Besitz und Reichtum zu gelangen, führte über Kinder von mehreren Männern. Bei Xenophon ist es bezeugt, dass Frauen auf diesem Weg die Führung von zwei oder gar mehr Haushalten übernehmen konnten. „Sollte freilich der Fall eintreten, dass ein alter Mann eine junge Frau habe, bestimmte er (= Lykurg) auch das (den Einrichtungen der anderen Griechen) Entgegengesetzte, da er sah, dass Männer in hohem Alter ihre Frauen besonders sorgfältig bewachen. Er richtete nämlich ein, dass der alte Mann einen Jüngeren, dessen Erscheinung und Charakter ihm gefalle, zu sich nach Hause hole, um sich von diesem Kinder zeugen zu lassen. Wenn aber einer wiederum nicht mit einer Frau zusammenleben wollte, sich aber dennoch ansehnliche Kinder wünschte, so erließ er auch für diesen Fall ein Gesetz, dass ihm erlaubte, sich eine Frau zu suchen, von der er sah, dass sie viele Kinder haben werde und aus gutem Hause stammte, und mit ihr, falls er die Zustimmung ihres Ehemanns einholen konnte, Kinder zu haben. Noch viele vergleichbare Zugeständnisse machte er; denn die Frauen wollten nämlich über zwei Haushaltungen herrschen und die Männer für ihre Kinder noch weitere Brüder erhalten – Brüder, die zwar an dem Ansehen und an der Macht des Geschlechts teilhaben, aber keine materiellen Ansprüche erheben.“[20]

Bei Plutarch ist ebenso ein Absatz über das „Ausleihen“ von Ehefrauen bei den Spartanern zu finden: „For example, an elderly man with a young wife, if he looked with favour and esteem on some fair and noble young man, might introduce him to her, and adopt her offspring by such a noble father as his own. And again, a worthy man who admired some women for the fine children that she bore, her husband and the modesty of her behaviour as a wife, might enjoy her favours, if her husband would consent, thus planting, as it were, in a soil of beautiful fruitage, and begetting for himself noble sons, who would have the blood of noble men in their veins.”[21] Es ging in Sparta also wohl darum, der Frau eine matrilineare Nachfolge zu sichern.[22] Auch in Athen und Rom gab es die Möglichkeit, eine fruchtbare Gattin an einen Standesgenossen auszuleihen, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass Voraussetzung dafür eine Scheidung und erneute Eheschließung waren.[23]

„Aus der Negierung einer rechtmäßigen Ehe, wie sie durch den Hochzeitsbrauch zum Ausdruck kommt, ergibt sich eine matrilineare Weitergabe von Besitzrechten und damit das Verbot einer Ehe unter Halbgeschwistern väterlicherseits (statt mütterlicherseits wie in Athen). Durch die Polyandrie soll es der Frau ermöglicht werden, Kinder zu gebären, wenn aus einer ersten Verbindung keine Kinder oder nur Töchter hervorgegangen waren.“[24] Für Schmitz sind dies Indizien dafür, dass in Sparta eine kommunitäre Gesellschaft aufgebaut worden war. Aber vor der Mitte des 5. Jahrhunderts vollzog sich in Sparta ein Umschwung zurück zur monogamen Ehe und zur patrilinearen Familie.[25]

[...]


[1] Henrik Bork: Drei sind keiner zuviel. Eine alte Tradition und ein ökonomischer Vorteil – warum in den Bergen oberhalb des Jangtse Ehen funktionieren, die sonst überall nur Stress bedeuten. In: Süddeutsche Zeitung 162 (17. Juli 2007).

[2] Auf die (Ehe-)Verhältnisse bei den Griechen und Römern soll in dieser Arbeit nicht eingegangen werden. In Griechenland gibt es auch seltene Fälle von Polygamie, beispielsweise hatte Sokrates zwei Frauen und der Tyrann von Syrakus, Dionysius I., heiratete zwei Frauen an demselben Tag. Doch da dies Ausnahmefälle darstellen, soll im Folgenden nur auf Kulturen eingegangen werden, bei denen Polygamie verbreiteter war. Vgl.: Walter Becker: Platons Gesetze und das griechische Familienrecht. Eine rechtsvergleichende Untersuchung. München 1932, S.83-85., zu möglichen polygamen Verhältnissen in Rom vgl.den unergiebigen Aufsatz von Dorit Engster: Römisches Frauenlob und Polyandrie- die Grabinschrift der Allia Potestas. In: Archiv für Kulturgeschichte 85 (2003), S.143-169, hier: 157f.

[3] Im Neuen Pauly wird in dem Artikel über Ehe lediglich in zwei Sätzen erwähnt, dass es im Alten Orient Polygamie gab. vgl.: Raymond Westbrook: Ehe. In: Hubert Cancik/ Helmuth Schneider (Hrsg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Bd. 3. Stuttgart 1997/1999, Sp. 893.

[4] vgl.: Helga Brandt: Frauen in der keltischen Gesellschaft. Forschungsansatz und Forschungsstand. In: Archäologische Informationen 18 (1995), S.87-90.

[5] Elizabeth Carney: Alexander and Persian Women. In: American Journal of Philology 117 (1996), S.563-583. und: Elizabeth Carney: The Politics of Polygamy. Olympias, Alexander and the Murder of Philip. In: Historia: Zeitschrift für Alte Geschichte 41 (1992), S.169-189.

[6] Maria Brosius: Women in Ancient Persia 559-33 BC. Oxford 1996.

[7] Daniel Odgen: Polygamy, Prostitutes and Death. The Hellenistic Dynasties. London 1999.

[8] Corinna Friedl: Polygamie in Mesopotamien und Israel. Sozialgeschichtliche Analyse polygamer Beziehungen anhand rechtlicher Texte aus dem 2. und 1. Jahrtausend v. Chr. Münster 2000.

[9] Winfried Schmitz: Die geschorene Braut. Kommunitäre Lebensformen in Sparta. In: Historische Zeitschrift 274 (2002), S.561-602.

[10] Jacques Moreau: Die Welt der Kelten. Stuttgart 1958.

[11] « uxores habent deni duodenique inter se communes et maxime fratres cum fratribus parentesque cum liberis. sed qui sunt ex iis nati, eorum habentur liberi, quo primum virgo quaeque deducta est.“ (Caesar : Der Gallische Krieg, Buch V 14).

[12] Moreau: Kelten, S.59.

[13] Birkhan, Helmut: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Wien 1997, S.1031. und: Wolfgang Lange: Die Germania des Tacitus. Heidelberg 1967, S.283.

[14] Lange: Germania, S.283f.

[15] Tacitus: Germania, 18.

[16] „Quamquam severa illic matrimonia, nec ullam morum partem magis laudaveris. nam prope soli barbarorum singulis uxoribus contenti sunt exceptis admodum paucis, qui non libidine, sed ob nobilitatem plurimis nuptiis ambiuntur.“ Tacitus: Germania, 18.

[17] Alfons Städele: Germania. Einführung. München 1991, S.179-181.

[18] Ernst Baltrusch: Sparta. Geschichte. Gesellschaft. Kultur. München 1998, S.81-84.

[19] Polybios: Historia XII 6.

[20] Xenophon: Die Verfassung der Spartaner I 7-9.

[21] Plutarch: Lives, Lycurgus XV. 7.

[22] Schmitz: Sparta, S.581.

[23] Maria H. Dettenhofer: Die Frauen von Sparta. Ökonomische Kompetenz und politische Relevanz. In: Maria H. Dettenhofer (Hrsg.): Reine Männersache? Frauen in Männerdomänen der antiken Welt. Köln u.a. 1994, S.15-40, hier: S.37. und: Schmitz: Sparta, S.582f.

[24] Schmitz: Sparta, S.584.

[25] ebd., S.590, 598.

Excerpt out of 18 pages

Details

Title
Eheformen in der Antike
College
LMU Munich  (Alte Geschichte)
Course
Ehe und Eheformen als Mittel der Politik
Grade
1,3
Author
Year
2007
Pages
18
Catalog Number
V123275
ISBN (eBook)
9783640280414
ISBN (Book)
9783656702870
File size
655 KB
Language
German
Keywords
Eheformen, Antike, Eheformen, Mittel, Politik
Quote paper
M.A. Franziska Hirschmann (Author), 2007, Eheformen in der Antike, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123275

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