Anorexie Nervosa - Ursachen und Behandlungskonzepte der Magersucht


Term Paper, 2006

33 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffserläuterungen

3 Essstörungen

4 Anorexie Nervosa
4.1 Ursachen für eine Magersucht
4.2 Symptome und Folgen
4.2.1 Seelische und psychosoziale Symptome und Folgen
4.2.2 Körperliche Symptome
4.3 Häufigkeit
4.4 Soziokulturelle Verbreitung

5 Therapie
5.1 Therapieansätze unter dem Aspekt der Ätiologie
5.1.1 Organmedizinische Behandlung
5.1.2 Psychotherapie
5.1.3 Ernährungstherapie
5.1.4 Gruppentherapeutische Verfahren
5.2 Therapieansätze ohne Berücksichtigung der Ätiologie
5.3 Vier-Phasen-Modell
5.4 Therapieziele und deren Umsetzung

6 Fallbeispiel

7 Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In den letzten Jahren hat die Anzahl der Menschen, die an Magersucht erkrankt sind, stark zugenommen. Mit der Zunahme der Betroffenen steigt auch das öffentliche Interesse zum Thema Magersucht rapide an. Die Veröffentlichungen reichen von Zeitungsartikeln, Erfahrungsberichten bis zu Fernsehreportagen. Erstmals wurde das Krankheitsbild im 19. Jahrhundert beschrieben, die Diagnose wird aber erst seit den 70er Jahren häufiger gestellt. So ist es nicht eindeutig, ob die Krankheit tatsächlich in der heutigen Gesellschaft vermehrt auftritt oder ob sie aufgrund der immer steigenden Aufmerksamkeit häufiger diagnostiziert wird. Jedoch ist bekannt, dass die Idealwerte des Menschen bezüglich des Aussehens in der Gesellschaft eine Veränderung erfahren haben. Das Idealbild von heute wird stark durch das Idealgewicht bestimmt, welches die Mehrheit der Gesellschaft mit Diäten, Disziplin, Sport usw. versucht zu erreichen oder zu halten. Bemerkenswert ist, dass bei immer mehr Männern die Erkrankung diagnostiziert wird, in der Vergangenheit waren vorwiegend Frauen und Mädchen von der Magersucht betroffen. Des Weiteren ist auffällig, dass das durchschnittliche Alter der Betroffenen immer weiter sinkt. Mädchen und Jungen haben ein hohes Körperbewusstsein und vergleichen sich mit ihren Idolen. Das Erscheinungsbild und das Wahrnehmen von der eigenen Umwelt haben bei jungen Menschen einen hohen Stellenwert. Bis zur Momentane konnten bedeutende Erkenntnisse bezüglich der Magersucht getroffen werden, jedoch bleiben Fragen bezüglich der Entstehung und der Therapie offen. Es sei zu den Ätiologiemodellen zu erwähnen, dass die aufgeführten Punkte Hypothesen sind, da die Beweisführung diesbezüglich noch aussteht. Aus diesem Grund gibt es auch kein allgemeingültiges Behandlungskonzept. Die Auswahl der vorgestellten Therapiemöglichkeiten erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da ständig neue Behandlungskonzepte entwickelt werden.

Im 2. Kapitel wird ein Überblick über entscheidende grundlegende Schlüsselbegriffe gegeben, welche für diese Thematik unumgänglich sind. Der 3. Abschnitt der Hausarbeit enthält die Beschreibung der Essstörungen im Allgemeinen. Im darauf folgenden Kapitel wird die Grundproblematik der Magersucht verdeutlicht. So besteht der erste Teil aus Grundlagen der Magersucht, hier wird ein Überblick über die Krankheit und deren Geschichte gegeben. Im zweiten Teil werden Ätiologiemodelle, die Symptomatik, die Folgen, die Häufigkeit und die soziokulturelle Verbreitung der Magersucht aufgezeigt. Im 4. Teil werden Behandlungsmöglichkeiten debattiert. Ein detailliertes Fallbeispiel wird im Punkt 5 aufgezeigt. Im 6. Abschnitt der Hausarbeit wird die Thematik zusammengefasst und ein Ausblick gegeben.

2 Begriffserläuterungen

Bei dem Versuch die grundsätzliche Problematik der Magersucht zu entfalten, ist es unerlässlich, Begriffe mit einzubeziehen, die in diesem Kontext von Bedeutung sind. Diese Begrifflichkeiten sollen im Folgenden erläutert werden.

Die wissenschaftliche Bezeichnung für Magersucht lautet „Anorexie Nervosa“. Der Terminus „Anorexie Nervosa“ ist in seinen Wortbestandteilen dem griechischen und lateinischen entlehnt und „Anorexie“ bedeutet Appetitsverminderung oder Appetitlosigkeit, der Zusatz „Nervosa“ weist darauf hin, dass die Krankheit psychische Ursachen hat. Die Bezeichnung wurde 1874 von Sir William Gull eingeführt und hat sich in der medizinischen und wissenschaftlichen Literatur durchgesetzt, obwohl der deutsche Begriff zutreffender ist. (Vgl. Gerlinghoff, Backmund, Mai 145, 1999) „Alle AutorInnen, die den Begriff „Anorexie“ bzw.

„Anorexia nervosa“ verwenden, weisen darauf hin, daß(!) dies unter etymologischen Ges]ichtspunkten eine falsche Bezeichnung ist“ (Franke 16, 1994), denn die Betroffenen haben Hunger und Appetit. So ist der Begriff Appetitlosigkeit irreführend.

Der Begriff „Bulimie“ oder „Bulimia Nervosa“ ist die wissenschaftliche Bezeichnung für die Ess-Brechsucht. Die Betroffenen nehmen Unmengen von Nahrung zu sich, um diese wieder zu erbrechen. (Vgl. Gerlinghoff, Backmund, Mai 154, 1999, insbes. Video)

3 Essstörungen

Essstörungen sind gesundheitsschädliche Verhaltensweisen, welche die Nahrungsaufnahme und deren Verweigerung betreffen. Die AN und die BN sind die bekanntesten und klinisch häufigsten Essstörungen. Betroffene die fasten, um irrtümlicher Weise abzunehmen, erleben häufig einen fließenden Übergang zur BN.

Zu Beginn fasten sie und später nehmen sie unkontrolliert Unmengen von Nahrung zu sich, um diese unter enormer Anspannung wieder zu erbrechen. Daher existieren zwei Unterkategorien der AN. Zum einen der restriktive Typus, hier verzichten die Betroffen auf Nahrung, insbesondere auf kalorienreiche Nahrung und/oder wenden übermäßige Aktivität an und zum anderen der purging-, bing-, purge- oder binge/purge Typus, die Patienten sind bulimisch, verwenden Abführmittel und Entwässerungsmittel. Es ist bekannt, dass Erkrankte den Typ wechseln können, meist beginnt die Störung mit einer restriktiven Phase. (Vgl. Gnutzmann 55, 2000) Im Gegensatz zur BN weisen beide Subtypen einen erheblichen, manchmal lebensbedrohlichen Gewichtsverlust auf, obwohl der purging Typus der AN der BN ähnelt. Jedoch tritt die Bulimie auch bei Normalgewichtigen und Übergewichtigen auf. (Vgl. Gerlinghoff, Backmund, Mai 154, 1999) Die Psychotherapeutin Susi Orbach stellt die Bulimie mit einer sozialen Handlung gleich und vergleicht sie mit dem Missbrauch von Marihuana, „denn viele Betroffene, die die Bulimie als gesellschaftlichen Akt betreiben, das heißt als ein spezifisches Bindungsritual, können sie jederzeit aufgeben.“(Orbach 16, 1987) Sie kommt zu dem Schluss, dass die BN keinen Einstieg zur Magersucht darstellen müsse, ebenso wenig wie Marihuana die Einstiegsdroge für Heroin sei. Jedoch schließt sie es nicht vollständig aus, denn für einige Betroffene „stellt sie den Auftakt zur Anorexie dar, für andere wiederum ist sie ein Problem an sich – wie etwa der gewohnheitsmäßige Konsum von Marihuana.“ (ebd.) Orbach meint weiter, dass die BN eigenständig und auch als Teil der AN ebenso wie die AN eine Antwort, ein Hilfeschrei der Betroffenen sein kann. (Vgl. ebd.) Sowohl bei der AN als auch bei der BN missbrauchen einige der Erkrankten Abführmittel und Appetitblocker. Eine weitere Essstörung ist die „Anorexia athletica“, die Betroffenen versuchen mit übermäßigem Sport an Gewicht zu verlieren. Diese Erkrankung wird nicht als eigenständiges Krankheitsbild anerkannt, sie wird meist als ein Symptom einer anderen Essstörung gesehen. Eine umstrittene und nicht anerkannte Essstörung ist die „Orthorexia nervosa“ – krankhaftes Gesundessen. Steven Bratman beschrieb dieses Krankheitsbild erstmals 1997, jedoch hat er keinerlei Forschung zur Orthorexia nervosa betrieben. Bratmann meint, dass die Betroffenen Angst vor ungesunden Lebensmitteln haben und sich ausschließlich damit beschäftigen, eine gesunde und somit vitaminreiche und kalorienarme Ernährung zu betreiben. (Vgl. Bratman, http://orthorexia.com/index.php?page=katef, 22.06.2006) Weitere Essstörungen sind die Esssucht, die Betroffenen leiden unter unkontrollierbaren Heißhungerattacken, das Pica-Syndrom, hier essen die erkrankten eher ungewöhnliche und Ekel hervorrufende Dinge wie zum Beispiel Papierschnipsel, Erde und auch Exkremente und die Kaufbulimie, die Betroffenen kompensieren ihre Esssucht mit einer Art Kaufsucht.

4 Anorexie Nervosa

Der Internist Gull und der Neurologe Lasègue beschrieben die AN erstmals in der medizinischen Literatur als eine zentralnervöse bzw. psychische Erkrankung im 19. Jahrhundert. Jedoch gab es schon lange vor dieser Zeit Beschreibungen anorektischen Verhaltens, diese werden auf religiös motivierte Rituale zurückgeführt. (Vgl. Köpp, Wegschneider 1f., 2000) So wird in der Literatur immer wieder darauf hingewiesen, dass „eine retrospektive Psychiatrisierung der damaligen Verhaltensweisen dubios und wissenschaftlich unseriös ist.“ (Köpp, Wegschneider 2, 2000) Zu erwähnen sei noch, dass 200 Jahre vor Gull und Lasègue der englische Arzt Morton einen detaillierten medizinischen Bericht einer Magersuchterkrankung erstellte. Er beschrieb ausführlich zwei Fallberichte über die Erkrankung. Morton ging damalig von einer nervösen Schwindsucht aus, jedoch trat diese ohne Fieber und Atemnot auf. Er vernahm die Appetitlosigkeit der Patienten und ging von einer seltsamen Unterdrückung des Appetits aus. Des Weiteren erkannte er eine gewisse Gleichgültigkeit bezüglich der Betroffenen gegenüber ihrer Erkrankung. Diese Begründete der Arzt mit einer Art Traurigkeit und Ängstlichkeit. Mortons Bericht war im 17. Jahrhundert einmalig, jedoch wurde er nicht zur Kenntnis genommen und war so von wenig Bedeutung. (Vgl. Gnutzmann 15f., 2000) Gull und Lasègue „gelten fortan als die eigentlichen „Entdecker“ dieser ´neuen` Störung.“ (Gnutzmann 16, 2000). In vielen Kontexten gibt dieser geschichtliche Hintergrund der AN Anlass zur Vermutung, dass Magersuchterkrankungen vor dem 19. Jahrhundert sehr gering vorgekommen sein mussten, da die Fallberichte von Morton die einzigen Beschreibungen des Krankheitsbildes waren. Die AN ist „seit Gull und Lasègue 1873 als eigenständige Krankheit definiert und anerkannt.“(Gnutzmann 40, 2000) Beide gingen von einer zentralnervösen bzw. psychischen Erkrankung aus. Jedoch kam es 1914 durch die Arbeit von Simmonds, „Hypophisisschwund mit tödlichen Ausgang“, zum Paradigmenwechsel. Er stellte bei einem AN-Patienten eine Schwellung der Hirnhangdrüse fest, welche er für das Krankheitsbild verantwortlich machte. Man ging nun nicht mehr davon aus, dass die AN ein psychisch verursachtes Krankheitsbild darstellte, sondern als Endokrinopathie, eine Erkrankung der inneren Drüsen, wurde die AN der inneren Medizin zugeordnet. Diese Annahme wurde bis in das 20. Jahrhundert vertreten. In den 30ern des 20. Jahrhunderts wurde belegt, dass Simmonds unbewusst einen Spezialfall der AN in seiner Arbeit darstellte. (Vgl. ebd.) Seitdem wurden viele Anstrengungen unternommen, die AN zu verstehen, um so „konstruktive Wege zu ihrer Beeinflussung zu finden.“ (Bruch 19, 1990) Im Fokus standen und stehen hier die erfolgreiche Behandlung und die Prävention der Erkrankung. Die AN ist eine psychosomatische Erkrankung mit Suchtcharakter. Als Einstieg zur AN gilt eine Diät, wird der Schlankheitswunsch zu stark, kann diese Diät außer Kontrolle geraten. Im Zentrum der Störung steht das falsche Körperbild der erkrankten Menschen. Magersüchtige haben große Angst, fett zu sein und eine so verzerrte Selbstwahrnehmung, dass sie selbst völlig abgemagert noch denken, dick zu sein. Sie leben ihre Erkrankung unter enormer Selbstkontrolle aus. Um ihr Gewicht zu verlieren, wenden die Betroffenen von AN unterschiedliche Methoden an. Sie sind bulimisch, fasten, missbrauchen Abführmittel oder/und treiben exzessiv Sport. Das Gefühl der absoluten Kontrolle über ihren Körper verleiht ihnen Selbstbewusstsein und Stolz. Der Gewichtsverlust wird zum Lebensinhalt, zum Inhalt des Denkens und des Handelns. Häufig ist die Magersucht gepaart mit hohem Leistungsdenken in allen Lebensbereichen. Bei Angehörigen und Bekannten bleibt die Magersucht meist lange Zeit unerkannt. Oftmals werden die Erkrankten zu Beginn bestärkt, indem sie für ihre Disziplin und Willenskraft gelobt werden. (Vgl. Mahler, Huff, Video, 1997)

4.1 Ursachen für eine Magersucht

„Mit zunehmender Erfahrung ist eine neue psychodynamische Auffassung von der Entstehung der Anorexia nervosa formuliert worden, denn man hat eingesehen, daß(!) die Krankheitsgeschehen zugrunde liegenden Störungen weit umfangreicher sind, als das traditionelle psychoanalytische Denken angenommen hat. (Ursprünglich war man der Auffassung, die Krankheit liege in Konflikten über die Sexualität…)“ (Bruch 19, 1990) Jedoch sind die genauen Ursachen für eine Magersucht bis heute nicht eindeutig bestimmbar. Es besteht die Annahme, dass mehrere Faktoren zusammenwirken müssen. Einer der Gründe für die Entwicklung für eine Magersucht ist sicherlich das aktuell vorherrschende, soziokulturell bedingte Schlankheitsideal und die Einstellung, dass das Aussehen des eigenen Körpers eine fundamentale Bedeutung für das eigene Selbstwertgefühl hat. Das wiederum ist enorm bedeutsam für den Erfolg im Beruf und in sozialen Beziehungen. Das Selbstwertgefühl ist bei den Betroffenen sehr gering. „Störungen im Selbstkonzept und in der Art und Weise, wie Erlebnisse wahrgenommen und … verarbeitet werden“ (Bruch 19, 1994), spielen eine bedeutsame Rolle für eine Entwicklung einer AN. Unzufriedenheit mit der eigenen Person und dem eigenen Leben werden auf den eigenen Körper übertragen. Welcher dann als Fremdkörper empfunden wird, der eigene Körper müsse nun vor dem Fettwerden geschützt werden. (Vgl. Bruch 20, 1994) Weitere Faktoren, oft zu den o. g. sozialen Gründen, können tiefe psychosoziale Konflikte, wie Eltern-Kind- Konflikte – zum Beispiel die kontrollierende Mutter, der fehlende Vater oder Traumata, wie eine Vergewaltigung oder Misshandlungen sein, aber auch „die Auseinandersetzung mit herrschenden weiblichen und männlichen Rollenvorstellungen für das betreffende Alter, Essgewohnheiten des kulturellen Umfelds der Betroffenen“ (Gnutzmann 58, 2000) sind für das Risiko einer Erkrankung relevant. Die Magersucht ist somit ein begleitendes Symptom für ein tieferes psychologisches Problem, welches behandelt werden muss. Ebenso ist es möglich, dass die AN sich zu einer bereits bestehenden Krankheit hinzu entwickelt. Zum Beispiel neigen depressive Menschen dazu, magersüchtig zu werden, da die Kontrolle über den eigenen Körper das einzige zu sein scheint, was ihnen noch bleibt. Die Betroffenen versuchen somit eine gewisse Kontrolle zu gewinnen. Daraus ergibt sich die Frage: Warum suchen sich diese Menschen, vor allem Frauen, ihren eigenen Körper als Kontrollobjekt aus? Die Wissenschaftlerin Alexa Franke, die in vielen Bereichen der psychosozialen Versorgung, Therapie und Rehabilitation wegweisende Forschungsarbeiten vorgelegt hat, sieht einen Hauptgrund für die Entstehung einer AN in einer Äußerung einer Patienten: „…und da sagte die: `Nee, du bist mittel, du bist gerade richtig`.“ (Patientin zit. n. Franke 74, 1994) Demzufolge ist die Angst Mittelmaß zu sein für einen anorektischen Menschen sehr bedeutsam. Denn nach Franke heißt „Normalsein“, dass es nichts gibt, woran man sich erkennen kann und somit ergibt sich eine fehlende Identität und dieses fehlende Identitätsgefühl „ist nicht die Folge der Erkrankung, sondern deren Ausgangsbasis.“ (Franke 74f., 1994) Als ein weiterer Faktor wird die Veranlagung in einigen Kontexten genannt, hierzu haben Forschungen mit eineiigen und zweieiigen Zwillingen stattgefunden. Jedoch müsste vorab geklärt werden, inwieweit Anlage und Umwelt den Menschen in seiner Entwicklung prägen und beeinflussen. Es wird davon ausgegangen, dass die Pubertät ebenso von Bedeutung ist und eine Ursache darstellen kann, da das durchschnittliche Alter der Erkrankten immer weiter sinkt. Liliane Juchli bezeichnet die AN als Pubertätsmagersucht, „es handelt sich dabei um den unbewußten (!) Versuch, die Entwicklung zur Frau rückgängig zu machen.“ (Juchli 529, 1987) Sie begründet die Magersucht ausschließlich auf die Pubertät. (Vgl. ebd.) Auch wenn in den 80ern fast ausschließlich Frauen und Mädchen an AN erkrankt sind und keine Männer, so waren es doch nicht nur Mädchen, sondern auch Frauen, die die Pubertät schon lange durchlebt hatten, welche von AN betroffen waren. Unumstritten ist die Tatsache, dass das durchschnittliche Alter der Patienten sinkt. Als einer der Gründe hierfür wird die Angst vor dem Erwachsenwerden genannt. Ein weiterer Aspekt ist die Rolle der Frau in der Gesellschaft, die Abwehr dieser Rolle, also gegen eine Fremdbestimmung und die Ausprägung eines starken Kontrollbedürfnisses entstehen frühkindlich und werden als Entwicklungsstörung gesehen. Diese Störung äußert sich überwiegend während der Pubertät. (Vgl. Dörge 10f.,1995) Orbach meint, dass insbesondere die Wahrnehmung des eigenen Körpers bei Frauen von zwei Faktoren abhängt. Zum einen vergleicht sich die Frau mit dem Ideal aus den Medien und zum anderen ist sie sehr sensibel bezüglich der Äußerungen aus der direkten Umgebung. Diese Äußerungen umfassen zum Beispiel Blicke, Worte oder der Umgang mit ihr im Allgemeinen. Hat sich die Frau erstmal ein Bild über ihren eigenen Körper gemacht, ihre Defizite erkannt, so ist dieses feststehend. Nach Orbach hat die Frau eventuell die Möglichkeit den Äußerungen aus ihrer Umwelt selbstbewusst gegenüber zu treten, wenn sie ein positives Bild von ihrem Körper entwickeln konnte. Hingegen ein negatives Bild Auslöser für eine Essstörung sein kann. (Vgl. Orbach 43ff, 1987) Als weitere Bedingungen für eine AN werden Stressfaktoren und Abhängigkeitskonflikte zum Beispiel zum Ehepartner oder zu den Eltern genannt. Junge Betroffene beschreiben ihre Eltern oftmals als übermächtig. „Schon Ende des 19. Jahrhunderts haben Gull, Lasègue und Charcot auf mögliche Zusammenhänge zwischen familiären Bedingungen, der Entstehung und Aufrechterhaltung der Anorexia nervosa hingewiesen.“ (Gerlinghoff, Backmund, Mai 34, 1999) Gerlinghoff, Backmund und Mai sind bei den Arbeiten für ihr Buch, „Magersucht und Bulimie“, mehreren Familien begegnen, in denen ein Mitglied an AN erkrankt ist. Sie beschreiben diese Familien als durchschnittliche Mittelstandsfamilien. „Dramatisch an diesen Familien ist das Undramatische.“ (ebd.) Orbach beschreibt die Gründe für eine AN und eine BN als eine „Reaktion auf die Umstände ihrer (Betroffene) Erziehung und ihrer sozialen Umwelt.“ (Orbach 16, 1987) Die Gründe für eine AN sind somit zahlreich, und eine singuläre Krankheitsursache kann nicht gefunden werden. Nach heutigen Erkenntnissen wird von einer multikausalen Verursachung ausgegangen, die Magersucht ist in jedem Einzelfall eine Kombination aus mehreren unterschiedlichen Bedingungen. (Vgl., insbes. Gnutzmann 57, 2000, Bruch 16ff, 1994) „Die psychosomatische Betrachtungsweise nimmt an, dass (!) es in jeder Population Gruppen von Individuen gibt, die aufgrund bestimmter Kombinationen prädisponierender Faktoren ein Risiko für Anorexia nervosa haben.“ (Gnutzmann 57, 2000) Damit es zu einer Erkrankung kommt, sind die Interaktion und die entsprechende zeitliche Konstellation der Faktoren notwendig. „In diesem Sinne ist Anorexia nervosa der letzte gemeinsame Pfad, das Produkt einer Gruppe miteinander agierender Faktoren“ (Gnutzmann, 57 f., 2000), wobei unklar ist, welche Bedingungen miteinander wann und wie agieren müssen. Wie schon erwähnt kommt noch hinzu, dass jeder einzelne Fall andere oder auch neue Ursachen benennen kann. Im Folgenden wird ein Risikomodell zur Entstehung von Essstörungen nach Jacobi, 1996 dargestellt (Vgl. Gnutzmann 59, 2000):

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Details

Title
Anorexie Nervosa - Ursachen und Behandlungskonzepte der Magersucht
College
University of Applied Sciences Magdeburg  (Fachhochschule Magdeburg-Stendal)
Course
Zum gesellschaftlichen Umgang mit Rauschdrogen
Grade
1,3
Author
Year
2006
Pages
33
Catalog Number
V123732
ISBN (eBook)
9783640281718
ISBN (Book)
9783640284924
File size
562 KB
Language
German
Keywords
Anorexie, Nervosa, Ursachen, Behandlungskonzepte, Magersucht, Umgang, Rauschdrogen
Quote paper
Dipl. Sozialpädagogin Nicole Becker (Author), 2006, Anorexie Nervosa - Ursachen und Behandlungskonzepte der Magersucht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/123732

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