Wie kann die Region Stuttgart trotz Globalisierung auf einem stabilen Beschäftigungspfad bleiben?

Eine qualitative Befragung von regionalen Organisations- und Unternehmensvertretern


Project Report, 2007

63 Pages


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Globalisierung
2.1. Definition
2.2. Problematik

3. Die Region Stuttgart
3.1. Erläuterung
3.2. Zahlenmaterial zur Beschäftigungssituation
3.3. Zukunftsaussichten zur Beschäftigungssituation

4. Herausforderungen der Globalisierung im Hinblick auf die Beschäftigungssituation
4.1. Stärken und Schwächen der Region Stuttgart
4.2. Interviewleitfragen und theoretische Grundlagen

5. Die Untersuchungsmethode: Qualitatives Interview

6. Untersuchungsergebnisse und Auswertung

7. Fazit

8. Literatur

9. Abbildungen

1. Einleitung

Die Globalisierung ruft eine zunehmende Verflechtung auf verschiedenen wirtschaftlichen und politischen Ebenen hervor. Die wesentlichen Ursachen für die zunehmende Bedeutung der Globalisierung sind unter anderem der technische Fortschritt, wie z.B. neue Kommunikationsmethoden und Transportmöglichkeiten, die weltweite Optimierung von Warenströmen sowie die Verlagerung von Produktionsstandorten.

Die Globalisierung ermöglicht jedoch nicht nur das Zusammenwachsen von Märkten und eine Kostenoptimierung bei der Herstellung von Waren und Wachstumschancen für Unternehmen der Region, sondern sie führt auch dazu, dass in Hochlohnländern wie beispielsweise Deutschland Arbeitsplätze eingebüßt werden.

Infolgedessen beschäftigt sich die vorliegende Forschungsarbeit mit der Frage, wie die Region Stuttgart trotz Globalisierung auf einem stabilen Beschäftigungspfad bleiben kann.

Als Einstieg erfolgt eine Erläuterung der Globalisierung im Hinblick auf die Stabilität des Beschäftigungspfades und seiner momentanen Wahrnehmung in der Bevölkerung.

Im Folgenden werden verschiedene Aspekte, die in der Region Stuttgart die Stabilität des Beschäftigungspfades beeinflussen könnten bzw. für die Stabilität des Beschäftigungspfades bedeutsam sein könnten, erörtert und anschließend Thesen formuliert, die bei späteren qualitativen Interviews von Experten in regionalen Unternehmen und Organisationen als Leitfaden für die Gespräche dienen, und abschließend einer Analyse und Auswertung unterzogen werden. Nach dem inhaltlichen Fazit wird zusätzlich ein Methodenfazit aufgeführt, um die Vorgehensweise zu evaluieren.

2. Globalisierung

Um die Bedeutsamkeit der Globalisierung darzustellen, werden drei Aussagen, die belegen, wie zentral dieser Prozess in der Region Stuttgart ist, aufgeführt.

Mathes merkt z. B. im Hinblick auf die Entwicklung des Außenhandels im Vergleich zur Warenproduktion an, dass das „… Volumen des globalen Warenhandels seit 1950 mit über 6 Prozent pro Jahr um zwei Drittel schneller gewachsen [ist; die Verf.] als die weltweite Warenproduktion“ (Matthes 2006: 1). Dies hängt nicht nur mit dem Abbau von Zöllen und Handelsbeschränkungen zusammen, sondern vor allem mit den neuen Informations- und Kommunikationstechniken, die das weltweite Produktions- und Transportwerk steuerbar machen. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Containerrevolution[1], die zu einer Steigerung der Transportgeschwindigkeit beitrug.

Die zunehmende Bedeutung der Globalisierung im deutschsprachigen Raum zeigt sich besonders in der gestiegenen Bedeutung durch die Medien. Betrachtet man beispielsweise die jährlichen Nennungen des Begriffes „Globalisierung“ in der FAZ, so waren es 1995 unter 200 und 2001 bereits über 1100 Nennungen (vgl. Greving 2003: 11).

So merkte beispielsweise Jürgen Schrempp, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Daimler Chrysler AG, zu dieser Thematik an: „Wer im globalen Wettlauf bestehen will, kann sich schon lange nicht mehr eine ausschließlich auf den Heimatmarkt zielende Unternehmenspolitik leisten. Dies gilt zunehmend auch für mittlere und kleinere Unternehmen. Keiner kann sich mehr erlauben, die Konkurrenz aus aufstrebenden Regionen auf dem Inlandsmarkt zu ignorieren, die Chancen in prosperierenden Märkten der Welt auszublenden“ (Schrempp 2002). Dies verdeutlicht, dass es nicht nur die großen und oft weltbekannten Unternehmen in der Region Stuttgart sind, die global agieren müssen, sondern auch die sogenannten KMU (Klein- und Mittelunternehmen bis 500 Mitarbeiter), die beispielsweise durch Gründung von Niederlassungen in anderen Ländern und Joint-Ventures mit anderen, ausländischen Firmen neue Märkte erschließen.

2.1. Definition

„Eine allgemeine und weithin akzeptierte Definition versteht unter (der ökonomischem) Globalisierung die zunehmende weltweite Vernetzung der nationalen Produkt-, Faktor- und Finanzmärkte, d.h. ihre fortschreitende Integration in die Weltwirtschaft. Als hauptsächliche Globalisierungsindikatoren gelten der Außenhandel, die Auslandsinvestitionen und die internationalen Kapitalströme. Die grenzüberschreitenden Transaktionen umfassen nicht nur Rohstoffe und Fertigprodukte von Waren und Dienstleistungen, sondern auch Vorleistungen und Produktionsfaktoren wie Arbeit (Migration). Kapital, Technologie, Wissen und Informationen. Durch diese vielseitigen Transaktionen wachsen die Volkswirtschaften – nicht nur ökonomisch – immer enger zusammen. Dadurch erhöht sich das Ausmaß der internationalen Arbeitsteilung und in ihrem Gefolge der weltweite Standortwettbewerb“ (Duwendag 2006: 11).

Die Globalisierung erstreckt sich dabei jedoch nicht auf alle Länder der Welt, sondern meist auf Amerika, Europa (hier insbesondere Osteuropa), Indien und Teile Asiens[2], die in diesen Prozess und die daraus resultierende Arbeitsteilung eingebunden sind.

Entsprechend ist es heutzutage für Konzerne aufgrund der technischen Möglichkeiten kein Problem, ihre Produktions-, Forschungs- und Entwicklungsstätten sowie Logistik etc. über die Landesgrenzen hinweg in die ganze Welt zu verteilen und jeweils die für sie kostengünstigste Alternative auszuwählen. Teilweise ist dies sogar zwingend erforderlich, da höhere Ausgaben und Kosten nicht wie früher in Form höherer Verkaufspreise an die Konsumenten/ Verbraucher weitergegeben werden können (vgl. Heese 2004: 7).

Dabei sind viele dieser Globalisierungsmerkmale keine wirklich neuen Phänomene, sondern als internationale Verflechtung seit der Entdeckung des Freihandels wohlbekannt (vgl. Duwendag 2006: 11).

Allerdings besitzt auch die Globalisierung zwei Gesichter.

- Auf der einen Seite sind es Großunternehmen aber auch Mittelständler, welche die Globalisierung als positiv bewerten, da durch sie Wachstum und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Region ermöglicht werden. Immer mehr Länder öffnen sich dem freien Weltmarkt und bieten dadurch Deutschland als exportstarker Nation mehr Chancen, Produkte im Ausland abzusetzen. Man spricht oft vom Exportweltmeister Deutschland, was durch eine Statistik der WTO, die Deutschland als Exportweltmeister vor den USA, Japan und China aufführt, belegt wird (vgl. www.e-globalisierung.org).
- „Da jeder vierte Arbeitsplatz, vor allem in den drei großen Industriebranchen Maschinenbau, Automobilindustrie und chemische Industrie, direkt oder indirekt vom Export abhängt, werden durch die Globalisierung solche Arbeitsplätze geschaffen und gesichert.“ (ebd.) Gerade der Automobil- und Maschinenbau sind die Schlüsselbranchen der Region Stuttgart, die durch die elektrotechnische Industrie als Zulieferer ergänzt werden (vgl. Heidenreich 1997: 17).

Dazu kommen die Konsumenten, die aufgrund der niedrigen Löhne beispielsweise in Fernost Güter des täglichen Bedarfes günstig erwerben können. Würden Digitalkameras und Laufschuhe nicht wie bisher in Niedriglohnländern, sondern in Deutschland hergestellt, wären sie für zahlreiche Verbraucher kaum erschwinglich. Derart niedrige Preise werden oft als gegeben hingenommen und von den Konsumenten kaum hinterfragt.

Basierend auf Daten des statistischen Bundesamtes nahmen die Preise von 1991 bis 2005 allgemein um 32,2 Prozent zu, allerdings existierten auch Preissenkungen, beispielsweise im Bereich Unterhaltungselektronik sowie Foto- und Filmausrüstung (über 30 Prozent). Dies war bzw. ist nur durch günstig hergestellte Produkte aus dem Ausland möglich (vgl. iwd 2006a: 8).

- Auf der anderen Seite erzeugt die Globalisierung Bedenken im Bezug auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes, da Firmen u. a. aus Kostengründen Teile des Unternehmens ins Ausland verlagern, um sich am Markt besser zu positionieren bzw. zu behaupten. „Wenn das Stichwort Globalisierung fällt, bekommen in Deutschland viele Menschen Bauchschmerzen – vor allem jene Arbeitnehmer, deren Tätigkeiten zunehmend in Fernost für kleines Geld erledigt werden. Ihre Sorge ist nicht unberechtigt, denn China und andere aufstrebende Niedriglohnländer setzen die Arbeitsplätze in den Industrienationen zunehmend unter Druck“ (ebd.).

Wichtiger als preiswerte Produkte sind vielen Menschen jedoch ihre Arbeitsplätze, weshalb wir uns im Folgenden ausschließlich auf die Stabilität des Beschäftigungspfades in der Region Stuttgart konzentrieren wollen.

Eine andere Frage, die sich bei allen Jobverlagerungen stellt, ist, was ohne sie passiert wäre. Würde das Unternehmen heute überhaupt noch als solches existieren? Dabei muss allerdings immer unterschieden werden, ob Arbeitsplätze im Ausland entstehen und somit einheimischen Arbeitnehmern neue Arbeitsplätze entgehen oder ob es wirklich zu Jobverlagerungen kommt. Einzig die Tatsache, dass Unternehmen beständig und über alle Branchen hinweg ins Ausland verlagern, verdeutlicht, dass sie diese Entwicklung als lohnenswert bzw. notwenig ansehen.

2.2. Problematik

Wohlstand hin oder her, von den meisten Menschen wird Globalisierung als bedrohend wahrgenommen. Sichere Arbeitsplätze gibt es immer weniger und über Jahre hinweg erworbene Besitzstände, allen voran die soziale Sicherung, sind in ihrer bisherigen Form gefährdet. Ein vergleichbares Ergebnis liefern entsprechende Umfragen: Zwar wird die Globalisierung nicht durchweg negativ empfunden, aber die Tendenz, dass die Nachteile überwiegen, nimmt deutlich zu. „Immer mehr Deutsche sehen sich auf der Verliererstraße der Globalisierung. Fast jeder Dritte erwartet laut einer Umfrage des Bundesverbands deutscher Banken eher Nachteile von moderner Arbeitsteilung und Welthandel“ (iwd 2006b: 1).

Dass dies im Jahr 2000 noch nicht so deutlich wahrgenommen wurde, belegt folgende Statistik: bei einer telefonischen Befragung von 1.528 Personen im Jahr 2000 sahen

37 Prozent Vor- und Nachteile sowie 25 Prozent eher Vorteile bzw. 24 Prozent eher Nachteile in der Globalisierung (siehe Abbildung 1). Im Jahr 2005 lieferte die Befragung folgende Ergebnisse: 41 Prozent sahen Vor- und Nachteile, 21 Prozent eher Vorteile und 30 Prozent eher Nachteile (siehe Abbildung 2) (vgl. ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2

Hauptsächlich ist es die Produktion oder Fertigung, welche an einen günstigeren Standort verlagert wird. In diesen Bereichen sind daher die Arbeitsplätze spürbar gefährdet. „Besonders beunruhigt durch die Billigkonkurrenz bei Autos, Elektronik und anderen Waren seien die Arbeiter, ergab die Umfrage weiter. Mehr als drei Viertel (76 Prozent) sehen darin eine Bedrohung. Bei Gewerkschaftsmitgliedern und Befragten in Bayern habe dieser Anteil sogar 80 Prozent erreicht. Noch 1998, als die gleiche Frage gestellt worden war, habe sich eine Mehrheit von 52 Prozent der befragten Deutschen keine Sorgen wegen der Fernost-Konkurrenz gemacht. TNS-Emnid befragte 3098 Bürger“ (www.focus.de 2007).

Um die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern ist „… eine Mehrheit von

58 Prozent aller Befragten der Auffassung, dass die Deutschen länger arbeiten und beim Lohn Verzicht üben müssen, wenn sie im internationalen Wettbewerb wieder nach vorne wollen. Dass die Deutschen mit ihrem jetzigen Lohnniveau und ihren Arbeitszeiten auch in Zukunft im internationalen Wettbewerb bestehen können, glauben der Umfrage zufolge nur 39 Prozent“ (www.focus.de 2007).

Nahrung erhält die zunehmende Sorge um die Sicherheit des Arbeitsplatzes aufgrund von Medienberichten, welche die nächste Stufe der Globalisierung propagieren. Mehreren Berichten zufolge werden beispielsweise Menschen aus Fernost illegal nach Italien eingeschleust, die vor Ort – ebenfalls illegal – für einen Hungerlohn Markenkleidung mit dem imaginären Logo „Made in Italy (by China)“ herstellen. „Im staubigen Hinterland Neapels, aber auch in Teilen der Toskana, der Lombardei und Venetiens lässt sich so die nächste Stufe der Globalisierung besichtigen: nach den Produkten erobern die urkapitalistischen Produktionsmethoden aus dem Reich der Mitte Europa“ (Bieker 2006: 129). Die Finanzpolizei in Italien berichtet von völlig flexiblen Arbeitszeiten, beschleunigten Produktionsrhythmen und Sklaven, die in den Fabriken leben (vgl. ebd.). Bisher sind solche Auswüchse der Globalisierung in Deutschland bzw. der Region Stuttgart noch nicht bekannt, jedoch können solche Medienberichte die Sorge um die Sicherheit des Arbeitsplatzes verstärken.

Bevor wir uns mit der Frage beschäftigen, wie die Region Stuttgart trotz Globalisierung auf einem stabilen Beschäftigungspfad bleiben kann, gilt es zu klären, was die Region Stuttgart auszeichnet und wie ihre momentane Situation aussieht bzw. welche Prognosen existieren.

3. Die Region Stuttgart

„Die Region Stuttgart ist einer der wichtigsten europäischen Ballungsräume. Von Nordwesten nach Südosten beträgt ihre Ausdehnung 90 km, von Südwesten nach Nordosten 80 km. In den 179 Städten und Gemeinden, in fünf Landkreisen und dem Stadtkreis Stuttgart sorgen 2,7 Millionen Menschen aus 170 Ländern für eine lebendige Atmosphäre, in der man gut leben und arbeiten kann. (...) Die Region Stuttgart gehört zu den stärksten Wirtschafts- und Technologiestandorten weltweit – mit einer hervorragenden Infrastruktur“ (www.region-stuttgart.de 2007a). Die Region Stuttgart war die erste verfasste Region Deutschlands, die mit der Gründung des Verband Region Stuttgart und des Regionalparlaments bereits 1994 entstand. Ihr gehören neben dem Stadtkreis Stuttgart die Kreise Böblingen, Ludwigsburg, Rems-Murr, Esslingen und Göppingen an.

Heidenreich beschreibt die Situation 1997 wie folgt: „Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Innovationsfähigkeit und damit auch ein hohes Einkommen und geringe Arbeitslosenquoten sind somit in erheblichem Maße regional konzentriert“ (Heidenreich 1997: 4).

3.1. Erläuterung

Gemäß der Theorie der komparativen Kostenvorteile von David Ricardo, die besagt, dass jedes Land sich auf das konzentriert, was es besonders gut und relativ (komparativ) kostengünstig produzieren kann, werden in Deutschland Güter hergestellt, bei denen Wissen und Know-how gefragt sind, wie beispielsweise Spezialmaschinen oder moderne elektrotechnische Anlagen (vgl. Matthes 2003: 2).

Heidenreich beschreibt in seiner Arbeit vier Typen von Wirtschaftsregionen, wobei er die Region Stuttgart dabei dem Typ 2 (Gewachsene Industrieregionen, die auf die Weiterentwicklung reifer Technologien spezialisiert sind und mit einer im Lande verwurzelten Unternehmensbasis) zuordnet (siehe Tabelle 1).

Dieser Typus besitzt folgende Merkmale: Im Gegensatz zu anderen Regionen setzt die Region Stuttgart auf einen unmittelbaren Kontakt zu ihren Kunden. „Hergestellt werden „reife“ Produkte (etwa Chemikalien, Autos, Maschinen, Elektrotechnik, teilweise auch Elektronik), bei denen es weniger auf radikale Innovationen, als auf technisch-organisatorische Optimierung von Fertigungs- und Entwicklungsprozessen, auf die Etablierung leistungsfähiger Zuliefernetzwerke, auf die schrittweise Verbesserung komplexer Technologien und auf die globale Organisation von Vertrieb, Fertigung und Entwicklung ankommt. Solche Regionen sind durch ein mittel- oder großbetrieblich organisiertes „routinized regime“ gekennzeichnet (vgl. Audretsch 1994). Ein solches Regime ist typisch für deutsche Regionen, wo auch die nationalen Institutionen eher inkrementale Innovationen als Basisinnovationen begünstigen (Sokice 1996). „In solchen Regionen muß zum einen die kontinuierliche Weiterentwicklung innerhalb der jeweiligen technologischen Entwicklungspfade sichergestellt werden; zum anderen müssen – wenn die regionale Produktpalette ausgereift ist – auch neue Technikfelder erschlossen werden“ (Heidenreich 1997: 9).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Synergien und Lernbarrieren in vernetzten Wirtschaftsregionen (vgl. Heidenreich 1997: 507)

Die Herausforderungen sowie die möglichen Stärken und Schwächen des Typus 2, dem die Region Stuttgart zugeschrieben wird, werden in der Tabelle 1 dargestellt. Dabei stellen die Beschränkungen auf ein ausgereiftes technisch-ökonomisches Paradigma sowie die Unfähigkeit zur Erschließung neuer Technikfelder, mögliche regionale Lernbarrieren dar (vgl. Heidenreich 1997: 10). Diese Situation wird als Pfadabhängigkeit bezeichnet. Als oft verwendetes Beispiel für Pfadabhängigkeit in Deutschland dient das Ruhrgebiet. Bis in die sechziger Jahre hinein war das Ruhrgebiet die treibende Kraft der deutschen Wirtschaft. Mit dem reichen Rohstoffvorkommen an Steinkohle und den damit zusammenhängenden Produktionszweigen konnte die Industrie stark wachsen. Die starke Orientierung an den Ressourcen und dem für sie vorhandenen Markt führte in den siebziger Jahren zu einem Rückgang des Wachstums, der von der Rohstoffindustrie ausging. Durch die wechselseitigen Abhängigkeiten wirkte sich diese Entwicklung auch auf andere Bereiche negativ aus. In der Folge wurden zahlreiche Arbeitsplätze abgebaut, wie beispielsweise Anfang der 1980er Jahre, als über 100.000 Arbeitsplätze wegfielen (vgl. Grabher 1993: 255ff.; siehe ebenso Abschnitt 4, indem die Herausforderungen der Globalisierung im Hinblick auf die Beschäftigungssituation genauer erläutert werden).

Da sich das Ruhrgebiet durch eine starke intraregionale Abhängigkeit in einem Sektor funktional, politisch und kognitiv nicht auf neue und auf lange Sicht hin erfolgreichere Sektoren umstellen konnte, kam es zu einem Lock-In Effekt. Dadurch, dass diese Umstellung nicht eintrat, kam es zum Rückgang des Wachstums im Bereich Kohle-Stahl, obwohl eine konsequente Erschließung anderer Sektoren die Krise hätte abmildern können (vgl. Grabher 1993: 255ff.).

Ein Vergleich mit der Region Stuttgart als Zentrum von „Germany’s most succsessful regional economy, Baden-Württemberg“ (ebd. 274) liegt aufgrund der starken Prägung durch wenige Bereiche nahe. Eine lockere Bindung verschiedener regionaler Wirtschaftssektoren erscheint dabei besser für die Zukunft vorbereitet zu sein, um flexibler auf die Effekte der Globalisierungsentwicklung reagieren zu können und um Beschäftigungskrisen in einem Bereich durch weniger betroffene Bereiche besser ausgleichen zu können. Solange die Bereiche der Region nicht komplett voneinander abhängig sind, bleibt die Möglichkeit offen, die Folgeeffekte zu verhindern und die Region durch eine Verlagerung der Zusammenarbeit auf andere Partner zu stabilisieren.

„In der Region Stuttgart (..) sind die drei industriellen Kernbranchen durch Liefer- und Leistungsbeziehungen eng untereinander verflochten“ (Heidenreich 1997: 513). Die drei Branchen sind der Maschinenbau und die Fahrzeugindustrie, die vom elektrotechnischen Industriezweig ergänzt werden. Die beiden erstgenannten Branchen bezeichnet Heidenreich als Cluster. „Diese Cluster sind der wirtschaftliche Motor, der dem Lande in den Jahrzehnten der Nachkriegsprosperität außerordentliche Wachstums-, Beschäftigungs- und Exportquoten ermöglichte“ (Heidenreich 1997: 513), und bestätigt damit noch einmal die außerordentlich wichtige Stellung beider Industriezweige in der Region Stuttgart. Es wird auch klar, dass das erfolgreiche Bestehen der Herausforderungen durch die Globalisierung entscheidend von der Entwicklung dieser drei Branchen der Industrie in der Region abhängen wird.

Heidenreich vergleicht in dieser Entwicklung die ebenfalls als Typ 2 eingestuften Regionen Rhône-Alpes und Emilia-Romagna mit der Region Stuttgart. Die Entwicklung der Globalisierung in den Regionen beschreibt er wie folgt: „Die Integration dieser Regionen in die weltweite Arbeitsteilung erfolgt (…) durch inländische, multinational operierende Unternehmen – die entweder ihren Stammsitz oder wichtige Fertigungs-, Marketing-, Entwicklungs- und Verwaltungsbereiche in der jeweiligen Region haben. Im Rahmen einer veränderten weltweiten Arbeitsteilung gerät die weltmarktorientierte Exportstrategie dieser Regionen in die Krise, weil die dominanten Unternehmen dieser Regionen durch protektionistische Maßnahmen, durch eine Diversifizierung der Nachfrage oder durch einen verschärften Preiswettbewerb gezwungen sind, Teile ihrer Produktions- und Entwicklungskapazitäten ins Ausland zu verlagern“ (Heidenreich 1997: 514f.).

Während durch diese Maßnahmen die Investitionen ins Ausland verlagert werden und dadurch eine Entwicklung weg von der Exportwirtschaft und hin zur globalen Produktion entsteht, müssen die Regionen eine neue Balance aus Globalisierung und Regionalisierung anstreben (vgl. ebd.).

Der Export stellt jedoch für die Region Stuttgart eine enorme Ertragsquelle dar und lässt sich als Maß für die internationale Wettbewerbsfähigkeit einer Region gebrauchen. „Mit einem Ausfuhranteil von 50,9 % am Umsatz im Verarbeitenden Gewerbe war die Region Stuttgart im Jahr 2003 hinter München die zweitstärkste Exportregion unter den Referenzregionen. Damit wird in der Region Stuttgart mehr als die Hälfte des industriellen Umsatzes im Auslandsgeschäft erwirtschaftet“ (Verband Region Stuttgart et al. 2005: 37).

Wie gezeigt, liegt die Stärke der Region Stuttgart gerade im Export der drei stärksten Wirtschaftszweige, Maschinen- und Fahrzeugbau sowie Elektrotechnik. Diese Stärke basiert in besonderem Maße auf der ausgeprägten technologischen Leistungsfähigkeit der Region“ (vgl. ebd. 38). Diese Leistungsfähigkeit wird begünstigt und gefördert durch die Verbindung der Wirtschaft und den Ressourcen der Forschung und Entwicklung (i.w. FuE-Ressourcen). „Die Unternehmen der Region Stuttgart nehmen bei der so genannten „Forschungsintensität“ seit Jahren eine herausragende Stellung ein. So machten im Jahr 2001 die internen FuE-Aufwendungen der Unternehmen 5,8 % des regionalen Bruttoinlandsprodukts aus“ (Verband Region Stuttgart et al. 2005: 37). Der Vorsprung der Region Stuttgart auf die zweitplatzierte Region München betrug dabei mehr als ein Drittel des Stuttgarter Wertes.

„In der Region Stuttgart werden 30% der Wertschöpfung Baden-Württembergs erwirtschaftet“ (ebd. 17) Mit einem Wert von 32.200€ pro Einwohner und 60.400€ pro Erwerbstätigem liegt die Region Stuttgart deutlich über dem Bundes- und Landesdurchschnitt.

Insgesamt konkurriert die Region Stuttgart im Standortranking bei den meisten ökonomischen Indikatoren mit der Region München um den besten Platz (vgl. ebd. 17).

3.2. Zahlenmaterial zur Beschäftigungssituation

Im Dezember 2006 lag die Arbeitslosenquote in der Region Stuttgart bei 5,1 Prozent, berechnet aus dem Durchschnitt der Kreise der Region Stuttgart (vgl. Haller Tagblatt 2007: 7). Entsprechend verzeichnete die Region Stuttgart „… im Jahr 2004 eine Arbeitslosenquote von

5,6 % und verbesserte sich damit im Vergleich zum letzten Strukturbericht (Berichtsjahr 2002) von Platz zwei auf Platz eins des interregionalen Rankings“ (Verband Region Stuttgart 2005: 36). Dies war möglich, obwohl „… in der Zeit von 1990 bis 2004 5,3% und damit annähernd 57.900 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren“ (ebd. 18) gingen.

Dabei sah die Qualifikationsstruktur in der Region Stuttgart 2004 wie folgt aus: 13,1 Prozent hatten einen akademischen Abschluss, was 3,8 Prozent über Bundesdurchschnitt liegt.

59,3 Prozent hatten eine mittlere Qualifikation, was einem Schulabschluss und einer Ausbildung entspricht, wobei dieser Wert 3,6 Prozent unter Bundesdurchschnitt liegt. Hier kommen noch ca. 3,6 Prozent hinzu, die sich in einer Ausbildung befanden. Die restlichen ca. 24 Prozent sind dem niederen Qualifikationsniveau zuzuordnen, sie hatten keinen Schulabschluss und/ oder keine berufliche Qualifikation (vgl. ebd. 50).

Die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verteilten sich 2004 mit 57,6 Prozent auf den Dienstleitungssektor und mit 41,8 Prozent auf den produzierenden Sektor. Die restlichen

0,6 Prozent entfallen auf den landwirtschaftlichen Sektor und sind damit vernachlässigbar (vgl. Verband Region Stuttgart 2005: 18).

Betrachtet man die Entwicklung in den einzelnen Bereichen der verschiedenen Sektoren, so ergeben sich deutliche Unterschiede. Der Fahrzeugbau konnte von 1999 bis 2004 10.300 neue Arbeitsplätze verzeichnen, was einem Zuwachs von 10,3 Prozent entspricht, wobei der Beschäftigungszuwachs beinahe ausschließlich bei den Herstellern stattfand und nicht bei den Zulieferern. Eine Ursache dafür könnte in der Möglichkeit der Hersteller liegen, ihren Kostendruck an die Zulieferer weiterzugeben. Diese Verlagerung führt dazu, dass die Zulieferer umso stärker bemüht bzw. gezwungen sind, die Kosten für die Produktion so gering wie möglich zu halten, da sie von den großen Auftraggebern abhängig sind. Dadurch fällt der Spielraum für Neubeschäftigung deutlich geringer aus als bei den Auftraggebern.

Der Maschinenbau hingegen musste von 1999 bis 2004 5.200 Arbeitsplätze abbauen, was einem Beschäftigungsrückgang von 7,0 Prozent entspricht. Im Bereich Elektrotechnik sowie IuK-Technologien stellte sich die Situation zwischen 1999 und 2004 nahezu identisch dar

(-5.200 Arbeitsplätze, was einem Rückgang von 6.9 Prozent entspricht). Somit liegen die Bereiche Maschinebau und Elektrotechnik sowie IuK-Technologien unter dem Landes- und Bundesdurchschnitt. Neben diesen drei Aushängeschildern gibt es im produzierenden Gewerbe des Weiteren das Baugewerbe, welches von 1999 bis 2004 11.900 Arbeitsplätze einbüßte, was einem Rückgang von 19 Prozent entspricht (vgl. Verband Region Stuttgart et al. 2005: 18ff.).

Denn Abbau im produzierenden Gewerbe konnte dagegen der Dienstleistungssektor kompensieren. Von 1999 bis 2004 fungierte er mit einem Beschäftigungswachstum von

37.300 Stellen bzw. 6,6 Prozent als Jobmotor der Region. Wurden im Handel, im Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung sowie im Kreditgewerbe Stellen abgebaut, so konnten die Bereiche Versicherung, unternehmensbezogene und personenbezogene Dienstleistungen sowie öffentliche Verwaltung und Sozialversicherung deutlich zulegen. Spitzenreiter sind hierbei die unternehmensbezogenen Dienstleistungen mit einem Wachstum von 23.300 neuen Stellen bzw. 20,7 Prozent (vgl. ebd. 21ff.).

[...]


[1] Containerrevolution: Wurden bis in die sechziger Jahre hinein hochwertige Waren einzeln an Bord gebracht, ermöglichen Container einen standardisierten Transport, der mittlerweile in vollautomatischen Terminals abgewickelt wird (vgl. Matthes 2006: 2).

[2] Die gewichtigste Rolle in Asien spielt hierbei China, das 2002 WTO-Mitglied wurde.

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Details

Title
Wie kann die Region Stuttgart trotz Globalisierung auf einem stabilen Beschäftigungspfad bleiben?
Subtitle
Eine qualitative Befragung von regionalen Organisations- und Unternehmensvertretern
College
University of Stuttgart  (Institut für Sozialwissenschaften, Abteilung für Technik- und Umweltsoziologie (SOWI V) )
Course
Projektseminar: Innovation und Wissen in der Region
Authors
Year
2007
Pages
63
Catalog Number
V125480
ISBN (eBook)
9783640311224
ISBN (Book)
9783640325771
File size
594 KB
Language
German
Notes
Gemeinschaftsarbeit von Jörg Hilpert, David Witlif und Markus Knapp.
Keywords
Region, Stuttgart, Globalisierung, Beschäftigungspfad, Projektseminar, Innovation, Wissen, Region
Quote paper
Jörg Hilpert (Author)Markus Knapp (Author)David Witlif (Author), 2007, Wie kann die Region Stuttgart trotz Globalisierung auf einem stabilen Beschäftigungspfad bleiben?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125480

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