Diderots „Jacques le Fataliste et son maître“ wirft viele Fragen auf, die die Forschung bis heute
kontrovers diskutiert. Inwiefern handelt es sich trotz der Ablehnung der Bezeichnung als
„roman“ um einen Roman? Welcher Handlungsstrang ist der vorherrschende, die
Reisegeschichte von Herr und Diener, ihr Verhältnis zueinander oder doch eher Jacques
unvollendete Liebesgeschichte, die eingelegten Geschichten oder die Thematisierung der
Erzähltheorie? Auch die Funktion der eingeschobenen Geschichten ist umstritten ebenso wie die
Problematik des Verhältnisses von Leser und Erzähler.
Die grundlegende, Form und Inhalt bestimmende, Frage ist die nach dem Verhältnis von
metafiktionalem Erzählen und dem Konzept von Fatalismus und Determinismus in „Jacques le
Fataliste et son maître“, womit diese Arbeit sich befassen will.
Zunächst soll hierzu die Erzähltheorie unter besonderer Beachtung von Gattungszugehörigkeit
und des Leser-Erzähler-Verhältnisses auf den ganzen Roman bezogen untersucht werden sowie
das Erzählverhalten in der Liebesgeschichte von Jacques. In Gegenüberstellung von Freiheit und
unterschiedlichen Determinismusmodellen wird Jacques Fatalismustheorie, das Prinzip von
Zufall und Schicksal in der Reisegeschichte sowie unter Einbeziehung der Moralphilosophie der
Determinismus in den eingeschobenen Geschichten näher betrachtet werden. Letztendlich gilt es
dann die Verbindung zwischen metafiktionalem Erzählen und Fatalismustheorie herzustellen,
wobei der Aspekt der immanenten Erzähltheorie sowie das Problem von freiheitlichem Handeln
unter determinierenden Umständen (Charakter, „Fälle“) im Vordergrund stehen sollen.
Sehr hilfreich ist vor allem Rainer Warnings „Illusion und Wirklichkeit in Tristram Shandy und
Jacques le Fataliste“, da entgegen der Suggestion des Titels es nicht allein um den Vergleich der
Werke oder gar den Nachweis einer Werkabhängigkeit geht, sondern zunächst eine sehr
ergiebige, analytisch gut nachvollziehbare und umfassende Untersuchung eng am Werk
stattfindet ohne zwanghafte Parallelisierungen. Eine gute Ergänzung bietet Ruth Groh, auch
wenn ihre Beweisführungen etwas langatmig sind und sie immer wieder für Figuren und
Ansichten des Romans Partei ergreift. Auch Erich Köhlers „Est-ce que l`on sait où l`on va?“, ist
für die Fragestellung dieser Arbeit zu empfehlen, obwohl Warning und Groh ihn in einigen
Ansichten widerlegen können.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Jacques le Fataliste: Aufklärungsroman?
- Fatalismus, Determination und das metafiktionale Erzählen in Diderots „Jacques le Fataliste et son maître“
- Metafiktionales Erzählen in „Jacques le Fataliste“
- Das Problem der Gattungszugehörigkeit: „Ceci n'est point un roman“
- Autor-Erzähler-Leser: Von enttäuschten Lesererwartungen und autonomen Erzählautomaten
- Jacques Liebesgeschichte: „La vérité est souvent froide, commune et plate“
- Spinozistischer Fatalismus versus innerer Determinismus
- Jacques Fatalismus: Schicksalsgläubigkeit?
- Die Reisegeschichte: Zufall oder Providenz?
- „Est-il bon? est-il méchant?“ - Moral, Determination und Zufall in den eingelegten Geschichten
- Vernunft, innere Determination und „neuer Roman“: Wie bedingen sich Fatalismustheorie und Metafiktion in Diderots „Jacques le Fataliste et son maître“?
- Der Bruch mit heroisch-galanter providentia und märchenhafter Idealität: Diderots „neuer Roman“
- Verantwortung des Individuums in der determinierten Welt
- Metafiktionales Erzählen in „Jacques le Fataliste“
- Fazit: Selbstaufklärung statt fatalistischer Schicksalsgläubigkeit als Grundlage für den „neuen Roman“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das Verhältnis von metafiktionalem Erzählen und dem Konzept des Fatalismus und Determinismus in Diderots „Jacques le Fataliste et son maître“. Die Analyse konzentriert sich auf die Erzähltheorie, insbesondere die Gattungszugehörigkeit und das Verhältnis von Leser und Erzähler. Des Weiteren wird der Fatalismus Jacques', das Prinzip von Zufall und Schicksal in der Reisegeschichte und der Determinismus in den eingelegten Geschichten beleuchtet.
- Metafiktionales Erzählen und die Infragestellung des Romanbegriffs
- Die Rolle des Erzählers und seine Interaktion mit dem Leser
- Die verschiedenen Konzepte von Fatalismus und Determinismus im Roman
- Die Funktion der eingelegten Geschichten
- Der Zusammenhang zwischen Fatalismustheorie und dem „neuen Roman“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die zentralen Forschungsfragen zum Werk vor, insbesondere die Debatte um die Gattungszugehörigkeit und die Beziehung zwischen metafiktionalem Erzählen und Fatalismus. Kapitel 2.1 analysiert das metafiktionale Erzählen, die Problematik der Gattungszuordnung und das komplexe Verhältnis zwischen Autor, Erzähler und Leser. Es werden verschiedene Aspekte der Erzählstruktur beleuchtet, einschließlich der Liebesgeschichte Jacques' und die ironische Überspitzung traditioneller Romanstrukturen. Kapitel 2.2 untersucht verschiedene Determinismusmodelle, den Fatalismus Jacques', Zufall und Schicksal in der Reisegeschichte sowie moralphilosophische Aspekte in den eingelegten Geschichten.
Schlüsselwörter
Metafiktion, Fatalismus, Determinismus, Erzähltheorie, Diderot, Jacques le Fataliste, Roman, Aufklärung, Leser-Erzähler-Verhältnis, eingelegte Geschichten, Reisegeschichte, Moral, Vernunft, „neuer Roman“.
- Citar trabajo
- M.A. Alexandra Schäfer (Autor), 2006, Bedeutung des Fatalismuskenzepts für das metafiktionale Erzählen in Diderots "Jacques le Fataliste et son maitre", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/125500