Schriftspracherwerb in der Zweitsprache bei Migrantenkindern. Theoretische Grundlagen und Förderansätze


Epreuve d'examen, 2009

88 Pages, Note: Gut (11 Punkte)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Aufbau

2. Die Situation der Migrantenkinder im deutschen Bildungssystem
2.1 Ergebnisse der PISA – Studie
2.1.1 PISA-E
2.2 Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem

3. Theoretische Grundlagen zum Zweitspracherwerb
3.1 Begrifflichkeiten
3.1.1 Erstsprache
3.1.2 Zweitsprache
3.1.3 Bilingualismus
3.1.4 Semilingualismus
3.2 Spracherwerbstheorien
3.2.1 Identitätshypothese
3.2.2 Transferhypothese
3.2.3 Interlanguagehypothese
3.2.4 Schwellenhypothese und Interdependenzhypothese

4. Sprachförderung bei Migrantenkindern
4.1 Aktuelle Situation
4.2 Überblick über die Verfahren zur Sprachstandsbestimmung
4.3 Überblick über verschiedene Förderkonzepte
4.3.1 Förderprogramme zur Unterstützung der phonologischen Bewusstheit
4.3.2 Sprachlich-kognitiv orientierte Förderprogramme
4.3.3 Konzepte, die sich an der Verbindung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit orientieren
4.3.5 Modelle der Sprachförderung, die die Kooperation zwischen dem Kindergarten und den Familien im Vordergrund sehen
4.4 Die Integration der Herkunftssprachen in der Institution Schule….

5. Ausführliche Darstellung eines Förderkonzeptes: Rucksackprojekt
5.1 Vorstellung des Projektes
5.2 Ziele des Projekts
5.3 Ablauf des Projektes
5.4 Darstellung der Ergebnisse / Evaluation
5.5 Resümee des Rucksackprojektes

6. Darstellung der Forschungsuntersuchungen zum Spracherwerb in der Zweitsprache sowie der Erstsprache
6.1 Darstellung der Studie von Lambert/Tucker (1972)
6.1.1 Das Ziel der Studie
6.1.2 Der Ablauf der Studie
6.1.3 Ergebnisse der Studie
6.2 Darstellung der Studie von Skutnabb-Kangas/Toukomaa (1976)
6.2.1 Ablauf der Studie
6.2.2 Ziel der Studie
6.2.3 Ergebnisse der Studie
6.3 Empfehlungen der Studien
6.4 Langzeitstudie aus Wien „A kuci sprecham Deutsch“
6.4.1 Ziel der Studie
6.4.2 Aufbau der Studie
6.4.3 Testmethoden
6.4.4 Die theoretischen Grundlagen der Studie
6.4.5 Darstellung der Ergebnisse
6.5 Empfehlungen der Studie

7. Fazit

8. Ausblick

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Eine wachsende Zahl von Kindern und Jugendlichen wächst in unserer Gesellschaft in zwei oder mehreren Sprachen auf. Mehr als jeder fünfte Heranwachsende in Deutschland kommt aus einer Migrationsfamilie […]“[1]

Die geschichtlichen Ereignisse der Bundesrepublik Deutschland haben dazu beigetragen, dass Deutschland seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland ist. Vor allem in den Großstädten ist die Anzahl der Kinder aus Migrationsfamilien enorm hoch. Diese Tatsache allein ist jedoch kein Grund zu einer negativen Darstellung der Situation. Die Problematik äußert sich in den Bildungssituationen. Als die PISA–Studie die gravierenden Ergebnisse der Leistungen von Kindern mit Migrationshintergrund offiziell vorgestellt hat, ist dieses Thema zu einem der wichtigsten in den Debatten der Bildungspolitik geworden. Fakt ist, dass die sprachlichen Kompetenzen der Migrantenkinder enorm schwach sind. Dies zeigt sich negativ in der Schule und zwar in fast jedem Unterricht. Nicht nur in sprachlichen Fächern wie Deutsch bleiben Migrantenkinder zurück, auch um die Textaufgaben in Mathematik zu lösen, müssen sie diese verstehen.

Die systematische vorschulische und schulische Sprachförderung soll dieses Problem beheben. Vor allem die vorschulische Förderung sollte mehr ausgebreitet werden und so früh wie möglich anfangen. Konzentriert arbeiten die Bildungspolitiker an unterschiedlichen Konzepten der Sprachförderung, die dann am Ende stark divers sind. Die Tatsache, dass die Mehrsprachigkeit der Kinder durch die Sprachförderung der deutschen Sprache nicht abgeschafft werden kann, bleibt unbeachtet. Prof. Dr. Gogolin äußert sich wie folgt dazu: „Die Zwei- oder Mehrsprachigkeit der Kinder wächst sich bei verstärkter Sprachförderung in der deutschen Sprache nicht aus, sondern bleibt als permanente Bildungsvoraussetzung erhalten, da die Vitalität der Herkunftssprachen nachweislich hoch ist und langfristig auch erhalten bleibt.“[2] Die Sprachförderkonzepte setzen überwiegend auf eine Förderung in der Zweitsprache Deutsch. Die Förderung in der Muttersprache stößt dagegen auf viel Skepsis und Unverständnis, auch seitens Eltern der Kinder. Die deutschen Bildungseinrichtungen wählen den Weg der Submersion, was auch als Unterdrückung der Herkunftssprache verstanden werden kann. Dabei ist es schon lange bekannt, dass die Kenntnisse in der ersten Sprache den Zweitspracherwerb deutlich begünstigen können. Dies wird allerdings nur von Wenigen unterstützt und weiter erforscht. Es stellt sich die Frage, wie die Interaktion zwischen den Eltern und den Kindern aus den Migrationsfamilien aussehen sollte. Sollen die Eltern ein gebrochenes Deutsch mit ihren Kindern sprechen oder doch lieber die verfestigte Erstsprache.

Diese kurz dargestellte Thematik dient als Anregung für meine wissenschaftliche Hausarbeit. Ein persönliches Interesse und familiäre Hintergründe kennzeichnen die Thematik dieser Arbeit.

Das Thema dieser wissenschaftlichen Hausarbeit lautet „Schriftspracherwerb in der Zweitsprache der Migrantenkinder; theoretische Grundlagen und Förderansätze.“ Ich möchte vor allem die Frage nach der Relevanz der Muttersprache beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch systematisch nachgehen und aufklären. Die hemmenden und begünstigenden Faktoren bei dem Zweitspracherwerb sollen herausgearbeitet werden.

1.1 Aufbau

Ausgehend von der theoretischen Basis über die Bildungssituation der Migrantenkinder wird das am Anfang dargestellte Problem in Kapitel 2 näher betrachtet, das sich vor allem in der mangelnden Sprachkompetenz und den daraus resultierenden schlechten schulischen Leistungen darstellt. In diesem Zusammenhang ist die Klärung der Begrifflichkeiten in Kapitel 3 unentbehrlich. Ausgehend davon wird sich diese Arbeit mit den Theorien des Zweitspracherwerbs beschäftigen. Bereits in diesem Teil werden Erkenntnisse für die Bedeutung der Muttersprache für den Zweitspracherwerb herausgearbeitet.

Ob und wie Sprachförderung das Problem einer mangelnden Sprachkompetenz beheben oder zumindest reduzieren kann, ist der nächste wichtige Aspekt in Kapitel 4. Folgende Fragen sollen hier beantwortet werden: Was bedeutet Sprachförderung? Welche Ziele beabsichtigt eine Sprachförderung? Wie kann der Förderbedarf für ein Kind festgestellt werden?

Danach wird die Sprachförderung nach Kategorien unterschieden und vorgestellt. Ein Überblick über die möglichen Sprachförderkonzepte soll gegeben werden. Da das Thema Sprachförderung in der Problematik der mangelnden Sprachkenntnissen der Kinder mit Migrationshintergrund von einer besonders großen Bedeutung ist, wird in Kapitel 5 ein Förderkonzept mit evaluierten Ergebnissen ausführlich vorgestellt. Die Wahl fällt auf das Rucksackprojekt, das eine Kooperation zwischen dem schulischen und familiären Bereich darstellt. Dieses Projekt wurde gezielt ausgewählt, da es den muttersprachlichen Spracherwerb unterstützt und somit weitere Perspektiven in der Sprachförderung sichtbar gemacht werden können.

Bereits in Kapitel 3, das die theoretischen Grundlagen behandelt, wurden zu der Leitfrage dieser Arbeit nach der Relevanz der Sprachförderung in der Muttersprache für den Zweitspracherwerb einige wichtige Aussagen getroffen. Auch das Kapitel Sprachförderung, insbesondere die Ergebnisse des Rucksack-Projektes, liefern wichtige Erkenntnisse. Wie man jedoch feststellen wird, reichen die theoretischen Befunde nicht aus, um diese Frage genauer beantworten zu können. Daher wird sich der nächste Teil, Kapitel 6 der Arbeit, dem Forschungsstand auf der Bilingualebene widmen. Bedeutsam und interessant sind hier die empirischen und evaluierten Befunde. Die Arbeit nähert sich dem Spektrum der Spracherwerbsforschung. Welche Forschungsstudien sind besonders bedeutsam? Welche Erkenntnisse wurden gewonnen? Es werden drei Studien vorgestellt, welche sich vor allem mit dem Zweitspracherwerb und der Relevanz der Muttersprache beschäftigt haben. Die ersten beiden Studien haben bis heute eine große Bedeutung für die Sprachwissenschaftler und die Spracherwerbsforschung. Auch in Kapitel 3 wurden Spracherwerbstheorien dargestellt, die auf diesen Studien basieren. Anschließend wird eine aktuelle Langzeitstudie aus Wien dargestellt, die ein breites Spektrum an Fragen analysiert hat.

Alle Studien werden genau beschrieben und die Konzentration auf die Ergebnisse und Erkenntnisse gerichtet.

Das abschließende Fazit in Kapitel 7 fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und versucht, Antworten auf die in der Einleitung gestellten Fragen zu geben.

Der Ausblick in Kapitel 8 gibt Handlungsempfehlungen für den erfolgreichen Zweitspracherwerb bei Migrantenkindern.

2. Die Situation der Migrantenkinder im deutschen Bildungssystem

2.1 Ergebnisse der PISA – Studie

Die schulischen Leistungen sowohl der einheimischen, als auch der Kinder mit Migrationshintergrund werden mit einer internationalen standardisierten Leistungsmessung - Programme for International Student Assessment (PISA) gemessen. Seit dem Jahr 2000 werden die Messungen im dreijährigen Rhythmus vollzogen.

Im Jahr 2000 wurden 15-jährige Schüler aus 32 Industrieländern getestet, dabei untersuchte die PISA- Studie die Lesekompetenz der Schüler. Im Jahr 2003 wurden zusätzlich die mathematische und im Jahr 2006 die naturwissenschaftliche Grundbildung getestet. Wichtig dabei ist, dass bei den Tests auch verschiedene Faktoren berücksichtigt wurden, die in irgendeiner Art und Weise die Leistungen der Schüler beeinflussen konnten. Dabei handelt es sich um die Kriterien wie den Geburtsort der Kinder, aber auch der Eltern, sowie den Sprachgebrauch in der Familie. Für die Testungen ist daher nicht nur die Staatsangehörigkeit der Kinder ausschlaggebend.[3]

Die Internationale Studie orientiert sich an einem Kompetenzstufenkonzept, das die kognitiven Leistungen zusammenfasst. In jedem Leistungsbereich werden fünf Kompetenzstufen unterschieden. Die Kompetenzstufen sagen aus, wie die Schüler die unterschiedliche Aufgabenstellungen lösen. Die Kompetenzstufe I steht für ein schwaches Ergebnis und wird als Elementarstufe bezeichnet. Die Kompetenzstufe V ist die Expertenstufe.[4]

Die Resultate der PISA- Studie aus dem Jahr 2000 zeigen, dass die deutschen Schüler in allen drei Kompetenzbereichen unter dem OECD-Durchschnitt liegen. Vor allem gravierend sind die Ergebnisse in der Lesekompetenz, dabei ist die Rede von 20 % der Schüler, die die niedrigste Leistungsstufe erreichten.[5] Demzufolge fehlen diesen Kindern auch die Kompetenz, sich mit den schwierigen Texten zu befassen. Daraus folgend werden schwierige mathematische oder naturwissenschaftliche Aufgaben zu einem Problem. Auch die Ergebnisse aus dem Jahr 2003 sind dramatisch. Dabei ist die Rede von ca. 10 % der deutschen Schüler, die sich in der untersten Stufe der Lesekompetenz befinden.[6]

Diese Schüler sind kaum dazu fähig, einfache Informationen aus den Texten zu ermitteln. Vor allem aber sind die Ergebnisse bei Kindern aus Migrationsfamilien alarmierend: Die Zahlen sind doppelt so hoch wie die von den deutschen Kindern.

Die fehlende Lesekompetenz und somit auch die Sprachfähigkeit spiegeln sich selbstverständlich in den anderen Fächern.

Laut PISA Studie 2000 liegen die Ergebnisse bei den Kindern, deren Eltern in Deutschland geboren wurden, unter dem Kompetenzniveau in allen drei Kompetenzbereichen. Bei den Familien, in denen beide Eltern zugewandert sind, gehören 20 % der Kinder zu einer Gruppe mit extrem schwachen Fähigkeiten im Lesen. Fast 50 % überschreiten im Lesen nicht einmal die erste Stufe. Diese Ergebnisse sind bedenklich, wenn man berücksichtig, dass 70 % der Schüler die deutschen Bildungseinrichtungen besucht haben.[7]

Die Lesekompetenz beschränkt sich nicht nur auf die Fähigkeit des Lesens, sondern meint selbstverständlich auch die sprachlichen Leistungen. Demzufolge sind auch massive Defizite in anderen Kompetenzen festzustellen.

Die Bildungschancen für die Kinder mit Migrationshintergrund haben sich seit einem halben Jahrhundert kaum verändert. Die Chancen sind nach wie vor deutlich geringer als die Chancen gleichaltriger deutscher Kinder.[8]

Das aktuelle Problem der Kinder mit Migrationshintergrund ist ihre sprachliche Fähigkeit, vor allem aber die bedenkliche Bildungssituation der Migrantenkinder, sprich die erhöhte Anzahl an Haupt- und Realschulbesuchen. Laut der PISA Studie besuchen 50 % der Kinder, deren Eltern im Ausland geboren sind, die Hauptschule. Nur 15 % aus dieser Kategorie besuchen das Gymnasium. Die Kinder erbringen nicht genügend Deutschkenntnisse und können sich in der Schule kaum sprachlich ausdrücken oder dem Unterricht folgen. An dieser Stelle sind die aktuellen Ergebnisse der PISA-E 2008 interessant.

2.1.1 PISA-E

PISA-E ist eine Erweiterungsstudie, die die Leistungen der Kinder aus 16 Bundesländern darstellt.

Die Studie, die im November 2008 durchgeführt wurde, liefert folgende Ergebnisse: Die Kinder aus den Familien mit Migrationshintergrund weisen einen niedrigen Wert der Lesekompetenz auf. Ihre Leistungen sind viel schlechter als die von den deutschstämmigen Kindern. Dieses Ergebnis zeigt, dass zu dem Vergleich der Studie im Jahr 2000 kaum Unterschiede zu erkennen sind. Laut PISA-E 2008 hat das Bundesland Sachsen in allen Testungen am besten abgeschnitten. An dieser Stelle sollte man jedoch beachten, dass Sachsen nur zwei Schulformen hat. Ausserdem ist die Rate der Einwanderungskinder in Sachsen extrem niedrig. Die Tatsache ist jedoch, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist und die Kinder mit Migrationshintergrund einen großen Teil der deutschen Schule zum heutigen Zeitpunkt ausmachen. Laut einer Untersuchung zeigen etwa 60 % der Kinder mit Migrationshintergrund sprachliche Mängel. 34, 5 % sind Risikokinder im Bereich der sprachlichen Kompetenz, das ist dreimal so hoch, wie bei den Kindern mit der Muttersprache Deutsch.[9]

Die schwachen Leistungen der Migrantenkinder, die die PISA- Studie immer wieder präsentiert, sollten deshalb als ein Ansporn genutzt werden um diese Problematik konsequent und fachgerecht nachzugehen.

2.2 Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem

Die oben beschriebene Situation zeigt die Problematik des Spracherwerbs in unserer Gesellschaft. Es existieren zahlreiche Sprachkonzepte für Kinder mit Migrationshintergrund.

Diese gehen meistens von einer Einsprachigkeit aus. Der Erwerb der deutschen Sprache steht daher im Vordergrund. Dies ist natürlich auch besonders wichtig, um in der Schule mitzukommen und auch einen Abschluss zu schaffen.

Das Bildungssystem ist daher in Deutschland monokulturell ausgerichtet. Die Muttersprache der Migrantenkindern wird dabei eher als ein großes Hindernis für das Erlernen der Zweitsprache gesehen.[10]

Enttäuschend ist, dass die besonderen Sprachfähigkeiten der Migrantenkinder, vor allem ihre Mehrsprachigkeit, in der Schule nicht zu den besonderen Leistungsbereichen zählen. So sind auch laut PISA- Studie diese Sprachfähigkeiten für den Bildungserfolg nicht ausschlaggebend.

Prof. Dr. Gogolin macht darauf aufmerksam, dass die von PISA ermittelte, starke Rolle der Lesekompetenz auf einen besonderen Zusammenhang verweist und zwar scheint die deutsche Schule stärker als andere Schulsysteme versäumt zu haben, vor allem die sprachlichen Kompetenzen zu vermitteln.[11]

Die verschiedenen Institutionen gehen unterschiedlich mit dieser Problematik um. Der Kindergarten hat vor allem einen Sozialisationscharakter, Kinder werden nicht differenziert, sondern sollten möglichst von einander lernen können.

Die Schule als Institution vermeidet dagegen die Heterogenität. Die wichtigste Aufgabe der Schule ist dabei der Wissenstransfer. Aus diesem Grund muss die Schule die Lerngruppen homogenisieren. So werden zwangsläufig die Kinder in Gruppen unterteilt, um eine gleiche zu erhalten, die am besten zum Lernerfolg führen kann. Zwangsläufig werden die Schüler so in „gute“ und „schlechte“ Schüler aufgeteilt. Natürlich bekommen z. B die Schüler mit fehlenden Sprachkompetenzen eine Empfehlung seitens Schule eher für eine Hauptschule, da die sprachlichen Defizite meistens zu stark sind und der Nachholbedarf daher enorm.

Die beschriebene Problematik lässt sich mit der folgenden Aussage zusammenfassen. „Die Schule als Organisation ist je schon auf Entlastung von zusätzlichen Problemen und Schwierigkeiten eingerichtet und sucht nach Möglichkeiten, schwierige Schüler in andere Spezialeinrichtungen abzugeben und die Probleme zu delegieren.“[12]

Daraus resultieren für "schwache" Schüler meistens die Vorbereitungsklassen, die Vorklassen oder die Sonderschulen. Die große Frage wäre jedoch an dieser Stelle, ob die Institutionen sich Gedanken gemacht haben, wie sich dabei ein Kind fühlt und wie diese Entscheidungen sein ganzes Leben und seine persönliche Entwicklung verändern können. Die Kinder mit Migrationshintergrund müssen schon am Anfang ihrer Schulkarriere feststellen, dass sie als defizitär betrachtet werden. Sie werden nicht einmal problemlos und regulär eingestuft. Aufgrund fehlender Deutschkenntnisse wird empfohlen, das Kind wieder in den Kindergarten oder Vorschulklassen einzustufen.[13] Auch viele Sprachförderkonzepte werden an dieser Stelle eingesetzt.

3. Theoretische Grundlagen zum Zweitspracherwerb

3.1 Begrifflichkeiten

Die Spracherwerbsforschung unterscheidet grundsätzlich zwischen Erstsprache, Muttersprache, Zweitsprache sowie Fremdsprache. In der Fachliteratur wird oft die Bezeichnung „L1“ für die Erstsprache und „L2“ für die Zweitsprache verwendet.

Die Begriffe Erstsprache und Muttersprache, aber auch Zweitsprache und Fremdsprache werden meist gleichgestellt. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass alle diese Begriffe eine spezielle Definition haben.

In Bezug auf diese Arbeit und weitere Auseinandersetzung mit der Problematik des Schriftspracherwerbs bei Migrantenkindern ist es unentbehrlich die Begrifflichkeiten und die Spracherwerbstheorien zu klären und zu verstehen.

3.1.1 Erstsprache

Die Erstsprache ist eine der wichtigsten Sprachen im Leben eines Menschen. Sie ist dementsprechend die erste Sprache, die der Mensch erwirbt. Die Erstsprache wird von dem Kind in seinen ersten Lebensjahren erworben und begleitet es meistens durch das ganze Leben.[14]

Die Erstsprache gilt als erstes Kommunikationsmittel. Beherrscht man die Erstsprache, so sind auch ebenfalls die formalen Sprachstrukturen verfestigt. Auch die Gefühle und besondere Erfahrungen werden meistens in der Erstsprache am besten übermittelt. Natürlich wird auch die Kultur, die zu dieser Sprache gehört, so eingeprägt und mit dem Spracherwerb erworben. In der wissenschaftlichen Literatur wird meist die Erstsprache von der Muttersprache unterschieden. Jedoch entsteht in der heutigen Gesellschaft ein Bild, dass in vielen Familien die Muttersprache auch die Erstsprache ist, die das Kind erlernt. Die Muttersprache ist daher auch die Erstsprache, die durch den Kontakt mit der Mutter bzw. Vater erworben wird.[15]

Viele Sprachwissenschaftler vertreten in der Fachliteratur die Meinung, dass der Begriff Erstsprache anstelle von Muttersprache neutraler und angemessener erscheint. Daraus lässt sich formulieren, dass die beiden Begriffe das gleiche bedeuten, wenn auch das eine mit dem anderen nicht komplett zu ersetzen ist.

Die Muttersprache ist von einer entscheidenden Bedeutung für kleine Kinder. „Die erste Sprache, die Familiensprache, die kleine Kinder umgibt, spielt in jedem Falle eine in vielerlei Hinsicht höchst prägende Rolle und verdient in dieser Rolle jede Achtung, denn sie bereitet weiteren Sprachen den Weg.“[16] Viele Eltern sind meistens erleichtert, wenn sie Zuhause ihre Sprache sprechen können oder sogar im Kindergarten gesagt bekommen, sie sollen lieber mit den Kindern in ihrer Muttersprache reden. Für die Eltern ist das meistens eine große Erleichterung. Oft wird auch bemerkt, so beispielsweise auch im Rucksackprojekt, dass bei Eltern, die den Respekt der eigenen Sprache zuweisen und sie fördern, sie sich so auch mehr für weitere Sprachen und den Zweitspracherwerb öffnen.

Die Erstsprache, die nun in den meisten Fällen auch die Muttersprache ist, hat eine bedeutende Rolle für die psychische Entwicklung des Kindes und für seine Persönlichkeitsbildung. Meistens erwerben die Kinder die Muttersprache auf eine natürliche Art und Weise, also beim Heranwachsen.[17]

Seit den Sechzigerjahren ist die Rolle der Muttersprache ein Gegenstand in der pädagogischen Diskussion. Der Erstspracherwerb beginnt mit der Geburt, der Erwerb der Kerngrammatik ist meistens mit dem Schulalter abgeschlossen.[18]

Wie Dr. Rudolf de Cilia beschreibt, wirkt sich die Förderung des Erstspracherwerbs und somit die Festlegung der kulturellen Welt wie ein Fundament für den Erwerb der weiteren Sprachen aus. Jedoch ist der Erwerb der Muttersprache mit dem Schulalter noch nicht abgeschlossen und sollte in der schulischen Sozialisation vollzogen werden. Der Abbruch des Mutterspracherwerbs bedeutet für das Kind auch eine Benachteiligung in der kognitiven Entwicklung.[19]

Die theoretischen Befunde sprechen bis jetzt dafür, dass ein erfolgreicher Erwerb der Zweitsprache auf einem erfolgreichen Erwerb der Muttersprache basiert. Dies ist jedoch ein Problem in der Entwicklung der Kinder mit Migrationshintergrund, denn der Erwerb der Muttersprache wird sozusagen mit dem Schuleintritt abgebrochen. Die Kinder werden in der Zweitsprache Deutsch alphabetisiert und nicht in der Muttersprache, wie z. B Türkisch. Beide Sprachen sind in diesem Zeitpunkt nicht genügend entwickelt.

Skutnabb-Kangas (1983) bezeichnet dieses Phänomen als „Halbsprachigkeit“ oder „Semilingualismus“. Dieser Begriff beschreibt dabei eine unvollständige sprachliche Entwicklung in den beiden Sprachen. Dies wird in Unterkapitel 3.1.4 beschrieben.

Die Rolle der Muttersprache für die Zweitsprache wird anhand verschiedener Theorien in Kapitel 3.2 ausführlicher besprochen.

3.1.2 Zweitsprache

Jede Sprache, die nach der Erstsprache erlernt wird, ist unter dem Begriff Zweitsprache zusammenzufassen. Die Zweitsprache ist meistens die notwendige Sprache, um in der fremden Gesellschaft kommunizieren zu können. Vorwiegend wird auch die Zweitsprache so gut wie die Erstsprache gesprochen, da der Bedarf an dieser Sprache im Alltag sehr groß ist.[20]

Bei dem Zweitspracherwerb wird zwischen dem systematisch erworbenen gesteuerten Spracherwerb in der Schule und dem natürlich erworbenen unterschieden, also ungesteuertem Erwerb nach dem Erwerb der ersten Sprache.[21]

Der natürliche Zweitspracherwerb vollzieht sich ohne jegliche Unterrichtsformen. In den meisten Fällen wird die Zweitsprache dabei in Kommunikationssituationen mit Freunden und anderen Personen vollzogen. Oft geschieht der Zweitspracherwerb bei Erwachsenen auch an einer Arbeitsstelle. Kinder meistern den ungesteuerten Zweitspracherwerb vor allem, wenn sie in einer zweisprachigen Familie aufwachsen.

Der gesteuerte Zweitspracherwerb erfordert dagegen einen Unterricht. Der Lernende bringt sich die Sprache nicht selbst bei wie beim natürlichen Zweitspracherwerb, sondern die Sprache wird von einer Sprachlernkraft beigebracht. Es handelt sich um eine aktive Handlung. Um den Zweitspracherwerb bei Migrantenkindern richtig nachvollziehen zu können, ist die oben beschriebene Unterteilung in den gesteuerten und ungesteuerten Zweitspracherwerb sehr wichtig. Meistens fällt Deutsch bei Migrantenkindern in die Kategorie des ungesteuerten oder natürlichen Spracherwerbs. Der Erwerb einer Fremdsprache, wie z. B Englisch oder Französisch in der Schule, ist dagegen gesteuert.[22]

Oft kann man beobachten, dass sich aber die beiden Erwerbsformen mit dem Eintritt in die Schule vermischen, da sowohl eine Kommunikation als auch das Beibringen einer Sprache stattfindet.

Auch nach Prof. Dr. Günther ist diese Aufteilung etwas, wie es im Idealfall aussehen könnte, in der Praxis werden jedoch öfter die Mischformen beobachtet.[23]

Ein kanadischer Forscher Jim Cummins hat sich viel mit der Thematik des Zweitspracherwerbs bei Migrantenkindern beschäftigt. Laut ihm sollte die Sprache in die Alltags- und Schulsprache unterschieden werden. Dafür hat er zwei Abkürzungen eingeführt. BICS steht für „basic interpersonal comminicative skills“[24] und fasst die sprachlichen Kompetenzen, die im alltäglichen Gespräch gebraucht werden, zusammen. Diese Kompetenzen sind jedoch für den Unterricht nicht ausreichend. So bezeichnet Cummins die Schulsprache als CALP „cognitive academic language proficiency“[25]. Diese Unterscheidung kann vor allem für die Gestaltung von Sprachförderung hilfreich sein. Da die sprachlichen Leistungen der Migrantenkinder mehr als bedenklich sind, weist Cummins auf die Notwendigkeit der Entwicklung von CALP hin.

Die Zweitsprache hat auch einen stärkeren Charakter als eine Fremdsprache, denn eine Fremdsprache ist meistens eingeschränkt und nur selten ein Kommunikationsmittel im Alltag.[26]

3.1.3 Bilingualismus

Bilingualismus bedeutet in seiner einfachsten Form die Verwendung beider Sprachen. Oft wird dazu auch Mehrsprachigkeit gesagt.[27]

In der Spracherwerbforschung existieren unterschiedliche Sichtweisen über den Begriff Bilingualismus.

Nach Lewandowski (1990) steht der Begriff Bilingualismus für die Kompetenz eines Menschen beide Sprachen zu verstehen, aber auch sich in ihnen äußern zu können. Dabei wird die Frage zu der Debatte gestellt, ob der Mensch bilingual ist, wenn er in zwei Sprachen gleich gut ist, oder unterschiedlich.[28]

Nach Bloomfield (1933) ist ein Mensch dann als bilingual zu betrachten, wenn er die Erstsprache und die Zweitsprache gleich gut beherrscht.[29]

Laut McNamara (1967) beginnt Bilingualismus für einen Menschen ab dem Zeitpunkt, wenn bereits Kompetenzen in einem der vier Bereiche, „Sprechen-Hören-Lesen-Schreiben“[30] in einer zweiten Sprache vorhanden sind.

Eine aktuellere Definition von Franceschini (2000) besagt, dass ein Mensch dann als bilingual zu bezeichnen ist, wenn er regelmäßig im Alltag zwei Sprachen abwechselnd verwendet. Bei dem Bilingualismus unterscheidet man folgende Formen: „individueller, sozialer, territorialer und institutioneller Bilingualismus.“[31] Individueller Bilingualismus bezieht sich auf eine einzelne Person. Sozialer Bilingualismus wird dagegen mit verschiedenen Funktionen in Verbindung gebracht, z. B Herkunftssprache zuhause und die Zweitsprache auf der Arbeit. Von einem territorialen Bilingualismus ist dann die Rede, wenn z. B in einem Land mehrere Sprachen gesprochen werden, wie beispielsweise in der Schweiz. Institutioneller Bilingualismus bedeutet, wenn man mehrere Sprachen in internationalen Institutionen verwendet, wie in der EU.[32]

Bei dem Bilingualismus sind nach Lüdi (1997) vier Aspekte besonders wichtig: Zum einen ist es wichtig zu beachten, zu welchem Zeitpunkt der Zweitspracherwerb vollzogen wurde. Findet der Erst- und Zweitspracherwerb zu dem gleichen Zeitpunkt statt, so bezeichnet man dies als ein simultaner Spracherwerb. Findet der Zweitspracherwerb während des Erstspracherwerbs statt, so bezeichnet man dies als sukzessiver Zweitspracherwerb. Des Weiteren unterscheidet Lüdl die Modalität des Zweitspracherwerbs, unter der die Art des Zweitspracherwerbs verstanden wird. Man unterscheidet dabei zwischen dem schon erläuterten ungesteuerten Zweitspracherwerb und dem gesteuerten.[33]

Als ein weiterer Aspekt gilt das Maß, in dem die Sprachen beherrscht werden und wie ausgeprägt die Kenntnis der beiden Sprachen ist. Werden beide Sprachen gleich beherrscht, nennt man das eine symmetrische Sprachkompetenz. Dominieren dagegen die Kenntnisse in einer der beiden Sprachen, so spricht man von einer asymmetrischen Kompetenz. Diese Unterscheidung sollte ebenso nach von McNamara aufgestellten vier Bereichen Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben erfolgen.

Der letzte Aspekt, der bei dem individuellen Bilingualismus eine Rolle spricht ist die kognitive Organisation. Dabei unterscheidet man zwischen der zusammengesetzten Zweisprachigkeit und der koordinierten Zweisprachigkeit. Dies lässt sich wie folgt erklären: Die koordinierte Zweisprachigkeit führt dazu, dass die Wörter jeder Sprache, sowohl der Erst- als auch der Zweitsprache, von unterschiedlichen Repräsentationen im Gehirn aufgenommen werden. Die zusammengesetzte Zweisprachigkeit bedeutet dagegen, dass die Wörter beider Sprachen einem einzelnen Konzept zugewiesen werden.[34]

3.1.4 Semilingualismus

Niedrige Sprachkompetenz in beiden Sprachen wird als Halbsprachigkeit oder Semilingualismus bezeichnet. Semilingualismus kann sich oft bei den Kindern entwickeln, die weder in der Muttersprache noch der Zweitsprache gefördert werden. Das Kind beherrscht keine der beiden Sprachen optimal.[35] Daher sollte die Familien mit zwei verschiedenen Sprachen „Eine Person- eine Sprache bzw. eine Situation- eine Sprache Prinzip“[36] mit ihren Kindern vertreten. Dadurch kann eine normale Entwicklung jeder Sprache gewährleistet werden.

3.2 Spracherwerbstheorien

Es stellt sich die Frage, wie der Zweitspracherwerb von statten geht. Das Verständnis dieses Vorgangs trägt dazu bei, eine bessere Beurteilung der Rolle der Erstsprache in diesem Vorgang zu erhalten. Wie oben schon dargestellt wurde, handelt es sich bei dem Zweitspracherwerb um zwei unterschiedliche Vorgänge. Zum einem geht es um den ungesteuerten Spracherwerbsvorgang. Diesen findet man vor allem in der alltäglichen Kommunikation. Bei diesem Spracherwerb ist keine Steuerung von außen notwendig. Die Theorien zum Zweitspracherwerb beschäftigen sich jedoch auch mit dem von außen gesteuerten Spracherwerb. Bei diesem Vorgang sind drei Institutionen im Leben eines Kindes besonders wichtig. Dabei handelt es sich um den vorschulischen Bereich (Kindergarten), schulischen (Grundschule) sowie außerschulische Institutionen (z. B Volkshochschulkurse).

Im Weiteren möchte ich die bekanntesten Spracherwerbhypothesen vorstellen.

3.2.1 Identitätshypothese

Die Identitätshypothese besagt, dass der Erst- und Zweitspracherwerb identisch verlaufen. Es ist auch unwichtig, ob es sich bei dem Spracherwerb um die Erst- oder Zweitsprache handelt, denn die Sprache wird in systematischen Schritten erworben. Die Grundaussagen dieser Hypothese sind, dass der grundsprachliche Transfer von der Muttersprache auf die Zweitsprache keine Rolle spielt. Dazu existiert eine Längsschnittstudie von Pienemann (1981), die mit italienschen Mädchen durchgeführt wurde. Die Ergebnisse beschreiben, dass sich der Lernerfolg in der Wortstellung systematisch und parallel entwickelte.[37]

Der Erwerb von der Zweitsprache verläuft isomorph, d. h. genauso wie der Erwerb der Erstsprache.

Diese Aussage stützt sich stark auf die These von Comskys über die Angeborenheit eines Spracherwerbsmechanismus (LAD). Laut ihm sind die sprachlichen Fähigkeiten in der Zweitsprache von der in der Erstsprache zum Beginn des Spracherwerbs abhängig. Diese Theorie stützt sich auf die Beobachtungen, dass die Kinder, die im Aufnahmeland eingeschult werden, viel mehr Schwierigkeiten im Spracherwerb zeigen, als die Kinder, die während der Schulzeit in ein anderes Land kommen.[38]

3.2.2 Transferhypothese

Die Transferhypothese besagt, dass die Erstsprache den Erwerb in der Zweitsprache beeinflusst. Die Hypothese stützt sich stark auf die Analysen von Fries (1945), Weinreich (1953) und Lado (1957).[39]

Meistens findet man in der Literatur diese Hypothese unter dem Name Kontrastiv- oder Kontrastivitätshypothese. Bei dieser Hypothese werden die beiden Sprachsysteme gegenübergestellt und verglichen. Grundaussage dabei ist, dass die Erstsprache den Erwerb der Zweitsprache beeinflusst.

Man unterscheidet zwischen dem positiven und negativen Transfer. Bei dieser Aufteilung geht es um den Vergleich der Sprachmuster von der Muttersprache/Erstsprache und der Zweitsprache. Denn die Ähnlichkeiten zwischen den Sprachmustern führen zu einem positiven Transfer und somit zu dem leichteren Erlernen der Zweitsprache. Sind die Unterschiede zwischen den Sprachsystemen zu konträr, so spricht man von einem negativen Transfer. Es können gewisse Schwierigkeiten und Lernblockaden auftreten.[40]

3.2.3 Interlanguagehypothese

Die Interlanguagehypothese stellt die Aussage dar, dass der Weg zur Zweitsprache über „Zwischensprachen“ erfolgt. Der Begriff „Interlanguage“ wurde von Selinker im Jahre 1969 in die Zweitspracherwerbsforschung eingeführt. Laut dieser Hypothese bildet der Lernende ein spezifisches System beim Erwerb der Zweitsprache heraus. Dieses System setzt sich dann aus den Merkmalen der Erstsprache und der Zweitsprache sowie aus eigenständigen Aspekten zusammen.[41]

Das Kind durchläuft in der Entwicklung bzw. beim Erwerb der Zweitsprache verschiedene Entwicklungsstufen. Dabei beinhaltet jede Stufe eine eigene Sprache. Lewandowski (1990) beschreibt diese Sprache als eine Zwischensprache, die eine Lernsprache im Zweitspracherwerb darstellt. Sie kann unterschiedliche Elemente enthalten, sowohl der Muttersprache als auch Erstsprache, aber auch schon erlernte Komponente und /oder noch nicht beherrschte Elemente der Zweitsprache.

3.2.4 Schwellenhypothese und Interdependenzhypothese

Um die Sprachentwicklung der zweisprachigen Kinder analysieren zu können und zu verstehen, wurden in den 80-er Jahren zwei Hypothesen entwickelt. Dabei handelt es sich um die Schwellenhypothese von Cummins, Toukomaa und Skuttnab-Kangas und um die Interdependenzhypothese von Cummins. Die Hypothesen basieren auf den Studien aus Schweden, welche in Kapitel 6 erläutert werden.

Wie schon der Name sagt, macht die Schwellenhypothese deutlich, dass in der Sprachentwicklung zweisprachiger Kinder verschiedene Schwellen zu unterscheiden sind. Die erste Schwelle ist durch mündlich-sprachliche Kommunikation zu erreichen. Die Forscher gehen davon aus, dass diese Schwelle auf jeden Fall erreicht werden muss, um spätere negative Auswirkungen u. a. auf den Zweitspracherwerb zu vermeiden. Die Bilingualismusforschung sieht das Erreichen der ersten Schwelle mit dem zehnten Lebensjahr. Das bedeutet, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Muttersprache im mündlich-sprachlichen Bereich neben der Zweitsprache entwickelt. Die zweite Schwelle der Schwellenhypothese ist an den Erwerb von Lese- und Schreibfähigkeiten in der Muttersprache gebunden. Laut Toukomaa und Skuttnabb-Kangas werden die Fähigkeiten in der Zweitsprache aber auch die gesamte kognitive Entwicklung, also die Schulleistung, durch die gute Entwicklung der Muttersprache positiv beeinflusst. Somit richtet sich das zweite Schwellenniveau an einen institutionellen schulischen Sprachunterricht aus.[42]

[...]


[1] Röhner, Charlotte 2005, S. 7.

[2] Gogolin i. d. Bd. Röhner, Charlotte 2005, S. 7.

[3] Vgl. Auernheimer, Georg 2006, S. 33.

[4] Vgl. PISA 2000, die Studie im Überblick, S. 9.

[5] Vgl. ebd. S.13.

[6] Vgl. Ratzki 2006, S. 23.

[7] Vgl. PISA 2000, die Studie im Überblick, S. 14

[8] Vgl. Gogolin, Ingrid i d. Bd. Auernheimer, Georg 2006, S. 38.

[9] Vgl. Apeltauer, Ernst 2006, S. 18.

[10] Vgl. Gogolin/Nauck 2000 i. d. Bd. Jampert, Karin 2002, S. 10

[11] Vgl. Gogolin, Ingrid i. d. Bd. Auernheimer, Georg 2006, S. 39.

[12] Vgl. Gomolla, Mechtild / Radtke, Frank-Olaf 2007, S. 116.

[13] Vgl. Gomolla, Mechtild i. d. Bd. Auernheimer, Georg 2006, S. 91 ff.

[14] Klein, Wolfgang 1992, S. 15.

[15] Sander, Rita et al. 2001, S. 18.

[16] List 2001 i. d. Bd. Röhner Charlotte 2005, S. 43.

[17] Vgl. Günther Britta; Günther Herbert 2007, S. 99.

[18] Vgl. ebd. S. 142 ff.

[19] Vgl. Rudolf de Cilia 2005, S. 3 ff.

[20] Vgl. Günther Britta; Günther Herbert 2007, S. 141.

[21] Vgl. ebd. S. 142.

[22] Vgl. Günther Britta; Günther Herbert 2007, S. 142.

[23] Vgl. ebd. S. 147 ff.

[24] Vgl. Apeltauer, Ernst 2004. S. 17.

[25] Vgl. ebd. S. 17.

[26] Vgl. Günther Britta; Günther Herbert 2007, S. 194.

[27] Vgl. ebd. S. 60.

[28] Vgl. Günther Britta; Günther Herbert 2007, S. 60.

[29] Vgl. ebd. S. 60 ff.

[30] Vgl. ebd. S. 61.

[31] Vgl. ebd. S. 61.

[32] Vgl. ebd. S. 61.

[33] Vgl. Günther Britta; Günther Herbert 2007, S. 61.

[34] Vgl. ebd. S. 61.

[35] Vgl. Swift, James 1982, S. 37 ff.

[36] Sander, Rita et al 2001, S. 18.

[37] Vgl. Grießhaber, Wilhelm 2001, S. 7.

[38] Vgl. Günther Britta; Günther Herbert 2007, S. 146.

[39] Vgl. ebd. S. 147.

[40] Vgl. ebd. S. 147.

[41] Vgl. ebd. S. 147 ff.

[42] Vgl. Baur et al. 1992, S. 111.

Fin de l'extrait de 88 pages

Résumé des informations

Titre
Schriftspracherwerb in der Zweitsprache bei Migrantenkindern. Theoretische Grundlagen und Förderansätze
Université
University of Frankfurt (Main)
Note
Gut (11 Punkte)
Auteur
Année
2009
Pages
88
N° de catalogue
V126727
ISBN (ebook)
9783640324163
ISBN (Livre)
9783640322046
Taille d'un fichier
759 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schriftspracherwerb, Zweitsprache, Migrantenkindern, Theoretische, Grundlagen, Förderansätze, Punkte)
Citation du texte
anastasia schmidt (Auteur), 2009, Schriftspracherwerb in der Zweitsprache bei Migrantenkindern. Theoretische Grundlagen und Förderansätze, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126727

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