Chancen auf Frieden im Nahen Osten?

Positionen in Bezug auf den Besitzanspruch des „Heiligen Landes“ und konfliktäre Vorgehensweisen von Israel und den Palästinensern


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2008

70 Páginas, Calificación: 1,8


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Israelisch-palästinensischer Kernkonflikt

3. Historie Palästinas
3.1. Historisches Territorium Palästina
3.2. Ägyptische Herrschaft über das israelische Volk
3.3. Befreiung des israelischen Volkes
3.4. Assyrische, babylonische, persische Herrschaft
3.5. Hellenistische und römische Herrschaft
3.6. Islamisierung Palästinas
3.6.1. Herrschaft des Osmanischen Reiches
3.7. Zusammenfassung

4. Religiösität und Politik

5. Kontroverse Versprechen Großbritanniens

6. Akteure, Gegenstände, Ziele im Palästinakonflikt bis 1948

7. Staatsgründung Israels

8. Akteure, Gegenstände und Ziele im Palästinakonflikt nach 1948

9. Kriegerische Handlungen ab 1948
9.1. Der erste Nahostkrieg: Palästinakrieg
9.2. Das Flüchtlingsproblem
9.3. Die Suez-Krise
9.4. Der Junikrieg: Sechstage-Krieg
9.5. Zusammenfassung

10. Zusammensetzung der palästinensischen Akteure
10.1. Reorganisation der palästinensischen Nationalbewegung
10.2. Bewegung der Arabischen Nationalisten
10.3. Volksfront zur Befreiung Palästinas
10.4. Palästinensische Befreiungsorganisation PLO
10.5. Krise der PLO
10.6 Erneute Reorganisation

11. Der Oktoberkrieg: Jom-Kippur-Krieg

12. Camp-David-Frieden

13. Libanonkrieg

14. Erste Intifada

15. Hamas als neuer palästinensischer Akteur

16. Friedensverhandlungen in Madrid

17. Oslo-Frieden

18. Frieden mit Jordanien

19. Zweite Intifada: al-Aqsa-Intifada

20. Beendigung der Intifada II

21. Palästinensischer Bürgerkrieg

22 Resümee

Anhang
I. .Literaturverzeichnis
II. Zeitschriftenverzeichnis
III. Internetquellen

1. Einleitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Israel: Karte http://de.wikipedia.org/wiki/Israel

Der Nahostkonflikt bezeichnet den Dauerkonflikt um das „Heilige Land" des ehemaligen englischen Mandatsgebietes Palästina zwischen dem jüdischen Staat Israel und den Palästinensern, den arabischen Anrainerstaaten und dem Iran seit Beginn des Zionismus im 19. Jahrhundert durch Theodor Herzl. Der Kern des Konflikts besteht aus einem „Herrschaftskonflikt“[1] zwischen Israel und den Palästinensern, die sich aufgrund eines Teilungsplans der UNO nach dem 2. Weltkrieg im umstrittenen Gebiet arrangieren müssen. Die meisten arabischen Staaten erkennen bis heute die Staatsgründung Israels nicht an. Die Palästinenser definieren sich über ein Selbstverständnis eines eigenen Staates, obwohl es 1993 nur zu der Unterzeichnung einer Prinzipien-Erklärung über die vorübergehende palästinensische Selbstverwaltung zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO kommt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Text Box: Israelische Flagge http://de.wikipedia.org/wiki/Israel

Der Ursprung des Aufeinandertreffens dieser beiden Völker und somit unterschiedlicher Religionen und Kulturen der Juden und der Araber liegt in den Folgen des Ersten Weltkrieges begraben. England hat Israel sowie den Palästinensern autonome Staaten in Palästina versprochen, um sie als Verbündete zu gewinnen.[2] Daher postulieren Israelis und Palästinenser ihre Besitzansprüche auf das „Heilige Land“ vehement. Der Sechstagekrieg von 1967 verhärtet die Fronten nachhaltig, da nach einem Blitzangriff arabischer Staaten auf Israel, diese vernichtend geschlagen werden und Israel das Westjordanland, Ostjerusalem, die Golanhöhen, den Gazastreifen und die Sinai-Halbinsel erobern. Die Sinai-Halbinsel wird 1982 an Ägypten zurückgegeben und 2005 räumt Israel auch den Gazastreifen. Da die Resolution 242 des UN-Sicherheitsrates den Erwerb von Territorien durch Krieg für unzulässig erklärt, werden die Annexionen der Golanhöhen und Ostjerusalems durch Israel völkerrechtlich kontrovers diskutiert und mehrheitlich nicht anerkannt.[3] Durch die israelische Staatsgründung und durch die oben genannten Eroberungen Israels verändert sich das Herrschaftsgefüge im ehemaligen Territorium Palästina zu Gunsten der Israelis. Tausende palästinensische Flüchtlinge suchen Zuflucht in den arabischen Anrainerstaaten. Die Flüchtlinge werden allerdings nicht aufgenommen und ein palästinensisches Flüchtlingsproblem entsteht, welches historisch umstritten ist. Die Frage nach gewaltsamer Vertreibung versus rechtlicher Inbesitznahme von Land bleibt ungeklärt.

Neben der politischen Ebene berufen sich Juden und Moslems auch auf ihre religiösen fundamentalen Werke, nämlich auf den Tanach[4] sowie auf den Koran[5], die beide von heiligen Stätten in Palästina sprechen, die große Bedeutung für die Gläubigen haben. Für die Juden wäre beispielsweise die Klagemauer und für die Moslems die Al-Aksa Moschee zu nennen.

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Al-Aksa-Moschee http://de.wikipedia.org/wiki/Israel

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Klagemauer http://de.wikipedia.org/wiki/Klagemauer

Das Zentrum des Konflikts ist das aufgespaltete Jerusalem. In dieser Arbeit soll geklärt werden, was genau die Heiligkeit des Landes für die Angehörigen der Religionen ausmacht und bedeutet. Die Historie hat gezeigt, dass sich beide Akteure mit Herzblut und Kampfbereitschaft für ihre heiligen Stätten einsetzen.

Dieser stark sublimierte Aufriss deutet die Komplexität des Konflikts an und zeigt zugleich den Kernpunkt der oft gewaltsamen Auseinandersetzung. Der Nahe Osten ist trotz historischem Hintergrund immer noch der politische, religiöse und ungelöste Brennpunkt der Neuzeit. Dementsprechend ist die mediale Berichterstattung auf den Nahen Osten fokussiert und hat großen Anteil an der allgemeinen Meinungsbildung über die konfliktären Akteure. In den letzten Jahrzehnten ist deutlich ein negativer Israeltrend in der Medienlandschaft zu erkennen.[6] Vor allem die kurzatmige Berichterstattung ohne fundiertes Hintergrundwissen und ohne Darstellung von Zusammenhängen[7], aber mit hoch emotionalisierenden Bildern, schafft jetzt auch eine allgemeine ablehnende Israelhaltung in der westlichen Welt. Beispielsweise dominiert in Deutschland die Meinung, dass von Israel weltweit die größte militärische Gefahr ausgeht. Israel hat weder militärische Schritte außerhalb des Nahostgebietes artikuliert, geschweige denn durchgeführt. In wie weit kriegerische Handlungen das israelische Territorium schützt oder erweitert, soll in dieser Arbeit dargestellt.

Palästinensische Kinder http://www.spiegel.de/politik/ ausland/0,1518,137743,00.html

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Das perfide Beispiel der Steine schmeißenden palästinensischen Kinder und Jugendlichen, die sich israelischen Panzern und Maschinen-gewehren gegenüber sehen, ist eindrucksvoll und erzeugt Mitleid mit den hilflosen und unterdrückten Palästinensern. Leider werden diese dramatischen Bilder aus dem Zusammenhang gegriffen und verschleiern, dass die Kinder und Jugendlichen möglicherweise als politische und religiöse Schutzschilde und Märtyrer missbraucht werden, oder sogar für eine neue palästinensische Bewegung stehen, die sich von den moderaten Vätern und ihrem Anführer Yassir Arafat distanzieren und überhaupt keine Gespräche mit Israel in Betracht ziehen.[8]

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Yassir Arafat http://de.wikipedia.org/wiki/Jassir_Arafat

Da die PLO, als stärkster Vertreter der Israelgegnerschaft, auf finanzielle und politische Unterstützung aus dem Westen angewiesen ist, werden die aufschreckenden Bilder teilweise provoziert und als mediale Waffe gegen Israel eingesetzt. Die Art und Weise der parteilichen Berichterstattung[9] zeigt, dass der Palästinakonflikt einer expliziten Untersuchung der Fakten und Positionen der gegenüberstehenden Akteure bedarf. Historische und religiöse Ereignisse müssen beleuchtet werden. Ebenfalls ist die Zusammensetzung der arabischen und westlichen Akteure nicht homogen und muss präzise definiert werden. Es ist zum Beispiel zu erörtern, ob es eine allgemeine arabische Identität gibt, die sich durch die Ablehnung Israels determiniert.

Eine historische Betrachtung des Territoriums Palästina ist zu betreiben, da sich dieses Gebiet durch Veränderungen der Herrschaften, der Grenzen und der ethnischen Bevölkerung auszeichnet. Da die israelisch-palästinensische Auseinandersetzung um Palästina den „Kernkonflikt“[10] des Nahostkonflikts darstellt, soll dieser, eingebettet in die Zusammenhänge des Nahen Ostens, Gegenstand der Untersuchung sein. Die Historie der Juden und der Muslime in Palästina soll erörtert werden, um herauszufinden, welche Ansprüche auf das „Heilige Land“ geltend gemacht werden können. Anschließend soll gezeigt werden, wie diese Ansprüche ab 1948 artikuliert und umgesetzt werden. Diese Arbeit soll also keine ausführliche Untersuchung des Nahostkonflikts in zeitlicher Abfolge leisten, sondern das konfliktäre Verhalten der Hauptakteure in Bezug auf Besitzansprüche, Ziele und deren Realisierung ab 1948 untersuchen.

2. Israelisch-palästinensischer Kernkonflikt

Der israelisch-palästinensische Konflikt, auch Palästinakonflikt genannt, ist nicht mit dem Nahostkonflikt gleichzusetzen. Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern bezieht sich auf Gebietsansprüche der Westbank, des Gazastreifens und Ostjerusalems. Die PLO mit ihrem Anführer Yassir Arafat strebt eine „Etablierung eines Staates mit uneingeschränkter Souveränität"[11] in den oben genannten Gebieten an, wohingegen Israel eine palästinensische Herrschaft auf bestimmte Territorien und Politikfelder beschränken"[12] will. Hoveyda, ein ehemaliger iranischer Botschafter und amerikanischer Politikberater, geht noch weiter und beschreibt das einheitliche Ziel der Palästinenser und Araber seit der zionistischen Besiedelung als „Befreiung Palästinas"[13] von den Juden. Dieses Ziel wird in den folgenden Nahostkriegen, den Terrorwellen und explizit in der Ausrufung der ersten und zweiten Intifada 1987 und 2000 deutlich. Es werden gewaltsame Aufstände gegen Israel realisiert. Auf dieses Thema wird explizit in der Betrachtung der gewaltsamen Vorgehensweisen innerhalb des Konfliktes eingegangen.

Im Gegensatz zum Palästinakonflikt ist der Nahostkonflikt weiter zu fassen. Neben den strittigen Gebietsansprüchen auf heilige Stätten in Palästina zwischen Israel und den Palästinensern gibt es zahlreiche Konflikte zwischen Israel und ihren Anrainerstaaten. 1981 annektiert Israel die Golanhöhen und gerät damit in Konflikt mit Syrien. Die Sicherheitszone im Südlibanon ist trotz Abzug israelischer Truppen im Jahre 2000 immer wieder Schauplatz gewaltsamer Auseinadersetzungen zwischen Israel und dem Libanon.[14] 2006 kommt es wieder zu einem israelisch-libanesischen Krieg, der viele Opfer fordert. Die UN-Sicherheitstruppe UNIFIL versucht seitdem den Frieden zu wahren. Libanon und Syrien erkennen den Staat Israel nicht an. Weiter noch gibt es Konflikte zwischen Israel und Ägypten um die Sinai-Halbinsel. Diese Positionsdifferenzen werden aber diplomatisch behandelt, da es einen gültigen Friedensvertrag zwischen den beiden Staaten gibt. Eine genaue Erörterung der Konflikte Israels mit umliegenden Staaten kann hier nicht erarbeitet werden. Der Hauptunterschied zwischen dem Nahostkonflikt und dem israelisch-palästinensischen Konflikt ist der Gegenstand des Kernkonflikts. Im Nahostkonflikt geht es um Territorien, die strategisch-militärische Vor- und Nachteile bieten. Der Gegenstand des Kernkonflikts zwischen Israel und Palästinenser betrifft aber die Bevölkerung und ihren Wohnraum. Nach

„offiziellen palästinensischen Angaben zufolge leben in der Westbank 1,6 und im Gazastreifen 1 Millionen Palästinenser. Weitere 210.000 Palästinenser leben in Ostjerusalem."[15]

Hinzu kommen 3,7 Millionen palästinensische Flüchtlinge, die außerhalb der palästinensischen Autonomiegebiete in Syrien, dem Libanon und Jordanien Zuflucht suchen. Außerdem sind 170.000 israelische Siedler betroffen, die im Gazastreifen und in der Westbank leben. Eine weitere Besonderheit des Kernkonflikts ist die Etablierung einer Staatsgründung durch die Palästinenser, die nach der Auflösung der Sowjetunion nur noch selten vorkommt.[16] Im Folgenden soll zuerst die Historie Palästinas und anschließend ihre Folgen auf den Besitzanspruch analysiert werden.

3. Historie Palästinas

Welches Territorium ist mit dem Namen Palästina gemeint, welche Grenzen hat Palästina, wie haben sich diese Grenzen verändert und welche Völker und welche Herrscher sind historisch nachzuweisen? Diese Fragen sind zwingend zu beantworten, um die Historie Palästinas zusammenzufassen. Es ist zu beachten, dass es neben historischen Belegen auch biblische Erzählungen sind, die die Geschichte Palästinas beschreiben. Historische und biblische Fakten sind nie Abbildung der Realität und es lassen sich immer Widersprüche entdecken. Wenn man die Geschichte Palästinas im Ganzen sehen möchte, muss man über Lücken und Fehler der Geschichtsschreibung und der Bibel hinwegsehen. Eine Wiederherstellung der Historie über Jahrtausende im Territorium Palästina ist unmöglich.[17]

Das Gebiet Palästina hat viele Namen und eine lange Historie. Es gibt biblische (Kanaan), arabische (فلسطي,)ealtägyptisch,(Retenu) und jüdische Namen (ראל ארץ יש). Zur christlichen Zeitenwende wird von „dem Land" gesprochen, was bedeutet, dass es für die Juden nur ein „Land Israel", auf hebräisch „Erez Israel", gibt, welches heilig ist und von Gott an die Juden versprochen ist. „Das Land" steht für die Einheit „von Land, Volk und Religion: Israel, Juden, Judentum."[18] Der Begriff „Erez Israel" ist bis heute bei den Juden der gängige Begriff für Palästina. Jerusalem wird von jüdischen Propheten als „Zion" bezeichnet, woraus der Zionismus, also die Rückkehr des jüdischen Volkes in das „Heilige Land", entsteht.

„Denn aus Zion wird die Thora kommen und Gottes Wort aus Jerusalem. Erst in der Diaspora, außerhalb Israels, wurde Zion den Juden zugleich zum Symbol für ihr Heiliges Land:"[19]

Für Muslime, die heute Anspruch auf Palästina erheben, ist nicht das Land an sich heilig, sondern die religiösen Stätten, die auf dem Grund und Boden Palästinas erbaut werden. Ihr religiöses Zentrum ist „ursprünglich arabozentrisch"[20]. Für die arabische Bevölkerung in Palästina gibt es erst seit 1970 explizit die Bezeichnung „Palästinenser". Ursprünglich werden alle Bevölkerungsteile in Palästina, unabhängig von ihrer Religion, als Palästinenser bezeichnet. Es ist also zu erkennen, dass die religiöse Verbundenheit der Juden mit dem Gebiet Palästina weiter zurück reicht als die der Muslime. Eine historisch größere Bedeutung für die Muslime hat Mekka, die Geburtsstadt Mohammeds, dem höchsten islamischen Propheten. Seit 630 gilt Mekka als heiligste islamische Pilgerstätte.

Die vielen Namen Palästinas zu biblischen Zeiten und vor und nach der christlichen Zeitenwende zeigen die Umstrittenheit der Region auf und verweisen auf viele unterschiedliche Völker und Herrscher. Nach Wolffsohn sind diese vielen Bezeichnungen und Namen ein Spiegel, aber nicht der Wirklichkeit selbst.[21]

Die Beziehung des Volkes Israel und die der Palästinenser zum Gebiet Palästina soll im Folgenden untersucht werden. Die Geschichte Palästinas lässt sich in viele Epochen mit unterschiedlichen Herrschaften bis zum Ersten Weltkrieg gliedern.

3.1. Historisches Territorium Palästina

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das historische Territorium Palästina liegt an der südöstlichen Küste des Mittelmeers und erstreckt sich über das heutige Staatsgebiet Israel, die palästinensischen Autonomiegebiete und Teile Jordaniens und Syriens. Nach Auffass-ung von PLO-Chef Arafat und seinen Anhängern erstreckt sich das „Heilige Land", welches in der Bibel den Juden versprochen wird vom Euphrat bis zum Nil, wodurch die Angst vor israelischer Aus-dehnung und Erober-ungszügen geschürt wird. Bei genauer Betrachtung der zugrunde liegenden Bibelstelle im Ersten Buch Mose 15,18 ff. wird aber deutlich, dass damit nicht ein autonomer politischer Staat gemeint ist, sondern das Gebiet der Stammesväter der Israeliten, die als Halbnomaden dieses Gebiet bereisen und sich mit vielen mächtigen Völkern in Frieden arrangieren.[22]

3.2. Ägyptische Herrschaft über das israelische Volk

Seit dem 3. Jahrtausend vor Chr. zeichnet sich das Gebiet durch ägyptische Herrschaft aus und ist die Schnittstelle von drei Kontinenten. Das Gebiet wird durch die Ägypter als „Retenu" bezeichnet und schließt das heutige Syrien und den Libanon mit ein. Religiöse und kulturelle Einflüsse aus Ägypten, Mesopotamien, Syrien und Kleinasien vermischen sich. Völker wie die Amoriter, Hethiter und Hurriter drängen in die Region, werden aber gewaltsam vertrieben. Sie hinterlassen Namen wie „Land der Amoriter" und „Hurru". Die Bezeichnung „Retenu" ändert sich in den aus der Bibel bekannten Begriff „Land Kanaan". Unter „Kanaan" versteht man das Gebiet westlich des Jordans und den westsyrischen Bereich. Die vertriebenen Völker sammeln sich als Kanaaniter und überschwemmen ab dem 12. Jahrhundert vor Chr. das Gebiet der Ägypter erneut. Darunter befinden sich auch Israeliten, Hebräer, Habiru, Philister und zahlreiche Nomadenstämme aus Mesopotamien und den umliegenden Wüstenzonen.[23] Geschichtlich werden zum ersten Mal die Israeliten in Verbindung mit der Region Palästina erwähnt. Ägypten gehört zwar nicht direkt zur Region Palästina, aber das ägyptische Reich schließt auch westliche Teile Palästinas mit ein.

3.3. Befreiung des israelischen Volkes

Zur Zeit der ägyptischen Herrschaft kommt es nach biblischer Überlieferung zur versklavten Volksbildung der Israeliten in Ägypten. Aus den eingewanderten Hebräern entsteht das Volk Israel. Moses bekommt durch Gott den Auftrag, das israelische Volk aus der Sklaverei zu befreien und es in das „Gelobte Land" zu führen. Nach 40 jähriger Wüstenwanderung und dem Ableben Moses nimmt das Volk Israel unter der Führung Josuas Kanaan ein.

„Hier bekämpfte er die ansässigen Völker, ermordete und vertrieb sie allmählich. Die Tradition der gewaltsamen Landnahme durch die Juden begann."[24]

Hier findet man einen Widerspruch der Bibel, der eine Befreiung aus ägyptischer Herrschaft in ein Teil des ägyptischen Territoriums unwirklich erscheinen lässt. Obwohl das Gebiet Kanaans noch im Hoheitsgebiet der Ägypter liegt, befindet es sich aber im Ost- und Westjordanland und liegt also weit weg vom Machtzentrum Ägyptens. Auch wenn die realen Geschehnisse nicht mehr nachzuweisen saind, darf man 2000 Jahre alte historische Fakten nicht einer hundertprozentigen Wahrheitsfindung nach heutigem Standard unterziehen.

In der Bibel gibt es mehrere Stellen, in denen das Gebiet Kanaan abgesteckt wird. Die Angaben sind unterschiedlicher Größe, aber haben alle gemein, dass das dieses Gebiet nicht einem Großreich entspricht. In 4. Moses 34, 3-15 wird das „Versprochene Land der Juden" in ähnlicher Größe des Staates Israel zur Zeit der Staatsgründung 1948 beschrieben.

Das Volk Israel besteht aus zwölf Stämmen, die innerhalb der Landnahme Kanaans 31 Städte erobern. Dazu gehören im Ostjordanland Heschbon und alle Tochterstädten, im Westjordanland Jericho und schließlich auch Jerusalem.[25] Die aus der Bibel überlieferte Befreiung des israelischen Volkes aus der Sklaverei Ägyptens bis zur Landnahme Kanaans wird aber von Historikern bezweifelt. Archäologische Befunde sollen ergeben haben, dass die eroberten Städte schon längst Ruinen waren und dass die zwölf Stämme Israels nicht als geschlossenes Volk auswandern und die Landnahme ausführen, sondern dass sie als Beduinenstämme die Städte besiedeln. An dieser Stelle erkennt man die widersprüchlichen Ansätze der Geschichtsbetrachtung. Allgemein ist Konsens, dass sich die Israeliten als Siedler in verlassenen Städten niederlassen, aber Wolffsohn spricht von „gewaltsamer Landnahme"[26].

Die israelischen Stämme werden von Richtern geführt, die sich als verbündete Führergestalten verstehen, die sich in Gefahren-situationen gegenseitig helfen sollen. Nach und auch schon während der Landnahme durch die israelischen Stämme in Kanaan kommt es zu Unterdrückungen des israelischen Volkes durch die Medianiter und Philister. Besonders die Philister organisierten sich militärisch als ein Bund aus fünf Städten und fügen den Israeliten 1050 vor Chr. unter dem ersten König Saul eine schwere Niederlage zu. Sein Nachfolger König David besiegt nach biblischer Überlieferung den Riesen Goliath und schlägt damit die Philister. Die Macht des Volkes Israel geht in ein autonomes Reich über, das Jerusalem als Hauptstadt erobert und seine Macht ausdehnt. In der Bibel wird berichtet, dass das Reich Davids viermal größer ist als das heutige Israel und sich von der Küste bis weit in den Norden erstreckt. Wissenschaftliche Studien diskutieren die Ausdehnung des Reiches aber kontrovers. Viele Stimmen sprechen sich dafür aus, dass die Macht und die Größe des israelischen Reiches nur dem eines Stammes entsprechen. In diesem Zeitraum des Friedens und des Wohlstandes entsteht der der erste Tempel Jahwes.[27]

926 vor Chr. teilt sich das Königreich Israels in ein Nord- und ein Südreich bzw. in Israel und Judäa, da der Nachfolger Davids, König Salomon, stirbt und sein Sohn nicht als König anerkannt wird.

3.4. Assyrische, babylonische, persische Herrschaft

Das Nordreich Israel kommt nach der Trennung zu großer Macht und wird deshalb von den assyrischen Nachbarn im 8. Jahrhundert vor. Chr. angegriffen und besiegt. Die Bevölkerung wird nach der Hauptstadt Samaria als Samariter bezeichnet. Das unbedeutend gewordene Südreich Judäa mit der Hauptstadt Jerusalem sieht die Chance, das israelische Volk wieder zu vereinen, als die Macht der assyrischen Herrschaft schwindet, da das Neubabylonische Reich die Assyrer im 7. Jahrhundert vor Chr. niederringt.

Trotz gewachsener Unterschiede der israelischen Stämme, wird eine Zusammenführung realisiert. Es dauert aber nicht lang, bis der babylonische König Nebukadnezar Jerusalem einnimmt und die Israeliten in babylonische Gefangenschaft versklavt. Jahrzehnte später fällt das Babylonische Reich und wird von den Persern aus Vorderasien übernommen. Die Israeliten erhalten das Recht, nach Jerusalem heimzukehren und den Tempel Jahwes nach dessen Zerstörung und die Stadtmauer wieder aufzubauen.[28]

3.5. Hellenistische und römische Herrschaft

332 vor Chr. erobert Alexander der Große die Region und bringt die hellenistische Kultur mit Verhaltensweisen der Polis in die vielen ethnischen Gruppen wie Judäer, Phönizer, Samariter, Edomiter und Nabatäer. Diese einheimischen Bevölkerungsgruppen werden ebenfalls systematisch ausgebeutet und versklavt. Unter der Führung der Makkabäer und Seleukiden können sich die Juden gegen die hellenistische Herrschaft erheben und die Gründung eines eigenständigen Staates erzielen.

Nachdem Pompeius das Gebiet für Rom erobert, kommt es zu zwei Aufständen gegen die Herrschaft des Römischen Reiches, die 135 nach Chr. endgültig gewaltsam beendet werden und wieder in Sklaverei, Unterdrückung und Tötungen von Juden enden. Im Jahre 70 wird der Tempel Jahwes erneut zerstört und Judäa wird in Syria Palaestina umbenannt, um die jüdische Vergangenheit endgültig auszulöschen.[29] Der heutige Name Palästina wird also durch die Römer eingeführt. Palästina bedeutet „Land der Philister" und wurde von den Römern als Schmach für die Juden benutzt, da die Philister als Erzfeinde der Juden im Alten Testament gelten.[30] Durch die Christianisierung des Römischen Reiches wird auch die Region Palästina von Christen besiedelt und die ansässige Bevölkerung wird teilweise christianisiert.

3.6. Islamisierung Palästinas

Im Jahr 638 fallen muslimische Araber in Palästina ein und erobern das „Heilige Land“ von den Persern, die kurzzeitig die Herrschaft dem Byzantinischen Reich entreißen. Hier findet eine historische Einmaligkeit statt. Wolffsohn spricht von dem „goldenen arabisch-islamisch-jüdischen Zeitalter“[31]. Die Araber gelten als Befreier von den Persern, da diese die Juden nach anfänglicher Autonomie verfolgen. Die Freiheit der Juden unter persischer Verwaltung wird zur Vertreibung der Christen benutzt und eskaliert, sodass die Perser die Juden gewaltsam in ihre Schranken weisen. Unter arabisch-muslimischer Herrschaft kommt es zur friedlichen Vermischung von Juden, Christen und Muslime in der Region. Die Entfernung vom heiligen jüdischen Jerusalem und der Hauptstadt Damaskus, dem „arabisch-islamischen Kern“[32] ist ausreichend, um Konflikte zu vermeiden. Die Arabisierung der Bevölkerung beginnt und die Araber stellen schnell die größte ethnische Bevölkerungsgruppe dar. Der Frieden hält nicht lang an, da es zu Konflikten innerhalb der Araber kommt. Die Rivalität zwischen Omajjaden und Abbassiden, Sunniten und Schiiten und der Gegensatz zwischen städtischer Bevölkerung und Beduinen wachsen. 969 entsteht ebenfalls Druck durch die türkischen Seldschuken und durch Byzanz von Außen auf Palästina.

„Um das Jahr 1000 herrschten chaotische Verhältnisse. Fast jeder kämpfte gegen jeden;“[33]

Mit Beginn der Kreuzzüge beginnt der Konflikt zwischen westlichen Staaten und dem Islam. Auch die Kreuzritter können das „Heilige Land“ nicht kontrollieren. Sie werden im 13. Jahrhundert von Saladin, einem Kurden, verjagt. Ein Kurde gilt als Befreier der Muslimen und somit auch zwangsläufig der Juden von den Christen. Aus heutiger Sicht eine unvorstellbare Kooperation muslimischer und jüdischer Historie. Es ist zu erkennen, dass ein gemeinsamer Feind, die Konflikte untereinander temporär verschwinden lassen kann.

3.6.1. Herrschaft des Osmanischen Reiches

1516 erobert das Osmanische Reich Palästina und herrscht 400 Jahre über die Region. Trotz einer schnell fortschreitenden Islamisierung des Landes (Moscheen) und der Bevölkerung (Koranschulen) leben Juden in einer Diaspora autonom und friedlich neben Muslime. Vertriebenen Juden aus Spanien und Portugal wird Ende des 15. Jahrhunderts sogar Asyl von den Muslimen gewährt. Allerdings scheint eine Bedrohung der Juden für die Muslime als sehr gering, da sich nur wenige jüdische Familien im Land befinden.[34] Der Untergang des Osmanischen Reiches betrifft auch Palästina. Die Bevölkerungszahlen gehen stark zurück und die Wirtschaftskraft ist zerstört. Es leben zu dieser Zeit nur 300.000 Menschen im Gebiet Palästinas, wovon 90% muslimische Araber sind. 1881 beginnt die Wiederbesiedlung Palästinas durch Juden, auch arabischer Abstammung, die für wirtschaftlichen Erfolg sorgen. Durch die zunehmende Juden-feindlichkeit in Europa strömen ab 1882 viele verarmte Juden nach Palästina, um Schutz zu suchen. Eine zweite Welle der jüdischen Einwanderung wird durch die Ausrufung des Zionismus durch Theodor Herzl 1897 initiiert. In der Annahme, dass Gott das „Heilige Land" für die Juden bestimmt hat, siedeln sich viele Juden in der Region an und erwerben Land von der arabischen Bevölkerung.[35] Hier kommt es zu einem Historikerstreit, da nicht zu belegen ist, ob das Land freiwillig verpachtet wird, oder ob die Juden das Land gewaltsam zu ihrem Eigen machen. Eine Vermutung ist, dass sich die Araber nicht darüber im Klaren waren, dass eine Landverpachtung ihr Anrecht auf Landbesetzung verwirkt. Aus Sicht der Zionisten ist diese Landnahme eine kapitalistisch-legale Form des Erwerbs von Eigentum, aber für die arabischen Bauern, stellt diese Form eine illegitime Art der Enteignung dar.

[...]


[1] Beck, Martin (2002): Friedensprozess im Nahen Osten: Rationalität, Kooperation und politische Rente im Vordere Orient. Wiesbaden, S. 163.

[2] Vgl. Steininger, Rolf (2003): Der Nahostkonflikt. Frankfurt am Main, kompakt, S. 2.

[3] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Nahostkonflikt

[4] Tanach ist die Heilige Schrift des Judentums bestehend aus drei Hauptteilen, nämlich der Tora, dem Nevim und dem Ketuvim. 100 n. Chr. bildet der Tanach den Kanon der Hebräischen Bibel.

[5] Der Koran ist die Heilige Schrift des Islams, die von Allah dem Propheten Mohammed 610 n. Chr. in sein Herz geschrieben wurde.

[6] Vgl. Prill, Egmond (2004): Pulverfass Nahost, Israel zwischen biblischer Prophetie und aktueller Politik. Kassel, Reihe Israel, S. 5.

[7] Vgl. Quetsch, Guido (2000): Auf dem Weg zur Nation: Die palästinensische Bewegung in den fünfziger und sechziger Jahren. Würzburg, S. 8.

[8] Vgl. Lübben, Ivesa /Jans, Käthe (1988): Kinder der Steine: Vom Aufstand der Palästinenser. Reinbeck, S. 49.

[9] Vgl. Wolffsohn, Michael (1992): Wem gehört das Heilige Land? Die Wurzeln des Streits zwischen Juden und Arabern. München, S. 9.

[10] Beck, Martin 2002, S. 164.

[11] Beck, Martin 2002, S. 163.

[12] Ebd., S. 163.

[13] Hoveyda, Feredoun (1992): Was wollen die Araber? München, S. 54.

[14] Beck, Martin 2002, S. 164.

[15] Ebd., S. 165.

[16] Vgl. Beck, Martin 2002, S. 165.

[17] Vgl. Wolffsohn, Michael 1992, S. 50.

[18] Wolffsohn, Michael 1992, S. 12.

[19] Ebd., S. 13.

[20] Ebd., S. 15.

[21] Wolffsohn, Michael 1992, S. 13.

[22] Ebd., S. 44 ff.

[23] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stina_%28Region%29

[24] Ebd., S. 12.

[25] Zur genauen Auflistung der eroberten Städte s. Buch Numeri und Josua im Alten Testament.

[26] Wolffsohn, Michael 1992, S. 13.

[27] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stina_%28Region%29

[28] Vgl. Der Israelmaßstab (2000): Zeitgeschichte zum Anfassen. In: Israel-Report, Beilage des Medienmagazins pro, S. 20.

[29] Vgl. Wolffsohn, Michael 1992, S. 14.

[30] Wolffsohn, Michael 1992, S. 14.

[31] Ebd., S. 209.

[32] Ebd., S. 212.

[33] Ebd., S. 213.

[34] Ebd., S. 221.

[35] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Pal%C3%A4stina_%28Region%29

Final del extracto de 70 páginas

Detalles

Título
Chancen auf Frieden im Nahen Osten?
Subtítulo
Positionen in Bezug auf den Besitzanspruch des „Heiligen Landes“ und konfliktäre Vorgehensweisen von Israel und den Palästinensern
Universidad
University of Siegen  (Fachbereich Politikwissenschaft)
Curso
Internationale Politik
Calificación
1,8
Autor
Año
2008
Páginas
70
No. de catálogo
V126943
ISBN (Ebook)
9783640329847
ISBN (Libro)
9783640331659
Tamaño de fichero
944 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Chancen, Frieden, Nahen, Osten, Positionen, Bezug, Besitzanspruch, Landes“, Vorgehensweisen, Israel, Palästinensern
Citar trabajo
Benjamin Tappert (Autor), 2008, Chancen auf Frieden im Nahen Osten?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/126943

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