Gesprochene und geschriebene Sprache im Verhältnis zu höheren und niederen Sprachniveaus

Betrachtungen am Beispiel des Französischen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

34 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


I n h a l t

1 Einleitung

2 Gesprochene Sprache und geschriebene Sprache
2.1 Die Unterscheidung von code phonique/graphique und code parlé/écrit
2.2 Zum Verhältnis von code phonique und code graphique
2.2.1 Inkongruenz von graphischem und phonischem Zeicheninventar
2.2.2 Divergenzen bei morphologischen Markierungen
2.2.3 Metasprachliche Informationsleistung
2.3 Zum Verhältnis von code parlé und code écrit
2.3.1 Grad der Partizipation
2.3.2 Grad der Situationsidentität
2.3.3 Planungsgrad – Spontaneitätsgrad
2.3.4 Grad der persönlichen Betroffenheit
2.4 ‚Gesprochen’ und ‚geschrieben’ als eigenständige Varietätendimension ?

3 Höhere und niedere Sprachniveaus
3.1 High versus Low: Der Diglossiebegriff nach Charles A. Ferguson
3.2 Elaborated code versus restricted code: Die Defizitkonzeption nach Basil Bernstein

4 Zum Übergang zwischen diastratischer und diaphasischer Variation

5 Code écrit und code parlé im Verhältnis zu höheren und niederen Sprachniveaus

6 Quellennachweise

1 Einleitung

Da das methodische Grundprinzip der Sprachwissenschaft bis Mitte der 60er Jahre auf einer idealisierenden Homogenitätsannahme beruhte, der zufolge alle Sprecher eines Systems dieselben sprachlichen Oppositionen realisieren und erkennen, ergaben sich Schwierigkeiten, die tatsächliche Heterogenität der historischen Einzelsprachen in bezug auf regionale, soziale und stilistische Varianten zu erfassen. Eugenio Coseriu, welcher diesen Mangel des Strukturalismus am deutlichsten wahrnahm, unterschied daher die Ebene der „funktionellen Sprache“ und jene der „Architektur der Sprache“. Letztere trägt der faktischen Untergliederung eines Systems in mehrere Subsysteme Rechnung.[1] Doch stellen Diatopik, Diastratik und Diaphasik theoretische Konstrukte dar, die in der Praxis nicht klar voneinander abgegrenzt erscheinen, sondern sich vielmehr überlagern. Schließlich kann ein und dieselbe Sprachstruktur in bezug auf mehrere Dimensionen markiert sein. – Was die Unterscheidung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache anbelangt, so ist zwar umstritten, ob ihr ebenfalls der Rang einer eigenständigen Variation im Sinne Coserius zukommt, feststeht aber, daß beide Aspekte bis zu einem bestimmten Grad auf eigenen Regeln beruhen, welche wiederum mit den übrigen Dimensionen gewisse Interferenzen eingehen.

Das Endziel der vorliegenden Arbeit besteht darin zu zeigen, in welchem Verhältnis diastratische und „diamesische“ Ebene zueinander stehen, bzw. wie sich der Gegensatz aus ‚gesprochen’ und ‚geschrieben’ in Beziehung setzten läßt zu jenem aus höheren und niederen Sprachniveaus. Zuvor soll jedoch herausgearbeitet werden, inwiefern die Ebenen jeweils in sich differenziert sind. Daher widmen sich Kapitel 1 und 2 zunächst beiden Gegensatzpaaren einzeln. Während in Kapitel 1 der Unterscheidung zwischen Konzeption und Medialität eine übergeordnete Rolle zukommt, wird das darauffolgende Kapitel die Opposition zwischen höheren und niederen Niveaus mit Hilfe zweier unterschiedlicher Ansätze zu erklären versuchen. Bedingt durch Veränderungen in der Sozialstruktur moderner Gesellschaften, zeigt auch die jüngere Sprachgeschichte Frankreichs eine Tendenz zur Auflösung diastratischer Differenzen, und zwar zugunsten einer Zunahme an diaphasischen Varietäten. Dieser Umstand, welcher Gegenstand des dritten Kapitels ist, beeinflußt automatisch die in Kapitel 4 vorgenommenen Zuordnungen, und sollte deshalb ebenfalls berücksichtigt werden.

2 Gesprochene Sprache und geschriebene Sprache

2.1 Die Unterscheidung von code phonique/graphique und code parlé/écrit

Da die Begriffe ‚gesprochen’ und ‚geschrieben’ im alltäglichen Sprachgebrauch oft zweideutig verwendet werden, empfiehlt sich im Rahmen einer systematischen Auseinandersetzung zunächst eine begriffliche Differenzierung, wie sie Ludwig Söll (1985) mit seinem Doppeldichotomiemodell vorgenommen hat:

‚Code phonique’ und ‚code graphique’ beziehen sich dabei auf das Medium, in dem eine Äußerung realisiert wird, auf den Übertragungsmodus menschlicher Kommunikation. Dieser bestimmt sowohl die Art der Textproduktion als auch die der Textrezeption. Während ein ‚message phonique’ stimmlich-artikulatorisch entsteht und auditiv wahrgenommen wird, ist ein ‚message écrit’ das Ergebnis graphischer Realisierung und muß visuell durch Lektüre entschlüsselt werden.[2] – Davon gilt es die Ebene der Konzeption abzugrenzen, auf welcher Söll zwischen ‚code parlé’ und ‚code écrit’ unterscheidet.[3] Denn unabhängig von der medialen Realisierung folgt Sprache in ihrer Struktur bestimmten Regeln, die sich ebenfalls als eher ‚gesprochen’ oder eher ‚geschrieben’ kategorisieren lassen. Der Unterschied zwischen beiden Ebenen tritt am deutlichsten zutage, wenn ein Text bei gleichbleibender Konzeption medial umkodiert wird: Wer beispielsweise einen wissenschaftlichen Artikel vorliest (= code phonique), befindet sich, obwohl er spricht, im Bereich der Schriftsprache, da dem vorgelesenen Text weiterhin eine schriftliche Konzeption (= code écrit) zugrunde liegt. Ein spontanes Gespräch kann als Transkription (= code graphique) auch der visuellen Rezeption zugänglich gemacht werden, ohne deswegen seine mündliche Konzeption (= code parlé) zu verlieren.[4] Die Notwendigkeit der Um kodierung verdeutlicht jedoch, daß ein natürlicher Zusammenhang zunächst zwischen code phonique und code parlé einerseits sowie zwischen code graphique und code écrit andererseits besteht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Varianten 1) und 3) entsprechen also der Norm, während 2) und 4) Normabweichungen darstellen, wie sie z.B. infolge eines bewußten Registerwechsels zustande kommen. In der Praxis vollziehen sich solche Übergänge häufiger zwischen 1) und 4) als zwischen 3) und 2). Besonders deutlich werden die genannten Affinitäten an Wörtern mit hoher Code-Spezifität (écrit/parlé), da hier normabweichende Realisierungsweisen (graphique/phonique) öfter mit Unsicherheiten einhergehen. Das Substantiv [pagaj], welches konzeptionell eindeutig der gesprochenen Sprache zuneigt, läßt u.U. Zweifel bezüglich seiner Orthographie aufkommen: pagaye oder paga ïe oder pagaille ? Graphische Varianten sind kennzeichnend für Wörter, deren Verschriftung noch nicht lange zurückliegt. Beim Adjektiv pusillanime, welches primär der Schriftsprache angehört, könnten hingegen Probleme bei der Aussprache entstehen: [-l-] oder [-ll-] oder [-j-] ?[5] Doch nicht alle Elementen weisen eine eindeutige konzeptionelle Spezifität auf, sondern stehen dem einen code u.U. nur geringfügig näher als dem anderen. Auch ganze Texte lassen sich nicht immer auf eine der beiden Konzeptionen festlegen, da sie sowohl durch Regularitäten des code parlé als auch des code écrit bestimmt sind. Während die Realisierung eines Textes entweder nur phonisch oder nur graphisch erfolgt, herrscht auf Konzeptionsebene eine gleitende Skala beliebiger Mischungen, deren vollständige Systematisierung kaum möglich ist.[6] Dabei gilt, daß der Anteil des code écrit mit steigender Formalität der Kommunikation zunimmt, der des code parlé mit steigender Vertrautheit. Doch die Wahl eines Codes ist auch beeinflußt durch die vom Textproduzenten letztendlich intendierte Rezeptionsweise. Dabei kann eine Umkodierung eingeplant sein, so daß die zuerst erfolgende Rezeptionsweise nur ein Zwischenstadium darstellt. So weist ein phonisch realisierter Text, der mitgeschrieben werden soll, um später per Lektüre rezipierbar zu sein, sicherlich Züge des code écrit auf. Häufiger ist der Fall, daß ein im Ursprung graphisch realisierter Text eigentlich gehört werden soll und daher Merkmale des code parlé trägt. Dies betrifft insbesondere Drehbücher, Radioskripte, Vorträge oder Reden.[7] Obgleich die Imitation mündlicher Sprachformen in der geschriebenen Literatur sowie der Einfluß der Schriftsprache auf die mündliche Rede keineswegs neue Phänomene darstellen, hat, bedingt durch die Entwicklung technischer Medien, eine Ausweitung dieses Zwischenbereichs stattgefunden. In Fernsehen, Radio, Kino etc. werden verstärkt Texte oral realisiert, die zuvor am Schreibtisch entstanden.[8]

2.2 Zum Verhältnis von code phonique und code graphique

Zahlreiche strukturalistische Linguisten, von de Saussure über Sapir bis zu Bloomfield und Hockett, behaupteten die absolute Priorität der gesprochenen Sprache, während die geschriebene lediglich dazu diene, erstere zu repräsentieren bzw. sie in ein anderes Medium zu transponieren. Als legitimer Gegenstand der Linguistik gelte daher einzig die gesprochene Sprache – der Gegensatz ‚geschrieben-gesprochen’ sei ein Scheinproblem.[9] Die weitverbreitete Ansicht vom Vorrang des Gesprochenen fußt vor allem auf phylogenetischen und ontogenetischen Begründungen: In der Diachronie des Französischen setzten Verschriftlichungen erst lange nach der Ausbildung sprechsprachlicher Varietäten ein. Die ersten Textzeugnisse stammen aus dem 9. Jh. Und bevor in der zweiten Hälfte des 19. Jh.s die allgemeine Schulpflicht verwirklicht wurde, waren Schreib- und Lesekompetenzen ohnehin nur wenigen privilegierten Mitgliedern der Sprachgemeinschaft vorbehalten.[10] Doch indem die Schrift kommunikativen Bedürfnissen genügen mußte, die sich von denen der mündlichen Kommunikation unterscheiden, erwarb sie im Zuge ihrer historischen Entwicklung eine relative Autonomie, denn ihre Funktion beschränkte sich bald nicht mehr darauf, das Gesprochene abzubilden und zu konservieren. Zu diesem Ergebnis gelangte auch der Cercle linguistique de Prague um Josef Vachek. Letzterer zeigte erstmals 1939, daß sich die geschriebene Sprache im Laufe der Zeit von einem sekundären zu einem primären Zeichensystem entwickelt, dessen Elemente nicht mehr nur graphische Abbilder von Lautzeichen sind, sondern eigenständig außersprachliche Realitäten bezeichnen.[11] Geschriebene und gesprochene Sprache seien sogar zwei distinkte, nach eigenen Regeln operierende Teilsysteme, die beim Sprachbenutzer eine doppelte Kompetenz voraussetzen, eine phonische und eine graphische. Dies unterstützen übrigens Beobachtungen der Psycholinguistik, denen zufolge gehörlose Kinder, welchen die gesprochene Sprache verschlossen bleibt, im Bereich des Geschriebenen volle Sprachkompetenz entfalten können.[12] Doch selbst wer den Unterschied zwischen Phonie und Graphie auf der Ebene der Performanz ansiedelt – schließlich betrifft er den Realisierungsmodus von Sprache – , wird erkennen, daß trotz einer gewissen Korrelation zwischen graphischen und phonischen Zeichen ihre Unterschiede in Materialität, Organisation und Informationsleistung so groß sind, daß sich Schrift nicht allein aus ihrem Bezug zur Lautung heraus verstehen läßt.[13] Für das Französische sei im folgenden erläutert, in welchen Dimensionen sich insbesondere das graphische Zeichensystem als eigenständig erweist:

2.2.1 Inkongruenz von graphischem und phonischem Zeicheninventar

Auf materieller Ebene wäre allein der unterschiedliche Umfang der Zeicheninventare zu nennen. Den ca. 37 Phonemen des gesprochenen Französisch stehen 41 graphische Grundelemente gegenüber: 26 Buchstaben, 13 Buchstaben mit diakritischen Zeichen sowie 2 Diagraphen (œ / ae). Die Zahl der mit diesen Elementen konstituierten Grapheme beträgt allerdings ein Mehrfaches, egal, ob jede orthographisch mögliche Repräsentation eines Phonems als eigenes Graphem gewertet wird (...ai, ais, ait, aix, aient...) oder nur die jeweilige graphische Minimaleinheit derartiger Segmente (..ai..). Hinzukommen Interpunktionszeichen, Spatien, Schrifttypen, Schriftstärken, Kürzel (€, $..), logographische Symbole (+, -, x, :, = ...) und Ziffern, die sich in ihrer phonischen Repräsentation völlig anders darstellen. – Es besteht also Grund, die Funktionsweise von Schriftzeichen aus einer phonemunabhängigen Sicht heraus zu untersuchen. Auch beim stummen Lesen kann sich die Schrift in der Wahrnehmung von der Phonemstruktur loslösen. Wie die Leseforschung gezeigt hat, werden bei der Aufnahme schriftlicher Informationen i.d.R. größere Einheiten als die des Graphems auf einmal verarbeitet – bis hin zu Wortgruppen.[14]

2.2.2 Divergenzen bei morphologischen Markierungen

Bei morphologischen Markierungen folgen beide Zeichensysteme teilweise abweichenden Regeln, wobei es graphische Markierungsformen gibt, die sich aus den phonischen Gegebenheiten heraus nicht erklären lassen:

a) Während das gesprochene Französisch zur Numerusmarkierung phonologische Oppositionen nutzt, verwendet das geschriebene Französisch graphische Oppositionen, die oft keine direkte phonische Entsprechung haben: [lə pɛ̃ : le pɛ̃] - le pain : les pains
b) Darüber hinaus finden sich im geschriebenen Französisch zumeist mehr Numerusmarker als im gesprochenen: [kɛl pɛ̃ : kɛl pɛ̃] (0) - quel pain : quels pains (2)

[lœR kuzɛ̃ etɛ malad : lœr kuzɛ̃ etɛ malad] (0) - leur cousin était malade : leurs cousins étaient malades (4)

In den angeführten Beispielen liefern die phonischen Varianten sogar überhaupt keine Informationen über den Numerus der vorkommenden Aktanten.

c) Unterschiedliche Regularitäten herrschen auch in bezug auf die Genusmarkierung bei Adjektiv und Partizip. Wird der Unterschied zwischen Maskulinum und Femininum im Gesprochenen oft mittels einer phonologischen Opposition gekennzeichnet (finales Konsonantphonem vs. finales Vokalphonem), findet sich im Geschriebenen eine davon

unabhängige graphische Opposition: [ʒalu : ʒaluz] - jaloux : jalouse

[mi : miz] - mis : mise

Generell überwiegt im code phonique jedoch Genusinvariabilität, im code graphique hingegen Genusvariabilität: [kryɛl : kryɛl] – cruel : cruelle / [blø : blø] – bleu : bleue.

d) Unterschiede offenbaren Phonie und Graphie auch hinsichtlich der Personmarkierung bei konjugierten Verbformen der einfachen Zeiten. Im gesprochenen Französisch ergibt sich die Person oftmals nur aus dem präfigierten Subjektpronomen, da die Verbform nur noch das Tempus anzeigt. Im geschriebenen Französisch läßt sich die Person zusätzlich an der Verbendung ablesen:[15] [ʒə pɔRt] – je porte [ty pɔRt] – tu portes [il pɔRt] – il porte / ils portent

In einige Fällen liefert der code phonique also keinerlei morphologische Informationen. Bei größeren Syntagmen kann dies dazu führen, daß entscheidende semantische Bezüge u.U. erst im Schriftcode hervortreten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[16]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2.3 Metasprachliche Informationsleistung

a) Mittels Satzschlußzeichen sowie der Großschreibung von Wortanfängen am Satzbeginn vermag der Schriftcode auf so eindeutige Weise Satzgrenzen zu markieren, wie es phonische Signale kaum leisten können. Im Französischen erlaubt die Majuskelschreibung von Anfangsbuchstaben überdies die Unterscheidung von Namens- und Lexemeinheiten.

b) Durch Spatien werden im Schriftcode sogar Wortgrenzen gekennzeichnet, während die Pausen- und Intonationssignale des gesprochenen Französisch nur einzelne groupes rythmiques bzw. mots phonétiques voneinander abgrenzen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

c) Im Gegensatz zur Phonie eines Wortes erlaubt dessen graphische Struktur dank ihrer etymologisch-historischen Rückbindung, welche im Französischen besonders stark ausgeprägt ist, in vielen Fällen Rückschlüsse auf die Entwicklungsgeschichte bzw. auf den Ursprung einer Lexems: [tɑ̃] < ? - temps < tempus

d) Homophone, deren jeweilige Bedeutungen sich im Gesprochenen erst mit Hilfe des Kontexts erschließen, lassen sich graphisch ohne weiteres voneinander abgrenzen:

ver : vert : vers : verre - [vɛR]

Zwar existieren ebenso Homographe, doch insbesondere bei Funktionswörtern gestatten diakritische Zeichen eine eindeutige Differenzierung:[17] la : là / a : à / du : dû / des : dès / ou : où

2.3 Zum Verhältnis von code parlé und code écrit

Gesprochene und geschriebene Sprache differieren auch auf Konzeptionsebene. Ohne die konzeptionellen Unterschiede erschöpfend erklären zu können, stehen doch die medialen Bedingungen der Sprachproduktion (phonisch/graphisch), -rezeption (auditiv/visuell) und -transmission (akustisch/optisch) in engem Zusammenhang mit den pragmatischen Faktoren, anhand derer code parlé und code écrit im folgenden differenziert werden sollen. In diesem Kapitel geht es allerdings weniger darum, konkrete einzelsprachliche Strukturunterschiede herauszuarbeiten, als einige übereinzelsprachliche Oberflächenmerkmale aufzuzeigen.

2.3.1 Grad der Partizipation

Sprachliche Kommunikation kann sowohl interaktional bzw. dialogisch als auch aktional bzw. monologisch geprägt sein, je nach dem, wie häufig die Rollen von Sender und Empfänger unter den Kommunikationspartnern wechseln. Ludwig Söll (1985: 30) sieht im gesprochenen Dialog den evolutionär bedingten Grundtyp von Sprache und begründet somit eine Affinität zwischen code parlé und Dialogizität. Der Monolog stünde folglich dem code écrit näher. Eine vergleichbare Aussage trifft Guy Bourquin (1965: 7) in folgendem Schema:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Demzufolge läßt sich geschriebene Sprache allerdings ausschließlich im Monologstil realisieren, während gesprochene Sprache sowohl monologisch als auch dialogisch eingesetzt werden kann, obgleich bei deutlicher Neigung zum Dialog. Der zugrundegelegte Dialogbegriff erscheint recht enggefaßt, da er selbst einen gleichberechtigten schriftlichen Austausch zwischen zwei Personen ausschließt. Im Zeitalter elektronischer Kommunikationsformen (E-Mail/Chat/SMS), in dem auch schriftliche Nachrichten kurzzeitig ausgetauscht werden können, wäre u.U. eine Öffnung des Dialogbegriffs für die Schriftsprache zu überlegen. Dagegen spräche, daß wohl viele der in der Praxis versandten elektronischen Nachrichten konzeptionell eher dem code parlé nahestehen.

Zweifellos geht ein traditionelles Dialogverständnis überdies davon aus, daß sich die Kommunikationspartner zur selben Zeit am selben Ort befinden.

[...]


[1] Schlieben-Lange 1978: 25-30.

[2] Söll 1985: 17.

[3] Statt code ließe sich – wie bei Müller (1990: 201) – der Terminus ordre verwenden, wodurch die Abgrenzung zur medialen Ebene noch deutlicher würde.

[4] Ebd.: 19f.

[5] Ebd.: 22-25; 196.

[6] Müller 1990: 201.

[7] Bourquin 1965: 8.

[8] Désirat 1976: 62.

[9] Wildenhahn 1981: 130.

[10] Müller 1990: 197.

[11] Wildenhahn 1981: 130.

[12] Müller 1990: 198.

[13] Ebd.: 200.

[14] Ebd.: 198.

[15] Ebd.: 199.

[16] Ebd.: 200.

[17] Ebd.: 199f.

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Gesprochene und geschriebene Sprache im Verhältnis zu höheren und niederen Sprachniveaus
Untertitel
Betrachtungen am Beispiel des Französischen
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Gesprochene und geschriebene Sprache, Nähe und Distanz im Französischen und Italienischen
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
34
Katalognummer
V127997
ISBN (eBook)
9783640357161
Dateigröße
519 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gesprochene, Sprache, Verhältnis, Sprachniveaus, Betrachtungen, Beispiel, Französischen
Arbeit zitieren
Thomas Roghmann (Autor:in), 2007, Gesprochene und geschriebene Sprache im Verhältnis zu höheren und niederen Sprachniveaus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/127997

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