Aus der Einleitung:
„Spirit of ´69“: Die Ursprünge in Großbritannien
Die Ursprünge der Skinheadbewegung liegen in den Arbeitermilieus der britischen Industriestädte. In ihrem ursprünglichen Selbstverständnis handelte es sich bei den Skinheads um eine Jugendsubkultur, die sich durch äußere Erscheinung, Verhalten und Einstellungen bewusst von der Mehrheit der Gesellschaft abzusetzen suchte. Dass sich die Skinheadbewegung in den späten 1960ern im Londoner East End entwickeln sollte, war dabei kein Zufall.1 Hier im traditionellen Arbeitermilieu waren die profunden sozioökonomischen Umschichtungsprozesse jener Jahre besonders stark zu spüren; das traditionelle Lebensmilieu der geschlossenen Arbeitersiedlungen wandelte durch Sanierungsmaßnahmen der Regierung, den Wegzug sozialer Aufsteiger und den Zuzug von Immigranten radikal sein Gesicht. Viele Arbeiterfamilien fühlten sich vom allgemeinen Aufschwung ausgeschlossen, die Jugendlichen sich gegenüber ihrer sozialen Benachteiligung ohnmächtig und entsprechend verunsichert. Einige Jugendliche versuchten auf die Veränderungen durch das Betonen eben jener verloren geglaubter „traditionellen Werte der Unterschicht“, wie Männlichkeit, Disziplin, Kameradschaft zu reagieren; ihr aggressives Auftreten mag als Strategie zur Revierverteidigung gegenüber den Neuankömmlingen interpretiert werden.2
Zudem konnte die Skinheadbewegung in der englischen working class an verschiedene Jugendsubkulturen anknüpfen, aus denen sie sich direkt entwickeln sollte: Den Hard Mods, den Rude Boys und den Boot Boys.3 ...
Inhaltsverzeichnis
- ,,Spirit of '69": Die Ursprünge in Großbritannien
- „I Am NF": Politisierung und Rechtsruck in den 1970ern
- ,, Unsere Texte sind deutsch... ": Skinheads in BRD und DDR
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entstehung und Entwicklung der Skinheadbewegung in Deutschland, wobei der Fokus auf den rechtsextremen Aspekt der Szene liegt. Die Arbeit analysiert die Ursprünge der Skinheadbewegung in Großbritannien, die Politisierung der Szene in den 1970ern und die Ausbreitung der Bewegung in Deutschland.
- Die Ursprünge der Skinheadbewegung in Großbritannien
- Die Politisierung der Skinheadbewegung in den 1970ern
- Die Ausbreitung der Skinheadbewegung in Deutschland
- Die Rolle von Musik und Mode in der Skinheadszene
- Die Verbindung von Skinheads und Rechtsextremismus
Zusammenfassung der Kapitel
,,Spirit of '69": Die Ursprünge in Großbritannien
Die Skinheadbewegung entstand in den späten 1960er Jahren in den Arbeitermilieus der britischen Industriestädte. Die Skinheads waren eine Jugendsubkultur, die sich durch ihre äußere Erscheinung, ihr Verhalten und ihre Einstellungen von der Mehrheit der Gesellschaft abgrenzten. Die Bewegung entwickelte sich im Londoner East End, wo die sozioökonomischen Veränderungen der Zeit besonders stark zu spüren waren. Viele Arbeiterfamilien fühlten sich vom allgemeinen Aufschwung ausgeschlossen, die Jugendlichen fühlten sich gegenüber ihrer sozialen Benachteiligung ohnmächtig und verunsichert. Einige Jugendliche versuchten, auf die Veränderungen durch das Betonen traditioneller Werte der Unterschicht, wie Männlichkeit, Disziplin und Kameradschaft, zu reagieren. Ihr aggressives Auftreten kann als Strategie zur Revierverteidigung gegenüber den Neuankömmlingen interpretiert werden.
Die Skinheadbewegung knüpfte an verschiedene Jugendsubkulturen an, darunter die Hard Mods, die Rude Boys und die Boot Boys. Die Hard Mods waren ein Teil der britischen Mod-Bewegung der frühen 1960er Jahre. Die Hard Mods, die der Arbeiterschicht und der unteren Mittelschicht entstammten, versuchten, ihre soziale Position durch einen aufregenden und kostspieligen Lebensstil und teure Statussymbole zu kompensieren. Neben dem obligatorischen Vespa-Scooter, dem Konsum von Amphetaminen und krawallartigen Auseinandersetzungen mit anderen Jugendgangs verbindet man mit den Hard Mods vor allem das ostentative Tragen teurer Markenkleidung. Die Rude Boys, Söhne farbiger Immigranten aus Jamaika, waren ebenfalls gewaltorientiert, aber einem anderen subkulturellen Milieu entstammend. Über Ska-Musik, den extremen Kurzhaarschnitt, hochgekrempelte Jeans und Hosenträger sind farbige Einflüsse in den Mode- und Musikgeschmack der Skinheadszene eingeflossen.
Die Boot Boys waren fußballbegeisterte Jugendliche, die man als Vorläufer der heutigen Hooligans bezeichnen kann. Seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1966 hatten sich in ganz England Jugendcliquen gebildet, die ihren Verein bei Heim- und Auswärtsspielen unterstützten und gezielt Auseinandersetzungen mit den Anhängern des anderen Teams suchten. Ihren Namen erhielten die Boot Boys, weil sie ihre schweren Stiefel als Angriffswaffe nutzten. Durch ihren Einfluss waren Fußball und Stadionbesuch von Anfang an immanenter Bestandteil des Skinhead-Lifestyles.
Allen genannten Jugendsubkulturen ist eine nicht unbedenkliche Gewaltbereitschaft und Gewaltorientierung eigen. Ihr Verhältnis zu anderen Jugendcliquen war meist durch gewalttätige Auseinandersetzungen definiert. Hierin hat der Skinhead der frühen 1970er Jahre die auffälligste Gemeinsamkeit mit seinem heutigen Pendant.
„I Am NF": Politisierung und Rechtsruck in den 1970ern
Die Skinheadszene war zunächst eine radikal-antibürgerliche, aber im Wesentlichen unpolitische Jugendsubkultur. Ska-Musik, Mode, Konzerte und Partys, Alkoholkonsum, Fußball und Schlägereien mit anderen Gangs standen im Mittelpunkt der frühen Skinheadbewegung. Die zur Schau gestellte Ästhetik des Proletarischen und das trotzige Tragen einer Underdogmentalität wurden zum Teil ihres identitätsstiftenden subkulturellen Stolzes. Ebenso wie das maskuline Gebaren in der Clique, sollte die Kleidung der Skinheads ein starkes Männlichkeitsbild und die tiefe Verwurzelung im Arbeitermilieu verdeutlichen.
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen in den Stadien und das paki bashing, d.h. gewaltsame Übergriffe auf Immigranten aus den ehemaligen britischen Kolonien in Asien, verschlechterten den Ruf der Szene. Ab Mitte der 1970er Jahre gelang es militanten und offen rassistisch auftretenden Organisationen wie dem British Movement und der National Front, weite Teile der englischen Skinheadbewegung zu politisieren und einen Rechtsruck herbeizuführen. Der Slogan „I am NF“ wurde in diesen Jahren zu einer wahren Modeerscheinung in der englischen Skinheadszene.
Das zunehmend rechtsradikale Image der Skinheadszene verfestigte sich durch die blutigen Krawalle im Umfeld eines Konzertes im Londoner Vorort Southall im Juli 1981. Rund 2.000 jugendliche Immigranten griffen aus Angst vor Provokationen und Übergriffen Skinheads und Polizei an. Die reiẞerische Berichterstattung über dieses Ereignis hatte weitreichende Folgen für die englische Skinheadbewegung. Jene Skinheads, die nicht als rechtsgerichtet gelten wollten, wandten sich von der Szene ab. Viele bereits rechtsextremistisch oder neonazistisch eingestellte Jugendliche wurden hingegen erst auf die Szene aufmerksam und füllten die entstandenen Lücken, was das rechte Image weiterhin verstärkte.
Verbunden mit der zunehmenden Rechtstendenz änderten sich auch Mode und Musik der Skinheadbewegung. Bisher als verpönt geltende Vollglatzen ließen die Skins aggressiver aussehen. Die Bomberjacke wurde zum unabdingbaren Accessoire, sie uniformierte und ließ zugleich den Oberkörper kräftiger erscheinen. Rechtsextremistische Bands nahmen mit ihrer Musik und ihren Texten starken Einfluss auf die Subkultur. Besonders fatalen Einfluss sollte Ian Stuart Donaldson, dem auch durch seinen mysteriösen, tödlichen Autounfall in Szenekreisen zum Mythos avancierten Frontman der englischen Band Skrewdriver, zukommen. Selbst äußerst aktives Mitglied der NF, gelang es Stuart mit seiner ,,White-Power-Ideologie" bedeutende Teile der europäischen Skinheadbewegung nach rechtsaußen zu ziehen. Ferner begründete er mit der Organisation Blood and Honour" eine Plattform zur organisatorischen Vernetzung von Skinheadbands unter der Parole „Rock against Communism. " Ingesamt hat Stuart die Entwicklung der Szene in den 80ern und 90ern entscheidend mitgeprägt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Skinheadbewegung, Rechtsextremismus, Jugendsubkultur, Gewalt, Politisierung, Musik, Mode, Großbritannien, Deutschland, National Front, Ian Stuart Donaldson, Skrewdriver, Blood and Honour, Rock against Communism.
- Citar trabajo
- Florian Unzicker (Autor), 2009, Rechtsextreme Skinheads in der Bundesrepublik Deutschland (2009), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/128524