"Wor eyn totslag gesche under unsirs herren borgirn..."

Das Strafrecht der städtischen Willküren, dargelegt am Stadtrecht von Heiligenstadt von 1335


Hausarbeit, 2004

18 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die Willkür – Mittelalterliches Stadtrecht

III. Beschreibung der Quelle

IV. Die Straftat

V. Die Strafe

VI. Das Verfahren

VII. Konklusion

VIII. Quellenverzeichnis

IX. Literaturverzeichnis

Strafrecht im Mittelalter

I. Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Wesen des spätmittelalterlichen Strafrechts der städtischen Willküren, die ich am konkreten Beispiel der Heiligenstädter Willkür aus dem Jahre 1335 belegen möchte. Hierzu möchte ich kurz auf die Willkür als rechtliche Denkform eingehen, danach die behandelte Quelle beschreiben. Der Hauptteil ist dreigeteilt, den einzelnen Straftaten folgt eine Beschreibung der jeweiligen Strafarten, schließlich eine Darstellung des spätmittelalterlichen Rechtsverfahrens.

II. Die Willkür – Mittelalterliches Stadtrecht

Der Begriff Willkür erfuhr seit dem Mittelalter einen grundlegenden Bedeutungswandel; während wir es heute synonym mit Handeln nach eigenem Gutdünken ohne Rücksicht auf Gesetze verwenden, so bedeutete es noch bis ins 18. Jahrhundert „freier Wille“ oder „Vertrag“.1 Die Willküren des Mittelalters waren das, aus freiem Willen und auf Grund der vom Stadtherren verliehenen Gesetzgebungsautonomie gesetzte Recht.2 Mitglieder der Bürgergemeinde verpflichteten sich durch den Bürgereid, sich an die niedergeschriebenen Gesetze zu halten und bei Bruch dieser Gesetze die in der Willkür festgesetzte Strafe auf sich zu nehmen. Von ihrem Wesen her war die Willkür also Vertrag, Ebel beschreibt sie als „genossenschaftliche Gesamtverwillkürung“; die an der Verwillkürung Beteiligten setzten in diesem Selbsturteil die Rechtsfolgen im Falle eines Rechtsbruches voraus, das Recht brauchte nur festgestellt und vollstreckt werden.3

Die Willküren stellten eine Weiterentwicklung der Handfesten, Sammlungen stadtherrlicher Privilegien an die Stadt, dar.4 Die Entstehung der Willküren lässt sich mit den besonderen Bedürfnissen des Marktes erklären: Den Handeltreibenden musste Rechtssicherheit gewährt werden, „die Grenze zwischen Handel und Raub musste also garantiert werden.“5 Durch den Marktfrieden erhielt der Markt einen besonderen rechtlichen Status; die sich ansammelnden Rechtsnormen reichten in ihrer Vielseitigkeit bald über das Maß hinaus, das für einen reibungslosen Marktverkehr nötig gewesen wäre.6 Die Willkür stellte somit einen geschlossenen, alle Gebiete bürgerlichen Lebens umfassenden, Rechtskreis dar.

Das Stadtrecht hob die Stadt aus dem Rechtsbereich des Landes heraus, es hatte in seinem Geltungsbereich (Weichbild) Vorrang vor allen anderen Rechten („Stadtrecht bricht Landrecht“). Günther betont jedoch, dass zumindest in Heiligenstadt auch andere Rechte (Landrecht, kanonisches und römisches Rechts) galten.7 Mit den Willküren entwickelte sich die Autonomie der Städte, Planitz spricht von einem in sich selbst Genüge findenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen „Mikrokosmos.“8

Das Willkürrecht war ein Recht neuer Prägung. Neben einer, durch ein enormes Anwachsen der Rechtsnormen und den Austausch mit anderen Städten in Rechtsfragen bedingten Verschriftlichung des Rechts, ist die Tatsache bemerkenswert, dass von der Vorstellung Abschied genommen wird, ein Recht sei umso besser, als je älter es belegt werden könne.9 Die orale Komponente des Rechts wird durch das jährliche öffentliche Verlesen der Willkür jedoch beibehalten.10

III. Beschreibung der Quelle:

Bei dem, sich im Stadtarchiv Heiligenstadt unter der Signatur „Magistrat I,1“ befindlichen Exemplar handelt es sich nicht um das Original der Heiligenstädter Willkür aus dem Jahre 1335, sondern um eine Abschrift aus unbekannter Feder. Wolf, der die Willkür als erster editierte, datierte diese Abschrift vorsichtig auf den Zeitraum zwischen 1397 und 141911, Günther grenzte diesen auf „um 1400“12 ein, Müller belegt, dass sie sehr wahrscheinlich im Jahre 1398 bezüglich eines Besuches des Stadtherren, des Mainzer Erzbischofs Johann II., abgeschrieben wurde.13

Die Willkür umfasst 30 Blatt Pergament im Folioformat, die bis auf Seite 29 und 30 beidseitig beschrieben sind. Der ursprüngliche Einband wurde spätestens im Jahre 1967, im Rahmen einer Restaurierung durch die Zentralstelle für Archivalienrestaurierung der Staatlichen Archivverwaltung im Ministerium des Inneren der DDR, durch einen Ledereinband ersetzt.

Auf den Seiten 1-22´ sind in relativ großer gotischer Schrift, die Initialen und Artikelnummern in roter Farbe, die 167 Artikel der Willkür in deutscher Sprache niedergeschrieben, auf Blatt 22´-26 folgt ein Register zu den Artikeln I-CLI, was die Vermutung aufwirft, das Original habe nur 151 Artikel enthalten, während die restlichen 16 erst im Rahmen der oben genannten Abschrift angehängt wurden; auf den restlichen Seiten folgen Schriftstücke unterschiedlichen Charakters, die zwischen 1434 und 1473 von verschiedenen Schreibern angefügt wurden.14

Die Willkür weist neben absichtlichen Tilgungen, die Günther dem Mittelalter zurechnet, zahlreiche Zusätze auf.15 Die häufig verwendete Glosse „non lege“ lässt auf das bereits oben erwähnte jährliche Verlesen der Artikel schließen. Bereits zu Wolfs Zeiten bot die Willkür, die Lesbarkeit sei schon damals durch Wasserschäden und Tintenfraß stark beeinträchtigt gewesen, ein „beklagenswertes Bild“.16 Zweifelhafte Restaurationsmethoden eines unbekannten „Experimentalchemikers“ im 19. Jahrhundert und der bereits erwähnten Zentralstelle führten dazu, dass selbst mit modernster Technologie einige Stellen nicht lesbar zu machen sind.17

IV. Die Straftat

Die Quellen des Mittelalters kennen keine feste Terminologie für die verschiedenen Verbrechensarten. Planitz unterteilt sie in zwei Gruppen: Zum einen in die Ungerichte, schwere Verbrechen, die mit den sogenannten peinlichen Strafen geahndet wurden. Hierunter fallen Mord, Raub, Brandstiftung, Landzwang, schwerer Diebstahl, Hausfriedensbruch, Sodomie, Münzfälschung, Zauberei, Ketzerei und gewisse Sexualverbrechen. Die andere Gruppe bildeten die Frevel, leichtere Verbrechen, die mit Ehrenstrafen oder Buße bestraft wurden. Jedes in der Stadt verübte Verbrechen wurde als Bruch des öffentlichen Friedens verstanden.18

[...]


1 Müller, Thomas T.: „...do wir uns mede getwingen mogen.“ Bemerkungen zur Heiligenstädter Willkür. In : Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte, Bd. 54 (2000). Jena 2000, S.109.

2 Willkür der Stadt Heiligenstadt von 1335. Stadtrecht im Mittelalter. Hrsg. von der Stadt Heilbad Heiligenstadt, bearb. von Gerhard Günther. Duderstadt 1997, S.13.

3 Ebel, Wilhelm: Die Willkür. Eine Studie zu den Denkformen des älteren deutschen Rechtes. Göttingen 1953, S.64.

4 Planitz, Hans: Die deutsche Stadt im Mittelalter. Von der Römerzeit bis zu den Zunftkämpfen. 2. unveränd. Aufl., Graz [u.a.] 1969, S.340-342.

5 Boockmann, Hartmut: Die Stadt im späten Mittelalter. München 1986, S.150.

6 Müller (wie Anm.1), S.111.

7 Günther, Gerhard: Das im mittelalterlichen Heiligenstadt geltende Recht und die Quellen der Willkür von 1335. Ein Vortrag. In : Eichsfeld-Jahrbuch (1999), S.123-137.

8 Planitz (wie Anm.4), S.342.

9 Isenmann, Eberhard: Die deutsche Stadt im Spätmittelalter 1250-1500. Stuttgart 1988, S.81.

10 Boockmann (wie Anm.5), S.150. Einen Beleg hierfür bieten die Glossen „non lege“, die an verschiedenen Stellen der Heiligenstädter Willkür vorkommen.

11 Wolf, Johann: Geschichte und Beschreibung der Stadt Heiligenstadt. Göttingen 1800. Reprint in: Städte im Obereichsfeld. Duderstadt 1994, S.27.

12 Willkür (wie Anm.2), S.11.

13 Müller (wie Anm.1), S.126.

14 Willkür (wie Anm.2), S.11.

15 Ebd., S.11.

16 Ebd., S.9.

17 Ebd., S.11-12.

18 Planitz, Hans: Deutsche Rechtsgeschichte. 2.Aufl. Graz [u.a.], 1961, S.225.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
"Wor eyn totslag gesche under unsirs herren borgirn..."
Untertitel
Das Strafrecht der städtischen Willküren, dargelegt am Stadtrecht von Heiligenstadt von 1335
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen
Veranstaltung
Seminar "Heiligenstadt im Mittelalter"
Note
2+
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V129008
ISBN (eBook)
9783640355792
ISBN (Buch)
9783640356140
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr breiter Korrekturrand.
Schlagworte
Stadtrecht, Mitelalter, Spätmittelalter, Willkür, Strafrecht, Heiligenstadt
Arbeit zitieren
Florian Unzicker (Autor:in), 2004, "Wor eyn totslag gesche under unsirs herren borgirn...", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/129008

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