Der Christus-Medicus-Gedanke: Motivgeschichte und literarische Gestaltung in der mittelhochdeutschen Dichtung


Dossier / Travail de Séminaire, 2003

19 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhalt

Einleitung

1. Grundlagen
1.1 Iatrotheologie und theurgische Medizin
1.1.1 Asklepios
1.1.2 Theurgische Praxis des Asklepios-Kultes
1.1.3 Apollo Medicus
1.2 Kulturhistorische Wurzeln der medizinischen Erkenntnisgewinnung

2. Christus Medicus

3. Der Christus-Medicus-Gedanke in Hartmanns „Der arme Heinrich“ und anderen Werken mittelhochdeutscher Dichtung.
3.1 Hartmanns von Aue „Der arme Heinrich“
3.1.1 Prüfung oder Strafe Gottes?
3.1.2 Heinrichs Heilung
3.2 Weitere Beispiele
3.2.1 Konrads von Würzburg „Engelhard“
3.2.2 Konrads von Würzburg „Silvester“
3.2.3 Wolframs von Eschenbach „Parzival“
3.3 Erzählstruktur und Christus-Medicus-Gedanke

4. Bibliographie

Einleitung

Der Christus-Medicus-Gedanke, wie er immer wieder in theologischen und medizinischen Schriften des Mittelalters, aber auch in der poetischen Literatur (wie z.B. bei Hartmann von Aue) vorkommt, hat seine Wurzeln schon in der frühsten, vorchristlichen Zeit der kulturgeschichtlichen Anfänge des Abendlandes. Ziel dieser Arbeit ist es sowohl die philosophisch-religiösen, wie auch die kultisch-rituellen Aspekte des Heilgottglaubens in ihrer historischen Kontinuität von der heidnischen Antike bis zur christlichen Neuzeit darzustellen, wie es im Rahmen des Umfangs einer Hausarbeit möglich ist. Besonders berücksichtigt soll hier die poetische Ausgestaltung des Christus-Medicus-Gedanken in „Der arme Heinrich“ von Hartmann von Aue werden.

Die in Kapitel 1 vorgestellten Grundlagen mythologischer, medizinhistorischer und wissenschaftsgeschichtlicher Natur sollen die nötigen Hintergründe liefern um die These von der ununterbrochenen Präsenz eines Heilgottglaubens in der abendländischen Kultur zu untermauern. Kapitel 2 soll die Genese des Christus-Medicus-Gedanken näher beschreiben und Kapitel 3 der Hausarbeit beschäftigt sich mit der literarischen Gestaltung des Motivs in der deutschen poetischen Literatur des Mittelalters unter besonderer Berücksichtigung Hartmanns von Aue.

1. Grundlagen

1.1 Iatrotheologie und theurgische Medizin

Die Iatrotheologie (<gr. iatros „Arzt“; gr. iatreia „Heilung“) basiert auf der Annahme, dass Krankheiten, unabhänging von möglicherweise erkennbaren natürlichen Ursachen, „unmittelbarer Ausdruck göttlichen Wollens und Handeln“[1] sind, und somit also als Teil eines göttlichen Plans anzusehen sind. Krankheit wurde in diesem Zusammenhang als göttliche Strafe interpretiert, gottgefälliges Handeln wurde demnach als die beste Prophylaxe vor Erkrankungen angesehen.

Die theurgische Medizin, abgeleitet von gr. theos („Gott“) und gr. ergon („Werk, Arbeit“), kann als die „Wissenschaft vom göttlichen Heilhandeln“[2] definiert werden. Krankheit und Gesundheit, sowie das Erkranken und das Gesunden unterliegen, so die Annahme, göttlichem Einfluss (die Iatrotheologie bildet hierbei das sinnstiftende Element bei der Suche nach den Ursachen der Erkrankung). Der gläubige Patient konnte seinen Gesundheitszustand durch kultische Heilhandlungen, mit Hilfe eines Priesterarztes, positiv beinflussen. Die Orte, an denen die theurgische Medizin praktiziert wurden, waren in der Antike die gottgeweihten Tempel. Verbreitete antike Heilkulte waren in Ägypten der Imhotep-Heilkult und in Griechenland der Asklepios-Heilkult.

1.1.1 Asklepios

Der ägyptische Imhotep-Heilkult geht auf den gleichnamigen, historisch belegten, Priesterarzt zurück, der etwa 3000 v.Chr. gelebt hat. Zweieinhalb Jahrtausende später hatte sich die überlieferte Figur des Imhotep zum Heilgott entwickelt, dessen Heilkult eine besondere Stellung im späten Ägypten einnahm[3]. Ungefähr zur selben Zeit begann sich auch ein ähnlicher Kult in Griechenland zu verbreiten (im 3. und 4. Jahrhundert v. Chr. bereits über ganz Griechenland). Dort war es Asklepios, dem Mythos zufolge Sohn Apollons und der Nymphe Koronis, der die zentrale Figur des Heilkultes bildete. Asklepios (gr. Άσκληπιός), der im Lateinischen den Namen Aesculapius (dt. Äskulap) bekam, geht eventuell, wie Imhotep, auf einen realen Arzt im archaischen Griechenland zurück und soll um 1260 v. Chr. in Epidauros geboren worden sein. Im Mythos wuchs Asklepios bei dem Zentauren Chiron auf, der ihn in der Heilkunst unterwies. Schon bald vermochte der begnadete Arzt sogar den durch Poseidon getöteten Helden Hippolytos zum Leben zu erwecken, worauf er sich den Zorn Hades’ zuzog. Zur Strafe, sich über die Gesetze der Natur (und der Götter) hinweggesetzt zu haben, wurde er von Zeus mit einem Blitz erschlagen. Nachdem Apollon aus Rache die blitzeschmiedenden Zyklopen tötete, besänftigte ihn Zeus indem er Asklepios wieder das Leben schenkte, allerdings in Form des Sternbildes Serpens. So wurde die Heilschlange zum magischen Tier Asklepios’, der Äskulap-Stab ist bis heute ein verbreitetes medizinisches Symbol.

Als die Begründer der Asklepiaden, die zugleich Ärztegemeinschaft und Priesterschule waren, gelten im Mythos die Kinder des Heilgottes. Darunter Hygieia, Göttin der Gesundheit und ihres Schutzes (der Hygiene) und Panakeia, die Göttin der Arzneien (gr. πανάκεια bedeutete Allheilkraut, bzw. bezeichnete einen Gruppe von Pflanzen mit vielfältigen Heilzwecken[4] ). Panakeia taucht auch als allheilendes Öl auf, das Apollon von seinen Locken tropft und die Stadt, auf die es fällt vor der Pest schützen soll (zur Rolle von Apollon als Heilgott siehe Kapitel 1.1.3).

1.1.2 Theurgische Praxis des Asklepios-Kultes

Die Heiligtümer des Asklepios, die Asklepieien, befanden sich in großen Heilzentren in zahlreichen griechischen Städten. Sie bestanden aus dem eigentlichen Tempel, Bade- und Unterkunftsstätten, gelegentlich auch Sport- und Theaterplätze und waren unseren heutigen profanen Kurbetrieben nicht unähnlich. „Die kultische Handlung war ein komplexes, psyche und soma (Seele und Körper) des Heilsuchenden gleichermaßen betreffendes Geschehen.“[5] Wie auch im ägyptischen Imhotep-Kult war die zentrale theurgische Kulthandlung der heilende Tempelschlaf, die Inkubation.

In einem besonderen Schlafraum (Enkoimeterion) wurden die Patienten mittels eines berauschenden Getränks in einen Traumschlaf versetzt. Anschließend sollten die Träume durch die Priesterärzte gedeutet werden. Die Heilung sollte durch den Gott oder seine Kinder eingeleitet werden bzw. in den Traumorakeln medizinische Ratschläge erteilt werden, die die Asklepiaden ausführen sollten. Erstaunlicherweise befanden sich diese Schlafstätte im Abaton (oder Abyton), τὸ ἄβατον - das „Unzugängliche“, dem innersten, allerheiligsten Raum des Tempels, wo gewöhnlich nur die Priester Zugang hatten. Den Heilungssuchenden wurde im Asklepios-Tempel folglich ein Privileg zuteil, das sie in anderen Kultstätten nicht genießen durften. Überhaupt stellt sich der griechische Heilgott als ein den Menschen sehr verbundenes Wesen, als ein Mittler zwischen ihnen und den Göttern dar, was ihn schon in die Nähe von Jesus Christus bringt, wie in Kapitel 2 noch näher ausgeführt werden soll.

Neben der Inkubation spielen aber auch magische Beschwörungen und nichttheurgische Heilhandlungen, wie Bäder oder Blutegeltherapie, eine Rolle. Jean-Noël Biraben fasst zusammen:

„In den Iatreien, eher mit Ambulatorien als mit Sanatorien vergleichbar, waren, wie Hippokrates später mitteilt, Medikamente, Schwämme zur Reinigung von Wunden und der Augen sowie Instrumente und Einrichtungen vorhanden, die Antiphanes näher bezeichnet hat: Arzneibüchsen, Schröpfköpfe, Spritzen, Lanzetten, Becken, Badewannen usw.“ (Biraben 1996: 362)

Dennoch blieb „das medizinische Denken jener Zeit [...] im wesentlichen magisch-religiös bestimmt. Die Ärzte behandelten, wie man Homer entnehmen kann, nur Wunden, aber nicht die von den Göttern gesandten Krankheiten.“[6]

Zum Heilkult des Asklepios gehörten auch Opfergaben, die von den Patienten aus Dankbarkeit gespendet wurden, oder, und das ist besonders interessant, in Erwartung göttlicher Hilfe. Die Tempel waren gefüllt mit Votivgaben in Form einzelner Körperteile, die beim Patienten erkrankt sind. Sie bestanden meist aus wertvollem Material, wie Silber oder anderen Edelmetallen, und je wertvoller sie waren, desto größer war die Chance auf Heilung, so die Vorstellung. Hat die plastische Darstellung des erkrankten Organs als Opfergabe einen eher magisch-religiösen Hintergrund, so hat die Vorstellung, die mit dem Wert der Objekte verbunden ist, eher einen materiellen Charakter, der einem Honorar der Asklepiaden gleich kommt.

[...]


[1] Eckart 1990: 83

[2] Eckart 1990: 35

[3] Hierzu: Pollak (1968): 10ff.

[4] Lücke 1999: 83.

[5] Eckart 1990: 36.

[6] Biraben (1996): 362.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Der Christus-Medicus-Gedanke: Motivgeschichte und literarische Gestaltung in der mittelhochdeutschen Dichtung
Université
University of Mannheim  (Seminar für deutsche Philologie)
Cours
Medizin und Naturwissenschaften in der dt. poetischen Lit. des Mittelalters
Note
1,0
Auteur
Année
2003
Pages
19
N° de catalogue
V13037
ISBN (ebook)
9783638187916
Taille d'un fichier
683 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Arbeit befasst dich mit der Motivgeschichte des Christus Medicus von den antiken Vorbildern bis zur poetischen Realisierung in der ma. Literatur unter theologischen, mythologischen, medizinhistorischen und literaturgeschichtlichen Aspekten.
Mots clés
Christus Medicus, Medizingeschichte, Hartmann von Aue, Konrad von Würzburg, Wolfram von Eschenbach, Asklepios, Apollo
Citation du texte
Hagen Augustin (Auteur), 2003, Der Christus-Medicus-Gedanke: Motivgeschichte und literarische Gestaltung in der mittelhochdeutschen Dichtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13037

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