Höflichkeit - ein universales Konzept?

Inwiefern behaupten die Theorien von Lakoff und Brown & Levinson eine universale Gültigkeit ihrer Modelle und lassen sich diese Behauptungen vertreten?


Hausarbeit, 2008

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1.0 Theoretischer Hintergrund
1.1 Ein Versuch, den Begriff Höflichkeit interdisziplinär zu definieren
1.2 Erving Goffmans Konzept des face
1.3 Das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaximen nach Paul Grice

2.0 Zwei theoretische Ansätze zum linguistischen Phänomen Höflichkeit
2.1 Robin T. Lakoff (1973): Rules of Politeness
2.2 Brown & Levinsons Face Modell (1978/87)

3.0 Diskussion
3.1 Höflichkeit - ein universales Konzept?

Fazit

Bibliographie
Primärliteratur:
Sekundärliteratur:
Elektronische Quellen:

Einleitung

Das Phänomen Höflichkeit entwickelt sich als Bereich der linguistischen Forschung stetig weiter. Gerade wegen der Komplexität des Untersuchungsgegenstands Höflichkeit hat das Thema bis heute große linguistische Relevanz. Inwieweit Höflichkeitsaspekte eine Bedeutung für sprachliche Kommunikation haben und welche Rolle Höflichkeit aus linguistischer Sicht spielt haben verschiedene Sprachwissenschaftler in ihren Arbeiten dargestellt, indem sie eigene Theorien zum Konzept Höflichkeit entwickelten bzw. andere Ansätze weiterentwickelt haben. Das erste Modell zur linguistischen Höflichkeit wurde vor über 35 Jahren eingeführt, innerhalb einer Veröffentlichung von Robin T. Lakoff (1973). Nachdem Lakoff innerhalb ihrer ersten Untersuchung die drei Rules of Politeness aufstellte zogen andere Linguisten nach. Die entscheidensten Beiträge stellen bis heute drei linguistische Ansätze dar: die Auf-stellung der Rules of Politeness von Lakoff (1973/77), die Einführung der positive and negative politeness durch Brown & Levinson (1978) und die Entwicklung des Politeness Principle nach Leech (1980)[1].

Diese Hausarbeit soll eine vergleichende Untersuchung zweier zentraler Theorien darstellen, die für die linguistische Forschung zur Höflichkeit elementar sind: Die Ansätze von Lakoff und Brown & Levinson. Um einen Einstieg in die komplexe Thematik des Phänomens Höflichkeit zu erreichen, werde ich eingangs der Frage nach der Definition des Begriffes Höflichkeit nachgehen. Danach werde ich als Grundlage kurz das Konzept des face von Goffman (1967) skizzieren, da besonders der Ansatz von Brown & Levinson (1978) auf diesem beruht, und das Kooperationsprinzip von Grice (1967/75) vorstellen, welches ebenfalls als Basis für die traditionellen Höflichkeitsmodelle gilt. Den Kern dieser Arbeit bilden dann die Höflichkeitstheorien von Lakoff und Brown & Levinson, sowie die Untersuchung dieser Theorien auf eine universale Gültigkeit. Sowohl Lakoff, als auch Brown & Levinson behaupten, dass ihre Theorien universal und kulturübergreifend gültig sind. Inwiefern diese Behauptung gerechtfertigt ist, soll in dieser Arbeit herausgearbeitet werden, wobei sich zeigen wird, dass eine solche Argumentation aufgrund der Vielfältigkeit der Kulturen problematisch ist. Es wird sich somit herausstellen, dass sich die Annahmen in Bezug auf Universalität von Lakoff, sowie von Brown & Levinson so nicht bestätigen lassen.

1.0 Theoretischer Hintergrund

1.1 Ein Versuch, den Begriff Höflichkeit interdisziplinär zu definieren

Obwohl diese Hausarbeit die außersprachlichen Aspekte zum Thema Höflichkeit auslässt und nur auf die linguistische Höflichkeit eingeht, ist eine angemessene Untersuchung des Phänomens Höflichkeit unbedingt interdisziplinär. In den letzten dreißig Jahren wurde die Höflichkeit zu einem historischen, soziologischen, pädagogischen und natürlich linguistischen - vor allem pragmalinguistischen- Untersuchungsgegenstand wissenschaftlicher Arbeiten.

Es ist somit schwer eine Definition hinsichtlich der Begrifflichkeit der Höflichkeit zu finden, die allgemein gültig ist. Der Begriff Höflichkeit bezeichnet ein weit gefächertes Phänomen, das in verschiedenen Kulturen verschiedene Bedeutungen annimmt. Höflichkeit drückt sich aus in einem Verhalten, das die Begriffe „gute Manieren“, „gutes Betragen“ und „Etikette“ beinhaltet. Nach Brockhaus (1996:Bd.10;159) ist Höflichkeit eine „Form des Umgangs mit den Mitmenschen, die von gegenseitiger Achtung, Rücksichtnahme und Einhaltung bestimmter gesellschaftlicher Konventionen (z.B. Begrüßungsformen, als Ausdruck des Anstands und des guten Tons) geprägt ist.“ Höfliches Verhalten besteht aus Handlungen, die nur, aber nicht ausschließlich, mit sprachlichen Mitteln vollzogen werden können. Von Leech wird Höflichkeit als „strategic conflict avoidance“ (Leech 1977:19) definiert. Generell scheint Höflichkeit ein sozialer Wert zu sein, der in allen Gesellschaften vorkommt, obwohl diese Werte innerhalb verschiedener Kulturen sehr unterschiedlich ausfallen können (vgl.:House/Kasper; 1981:157-185). Höflichkeit ist ein kulturell definiertes Phänomen; das heißt, dass Höflichkeitsstrategien, die in einer Kultur für eine Person als höflich gelten, in einer anderen Kultur eventuell nicht als höflich erachtet werden oder sogar als unhöflich und unverschämt. So kann sich zum Beispiel das Verhalten eines Europäers -in Bezug auf Höflichkeit- sehr von dem eines Chinesen oder Malaien unterscheiden. Dies lässt sich auf unzählige Unterschiede zurückführen, die an der Entwicklung von Höflichkeitsstrategien beteiligt sind: aufgrund von kulturellen und sozialen Abweichungen über politische, bis hin zu sprachlichen und kommunikativen Verschiedenheiten sind sehr unterschiedliche Höflichkeitsformen entstanden. So stellt sich eine Schwierigkeit bei der Frage, ob sich überhaupt eine universelle Höflichkeitstheorie aufstellen lässt, oder ob die kulturellen Unterschiede bezüglich höflicher Gewohnheiten und höflichem Verhalten gegen ein allgemeingültiges Konzept sprechen. Zu dieser Frage stellt unter anderen Robin T. Lakoff in ihrer Untersuchung verschiedene Überlegungen an, wobei sich auch Brown & Levinson für eine universelle Höflichkeitstheorie aussprechen:

“While the content of face will differ in different cultures (what the exact limits are to personal territories, and what the publicly relevant content of personality consists in), we are assuming that the mutual knowledge of members‘ public self-image or face, and the social necessity to orient oneself to it, are universal“

Brown & Levinson (1987:61f)

Auf diese Überlegungen und auf die Begründung mit welcher Brown & Levinson diese Theorie aufstellen, werde ich in den entsprechenden Kapiteln eingehen. Höflichkeit ist weiterhin wesentlich für soziale Kommunikation zwischen Menschen. Menschen versuchen ständig soziale Akzeptanz und Anerkennung zu erreichen. So beschäftigen sich Brown & Levinson in ihren Untersuchungen mit dem Phänomen der Wahrung des Gesichts zwischen Gesprächspartnern. Demnach dienen Höflichkeitsstrategien vor allem dazu, das eigene Gesicht und das des Gegenübers zu wahren.

1.2 Erving Goffmans Konzept des face

„The term face may be defined as the positive social value a person effectively claims for himself (...). Face is an image of self delineated in terms of approved social attributes...” Goffman (1967: 5).

Einen entscheidenden Beitrag zu den traditionellen Höflichkeitstheorien leistete Erving Goffmans Konzept des face, welches er in seinem Aufsatz „On Face-work“ (1955) einführte und innerhalb seiner Überlegungen Interaction Ritual (1967) weiterentwickelte. Bei dem Einsatz von Höflichkeit geht es in der Hauptsache um zwei Aspekte: die Wahrung des eigenen face und die Wahrung des face des Gegenüber. Diese Annahme richtet sich nach dem Konzept von Goffman. Die Ansätze von Lakoff (1973/77), Brown & Levinson (1978) und Leech (1983) sind alle mit dem Konzept des face verknüpft. Daher ist ein Verständnis des Begriffes face als ein „Selbstbild, (…) das die anderen übernehmen können“ (Goffman 2005:10) ausschlaggebend für eine Beschäftigung mit den Höflichkeitstheorien. In der deutschen Übersetzung von Goffmans „Interaction Ritual- Essays in face-to-face behavior“ wird der Begriff face mit Image übersetzt. Hiermit sei nur darauf hingewiesen, dass mit diesen beiden Begriffen ein und dieselbe Annahme von Goffman gemeint ist.

Obwohl Goffman Soziologe und kein Sprachwissenschaftler war und im Rahmen seiner Untersuchungen hauptsächlich Verhaltensforschung betrieben hat, ist sein Konzept grundlegend für linguistische Höflichkeitstheorien. Dies erklärt sich durch die bereits erwähnte Tatsache, dass Höflichkeit innerhalb vieler Disziplinen ein Forschungsobjekt ist. Vor allem lässt sich Höflichkeit in den Überschneidungsbereich von Sprache und sozialem Handeln einordnen, da sie sowohl Einfluss auf den sprachlichen als auch den außersprachlichen Umgang von Gesprächspartnern miteinander hat. Somit beziehen sich viele sprachwissenschaftliche Untersuchungen auf die Interaktionstheorien Goffmans. Laut Goffman (2005:10) lebt jeder Mensch in einer „Welt sozialer Begegnungen“, die ihn in Kontakt mit anderen bringt. Innerhalb dieser Begegnungen verfolgt der Mensch zwangsläufig eine bestimmte Verhaltensstrategie, unbewusst oder bewusst. Diese Verhaltensstrategien beinhalten eine Beurteilung der jeweiligen Situation, eine Einschätzung des Interaktionspartners und die Selbstdarstellung. Es wird also unter anderem ein „sozialer Wert“ definiert, den man durch die Verhaltensstrategie für sich erwirbt (Goffman 2005:10ff). Dieses Prinzip bezeichnet Goffman als face (Image). Mit dem Begriff des face ist also ein Selbstbild gemeint, das von anderen bestätigt wird. Jeder Mensch beschäftigt sich nach Goffman in gewissem Maße damit, wie andere ihn wahrnehmen. So sind wir dauerhaft bemüht ein Selbstbild (face) für andere aufrecht zu erhalten, das wir innerhalb einer sozialen Interaktion darstellen. Es ist eine Präsentation desjenigen Selbstbildes, das wir gerade für andere darstellen wollen, je nachdem wie wir von anderen angesehen sein wollen. Das Konzept des face findet sich in passenden Alltagsäußerungen wieder: „losing face“, also das Gesicht verlieren, durch eine peinliche Situation. Oder „Mein Ansehen ist in Gefahr“, „Ich muss etwas für mein gutes Ansehen tun!“ Face bedeutet also soviel wie Ruf oder guter Name.

Goffmans Konzept des face wurde von Brown & Levinson genutzt, um das Phänomen Höflichkeit zu erklären. Sie stützen sich, wie viele andere Sprachwissenschaftler auf dieses Konzept und wenden es auf Sprechakte an. Brown & Levinson unterscheiden hierbei das positive face und das negative face. Darauf werde ich im entsprechenden Kapitel noch näher eingehen.

1.3 Das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaximen nach Paul Grice

“The major politeness theories are all slightly different appropriations of Grice’s Cooperative Principle” Lindblom (2001:1613)

Da sich alle Höflichkeitstheorien, die in dieser Arbeit vorgestellt werden auf das Kooperationsprinzip von Paul Grice beziehen, werde ich dieses im Folgenden kurz erläutern.

[...]


[1] Leech (1983): Principles of Pragmatics wird in dieser Hausarbeit nicht behandelt, da es den Rahmen dieser Arbeit überschreiten würde. Angemerkt sei trotzdem, dass Leechs Politeness Principle einen wesentlichen Beitrag zur Höflichkeitsforschung darstellt.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Höflichkeit - ein universales Konzept?
Untertitel
Inwiefern behaupten die Theorien von Lakoff und Brown & Levinson eine universale Gültigkeit ihrer Modelle und lassen sich diese Behauptungen vertreten?
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Allgemeine Sprachwissenschaft)
Veranstaltung
Sprache und Höflichkeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V130427
ISBN (eBook)
9783640390205
ISBN (Buch)
9783640390373
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Höflichkeit, Konzept, Inwiefern, Theorien, Lakoff, Brown, Levinson, Gültigkeit, Modelle, Behauptungen
Arbeit zitieren
Katharina Muders (Autor:in), 2008, Höflichkeit - ein universales Konzept?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130427

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