Ziele, Methoden und Charakter der Studie:
Das Ziel dieser Studie ist das Aufzeigen der Bedeutung der Begegnung im eurythmietherapeutischen Prozess. Sie soll zeigen, ob die vermutete Wirkung der daraus folgenden Eigeninitiative und Ich –Stärkung der PatientIn im Genesungsprozess (leichtes Schielen) eintritt. Meine diesbezügliche These lautet: Nur mit gelungener Beziehungsgestaltung wird Eurythmietherapie wirksam.
Im 1. Teil dieser Studie werde ich eine Auswahl aus der Literatur zum Thema Begegnung untersuchen und mit Erfahrungswerten aus der therapeutischen Praxis vergleichen. Im 2. Teil werde ich dann an Hand einer Einzelfalldokumentation die Wirkung der Beziehungsgestaltung in der Eurythmietherapie und die Wirkung der Therapie auf die Patientin darstellen. Als Methoden und Indikatoren dienten mir:
- Teilnehmende Beobachtungen in der Therapiestunde
- Auswertung von Videoaufzeichnungen
- Interview mit der KlientIn
Ich hoffe, dass diese Arbeit zu einem fruchtbaren Dialog zwischen Psychotherapeuten, Augenärzten und künstlerischen Therapeuten anregen kann. Im Anhang werden Themen, die im Kontext dieser Arbeit nicht vollständig erfasst werden konnten, ausführlicher dargestellt. Innerhalb der Arbeit werden die Begriffe zur Verbesserung der Lesbarkeit nur in ihrer männlichen Form verwendet.
Motto:
„[…]Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du.
Alles wirkliche Leben ist Begegnung." Martin Buber
Einen Trailer von den Videoaufzeichnungen finden Sie auf der Hompages www.bewegungspraxis.ch
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
Ziel, Methoden und Charakter der Studie
Teil 1: Kritische Reflexion der Literatur zum Thema Begegnung
1. Beziehung:
1.1. Was geschieht physiologisch bei einer Begegnung?
1.2. Was sind die physiologischen Grundlagen von Beziehung?
1.3. Was sind die psychologischen Grundlagen von Beziehung?
1.4. Was sind die anthroposophischen Grundlagen von Beziehung?
1.5. Zusammenfassung
2. Was ist Gesundheit?.
3. Was ist Eurythmietherapie (Heileurythmie)?
4. Schlussfolgerung zu Teil 1
Teil 2: Begegnung in der Praxis. Eine Einzelfalldokumentation
1. Eurythmietherapie in der Praxis
1.1. Ausgangslage
1.2. Zusammenfassung des Therapieverlaufes
1.3. Rückschlüsse darauf, was entscheidend für den Genesungsprozess war
Fazit
Literaturverzeichnis
Anhang:
1. Charakteristik der wichtigsten Begriffe
2. Daten/ Quellen
Einleitung
In der bis heute veröffentlichten Literatur zur Eurythmietherapie wird die Begegnung zwischen Therapeut und Patient und die daraus hervorgehende Beziehungs- gestaltung als Teil des therapeutischen Ansatzes kaum erwähnt. Meiner Ansicht nach wird mit diesem Thema ein wesentlicher Faktor, der zum Gelingen oder Scheitern einer therapeutischen Intervention beiträgt, angesprochen. Ich möchte mit dieser Arbeit dazu beitragen, dass die Hintergründe zur Beziehungsgestaltung und der Wert der Begegnung während der Behandlung erkennbar werden können.
Die folgenden Ausführungen sollen meine Fragestellung verdeutlichen.
In seinem erfrischendem Werk über die modernen Entwicklungen in der
neurobiologischen Forschung beschreibt Joachim Bauer (2006:165), dass in unseren neurobiologischen Systemen, nicht der - in der Vergangenheit
immer wieder als primär dargestellte - Kampf ums Überleben, sondern Kooperation die Grundlage jeglicher neurobiologischen Entwicklung sei.
Unter anderem beschreibt er die Epigenetik (die Lehre von der biochemischen
Verpackung der Gene) und weist darauf hin, dass neben der klassischen Vererbung eine davon unabhängige Weitergabe von biologischen und psychologischen Merkmalen von einer Generation zur nächsten stattfindet. Dies drückt sich im späteren Leben als das spezielle Bindungsverhalten aus, welches jeder einzelne Mensch zu seinen primären Bezugspersonen entwickelt. Er schreibt in seinen Ausführungen aber auch, dass nur in der Pubertät - bei adäquater Begleitung - oder in der Psychotherapie
“dem ewigen Weitergeben und Wiederholen von Mustern zu entgehen ist.“
(Bauer 2006:173)
Dies scheint mir eine etwas pessimistische Sichtweise. Sind die Entwicklungsmöglichkeiten des Menschen wirklich so beschränkt?
Diese Frage möchte ich gerne weiterverfolgen, da ich in meiner Tätigkeit als Eurythmietherapeut immer wieder Erfahrungen mache, die gerade auf eine sehr wandelbare menschliche Konstitution hinweisen und weil in meiner therapeutischen Arbeit täglich Beziehung gestaltet werden muss. Den Kontext meiner Arbeit bilden meine therapeutische Praxis seit 1998 und die dort stattfindende Begegnung zwischen Klient und Therapeut.
Beziehungsgestaltung ist meines Erachtens einer der Grundpfeiler jedes therapeutischen Ansatzes.
Dies soll ein kleines Beispiel aus meiner Praxis verdeutlichen: Eine Klientin hatte längere Zeit Disziplinprobleme, bis ich eines Tages ganz gelassen zu ihr sagen
konnte:
Ich glaube, du findest es manchmal schlimm, wenn die Erwachsenen immer wieder zu dir sagen, dass du unruhig und zappelig bist. Ich finde das kein Problem, dafür hast du viel Kraft und Lebensfreude. Du sollst hier einfach lernen dich zu konzentrieren, so dass du besser lernen kannst. (persönliche Notizen)
In dem Moment war für mich an ihrer nonverbalen Reaktion spürbar, dass sie den Eindruck hatte, dass ich sie verstanden habe. Von dem Moment an war Beziehungsgestaltung möglich und wurde eine innere Entwicklung bei der Klientin auch für ihr Umfeld wahrnehmbar.
Ziele, Methoden und Charakter der Studie:
Das Ziel dieser Studie ist das Aufzeigen der Bedeutung der Begegnung im
eurythmietherapeutischen Prozess. Sie soll zeigen, ob die vermutete Wirkung der daraus folgenden Eigeninitiative und Ich –Stärkung der PatientIn im Genesungsprozess (leichtes Schielen) eintritt. Meine diesbezügliche These lautet: Nur mit gelungener Beziehungsgestaltung wird Eurythmietherapie wirksam.
Im 1. Teil dieser Studie werde ich eine Auswahl aus der Literatur zum Thema Begegnung untersuchen und mit Erfahrungswerten aus der therapeutischen Praxis vergleichen. Im 2. Teil werde ich dann an Hand einer Einzelfalldokumentation die Wirkung der Beziehungsgestaltung in der Eurythmietherapie und die Wirkung der Therapie auf die Patientin darstellen. Als Methoden und Indikatoren dienten mir:
- Teilnehmende Beobachtungen in der Therapiestunde
- Auswertung von Videoaufzeichnungen
- Interview mit der KlientIn
Ich hoffe, dass diese Arbeit zu einem fruchtbaren Dialog zwischen Psychotherapeuten und künstlerischen Therapeuten anregen kann. Im Anhang werden Themen, die im Kontext dieser Arbeit nicht vollständig erfasst werden konnten, ausführlicher dargestellt. Innerhalb der Arbeit werden die Begriffe zur Verbesserung der Lesbarkeit nur in
ihrer männlichen Form verwendet.
Motto:
„ [ … ] Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du.
Alles wirkliche Leben ist Begegnung.
(Martin Buber,. „Ich und Du“ (1923)“Das Dialogische Prinzip“ Sammelband 2006:15)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Foto 1 Langmair H.: Klientin während der Eurythmietherapie (Lautgestalt M –oben/unten)
Teil 1 Kritische Reflexion der Literatur zum Thema Begegnung
1. Beziehung:
Was ist Beziehung?
Eine Definition von Beziehung lautet: „Beziehung ist der Bezug in einem Bezugssystem“.
http://de.wikipedia.org/wiki/Beziehung [28.3.2009 Diese Seite wurde zuletzt am 26. März 2009 um 21:16 Uhr geändert.
Der Begriff „soziale Beziehung“ geht auf Max Weber zurück, dieser definiert:
Die soziale Beziehung besteht also durchaus und ganz ausschließlich: in der Chance, dass in einer (sinnhaft) angebbaren (sic) Art sozial gehandelt wird, einerlei zunächst: worauf diese Chance beruht.
( Weber 1922:13).
Soziale Beziehung ist, sowie Weber beschreibt, in erster Linie eine Chance für soziales Handeln und definiert noch nicht die Qualität dieser Handlungsweise. Wie wir aber am obigen Zitat (Weber) ablesen können, ist die Qualität dieser Beziehungsgestaltung ausschlaggebend für die Weiterentwicklung des Menschen als soziales Wesen.
Was bedeutet aber Beziehungsgestaltung in den komplexen Bezugssystemen zwischen Menschen?
Sie bedeutet, meine ich, beim Kleinkind sogar die Grundlage seines Lebens. Die grausigen Experimente des Stauferkaisers Friedrich II., der schon im 13.Jahrhundert demonstrierte, dass bei Kleinkindern, welche gepflegt wurden, aber keine liebevolle Zuwendung erleben durften, schwere Entwicklungsstörungen auftraten, erhärten meines Erachtens die oben gemachte These, dass Beziehungsgestaltung eine wesentliche Grundlage für menschliche Entwicklung und Gesundheit darstellt. Die Experimente des Stauferkaisers endeten mit dem Tod der betreuten Kleinkinder. Es wurde deutlich, dass ohne menschliche Zuwendung Kinder sich nicht zu menschlichen Wesen entwickeln können, da sie an mangelnden Entwicklungsanreizen starben.
(vgl. Anhang 1.1.)
Jean Itard (1964: 186) beschreibt den grossen Leidensdruck, der bei ihm entstand, wenn er mit Viktor, einem 12jährigen Knaben, der im Wald völlig verwildert gefunden worden war, an der Ausbildung von dessen Nachahmungsfähigkeit und Aufmerksamkeit arbeitete. Die menschliche Sprache war für diesen Jungen kaum mehr erlernbar und jeder kleinste Entwicklungsschritt kostete unendliche Geduld und Zuwendung. Itard arbeitete, um diesen Jungen nur einigermassen erreichen zu können, mit kräftiger emotionaler Verstärkung und Zuwendung. Er musste feststellen, dass in diesem Alter die menschliche Sprache kaum mehr erlernbar war, konnte aber erleben, dass die Entwicklungsbereitschaft des jungen Wilden zunahm. (vgl. Anhang 1.2.)
1.1. Was geschieht physiologisch bei einer Begegnung?
Joachim Bauer beschreibt in seinem Werk (2006: 30), dass es zur Aktivierung der Motivationssysteme im Gehirn einen Stimulus, wie zum Beispiel den Blickkontakt eines freundlichen Menschen, braucht. Menschliche Zuwendung aktiviert unter anderem endogene Opioide, wodurch schmerzstillende Wohlfühlbotenstoffe im Gehirn aktiviert werden.
Er beschreibt drei Hormontypen, die unterschiedlich auf psychogene Stimuli reagieren.
(Bauer 2006:30)
"Das Gehirn macht aus Psychologie Biologie": Psychotherapie heilt seelische Erkrankungen und hat positive Effekte auf Gehirn und Körper […] Seelische Erkrankungen bilden sich keineswegs von selbst zurück. Psychotherapie hilft nicht nur der Seele, sondern auch dem Körper, denn in einem lebenden Organismus sind alle biologischen Funktionen zutiefst "beseelt".
http://www.psychotherapie-prof-bauer.de [27.3.2009]
1.2. Was sind die physiologischen Grundlagen von Beziehung?
Bauer beschreibt, dass durch Zuwendung, Anerkennung und Kooperation im Gehirn Botenstoffe frei werden, die die Leistungsbereitschaft der KlientIn erhöhen und deren hormonellen Motivationssysteme anregen.
Psychische Einflüsse führen zur Ausschüttung von hormonellen Substanzen, die eine Stress abbauende und Wohlbefinden steigernde Wirkung haben.
Dopamine lösen die Lust aus, etwas zu tun.Opioide lösen die Freude am Tätigsein aus, ein starkes Wohlgefühl. Oxytozin löst aus, dass ich mich für einen anderen Menschen einsetzen möchte.
(Bauer 2006:33)
Ausserdem beschreibt er, dass wir, indem wir anderen Menschen begegnen, eine direkte Wahrnehmung von seiner Persönlichkeit und von deren Wirkung auf uns selber haben. Ein ähnliches Phänomen ist die Fähigkeit der direkten Nachahmung von Bewegungen eines anderen Menschen. Die sogenannten Spiegelneuronen sind
Grundlage zur Fähigkeit der emotionalen, intuitiven Resonanz. Das, was jemand empfindet, dringt direkt in mein Seelenleben ein und beeinflusst mich.
(Bauer 2005:88)
(vgl. auch Anhang 1.6. und 1.7. zu den Begriffen Bindung und Übertragung)
Bauer beschreibt in seinem Werk schlussendlich 5 Grundvoraussetzungen, die es uns ermöglichen, eine gesunde Begegnung mit dem Gegenüber eingehen zu können:
1. Sehen und Gesehenwerden,
2. gemeinsame Aufmerksamkeit gegenüber Dritten,
3. emotionale Resonanz
4. gemeinsames Handeln und
5. das wechselseitige Verstehen von Motiven und Absichten.
(Bauer 2006:192)
Diese Begegnungsqualitäten bilden die seelische Grundlage dafür, dass jene oben beschriebenen Hormone im Organismus ausgeschüttet werden können.
1.3. Was sind die psychologischen Grundlagen von Beziehung?
In der Literatur werden unter anderem durch Fritz Riemann verschiedene Formen von Beziehungstypen erwähnt. Riemann unterscheidet den planenden, nach Sicherheit suchenden, den improvisierenden, den immer verzeihenden, den distanzierten, den eigensinnigen Beziehungstyp. Riemann betont aber, dass ein Mensch nicht nur eine dieser Charaktereigenschaften hat, sondern individuell und wandlungsfähig ist und z.B. einen Bereich stärken kann, der bisher nur schwach ausgeprägt war.
(Riemann 1961:14)
Schon in der altgriechischen Temperamentenlehre wurden Beziehungstypen beschrieben. Riemann entspricht aber, dadurch, dass seine Beziehungstypen als Forschungsergebnis aus seiner Arbeit an der 1974 gegründeten Münchner Akademie für Psychoanalyse und Psychotherapie entstanden, den heute üblichen Standards. Riemann spricht folgende Grundthemen in unserem Beziehungsverhalten an:
Nähe und Distanz,
Dauer und Wechsel,
Bindung und Ablösung,
Zuwendung und Abgrenzung,
Hingabe und Selbstbehauptung.
(vgl. Anhang Nr.1.10 /Beziehungstypen)
Ewiges Weitergeben von Mustern scheint, wie in der Einleitung erwähnt, hier ein Grundthema, zu sein, Riemann spricht aber trotzdem von der
„Wandlungsfähigkeit des Menschen“, indem er immer wieder danach strebt, diese Gegensätze auszugleichen.
(Riemann 1961:17)
An diesem Punkt frage ich mich, was den Menschen dazu bringen kann sich von diesen festen Positionen wieder zu lösen und neue Impulse in sein Verhalten aufnehmen zu wollen? Was kann den Klienten dazu bringen seine Angst vor möglichen Folgen von Veränderungen im Beziehungsverhalten abzubauen? Was führt ihn dazu Wandlungsfähigkeit zulassen zu können?
Im Anhang (1.4.) werden die Wirkungen der Ich – Aktivität auf die Gesamtkonstitution des Menschen und die Abweichungen bei mangelnder Ich – Aktivität, z.B. bei psychiatrischen Krankheitsbildern, dargestellt. Die zusammenhaltende Kraft gesunder Ich – Aktivität kann für den Leser nachvollziehbar werden.
Dadurch wird es aber an dieser Stelle für meine Betrachtungen nötig, das menschliche Wesen nicht nur als ein Beziehung gestaltendes, sondern als ein individuelles, spirituelles Wesen zu betrachten. Die zusammenhaltende Kraft des Gegensätze verbindenden, gleichzeitig diese durchdringenden und dieselben bildenden Ich in seiner spirituellen Dimension soll im weiteren Verlauf der Arbeit erfasst werden. Die spirituelle Dimension der Beziehung soll im folgenden Abschnitt behandelt werden.
1.4. Was sind die anthroposophischen Grundlagen von Beziehung?
Die physiologische und die psychologische Grundlage der Beziehungsgestaltung geben mir eine Richtung an, in der ich suchen kann, aber erst anthroposophische Begriffe, der Einbezug einer spirituellen Dimension von Begegnung, ermöglichen mir, meine Wahrnehmungen so zu strukturieren, dass ich zu einer meinem Erleben
kohärenten Formulierung von zwischenmenschlicher Begegnung finden kann.
Rudolf Steiner sagt im Jahre 1918, dass ein wechselseitiges Einschlafen in den Anderen und ein wieder Aufwachen bei sich selber die Grundlage jeder zwischenmenschlichen Begegnung sei.
„[…] dass wenn der Mensch dem Menschen gegenüber steht, der eine Mensch immer einzuschläfern bemüht ist, und der andere Mensch sich immer aufrecht erhalten will. Das ist aber, um im goetheschen Sinne zu sprechen, das Urphänomen der Sozialwissenschaften .“ [Hervorhebung vom Verfasser]
(Steiner 1942:24)
Zu den sozialen Trieben sagt er:
„[…] Unser Verkehr von Mensch zu Mensch besteht darinnen, dass vor allen Dingen unser Vorstellungsvermögen in diesem Verkehr eingeschlä fert wird, behufs der Herstellung der sozialen Triebe von Mensch zu Mensch […] “ [Hervorhebung vom Verfasser]
(Steiner 1942:11)
Steiner beschreibt das wache Einschlafen in den Anderen als ein Paradoxon, welches in dem Moment auftritt, wenn wir mit unserem Alltags – Ich vom bewussten in unbewusste Seelenbereiche eintauchen. Diese Bewegung ist für mein Alltags-Ich nicht leicht nachvollziehbar. Wenn ich in unbewusste Seelenbereiche eintauche kann ich mein alltägliches Selbstbewusstsein nicht aufrecht erhalten. Wie bei jedem Mysterium bleibt bei dieser hingebenden Begegnung eine Frage, ein Rätsel, etwas Unbeantwortetes zurück, ein Zustand, den ich nicht lange in dieser Intensität aushalten, der aber in mir bei weiteren Begegnungen nachwirken kann. In dem Moment, in dem ich aus diesem Hingegeben -Sein erwache, erwacht der antisoziale Trieb in mir, mein spiegelndes, Vorstellungen bildendes Ego.
Steiner spricht davon, dass ich im Moment des Zuhörens, im Moment der Begegnung in einem Zustand bin, als würde ich schlafen, ich wache aber in der Hingabe an den Anderen für seine Impulse, Triebfedern auf und erfahre intuitiv, was ihn bewegt.
Etwas von dem was bei Steiner das „höhere Selbst“ (vgl. Anhang 1.5) genannt wird, kann für mich bei dieser Art des Wahrnehmens spürbar werden. Geistige Erfahrungen werden konkret. Es entsteht im Ich – Atem zwischen meinem Gegenüber und mir eine neue kreative Substanz, die weiter wirken kann. Für mein Empfinden wird hier etwas spürbar, was als „Werdekräfte“ bezeichnet werden kann, etwas Neues kann entstehen. Demgegenüber steht aber die Hartnäckigkeit, mit der sich das Alte behauptet.
Meine Erfahrungen in der therapeutischen Praxis weisen darauf hin, dass in unserem Willensleben etwas von diesem schlafenden Zustand erlebbar wird, wenn ich Gewohnheiten ändern möchte. Die Hartnäckigkeit wie sich Bewegungsmuster immer wieder bei mir und beim Gegenüber melden, weist auf diesen unbewussten Prozess beim Bewegen hin.
Diese spirituelle Dimension in der Begegnung zwischen Menschen, welche Steiner anspricht, hat auch Martin Buber in seinem Werk sehr ausführlich und eindrücklich dargestellt. ( Buber 2006)
1.5. Zusammenfassung:
Beziehungsgestaltung geht also, nach Bauer (vgl. S. 3), aus einem Urtrieb des Menschen nach Kommunikation, Kooperation und Zuwendung hervor und weckt im Gegenüber Ich – Kräfte, die sich, wie Steiner (vgl. S.10) und Buber (vgl. S. 5) darstellen, in Ihrer vollen spirituellen Konsequenz unserem heutigen Denken noch entziehen.
Menschliche Kommunikation ist nicht nur ein einfaches Signal zwischen Sender und Empfänger, es ist nicht nur ein Gespräch zwischen zwei Gesprächspartnern, die einander etwas zu sagen haben, nicht nur ein einfaches Fragen und Antworten im Dialog. Menschliche Kommunikation ist auch Beziehungsgestaltung und damit auf Bindungsverhalten ausgerichtet.
Die Darstellung des Ich - Atems, so wie ihn Steiner beschreibt, weist darauf hin, dass die Wirkung von Beziehungsmustern (Riemann 1961) im Moment der Begegnung zweier Menschen abgeschwächt werden kann und etwas von der Persönlichkeit des Anderen durch diese „Maske“ hindurchstrahlt.
Es bestätigt mir, dass wir nicht vollständig determiniert sind, sondern auch auf dem Gebiet der Beziehungsgestaltung entwicklungsfähig bleiben.
Die neurobiologische Forschung bestätigt ausserdem, dass Kooperation, Zuwendung, aber auch emotionale Resonanz und Interesse aneinander die Leistungsbereitschaft der Motivationssysteme erhöhen und Zukunft neu gestaltet werden kann.
Was bei Itard als Verstärker in der Zuwendung, bei Friedrich II. als fehlende Zuwendung und bei Bauer als Verstärker der Anreizsysteme im Menschen durch Zuwendung dargestellt wird, führt mich zu der Annahme:
1. Zuwendung ermöglicht zwischenmenschliche Begegnung
2. Begegnung schafft Beziehung
3. Diese Beziehung motiviert das Gegenüber zum Erbringen von
Leistungen, steigert deren Ich – Aktivität.
4. Ich - Aktivität ist Basis für menschliche Gesundheit und Lernbereitschaft
5. Diese Lernbereitschaft regt die Gesundheitskräfte in der Eurythmietherapie an.
Ich kann jetzt von der Annahme ausgehen, dass durch Eurythmietherapie eine
verstärkte Form der Begegnung möglich ist, wenn ich nicht Beziehungsmuster,
sondern, dass „Was werden will“ beim Klienten anspreche.
Um insbesondere die Punkte 4. und 5. noch genauer zu beleuchten möchte ich im Folgenden noch auf den Begriff „Gesundheit“ eingehen.
2. Was ist Gesundheit?
Worauf ich meine Aufmerksamkeit richte, das erscheint im Bewusstsein. Diese Grundhaltung, Grundausrichtung überträgt sich auch auf den physischen Leib. Richte ich dieselbe auf gesundmachende Kräfte in mir, werden dieselben
verstärkt. Dieser Gesinnungswandel wurde im Gesundheitswesen durch
Aaron Antonowsky eingeleitet. Er schreibt in seinem Buch „Salutogenese, zur
Entmystifizierung der Gesundheit“:
„[…] Das SOC (Koheränzgefühl) ist eine globale Orientierung, die aus- drückt, in welchem Ausmass man ein durchdringendes, andauerndes und dennoch dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass
1. die Stimuli, die sich im Verlauf des Lebens aus der inneren und
äusseren Umgebung ergeben, strukturiert, vorhersehbar und erklärbar sind.
2. einem die Ressourcen zur Verfügung stehen, um den Anforderungen, die diese Stimuli stellen, zu begegnen;
3. diese Anforderungen Herausforderungen sind, für die sich die
Anstrengung und Engagement lohnen.
(Antonowsky 1997:36) )
(vgl. auch Anhang 1.12. )
Antonowsky beschreibt, dass dieses Vertrauen in den Sinn der Ereignisse, die Handhabbarkeit der jeweiligen Situation und die Verstehbarkeit der Welt es ist, die mich schlussendlich dazu bringen, motiviert zu handeln und das Gleichgewicht zwischen gesundenden und krankmachenden Tendenzen in mir zu erhalten. In meiner Praxis konnte ich die Erfahrung machen, dass durch gesteigerte Ich- Aktivität die oben beschriebene psychophysische Wirkung der Kraft des Vertrauens in eine sinnvolle Zukunft, Gesundheitskräfte anregt. Ich nehme an, dass die Wirkung jeglicher Therapieform durch den Einsatz dieser gesundheitsfördernden Eigenaktivität der Patientin angeregt wird.
Wenn ich dies mit meinen unter 1 angeführten Recherchen vergleiche, stelle ich fest, dass Bauer die hormonellen Konsequenzen einer gesunden inneren Ich – Aktivität sichtbar macht. Riemann entwickelt die Beziehungsmuster, die wir als Maske, als hemmende Faktoren erleben können, die teilweise verhindern dass sich Ich – Aktivität entfalten kann. Diese Aktivität wiederum wird durch Antonowsky als Grundvertrauen dargestellt, welches das Individuum der Welt gegenüber entwickeln kann. Steiner und Buber betonen die spirituelle Dimension dieses auf der Begegnung zwischen Menschen sich aufbauendem Phänomens. Das unbewusst wirksame „höhere Selbst“ im Gegensatz zum wachen, selbstbewussten Ego kann in den therapeutischen Prozess eingreifen.
[...]
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