Vor 20 Jahren vollzog sich ein tief greifender weltpolitischer Wandel. Der Kommunismus als Staatsentwurf war am Ende. Nur wenige Länder sind verblieben, die offiziell noch kommunistisch sind. Eines dieser Länder ist Kuba. Während 1989 die meisten sozialistischen „Bruderländer“ im Ostblock zusammenbrachen, existiert das Regime Kubas auch heute noch. Dies ist durchaus erstaunlich, teilte und teilt doch Kuba viele Gemeinsamkeiten mit den untergegangenen kommunistischen Regimen des Ostblocks. Wirtschaftskrise, soziale Probleme, weit verbreitete Unzufriedenheit in der Bevölkerung, Anzeichen von gesellschaftlichen Unruhen. Und mit dem Untergang der Sowjetunion fiel auch für Kuba der wichtigste Handelspartner aus.
Warum also überlebte das Regime in Kuba trotz derselben negativen Vorzeichen wie in den ehemaligen Ostblockstaaten? Zur Beantwortung dieser Frage existieren zahllose Ansätze. Vielen dieser Ansätze scheint jedoch ein schlüssiges theoretisches Grundgerüst zu fehlen. Sie argumentieren sehr empirisch und wirken mitunter spekulativ. Demgegenüber baut Juan López sein Buch „democracy delayed“ logisch von der Frage her auf, welche Wege zur Transition es für Kuba, basierend auf der Regimetypologie von Juan J. Linz und Alfred Stepan, gibt. Nach einer kurzen Einführung in die wirtschaftliche Krise der 1990er Jahre, werde ich daher diesem Beispiel folgen und zunächst darauf eingehen, welche Pfade zur Transition nach dem Model von Linz und Stepan für Kuba zur Verfügung stehen. Da nach diesem Model die wahrscheinlichste Option ein Zusammenbruch in Folge von Massenprotesten ist, muss die Frage beantwortet werden, wieso diese bisher ausgeblieben sind. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Zeitraum der 1990er Jahre. Angesichts der Tatsache, dass die zu Beginn der Krise in den 1990er ausgerufene Sonderperiode jedoch bis heute noch nicht offiziell beendet wurde, dürften die Antworten bis in die Gegenwart Gültigkeit besitzen. Die Frage nach den ausbleibenden Massenprotesten möchte ich zunächst, zusätzlich zur Argumentation López’, aus einer weiteren Perspektive betrachten: Javier Corrales argumentiert, dass durch die Reformen seit Anfang der 1990er Jahre das Regime zum Gatekeeper für die Wirtschaft wurde. Dadurch gelang es dem Regime auf der einen Seite die eigene Machtbasis zu sichern, auf der anderen jedoch durch neue Anreize und Repressionsmöglichkeiten Dissens zu untergraben. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Ausgangslage: die Wirtschaftskrise der 1990er Jahre
- Das Castro-Regime: Charakteristika
- Zwischen gefroren-post-totalitär und sultanistisch
- Massenproteste als wahrscheinlichster Pfad der Transition
- Kuba als Gatekeeper-Staat: Das Ausbleiben von Massenprotesten als Folge staatlicher Struktur
- Die Reformen der 1990er Jahre – Der Umbau zum Gatekeeper-Staat
- Reformen und Machtreserven
- Die Begrenzung der winning coalition
- Repressionen als Mittel zur Sicherung der staatlichen Monopolstellung
- Die Funktionslogik des Gatekeeper-Staates in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit von Massenprotesten
- Exit vs. Voice: Kubas Regime als Gatekeeper der Emigration
- Exit vs. Voice: Emigration als Sicherheitsventil
- Gatekeeper der Emigration: Eine Demonstration der Stärke
- Die Reformen der 1990er Jahre – Der Umbau zum Gatekeeper-Staat
- Die Zivilgesellschaft Kubas: Das Ausbleiben von Massenprotesten als Folge mangelnden Bewussteins politischer Efficacy
- Zivilgesellschaftliche Opposition
- Repression der Opposition
- Efficacy
- Resumée und Ausblick
- Anhang A: Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Gründe für das Überleben des Castro-Regimes in Kuba trotz der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre und der damit verbundenen sozialen Probleme. Sie untersucht, warum Massenproteste, die in anderen postkommunistischen Ländern zum Regimewechsel führten, in Kuba ausblieben. Die Arbeit basiert auf der Regimetypologie von Linz und Stepan und untersucht verschiedene Theorien, die das Ausbleiben von Massenprotesten erklären.
- Die Rolle des Gatekeeper-Staates und die Reformen der 1990er Jahre
- Die Bedeutung von Emigration als Sicherheitsventil und die Rolle Kubas als Gatekeeper der Emigration
- Das Ausbleiben von Massenprotesten aufgrund mangelnden Bewusstseins politischer Efficacy in der Zivilgesellschaft
- Die Bedeutung von Repression und die Sicherung der staatlichen Monopolstellung
- Die Funktionslogik des Gatekeeper-Staates und seine Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit von Massenprotesten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach dem Überleben des Castro-Regimes in Kuba trotz der Wirtschaftskrise der 1990er Jahre und der damit verbundenen sozialen Probleme. Sie skizziert die theoretische Grundlage der Arbeit, die auf der Regimetypologie von Linz und Stepan basiert, und stellt die wichtigsten Theorien vor, die das Ausbleiben von Massenprotesten erklären.
Das zweite Kapitel beschreibt die Wirtschaftskrise der 1990er Jahre in Kuba, die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und des Ostblocks ausgelöst wurde. Es werden die Auswirkungen der Krise auf die Wirtschaft, die Gesellschaft und den Lebensstandard der Bevölkerung dargestellt.
Das dritte Kapitel analysiert die Charakteristika des Castro-Regimes und stellt die wichtigsten Merkmale des politischen Systems dar. Es wird die Frage aufgeworfen, warum Massenproteste, die in anderen postkommunistischen Ländern zum Regimewechsel führten, in Kuba ausblieben.
Das vierte Kapitel untersucht die Rolle des Gatekeeper-Staates und die Reformen der 1990er Jahre. Es wird gezeigt, wie das Regime durch die Reformen seine Machtbasis sichern und gleichzeitig Dissens untergraben konnte.
Das fünfte Kapitel analysiert die Zivilgesellschaft Kubas und das Ausbleiben von Massenprotesten aufgrund mangelnden Bewusstseins politischer Efficacy. Es wird gezeigt, wie die Repression der Opposition und die Begrenzung der politischen Handlungsmöglichkeiten der Bevölkerung zu einem Mangel an politischer Mobilisierung führten.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Zusammenbruch des Staatssozialismus, die postkommunistische Transition, das Castro-Regime, Kuba, Massenproteste, Gatekeeper-Staat, Repression, Zivilgesellschaft, politische Efficacy, Wirtschaftskrise, Emigration, Exit vs. Voice, Linz und Stepan, Regimetypologie.
- Quote paper
- Christoph Buchberger (Author), 2009, Kuba - Das Überleben des Regimes aufgrund ausbleibender Massenproteste, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132378