Der weibische Kaiser

Das Bild der Zenobia in der Historia Augusta im Kontrast zur Darstellung des Gallienus


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2009

16 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1.Einleitung
Zur Historia Augusta
Zeriobia
Palmyra

2. Beschreibung der Protagonisten
Gallienus
Zeriobia

3.Zenobia vs. Gallienus
Tabellarische Gegeriuberstellurig

4.Schluss

1. Einleitung

„Das war das Leben des Gallienus, von mir in kurze Worte gefasst, der - von Geburt an nur aufseinen Magen und seine Lüste bedacht - die Tage und Nächte mit Wein und Unzucht vertan hat, so dass selbst Frauen besser als er

regiert haben."

(Gall. 16,1)

Zur Historia Augusta

Die Historia Augusta (HA) ist eine Sammlung von Biographien der römischen Kaiser. Die Forschung zu diesem Werk stand in den vergangenen Jahrzehnten stark unter dem Aspekt einer historischen geprägten Betrachtungsweise. Al­lerdings gibt es auch heute noch viele ungeklärte Fragen. Der Autor und die genaue Abfassungszeit sind unbekannt. So steht noch nicht einmal fest, ob die Historia Augusta aus der Feder eines einzigen Verfassers stammt, oder die Sammlung mehrerer Autoren ist[1]. Erst in den letzten Jahren ist das Kriterium einer gesamt-literarischen Komposition stärker in den Vordergrund gebracht worden[2].

Zenobia

Die am ausführlichsten beschriebene Frauengestalt der Historia Augusta ist Zenobia, Herrscherin des sogenannten palmyrenischen Reiches[3]. Neben der gallischen Gegenkaiserin Victoria ist sie die einzige Frau, der in dem antiken Geschichtswerk ein eigner Abschnitt gewidmet ist. Auch in den Viten über ihren Gatten Odaenathus sowie in den Kapiteln über die Kaiser Gallienus und Aurelian taucht sie häufig auf. Dabei wird Zenobia in der Historia Augusta na­hezu durchgehend positiv charakterisiert[4]. Ihre Vita steht so im starken Kont­rast zur Charakterisierung des damaligen römischen Kaisers Gallienus, der vom Verfasser der HA durchgehend beschimpft und verunglimpft wird. Dies scheint auf den ersten Blick etwas überraschend. Warum sollte ein römischer Autor eine Ursupatorin als stark und fähig darstellen, und den Kaiser als feige und verweichlicht? Die folgende Arbeit soll sich mit eben dieser interessanten Diskrepanz der Darstellungen beschäftigen. Insbesondere sollen folgenden Thesen aufgestellt und überprüft werden:

1. Es ging dem Verfasser nicht darum zu zeigen, dass Frauen ebenso gute oder gar besserer Herrscher als Männer sein können.

2. Um die positiven Eigenschaften der Zenobia zu erklären und zu rech­tfertigen wird sie vom Autoren ihres natürlichen Geschlechtes entho­ben und als „Mann" dargestellt.

Ein Anschließender Vergleich mit dem Bild der Zenobia in den Vita des Aure­lian wäre wünschenswert, kann aber auf Grund des Umfanges dieser Arbeit leider nicht geleistet werden.

Palmyra

Zwischen Mittelmeer und Euphrat, inmitten der syrischen Wüste, befinden sich die Ruinen der Stadt Palmyra. In der Antike war der Ort auf Grund seiner Lage an einer Wasserstelle ein wichtiger Handelsort für Karawanen, die durch die syrische Wüste zogen. Besonders in der römischen Kaiserzeit entwickelte sich die Route über Palmyra zu einem bedeutenden Handelsweg zwischen Ost und West. Die Oase stellte ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Reich der Parther im Osten und dem römischen Reich im Westen dar.

Nach mehreren Siegen über den parthischen König Schapur I. wurde der römi­sche Stadthalter von Palmyra - Septimius Odaenathus - von Kaiser Gallienus zu seinem Stellvertreter im römischen Orient ernannt. Unter der Herrschaft von Odaenathus entwickelte sich der von ihm beherrschte Teil zu einem von Rom quasi unabhängigem Reich. Da Odaenathus die Oberherrschaft des Kai­ser jedoch anerkannte, kam es zu keinen militärischen Konflikten. Nach dem

Tod des Odaenathus gelangte dessen Frau Zenobia als Vormund ihres halb­wüchsigen Sohnes an die Macht[5]. Dass eine Frau eine so hohe Stellung inne hatte, war zu dieser Zeit mehr als ungewöhnlich. Um das Jahr 267 kam es dann schließlich zum Bruch mit Rom. Zenobia besetzte die römische Provinz Ägypten und erklärte die Unabhängigkeit des palmyrenischen Reiches von Rom. Die selbsternannte Augusta konnte ihre unabhängige Herrschaft ver­hältnismäßig lange behaupten. Erst im Jahr 272 besiegte Kaiser Aurelian die palmyrenischen Truppen und konnte Zenobia gefangen nehmen.

Über ihr weiteres Schicksal gibt es mehrere überlieferte Varianten. Während Zosimus (1,59) berichtet, Zenobia sei auf dem Weg nach Rom gestorben, sind sich Eutroph (9,13,1), Hieronymus (Hieron. Chron ad.a.2290), Zonaras (12,27) und der Autor der Historia Augusta einig, dass sie Rom lebend erreicht habe und dort noch viele Jahre gelebt hätte. Bei dem byzantinischen Chronisten Synkellos kann man außerdem nachlesen, Zenobia habe später noch einen römischen Senator geheiratet (Synkellosp.271).

2. Beschreibung der Protagonisten

„Unter diesen Umständen spielten die Soldaten abermals mit dem Gedanken, einen neuen Kaiserzu küren. Sie alle ließ Gallienus, wie es seineArt war, töten, da er sie nicht besänftigen und ihre Gunst nicht zurückgewinnen konnte."

(Gall. 11,2)

Gallienus

Begonnen werden soll mit einer Beschreibung der beiden „Protagonisten" wie die Historia Augusta sie uns gibt. Zur Charakterisierung des Gallienus fährt der Verfasser ein ganzes Arsenal von Verunglimpfungen und Beleidigungen auf. So beschimpft er Gallienus immer wieder als völlig unfähigen Kaiser, der sich le­diglich dem „Genussleben hingab oder Kindereien und Lächerlichkeiten trieb" (Gall. 10). Auch militärisch lässt die HA kein gutes Haar an Gallienus. Er küm- mere sich so wenig um sein Heer, dass sein Name dort kaum noch erwähnt wird (Gail. 1,2). Außerdem wird gesagt, dass die Soldaten wohl mehrmals überlegten, ihn wegen seiner Unfähigkeit zu töten und einen neuen Kaiser zu küren (z.B. Gail. 11). Immer wieder wird dem Kaiser auch eine übertriebene Hinwendung zum Griechentum vorgeworfen: „Während aber die Soldaten sich nach einem würdigen Herrscher umsahen, spielte Gallienus in Athen den Archon, also den höchsten Beamten, aus jener Eitelkeit heraus, die ihn auch dazu trieb sich in die Bürgerliste einschreiben zu lassen..." (Gall. 11.3).

Zwar nennt der Autor der HA auch einige positive Eigenschaften, diese wer­den aber sofort wieder relativiert. So wird zum Beispiel erwähnt, der Kaiser sei durchaus geistreich und habe viele Verse und Reden geschrieben. „Indes", so fügt die HA sogleich erklärend hinzu, „sind die Erwartungen, die man an den Kaiser knüpft, anders als die Forderungen, die man an einen Redner oder Dichter stellt." (Gall. 11,9). Manchmal werden Gallienus Erfolge auch auf eine fast absurde Weise versucht kleinzureden, so dass die Passagen einer gewis­sen Komik nicht entbehren. Wie Gallienus zum Beispiel „durch einen Zufall" ein Heer plündernder Goten besiegen konnte, bleibt der Fantasie des Autors überlassen (Gall. 13,9).

Wie man feststellen kann, zeichnet die HA durchgehend ein äußerst negatives Bild des Kaisers. Möchte man diese Negativ-Einstellung hinterfragen, so bie­ten die byzantinischen Quellen dazu eine willkommene Gelegenheit[6]. Hier wird ein sehrviel freundlicheres Bild von Gallienus gezeichnet. Unter anderem kann man dort lesen, Gallienus „war von vollendetem Wuchs, tapfer, hatte dunkle Haut, lockiges Haar, einen buschigen Bart, eine schöne Nase, dunkle Augen und ein großzügiges Wesen." (Mal. Chron. 298,3-6 Dindorf). Auch seine militärischen Fähigkeiten werden durchaus anders geschildert als vom Verfas­ser der HA: „Er besiegte die Alamannen, die ungefähr 300.000 Mann stark waren in einer Schlacht bei Mailand mit 10.000 Mann. Dann unternahm er einen Feldzug gegen die Airuler, einen skythischen und gotischen Stamm, und bezwang sie." (Zon. 12,24).

Heutzutage wird daher die gallienusfeindliche Tendenz der HA in der For­schung nur noch selten unvoreingenommen vertreten[7]. Zur Ehrenrettung des Gallienus sind besonders die Arbeiten von Alföldi zu nennen. Er sieht Gallienus als Sündenbock seiner Zeit und schreibt: „Niemals wurde das historische Bild eines Kaisers so verzerrt wie das des Gallienus".[8]

Zenobia

„[Da] übernahm Odaenathus Witwe Zenobia selbst die Herrschaft, die sie lan- ge ausübte, und zwar nicht weibermäßig und nach Frauenart, sondern mit mehr Schneid und Geschick nicht nur als Gallienus - dem es jede Jungfrau im Regiment hätte zuvortun können - sondern auch als viele Kaiser."

(Gall. 13,2 ff)

Ganz anders als Gallienus beschreibt der Verfasser der Historia Augusta die Gestalt der Zenobia. Die palmyrenische Herrscherin wird von ihm fast wie eine Geliebte beschrieben: „Ihre Gesichtsfarbe war bräunlich, die Hautfarbe dun­kel; sie hatte ungewöhnlich lebendige schwarze Augen, besaß einen wunder­vollen Geist und unglaublichen Charme. Ihre Zähne waren so blendend weiß, dass viele sie für Perlen, nicht für gewöhnliche Zähne hielten." [Tr.Tyr. 30,15). Außerdem wird sie als gebildet und intelligent bezeichnet. Sie befasse sich ausführlich mit Geschichte, spräche Syrisch, Ägyptisch, Griechisch und Latein [Tr.Tyr 30,21ff und Aurel 27,6). Zenobia wird als keusche Ehefrau geschildert, die lediglich ein Mal im Monat, ausschließlich zum Zwecke der Fortpflanzung, Verkehr mit ihrem Ehemann hat [Tr.Tyr. 12).[9] Mehrfach wird ihre Herkunft sogar auf Kleopatra zurückgeführt.[10]

Allerdings wird Zenobia in den verschiedenen Viten unterschiedlich geschil­dert. Die Historia Augusta bietet hier ein eher inkonsequentes Bild der Herr­scherin. In der bislang besprochenen tyranni triginta (30 Tyrannen) herrscht wie gesagt das Bild einer gütigen und milden Herrscherin vor. In der Vita Aure- liani treten dann eher die kriegerischen Seiten der Königin in den Vorder­grund. Diese unterschiedliche Darstellung wird von Cazzaniga[11] auf unter­schiedliche Quellen und verschiedene Autoren zurückgeführt. Auch Lippold[12] sieht die unterschiedliche Darstellung in mehreren Autoren begründet. Hart­mann[13] hingegen begründet die divergierenden Bilder eher mit einer unter­schiedlichen Bewertung der Kaiser Gallienus und Aurelian als mit einem Wechsel der Autoren.

Da die Historia Augusta die einzige erhaltene literarische Quelle ist, die sich ausführlich mit Zenobia beschäftigt, fehlt es leider an direkten Vergleichsmög­lichkeiten. Es existieren allerdings verschiedene Hinweise darauf, dass die HA oft auf Authentizität zu Gunsten von anderen Inhalten verzichtet[14].

3. Zenobia vs. Gallienus

Nachdem nun ein grundlegender Einblick in die charakteristischen Beschrei­bungen der beiden Personen geworfen wurde, kann auf die anfangs erwähn­ten Fragen eingegangen werden, ob es dem Verfasser der HA in erster Linie wirklich um die positive Darstellung einer weiblichen Regentin ging. Des wei­teren soll versucht werden darzulegen, dass Zenobia, um als guter Herrscher gelten zu können, ihre „weiblichen" Eigenschaften ablegen muss.

Sehen wir uns zunächst aber noch einmal die Stelle in Gall. 16,1 an, in der es heißt, dass selbst Frauen besser als Gallienus herrschen können. Diese Aussa­ge soll zweifelsfrei nicht bedeuten, dass der Autor die Fähigkeiten von Frauen

[...]


[1] Hierzu liegen mehrere Veröffentlichungen vor. Zu nennen sind unter anderem die Arbeiten von Lippold (1998) S. 695 - 696 und (1995) S. 198 - 213. Außerdem Chastagol (1994) xiii- xxxiv. Grundlegend auch Dessau (1889) S. 337 - 392.

[2] Vgl. Hier insbesondere in Arbeiten von Syme (1968,1970 und 1983). Syme vertritt die An­sicht, dass die Intention der HA keine historisch korrekte Darstellung ist, sondern dass es sich um einen gutdurchdachte Fiktion handelt. Dies äußert sich vor allem in den Nebenviten wie zum Beispiel der von Zenobia.

[3] Zum palmyrenischem Teilreich liegen unter anderem ausführliche Werke von Udo Hartmann (2001), Andreas Schmidt-Colinet (2005) und Thorsten Fleck (200) vor. Vgl. auch RE 2.R.X (1972) Spalte 1-8 s.v. Zenobia 2 (R. Hanslik)

[4] Ausgenommen den Hass auf ihren Stiefsohn (Tr.Tyr. 16,1 und 17,2).

[5] KPV Sp. 1085, Vaballathus (A. Lippold)

[6] Einen ausführlichen Überblick über die byzantinischen Quellen wurde 1998 von Stephanie Brecht veröffentlicht. (Brecht 1998).

[7] Arbeiten zur positiveren Darstellung des Gallienus liegen unter anderem vor von Alföldi [1967) und Kuhhoff [1979).

[8] Alföldi [1967) S. 417.

[9] Vgl. hierzu auch Hartmann [2001) S. 22.

[10] Zur Verwandtschaft zwischen Zenobia und Kleopatra gibt es mehrere Stellen. Zu nenn wä­ren hier unter anderem: Tr.Tyr 27,1 und 30, 2; aber auch Claud. 1,1 und Prob. 9,5. Vgl. außer­dem Becher [1966) S. 43- 47; S. 92 - 113 und Hartmann [2001) S. 21 - 25.

[11] Cazzaniga (1972)

[12] Lippold (1998)

[13] Hartmann (2001)

[14] Vgl. hierzu auch Wallinger (1990) S. 142.

Fin de l'extrait de 16 pages

Résumé des informations

Titre
Der weibische Kaiser
Sous-titre
Das Bild der Zenobia in der Historia Augusta im Kontrast zur Darstellung des Gallienus
Université
Christian-Albrechts-University of Kiel  (Philosophisches Institut)
Cours
Römer und Perser im 3. Jahrhundert
Note
1,3
Auteur
Année
2009
Pages
16
N° de catalogue
V132467
ISBN (ebook)
9783640386017
ISBN (Livre)
9783640385706
Taille d'un fichier
458 KB
Langue
allemand
Mots clés
Gallienus, Zenobia, Palmyrenisches Teilreich, Historia Augusta, HA, Palmyra, Odaenathus, Römische Kaiser, Rom, Emanzipation, Antike, Persien, Perser, weibliche Herrscher, Herrscherin
Citation du texte
Jan Patrick Faatz (Auteur), 2009, Der weibische Kaiser, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132467

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