Ironie - Pragmalinguistische Untersuchung eines interdisziplinären Phänomens


Dossier / Travail de Séminaire, 2009

21 Pages, Note: 1,0


Extrait


Gliederung

1 Fragestellung

2 Ironie im Wandel der Zeit und Versuch einer Begriffsbestimmung

3 Betrachtung eines interdisziplinäres Phänomens aus unterschiedlichen Blickwinkeln
3.1 Ironie in der Rhetorik
3.2 Ironie in der Psychologie
3.3 Ironie in der Pragmatik
3.3.1 Grice: Ironie als konversationelle Implikatur und Verstoß gegen die Konversationsmaximen
3.3.2 Sperber/ Wilson: Ironie in der Echoic- mention- Theorie und Relevanztheorie

4 Merkmale der ironischen Rede
4.1 Allgemeine Kennzeichen ironischer Rede
4.2 Ironiesignale
4.3 Sinn und Zweck von Ironie

5 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Fragestellung

In der Diskussion über indirekte Sprechhandlungen stoßen Sprachwissenschaftler zwangsläufig auf das Phänomen der Ironie. Doch nicht nur Linguisten, sondern vermutlich jeder Mensch kann sich etwas unter Ironie vorstellen. Aus literarischen Texten ist sie uns ebenso bekannt wie als rhetorische Figur und auch im Alltag begegnen wir ihr ständig. Nicht nur als stilistisches Mittel verbaler Kommunikation, sondern auch bei Ereignissen, die wir in die Kategorie „Ironie des Schicksals“ einordnen. Hinzu kommen Begriffe wie Selbstironie, dramatische Ironie oder romantische Ironie. Die Arbeit kann dabei nicht allen Formen der Ironie Aufmerksamkeit schenken, da sie sich im Sinne der Pragmatik ganz der verbalen Ironie widmet, die auch als Wortironie bezeichnet wird. Japp nennt sie „die Ironie jedermanns“[1]. Tatsächlich scheint sie nahezu allgegenwärtig zu sein, und dennoch, oder eben deshalb, ist es schwierig, von einer universellen Ironiedefinition zu sprechen. Was genau ist Ironie? Wie und wann wird sie benutzt und zu welchem Zweck? Der Gebrauch von Ironie und der Diskurs über ihre Verwendung lässt sich bis in die Antike und zu bekannten Philosophen wie Sokrates und Platon zurückverfolgen. Es scheint, als sei nahezu jeder befähigt, Ironie zu produzieren und intuitiv richtig zu interpretieren. Doch wie gelingt es uns überhaupt, Ironie zu verstehen? Und wieso drückt sich ein Sprecher so umständlich aus, indem er etwas vollkommen anderes, oft sogar das Gegenteil dessen, was er eigentlich meint, sagt?

Diese Arbeit will versuchen, Licht in das Dunkel des Ironiebegriffes zu bringen. Dafür wird sie sich der Ironie aus verschiedenen Betrachtungsperspektiven nähern, um derem interdisziplinären Wesen gerecht zu werden. Nach einem Abstecher in die Rhetorik und die historische Entwicklung der Ironie soll die psychologische Betrachtungsweise von Ironie thematisiert werden. Anschließend wendet sie sich den sprachwissenschaftlichen Theorien zu, auf denen der Schwerpunkt der Arbeit liegen wird. Wie lässt sich die Ironie sinnvoll in die Sprechakttheorien einordnen? Um diese Frage zu klären, soll zunächst die Theorie Herbert Paul Grices Erwähnung finden, der mit seinem Kooperationsprinzip und der Implikaturtheorie den Grundstein für Sperber& Wilsons Relevanztheorie legte. Anschließend sollen die Ansätze von Sperber/ Wilson thematisiert werden, wobei der besondere Fokus weiterhin auf der Thematik der Ironie liegen soll. Das vierte Kapitel dieser Arbeit beschäftigt sich schließlich mit den charakteristischen Merkmalen der ironischen Rede. Nach einer Darstellung der allgemeinen Kennzeichen von Ironie sollen schließlich die Ironiesignale und der Sinn und Zweck ironischer Rede thematisiert werden.

Die Beschäftigung mit Henk Haverkates Analyse „La ironía verbal- Un análisis pragmalingüístico“ gab den Ausschlag für die weitergehende Auseinandersetzung mit dem Phänomen Ironie. Dennoch soll in dieser Arbeit der Fokus weniger auf seiner Theorie allein als vielmehr auf einer vielschichtigen Darstellung der Ironie aus unterschiedlichen Blickwinkeln liegen. Als Sekundärliteratur dienten dabei, abgesehen von den grundlegenden linguistischen Theorien von Grice sowie Sperber/ Wilson vor allem die Arbeiten von Lapp, Hartung, Japp, Groeben und Müller.

2 Ironie im Wandel der Zeit und Versuch einer Begriffsbestimmung

Schon Johann Wolfgang von Goethe bezeichnete die Ironie im Vorwort zu seiner „Farbenlehre“ als ein „gewagtes Wort“. Die gängigste Umschreibung benennt Ironie als ein Stilmittel, das in verbaler und schriftlicher Kommunikation das Gegenteil dessen, was eigentlich gemeint ist, ausdrückt. Doch ziehen wir als Sprecher weit mehr sprachliche Register ironischer Sprachverwendung, die „weit über das bloße Gegenteil des Gesagten hinaus gehen“.[2] Ironie scheint mit Humor in direkter Verbindung zu stehen, dennoch wird sie auch oft benutzt um Kritik auszuteilen, ohne vernichtend wirken zu wollen: So stellte Goethe fest: „Ironie ist das Körnchen Salz, das das Aufgetischte überhaupt erst genießbar macht.“[3] Im Gegensatz zum direkten Sprechakt liegt bei Ironie eine „Differenz zwischen >wörtlicher< Satzbedeutung und Gemeinten“[4] vor, wodurch sie eindeutig als indirekter Sprechakt klassifizierbar wird. Bereits in den homerischen Texten lässt sich die Ironie als indirekter Sprechakt nachweisen und wird bei Sokrates zur angewandten Methode in seinen philosophischen Dialogen.

Wie in der Fragestellung bereits angedeutet, gibt es zahlreiche Formen der Ironie, denen die Sprachwissenschaftler unterschiedliche Wichtigkeit zuteilen. Henk Haverkate unterscheidet beispielsweise drei Formen: Die dramatische Ironie (auch Ironie des antiken Theaters), die Ironie des Schicksals/ Weltironie[5], die auf konkrete Ereignisse Bezug nimmt, und schließlich die verbale Ironie, deren Untersuchung er sich in seinem Essay „La ironía verbal- un análisis pragmalingüístico“ widmet. In der Literatur manifestiert sich Ironie in den Textformen Parodie, Satire und Travestie[6], man spricht von literarischer Ironie oder Fiktionsironie, bei denen „ anders geschrieben [wird], als Text und Kontext dies erwarten lassen.“[7] Die romantische Ironie gilt als das poetische Stilmittel der Epoche der Romantik, die sich vor allem durch „das ständige Durchbrechen und Transzendieren der eigenen dichterischen Schöpfungen als Grundmotiv“[8] auszeichnete. Zu den nonverbalen Formen der Ironie zählt auch die tragische Ironie, womit im Theater die aussichtslose Lage einer Figur bezeichnet wird, die jedoch noch nichts von ihrem Schicksal ahnt. Bei Personen, die sich durch den ständigen Gebrauch ironischer Rede charakterisieren, ist die Rede von personaler Ironie oder Charakterironie[9]; auch die Selbstironie ist ein gängiger Begriff.

So zahlreich die existierenden Formen der Ironie sind, so unklar bleibt ihre Definition. Lapp bezeichnete sie als „Simulation zweiter Stufe“, genauer als „Simulation der Unaufrichtigkeit“, denn im Gegensatz zur Lüge hofft der Sprecher beim Gebrauch von Ironie, dass der Hörer die wahre Intention seiner Rede erkennt.[10] Lapp hält diese kontrastierende Gegenüberstellung der beiden sprachlichen Formen für notwendig, um die Ironie von Formen der Unaufrichtigkeit, wie der Lüge, abzugrenzen. Damit schloss er sich den Annahmen Weinrichs an, der bereits 1966 die These formulierte, dass der Sprecher bei der Ironie, im Gegensatz zur Lüge, zeige, dass er sich verstelle.[11] Haverkate formuliert seine Definition sehr ähnlich, wenn er schreibt, die Ironie sei eine „beabsichtigte intentionale Unaufrichtigkeit.“

In den folgenden Kapiteln soll die Ironie spezifischer aus dem Blickwinkel verschiedener Disziplinen untersucht werden, was auf weitere Klärung der Begriffsdefinition hoffen lässt.

3 Betrachtung eines interdisziplinäres Phänomens aus unterschiedlichen Blickwinkeln

3.1 Ironie in der Rhetorik

Spricht man von der Ironie als solche, ordnet man diese zunächst fast automatisch dem Bereich der Rhetorik und Stilistik zu, in den sie zwangsläufig zu gehören scheint.[12] Die klassische Definition betitelt sie als „Redeweise, bei der das Gegenteil des Geäußerten gemeint ist“.[13] Der Ursprung des Wortes stammt aus dem Griechischen und ist seit etwa 400 vor Christus belegt, wobei die Etymologie der Begriffe eiron und eironeia bis heute ungeklärt ist.[14] In der Antike war der Begriff mit einer pejorativen Bedeutung verknüpft. So wurde der so genannte eiron, der Ironiker, mit Lügnern und Rechtsverdrehern auf eine Stufe gestellt.[15]

Diese Ansicht wurde vor allem von Aristophanes und Platon vertreten, die Kritik an der sokratischen Ironie übten.[16] Sokrates benutzte die ironische Rede in seinen philosophischen Gesprächen, um in pädagogischer Absicht das eigene Wissen nicht einfach zu lehren, sondern in einem „Prozess gemeinsamer Hinterfragung von Prämissen und Argumenten“[17] herauszuarbeiten. Weinrich bezeichnet diese spezifische Verwendung der Ironie durch Sokrates als „pädagogische Ironie im Dienste einer heilsamen Absicht.“[18]

Ein entscheidender Wandel der dennoch vorherrschenden negativ belasteten Bedeutung von Ironie erfolgte erst mit Aristoteles, der in seiner „Rhetorik“ die Ironie als Form des Scherzens definierte.[19] Durch ihn erfolgte insofern auch eine Aufwertung des Begriffes , als dass er die Ironie als „feine Art der Verstellung“, als „Kleintun aus Höflichkeit und Rücksichtnahme“[20] charakterisierte, der nicht unbedingt eine spöttische Absicht zugrunde liegen musste.

Zu dieser Komponente, die sich eher auf einer politisch-sozialen Ebene abspielte, kam der Gebrauch der Ironie in der Rhetorik hinzu. Als stilistisches Mittel in Diskussionen und Anfechtungen diente sie dazu, den Standpunkt des Gegners öffentlich bloßzustellen, anzugreifen oder lächerlich zu machen. Dabei spielten sowohl der gesellschaftliche Kontext als auch die Motive und der Charakter des eirons[21] eine wichtige Rolle.[22]

Während die Griechen die Ironie eher als eine Art von Verhalten sahen, reihten die Römer den Begriff in die Liste der rhetorischen Figuren ein. So ordnete Quintilian die Ironie dem stilistischen Mittel der Allegorie[23] unter. Wie auch Cicero verstand er unter Ironie eine Form des Scherzens und der Verstellung, die dem Hörer jedoch durch gewisse Signale wie Gesten, Mimik, Intonation oder Ähnliches offen gelegt wird.[24] Hier lässt sich bereits ein entscheidender Unterschied zwischen Ironie und Lüge feststellen, auf den wir später in Hinblick auf die Theorie Lapps noch näher eingehen werden.

Der eiron entwickelte sich zu „einem stereotypen Charakter der griechischen Komödie“[25], der sich geschickt verstellen konnte und meist das Publikum auf seiner Seite hatte. Ironie wurde in diesem Kontext eingesetzt, um sich eigene Vorteile zu verschaffen oder sich gewissen Verpflichtungen zu entziehen. Hinsichtlich der Bedeutungsentwicklung des Ironieverständnisses im Bereich der Rhetorik lassen sich kaum Veränderungen feststellen, denn auch im heutigen Sprachgebrauch sind es neben der reinen scherzkommunikativen Ironie meist oben beschriebene Gründe wie Ausflüchte, die den Sprecher zu einer ironischen Rede motivieren. Die eironeia besteht jedoch nicht nur aus dieser sozialen Komponente, sondern ist seit dem ältesten Lehrbuch der Rhetorik aus dem 4. Jahrhundert vor Christus, der „Rhetorica ad Alexandrum“, als rhetorisches Mittel geläufig, mit dessen Verwendung der Redner auf die Verspottung und Demütigung des Gegners abzielt.[26] Hier erfuhr die Ironie in der klassischen Figurenlehre eine Ausweitung der Begriffsdimension.

An der geläufigsten Definition der Ironie[27], die seit der Antike ihre Gültigkeit nicht verloren hat, lässt sich kritisieren, dass sie teilweise Überschneidungen zu anderen stilistischen Figuren wie Litotes, Metapher oder Synekdoche zulässt, so dass bis zum Mittelalter oft keine klare Abgrenzung zu erkennen war. Daher wurde die Definition im Laufe der Zeit erweitert, indem auf die Wichtigkeit der Betonung und der Redeart sowie der Gestik und Mimik des Sprechers hingewiesen wurde.[28] Die Römer hatten eine eindeutigere, somit aber auch engere Definition von Ironie als die Griechen: Cicero betitelte den aus dem Griechischen stammenden Begriff auf lateinisch als dissimulatio („ea dissimulatio quam Graeci eironeia vocant“).[29] Im alten Rom wurde die Ironie eher als stilistisches Mittel bei Reden und weniger als Verhalten angesehen, auch wenn beiden Formen die Differenz zwischen dem Gemeinten und dem Gesagten gemein ist.[30]

Bereits Cicero präzisierte die bis dato bekannte Definition der Ironie indem er sagte, dass man nicht unbedingt das Gegenteil, in jedem Falle jedoch etwas Anderes mit Ironie zum Ausdruck bringe, als man eigentlich meine. Gleichzeitig beschrieben Cicero selbst und auch Quintilian Ironie allgemein als eine Form des Scherzens.[31]

Zusammenfassend lassen sich also vier grundlegende Definitionen von Ironie festhalten, die bereits in der Antike aufgestellt wurden:

1) Das Gegenteil von dem sagen, was man meint
2) Etwas anderes sagen, als man meint.
3) Tadeln durch falsches Lob, loben durch vorgeblichen Tadel.
4) Jede Art des Sichlustigmachens und Spottens[32].

[...]


[1] Vgl. Japp, 1983, 38

[2] Hartung, 1998, 12

[3] http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_721543313/Ironie.html, 13.03.2009

[4] Vgl. Müller, 1995, 114

[5] Anm.: Kierkegaard gebraucht den Begriff der Weltironie; vgl. Kierkeegard, 1976, 291

[6] Vgl. Müller, 1995, 23

[7] Vgl. Japp, 1983, 43

[8] Behler, 1972, 10

[9] Vgl. Japp, 1983, 47 f.

[10] Vgl. ebd., 146

[11] Vgl. Weinrich, 1966, 60

[12] Lapp, 1992, 12

[13] Meyer’s Lexikon online, http://lexikon.meyers.de/wissen/Ironie, 07.03.2009

[14] Vgl. Ritter, Bd.4., 1976, 577

[15] Vgl. Lapp, 1992, 18

[16] Vgl. ebd., 19

[17] Vgl. Müller, 1995, 23

[18] Weinrich, 1966, 63

[19] Vgl. Lapp, 1992, 20

[20] Ebd., 28

[21] Anm.: Mit eiron wird hier die Person bezeichnet, die sich der ironischen Rede bedient.

[22] Vgl. Lapp, 1992, 28

[23] Anm.: Allegorie, griech. allegoría «das Anderssagen», die Verbildlichung eines abstrakten Begriffs oder Vorgangs, oft durch Verkörperung als Person (Meyer’s Lexikon online, http://lexikon.meyers.de/wissen/Allegorie, 07.03.2009

[24] Vgl. Lapp, 1992, 23

[25] Lapp, 1992, 20

[26] Vgl. ebd., 21

[27] Siehe Anfang Kapitel 3.1

[28] Vgl. Lapp, 1992, 22

[29] Ebd.

[30] Vgl. ebd.

[31] Vgl. ebd., 23

[32] Vgl. Lapp, 1992, 24

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Ironie - Pragmalinguistische Untersuchung eines interdisziplinären Phänomens
Université
RWTH Aachen University  (Romanistik)
Cours
Hauptseminar Pragmatik
Note
1,0
Auteur
Année
2009
Pages
21
N° de catalogue
V132925
ISBN (ebook)
9783640392827
ISBN (Livre)
9783640393121
Taille d'un fichier
562 KB
Langue
allemand
Mots clés
Ironie, Pragmalinguistische, Untersuchung, Phänomens
Citation du texte
Inga Axmann (Auteur), 2009, Ironie - Pragmalinguistische Untersuchung eines interdisziplinären Phänomens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/132925

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