Welche Relevanz haben die Interessen wirtschaftlich motivierter Akteure im Kongo auf den Konfliktverlauf und die Bereitschaft zu Konfliktbearbeitung?


Dossier / Travail, 2008

21 Pages, Note: 2,0


Extrait


Gliederung

1. Einleitung

2. Kriegsökonomien – Determinanten von Konfliktgeschehen und Konfliktbearbeitung
2.1 Formen von Kriegsökonomien und Akteuren
2.2 Kriegsökonomisierung am Beispiel Kongo

3. Interessen wirtschaftlich motivierter Akteure
3.1 Jagd nach Bodenschätzen
3.2 Fragile Staatlichkeit
3.3 Politische Einflussnahme und Wirtschaftsinteressen

4. Lösungsansätze und deren Wirkung
4.1 Kimberley-Prozess
4.2 Öffentlicher Druck auf externe Akteure

5. Fazit

Quellen

1. Einleitung

„Kein Blut auf meinem Handy“[1] – Dieser, von einer belgischen Menschenrechtsgruppe geprägter Begriff lässt ahnen, welchen Nachteil unsere High-Tech-Gesellschaft unter anderem hat. Der Slogan bezieht sich auf ein Material, welches in Mobiltelefonen, Notebooks, Spielkonsolen und anderen technischen Geräten Anwendung findet. Die Rede ist von Coltan, die Abkürzung für das Edelmetall Niobit (Columbit)-Tantalit.[2] Das Metalloxid Tantalit wird zur Herstellung leistungsfähiger Kondensatoren verwendet. Zwar sind die Hauptproduzenten Australien und Brasilien, doch die USA vermuten, dass 80 % des „strategischen Rohstoffes“ in der Demokratischen Republik Kongo (im Folgenden nur „Kongo“) lagern.[3]

Das Land ist reich an Bodenschätzen, unter anderem auch an Kupfer, Kobalt, Diamanten und Gold, doch durch jahrelange Diktaturen und Kriege kam es zur Auflösung geordneter Strukturen und des Wirtschaftssystems. In dem Umfeld rivalisierender Rebellengruppen, staatstreuen Milizen, sowie Besatzungstruppen aus den Anrainerstaaten Ruanda und Uganda finden sich auch zahlreiche ausländische Firmen, welche die Strukturlosigkeit ausnutzen und das Land für wirtschaftliche Zwecke nutzen. Oft stehen hinter diesen Firmen weltbekannte Auftraggeber oder Konzerne wie zum Beispiel die deutsche H.C. Starck GmbH, eine Tochterfirma der Bayer AG, oder der weltgrößte Diamantenproduzent De Beers. Es hat sich über die Jahre ein Geflecht aus Korruption, Ausbeutung und Schmuggel gebildet, durch welches es den Nutznießern des Konfliktes erst möglich wurde, ihren Profit zu erzielen. Die Firmen sind vom Schutz und der Gunst der lokalen Machthaber abhängig und umgekehrt sind diese angewiesen auf das Geld der Firmen, um so ihren Kampf weiterführen zu können. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass die Präsenz und das Agieren multinationaler Konzerne im Kongo maßgeblich verantwortlich für Kontinuität des maroden Staatszustandes und fortwährender Konflikte sind. Während sich die Weltgemeinschaft, verkörpert durch Missionen der Vereinten Nationen (im Folgenden VN), um die Stabilisierung bemüht, scheinen die beteiligten Firmen nur auf Profit aus zu sein. Dies wirft die Frage auf, welche Relevanz die ökonomischen Interessen diverser Akteure im Kongo auf den Konfliktverlauf und die Bereitschaft zur Konfliktbearbeitung haben.

Dazu werde ich im Anschluss folgende These untersuchen:

Die ökonomischen Interessen externer und interner Akteure überwiegen die Bereitschaft zur Konfliktbearbeitung. Nur durch Instabilität bleibt der Kongo für sie rentabel.

Um eine Antwort auf die Fragestellung zu finden, werde ich zunächst auf den Konflikttypus der Kriegsökonomie eingehen und dessen Organisationsformen aufzeigen. Danach werde ich konkret auf die Interessen der verschiedenen Akteure eingehen und auch die enge Verbindung mit den lokalen Machthabern darstellen. Sowohl das Streben nach Bodenschätzen als auch das Fördern politischer Machtlosigkeit wird betrachtet. Am Ende werde ich zwei Lösungsansätze beleuchten, welche einen Weg aus der Krise aufzeigen sollen, und inwiefern multinationale Konzerne in diese Ansätze eingebunden sind.

Ein Fazit wird meine Arbeit abrunden.

2. Kriegsökonomien – Determinanten von Konfliktgeschehen und Konfliktbearbeitung

Die Definition von Kriegsökonomien ist unter Wissenschaftlern nicht eindeutig festgelegt. Während manche alle Wirtschaftsaktivitäten während Kriegszeiten darunter zählen, beschreibt Philippe Billon sie wie folgt:

„Produktion, Mobilisierung und Verteilung wirtschaftlicher Ressourcen zur Unterhaltung von Konflikten […] der Prozess, durch den bewaffnete Konflikte aufrechterhalten und Gewalt organisiert werden, um Macht, Reichtum und Armut zu schaffen und zu verteilen“[4]

Es ist also besonders der wirtschaftliche Faktor, der hier maßgeblich den Konflikt beeinflusst und auch zum Scheitern von Lösungsansätzen beiträgt. Zum Einen sichert der Konflikt um Rohstoffe eine Einnahmequelle für die teilnehmenden Fraktionen und dient somit der Finanzierung der Operationen. Zum anderen wird es durch diese Konflikte erst ermöglicht, dass sich lokale Machthaber, zum Beispiel Warlords, etablieren und an der Macht halten können. Um die eigene Macht zu erhalten, ist das Weiterführen des Konfliktes also notwendig.[5]

Kennzeichnend für Kriegsökonomien sind die Verflechtung aller Akteure und das aus dem Wirtschaften resultierenden Konfliktpotential. Ausländische Konzerne müssen zunächst Abbau- und Handelskonzessionen erwerben. Fließt das Geld nun an den Vertreter des Staates, der im Besitz des Abbaugebietes ist, so spielt die fragile Staatsstruktur eine große Rolle. Die Finanzmittel werden in den seltensten Fällen zum Wohle der Bevölkerung ausgegeben, sondern fließen in das Militär oder in die eigene Tasche. Wird das Geld an Rebellen gezahlt, welche zum Beispiel die Kontrolle über ein Abbaugebiet erlangt haben, so dient dies der Finanzierung weiterer militärischer Aktionen. In beiden Fällen profitiert die Bevölkerung nicht von den finanziell dringend benötigten Geldmitteln, was zu Spannungen und einem hohen Konfliktpotential führt. Es ist zudem die Zivilbevölkerung, die entweder in den Minen arbeitet oder die schweren ökologischen Folgen der Ausbeutung zu tragen hat. Umweltverschmutzung, Umsiedlung oder Zerstörung landwirtschaftlicher Nutzfläche können solche Konflikte weiter aufheizen, da es meist keine staatliche Kontrolle oder Vorschriften diesbezüglich gibt. Darüberhinaus kann ein Ressourcenstaat einen extrahierenden oder verarbeitenden Konzern nicht überreglementieren. Er ist auf das Know-How, das Geld und den Anschluss zum Weltmarkt, welcher erst die Möglichkeit schafft die Ressourcen zu handeln, angewiesen.[6]

2.1 Formen von Kriegsökonomien und Akteuren

Wenn man von Kriegsökonomien spricht, so unterscheidet man zwischen der geschlossenen und offenen Form.

Die geschlossene oder auch isolierte Kriegsökonomie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie völlig frei von äußeren Einflüssen ist. Konflikte werden von den Parteien innerhalb des eigenen Staatsgebietes ausgetragen, was sie sehr abhängig von der eigenen Zivilbevölkerung macht. Als Beispiel ist die maoistische Armee aufzuführen. Sie war auf die komplette Unterstützung durch die chinesische Landbevölkerung angewiesen.[7]

Im Kongo findet man dagegen den Typus der offenen Kriegsokönomie. Hauptkennzeichen sind die Rückzugsmöglichkeiten der agierenden Parteien. Gebiete in Anrainerstaaten oder eingerichtete Schutzgebiete, wie Flüchtlingslager sind hier als Beispiel aufzuführen. Im letzteren Fall erfolgt die Versorgung der Konfliktpartei möglicherweise sogar durch internationale humanitäre Hilfeleistungen. Diese können aufgrund des Machtstatus und der Möglichkeit der Gewaltanwendung ferner als Repressalien gegenüber der dortigen Zivilbevölkerung ausgenutzt werden und die Rebellen in ihrer Machtposition weiter stärken.[8]

Beide Formen der offenen Kriegsökonomie können wir im Kongo beobachten. Im Osten des Landes operiert die von Ruanda und Uganda unterstütze Rebellengruppe ADFL[9], welche die beiden Anrainerstatten als Rückzugsraum hat. Dementgegen operieren von den 1994 eingerichteten Flüchtlingslagern für vertriebene Hutus aus Ruanda auch die Interahamwe-Milizen, sowohl in Richtung Ruanda, als auch gegen Tutsi-stämmige Kongolesen. Zwar definiert sich die offene Kriegsökonomie über das Agieren von Gruppen aus Nachbarstaaten heraus, was im Falle der ADFL nicht so ist, da sie sich auf kongolesischem Boden befindet, aber rein unterstützungstechnisch ist sie auf Ruanda und Uganda angewiesen, da über diese Länder auch der Schmuggel und Warentransport abgewickelt werden.[10]

2.2 Kriegsökonomisierung am Beispiel Kongo

In der 32-jährigen Amtszeit des ehemaligen kongolesischen Präsidenten Mobutu war die Wirtschaft des Landes relativ autark. Neben dem Hauptexportgut Kupfer lieferte der Kongo Industriediamanten, Uran und Kobalt mit einem jeweiligen Weltmarktanteil von über 60 Prozent. Der Kongo-Fluss barg zudem aufgrund seiner Ausmaße ein großes Stromgewinnungspotential, und die kongolesische Landwirtschaft erzeugte einen Überschuss und konnte sogar andere Länder mit Nahrungsmitteln versorgen. Der Schwerpunkt auf der Gewinnung von Bodenschätzen ließ den Industrie- und Dienstleitungssektor zwischen 1974 und 1998 um 75 Prozent zurückgehen. Mobutu enthielt der Bevölkerung unterdessen öffentliche Güter wie Bildung oder medizinische Versorgung vor und etablierte eine kleptokratische[11] Staatsform. Als es Anfang der 70er Jahre zum Absturz des Weltmarktpreises für Kupfer kam, verzeichnete der Kongo einen dramatischen Einbruch seiner Einnahmen, da es wegen der fehlenden anderen Wirtschaftssektoren kein funktionierendes Steuersystem gab. Nach der Umbenennung der Demokratischen Republik Kongo in Zaire im Jahre 1973 erfolgte schließlich die Enteignung fremder Investoren, ungeachtet der Tatsache, dass damit auch wertvolles Wissen verloren ging.[12]

[...]


[1]. http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/984/12972/, Stand: 02.08.2008.

[2] Vgl. http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Coltan, Stand: 02.08.2008

[3] Vgl. Wessler, 2002.

[4] Jüssen, S.26.

[5] Vgl. Private Business, S. 9.

[6] Vgl. Krieger, S. 5-6.

[7] Vlg. Rufin, S. 16-24.

[8] Vgl. ebd.

[9] ADFL = Alliance des Forces pour la Libération du Congo (von Laurent Kabila geführt, übernahm im Mai 1997 die Macht in Kinshasa und kämpft jetzt gegen den Sohn Joseph Kabila, da dieser nicht wie von Uganda und Ruanda erwartet die Interahamwe-Milizen im Ostkongo bekämpft ); vgl. Jüssen, S. 8.

[10] Vgl. Jüssen, S. 87-88.

[11] Von Kleptokratie (von griechisch kleptein: stehlen; kratein: herrschen), „Herrschaft der Plünderer”, relativ junger, zumeist im Journalismus verwendeter politikwissenschaftlicher Begriff für die Ausplünderung eines Staates und seiner Bevölkerung durch eine kleine herrschende Schicht; Quelle: Werthern, 2008.

[12] Vgl. Exenberger, S. 8-10.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Welche Relevanz haben die Interessen wirtschaftlich motivierter Akteure im Kongo auf den Konfliktverlauf und die Bereitschaft zu Konfliktbearbeitung?
Université
Helmut Schmidt University - University of the Federal Armed Forces Hamburg  (Institut für Internationale Politik)
Cours
Konfliktverarbeitung mit zivilen und militärischen Mitteln
Note
2,0
Auteur
Année
2008
Pages
21
N° de catalogue
V133202
ISBN (ebook)
9783640397570
ISBN (Livre)
9783640397976
Taille d'un fichier
493 KB
Langue
allemand
Mots clés
Kongo, Kriegsökonomie, Coltan, Krieg um Rohstoffe, Rebellen, Konfliktdiamanten, Afrika
Citation du texte
Jan Tröster (Auteur), 2008, Welche Relevanz haben die Interessen wirtschaftlich motivierter Akteure im Kongo auf den Konfliktverlauf und die Bereitschaft zu Konfliktbearbeitung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/133202

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