Eine Einführung in die Mikrofinanzierung

Eine empirische Analyse


Essai Scientifique, 2009

21 Pages, Note: 2,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Kurzer geschichtlicher Überblick der Entwicklungshilfe und einführende Aspekte der Mikrofinanzierung

2. Was ist neu an der Mikrofinanzierung?

3. Empirie in der Mikrofinanzierung
3.1 Allgemeine Auswirkungen und Ziele
3.2 Mangel an empirischen Studien und Kontroverse
3.3 Schwierigkeiten empirischer Studien

4. Auswirkungen verschiedener Politiken und Typen von Mikrofinanzinstituten anhand einer Studie von Kaboski und Townsend (2005)
4.1 Das Modell
4.2 Auswirkungen des Institutionstyps
4.3 Auswirkungen verschiedener Politiken

Schlussbemerkung und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Einleitung

Die vorliegende Abhandlung soll einen allgemeinen Überblick über das aufstrebende Gebiet der Mikrofinanzierung geben und legt dabei ihren Schwerpunkt auf empirische Analysen. Die Arbeit führt mit einem kurzen Überblick über die Geschichte der Entwicklungshilfe in die Thematik der Mikrofinanzierung und ihrer heutigen Bedeutung ein. Hervorgehoben werden dabei die Innovationen und Abgrenzungen zu den traditionellen Kreditinstituten.

Ein kurzer Literaturüberblick soll die Schwierigkeiten empirischer Studien zur Mikrofinanzie-rung aufzeigen und in knapper Form ihre durchaus kontroversen Interpretationen herausar-beiten. In der Folge wird detailliert auf eine Studie von Kaboski und Townsend aus dem Jahr 2005 eingegangen, welche die verschiedenen Formen von Mikrofinanzinstituten und Politik-maßnahmen betrachtet und deren Auswirkungen auf die Klientel untersucht.

Die Arbeit wird unter anderem auf die Bedeutung des Mikrosparens im Zuge der Mikrofinan-zierung hinweisen, welches notwendig ist, um nachhaltig Wachstum in den Entwicklungslän-dern zu generieren und damit entscheidend dazu beizutragen, langfristig dem Ziel der Besei-tigung der Armut gerecht zu werden.

1. Kurzer geschichtlicher Überblick der Entwicklungshilfe und ein-führende Aspekte der Mikrofinanzierung

Die Interpretation des Harrod-Domer-Modells, eine der traditionellen Theorien der Entwick-lungsökonomik, hat die Entwicklungshilfe ab den 50er Jahren stark geprägt. Es wurde davon ausgegangen, dass es in den armen Ländern der Welt keinen Mangel an Arbeitskräften gibt. Das nicht ausreichende zur Verfügung stehende Kapital wurde stattdessen als der bremsen-de Faktor ausgemacht. Folglich floss von da an sehr viel Geld in die Entwicklungsländer mit dem Ziel, die Sparquote durch Transferzahlungen zu erhöhen. Größere Ersparnisse sollten der Schlüssel für Investitionen und langfristig gesehen nachhaltiges Wirtschaftswachstum sein.1 Der Plan ging nicht auf, denn Transferzahlungen aus dem Ausland entpuppten sich nicht als reale Investitionen im Inland. Die Sparrate war sogar teilweise gesunken. Eine der Ursachen für dieses Paradoxon könnte die abnehmende marginale Produktivität des Kapitals gewesen sein, denn hierdurch gab es keinen Anreiz zu sparen, stattdessen wuchs lediglich der Konsum kurzzeitig stark an.

Die Erfahrungen mit subventionierten Krediten endeten allesamt bis in die achtziger Jahre hinein völlig erfolglos. Rückzahlungsquoten sanken unter 50%. Weiterhin sind viele Gelder in den Händen der politisch Mächtigen versunken und haben die beabsichtigte Zielgruppe nie erreicht.2 Häufig wird als einer der Gründe für die Misserfolge die so genannte Armutsfalle ins Feld geführt. So kommt es zu niedrigen Renditen bei einer niedrigen Kapitalausstattung.

Barret und Swallow (2004) finden jedoch keine solche Armutsfalle für Afrika. Dies würde im-plizieren, dass durch die Möglichkeit der Armen, an Kapital zu kommen, um damit beispiels-weise ein kleinen Geschäftsbetrieb zu eröffnen, ein Aufstieg über die Reinvestition der Ge-winne möglich wäre.3 Die Mikrofinanzierung ist ein Ansatz, der gerade darauf abzielt. Denn Mikrofinanzinstitutionen (MFIs) versuchen über die Bereitstellung von Mikrokrediten, oft kombiniert mit sozialen Zusatzleistungen, ‚Ausgeschlossenen vom formellen Finanzmarkt‘ die Finanzierung von investiven Kleinprojekten zu ermöglichen.

Die Mikrofinanzierung gilt heutzutage als einer der aussichtsreichsten Versuche, den Ärm-sten der Armen zu helfen.4 Das Jahr 2005 wurde als UNO-Jahr des Mikrokredits deklariert. Nach Angaben der Vereinten Nationen waren es 2006 weltweit an die 113 Millionen Kun-denkredite, die von Institutionen für Mikrofinanzierung ausgegeben wurden. Berühmteste Beispiele sind die Grameen Bank in Bangladesch und die Banco Sol in Bolivien. Im Jahr 2006 erhält Muhammad Yunus, der Gründer ersterer Bank, den Friedensnobelpreis. Die Re­solution der Vereinten Nationen vom 20. Dezember desselben Jahres betont dabei, dass „Auszeichnungen und Preise, an vorderster Stelle die Verleihung des Friedensnobelpreises 2006, dazu beitragen, die Rolle der Mikrofinanzierung, einschließlich Kleinstkrediten, bei der Beseitigung der Armut deutlich sichtbarer zu machen und stärker ins Bewusstsein der All-gemeinheit zu rücken.“

In der Öffentlichkeit wird häufig angepriesen, dass die Grameen Bank, trotz oftmals keinerlei vorhandener Sicherheiten, eine Rückzahlungsquote von ca. 98% hat. Morduch (1999) unter-sucht diesen Umstand genauer und findet heraus, dass die Ausfallquote bei Anwendung ei-ner standardgerechten Berechnungsmethode im Zeitraum von 1985 bis 1996 doch eher auf 7,8% kommt statt der von der Grameen Bank angegebenen 1,6%. Im Vergleich dazu besa-gen die Daten der SCHUFA, dass im Mittel 2007 die Ausfallquote von Konsumentenkrediten in Deutschland bei 2,5% lag.5 Hierbei bleibt festzuhalten, dass erfahrungsgemäß die Rück-zahlungswahrscheinlichkeit umso höher ist, desto mehr Sicherheiten vorhanden sind. Vor diesem Hintergrund sind sogar die adjustierten Zahlen der Grameen Bank durchaus beach-tlich.

Wenn die Mikrofinanzierung ein einfaches mathematisches Maximierungsproblem wäre, so hieße die Zielfunktion, die Armen mit Mikrokrediten respektive Zusatzleistungen zu versor-gen. Diese gilt es unter der Nebenbedingung, dass finanzielle Nachhaltigkeit6 erreicht wird, zu maximieren. Das Versprechen der Mikrofinanzierung ist es, eine solche Situation zu kreie- ren, in er beide Seiten gewinnen, soll heißen, dass sowohl der Klient (die Armen) als auch das Finanzinstitut von der gemeinsamen Geschäftsbeziehung profitieren. Dieses Verspre-chen ist Morduch (1999) zur Folge jedoch noch nicht erreicht. Deshalb besteht weiterhin eine starke Abhängigkeit von Spenden und Subventionen. Die obig erwähnten Rückschläge in der Vergangenheit verbreiten jedoch Skepsis. Die Angst davor, die gleichen Fehler wieder zu begehen, bestärkt die Argumentation, dass Subventionen nur nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe, also nur zu Beginn, gewährt werden sollten. Dennoch stellt sich die Frage, war-um die Unterstützungen stoppen sollten, falls nicht finanziell nachhaltige MFIs soziale Ziele umsetzen können, die mit alternativen Methoden nicht erreicht werden. Wenn finanzielle Nachhaltigkeit nicht erfüllt werden kann, müssen die Kriterien einer langfristigen Förderung ergänzt werden. Als erweiterndes Kriterium könnte Effizienz dienen.7

Die Mikrofinanzierung gilt außerdem als das am stärksten wachsende Segment der Entwick-lungshilfe. Es findet zunehmend eine Reallokation weg von traditionellen Armutsbekämp-fungsprogrammen und hin zur Mikrofinanzierung statt. Dies hat zur Folge, dass die Anreize für MFIs, ihre Strategien auf Effizienz zu überprüfen, sinken. Studien, welche die konkreten Auswirkungen messen, sind sehr kostenintensiv und lenken von den eigentlichen Zielen der Kreditbereitstelllung ab. Die MFIs verfahren vielmehr nach der ‚Best-Practice-Strategie‘. Des Weiteren könnten die Studien den anekdotischen Beweis von dramatischen sozialen und ökonomischen Auswirkungen der MFIs widerlegen, was im Verlauf dieser Arbeit noch ge-nauer untersucht werden soll.8 Dieses Vorgehen birgt allerdings Gefahren, insbesondere vor dem Hintergrund, der oft kläglich gescheiterten Entwicklungshilfestrategien der Vergangen-heit. Die Geschichte hat gezeigt, was passieren kann, wenn Strategien vorschnell übernom-men und nicht auf Effizienz überprüft werden beziehungsweise der Evaluierungsprozess zu spät einsetzt.9 Noch immer fehlt es an soliden empirischen Arbeiten und die Wenigen, die es gibt, weisen nur ein sehr gemischtes Bild auf (siehe 3.2).

2. Was ist neu an der Mikrofinanzierung?

Die Mikrofinanzierung könnte im Konflikt mit den freien Kräften des Marktes stehen. Denn wenn kommerzielle Banken diesen Service nicht anbieten, ist es anscheinend auch nicht ef-fizient. Allerdings bleibt zu beachten, dass Gesetze es teilweise verbieten, Zinssätze in der Höhe zu verlangen, die dies möglich machen würden. Transaktionskosten sind aufgrund der geringen Kreditgrößen und dafür großen Anzahl an Kreditverträgen sehr hoch. Dieser Faktor und ein erhebliches Risiko, aufgrund fehlender Sicherheiten, haben bisher eine effiziente Kreditbereitstellung für die Armen verhindert. Es kommt hierbei stärker als bei der traditionel-len Kreditbereitstellung zu zwei Problematiken. Wenn der Zinssatz ein gewisses Niveau übersteigt, springen die sicheren Investoren ab und es verbleiben nur noch schlechte Risi-ken. Es entsteht adverse Selektion. Zum anderen besteht ein moralisches Risiko, was die Tatsache beschreibt, dass die Institute das Verhalten der Kreditnehmer nicht beobachten können.

Die Innovation der Mikrofinanzierung ist es, mittels niedrigerer Transaktionskosten und Me-chanismen, die das Informationsproblem lösen können, diesen Teufelskreis zu durchbre-chen. Dem System der Gruppenkredite wurde in diesem Zusammenhang die meiste Bedeu-tung zugesprochen. Erwähnenswert sind an dieser Stelle aber insbesondere auch dynami-sche Anreizmechanismen, die die Mikrokredite von herkömmlichen Krediten unterscheiden. Bei Gruppenkrediten treten die Kreditnehmer als gegenseitige Garanten auf, die innerhalb ihrer Gemeinschaft eng verflochten sind. Die Gruppenteilnehmer suchen sich selbst ihre Partner, wodurch, motiviert durch die gesellschaftliche Haftung, schlechte Risiken automa-tisch innerhalb einer aus guten Risiken bestehenden Gruppe vermieden werden. Becker (1981) zeigt in diesem Zusammenhang, dass die verschiedenen Typen jeweils mit Gleichge-sinnten eine Gruppe bilden. Dieser Prozess kann nach Ghatak (1999) entscheidend für die hohen Rückzahlungsquoten sein. Damit verbunden sind niedrigere Zinssätze, da hierdurch Preisdiskriminierung möglich und somit adverse Selektion vermieden wird.10 Stiglitz (1990) erläutert die Problemlösung des moralischen Risikos, indem er anführt, dass das System der Gruppenkredite Anreize geben kann, keine Risiken aufzunehmen, welche die Profite der Bank gefährden würden. Dies erfolge durch die gegenseitige Überwachung der Gruppen-mitglieder.

Dynamische Anreizmechanismen zeichnen sich durch zunächst sehr kleine Kreditbeträge aus, die sukzessiv erhöht werden. Dies kann allerdings zu Problemen führen, die grundsätz-lich bei unendlichen Spielen bestehen. Der Kreditnehmer hat einen Anreiz, sofern ein fixes Ende der Kreditbeziehung definiert wird, in der letzten Periode den Kredit nicht zu bedienen. Dies antizipierend, wird der Kreditgeber in dieser letzten Periode keinen Kredit mehr zur Ver-fügung stellen, was wiederum den Anreiz für den Kreditnehmer hervorruft, in der vorletzten Periode nicht zu zahlen und so weiter.

Wichtig ist eine geringe Mobilität der Kreditnehmer, was eine Erklärung sein könnte, warum Mikrokreditfinanzierung mit Frauen und in ländlichen Regionen oftmals bessere Ergebnisse erzielt.11 Häufig beginnt der Rückzahlungsprozess sehr zeitnah (teilweise schon nach ein oder zwei Wochen) und folgt einem strengen Zeitplan.

[...]


1 Es gibt mindestens so viele Theorien, die dagegen sprechen, dass monetäre Auslandshilfen Wirtschaftswach-stum hervorrufen, wie dafür.

2 Vgl. Adams et al. (1984)

3Siehe hierzu McKenzie und Woodruff (2006), die in Mexiko Evidenz dafür finden, dass es schon für Investitionen von $200 bis zu 15% Rendite monatlich kommen kann. Außerdem eine Studie von Banerjee und Duflo in Indien von 2004 mit Renditen von 74-100% pro Jahr durch Mikrokreditzugang im Zuge geänderter Gesetze.

4 Die Mikrofinanzierung per se ist kein neues Phänomen. Die Wurzeln finden sich bereits in Deutschland bei Fre­derick Raiffeisen (1910) und weiterhin im ROSCA-Modell (Rotating Savings and Credit Association).

5 Vgl. http://schulden-kompass.de/downloads/sk08analyse-a.pdf, S. 48

6 Finanzielle Nachhaltigkeit bedeutet, dass die Einnahmen die Ausgaben auch zu Marktkonditionen (also bei Ab-zug jeglicher Subventionen) übersteigen, während operationale Nachhaltigkeit lediglich besagt, dass die Einnah-men aus dem laufenden Geschäft die laufenden Ausgaben und Rücklagen übersteigen.

7 Informelle Information aus einem Vortrag von Herrn Dr. Balkenhol, Leiter der Abteilung ‚Social Finance’ der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf.

8 Vgl. Morduch (1999)

9 Bei der Online-Recherche für diese Arbeit bin ich auf die Website Kiva.org gestoßen, mittels derer die Möglich-keit besteht, per Mausklick Kleinunternehmern in Entwicklungsländern direkt Geld zum Nullzins zu leihen. Ein Projekt, das im Sog der allgemeinen Mikrofinanzierungseuphoriewelle stark im Wachsen ist und mittlerweile ein Kreditvolumen von vier Millionen Dollar erreicht hat. Die Kreditvergabe zum Nullzins verzerrt massiv die Kredit-märkte in den jeweiligen Ländern und wird womöglich langfristig negative Auswirkungen für die betreffenden Re-gionen haben.

10 siehe hierzu auch Armendariz und Gollier (1997)

11 Unter der Annahme, dass Frauen eine geringere Mobilität aufweisen, da sie oftmals stärker an die Familie ge-bunden sind. Darüber hinaus ist es in ländlichen Regionen schwieriger unerkannt zu bleiben, um somit Kreditzah-lungen auszuweichen beziehungsweise sich in Alternativprogrammen weiter zu verschulden.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Eine Einführung in die Mikrofinanzierung
Sous-titre
Eine empirische Analyse
Université
University of Mannheim  (Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Ökonometrie)
Cours
Arbeitsmärkte in Entwicklungsländern
Note
2,3
Auteur
Année
2009
Pages
21
N° de catalogue
V136646
ISBN (ebook)
9783640451005
ISBN (Livre)
9783640451098
Taille d'un fichier
576 KB
Langue
allemand
Mots clés
Eine, Einführung, Mikrofinanzierung, Eine, Analyse
Citation du texte
Sebastian Groh (Auteur), 2009, Eine Einführung in die Mikrofinanzierung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136646

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Titre: Eine Einführung in die Mikrofinanzierung



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