Der Mythos im Fest des Fernsehens

Eine Untersuchung am Beispiel der Jubiläumsshow zum 30. Jahrestag der Mondlandung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Festmerkmale nach Deile

3 Festcharakter von Die Nacht der Mondfahrer
3.1 Waswirdgefeiert?
3.2 Werfeiert?
3.3 Wiewirdgefeiert?

4 Bedeutung des Mythos
4.1 DerMythosalswesentlicherBestandteileinesFestes
4.2 MythosderMondlandung
4.2.1 Erweiterungder Frontierim Weltalldurchdie ,Eroberung‘desMondes
4.2.2 Globalisierungjenseitsder Erde
4.2.3 Wiederentdeckung der Erde als Paradies
4.2.4 AstronautenalsHelden?
4.2.5 Mondlandung alsFernsehmythos
4.3 DarstellungdesMythosderMondlandungin DieNachtderMondfahrer

5 Resümee

6 Literaturverzeichnis

7 Verzeichnis der Quellen
7.1 Internetquellen
7.2 Videoaufzeichnungen

1 Einleitung

Am 20.7.1999 jährte sich zum dreißigsten Mal die Nacht, in der die ersten Menschen auf dem Mond landeten. Dieses Jubiläum wurde auch im deutschen Fernsehen entsprechend gefeiert. Der WDR sendete aus diesem Anlass nicht nur einen Zusammenschnitt der damaligen Fernsehüber­tragung, sondern feierte das Ereignis auch in einer eigens produzierten Sendung mit dem Titel Die Nacht der Mondfahrer. Diese Jubiläumsshow soll in dieser Arbeit als ein Fest des Fernse­hens vorgestellt werden. Hierbei werde ich ein besonderes Augenmerk auf den Mythos der Mondlandung legen und darstellen, wie dieser in der Sendung gefeiert wird. Dabei werde ich fol­gendermaßen vorgehen: zuerst soll der Begriff des Festes näher umschrieben werden. Dafür bie­tet sich besonders die Arbeit von Lars Deile an, der auch verschiedene Kriterien aufstellt, die für eine konkrete Analyse eines Festes von Nutzen sind. Von diesen ausgehend, werde ich im dritten Kapitel das konkrete Fernsehfest Die Nacht der Mondfahrer, genauer beschreiben. Das vierte Kapitel beschäftigt sich dann mit der Bedeutung des Mythos für das Fest und den mythischen Elementen der Mondlandung. Dazu ist es zunächst notwendig, den Begriff Mythos genauer zu erläutern und zu überlegen, welche Rolle dieser in einem Fest spielt. Darauf folgend werden ein­zelne Aspekte des Mondlandungsmythos genauer erläutert. Hierfür werden auch einzelne Artikel aus dem Spiegel von 1969 herangezogen, die verdeutlichen sollen, wie die Medien in Deutsch­land das Ereignis zum damaligen Zeitpunkt interpretiert haben. Auch die Frage inwieweit die Mondlandung ein Fernsehmythos ist, wird in diesem Zusammenhang erläutert. Zuletzt soll unter­sucht werden, wie dieser Mythos der Mondlandung in der Jubiläumsshow dargestellt wird und in welcher Weise er zum Gegenstand der Feier wird.

Die Forschung hat die Untersuchung der mythologischen Aspekte der Mondlandung bisher weitgehend vernachlässigt. Es gibt eine Arbeit mit dem Titel Philosophische Aspekte der Raum­fahrt, die sich ausführlicher mit dem Thema beschäftigt, die ich allerdings wegen der einseitigen technokratischen Ausrichtung nicht verwendet habe. Dagegen war der Aufsatz von Andreas Ro­senfelder sehr hilfreich, vor allem, weil dort die Rolle der Fernsehübertragung ausführlich erör­tert wird. Ebenso erläutert Rosenfelder den Zusammenhang zwischen der Mondlandung und der Eroberung Amerikas, sowie zwischen der Live-Übertragung und der damit hergestellten Weltge­meinschaft. Neben den wenigen Arbeiten, die speziell diese Zusammenhänge ansprechen, gibt es allerdings unzählige Monografien und Aufsätze, die allgemein die Beziehungen zwischen Fern­sehen, Mythos und Religion herausgearbeitet haben. Ich verweise hier nur auf die Texte von Joan Kristin Bleicher, William F. Fore und Günter Thomas. Für die Darstellung der Beziehung zwi- sehen Mythos und Fest wurden die Arbeiten Das Heilige und das Profane von Mircea Eliade, sowie „Der zweidimensionale Mensch“ von Jan Assmann herangezogen.

2 Festmerkmale nach Deile

Bevor die Show zum 30. Jahrestag der Mondlandung als ein ein Fest des Fernsehens beschrieben werden kann, muss der Begriff Fest genauer umrissen werden. Hierfür eignet sieh besonders Lars Deiles Fest-Definition, da von ihr ausgehend „erstmals ein Instrumentarium vor[liegt], mit­hilfe dessen Feste beschrieben und analysiert werden können“ (12).

Deile bietet folgende Definition an: „Im Fest vergegenwärtigt eine Gemeinschaft lebensbejahend Bedeutung in besonderen äußeren Formen“ (7). Ein Fest zeichnet sieh also durch das Vorhanden­sein dreier Merkmale aus: der Festgemeinschaft, der „Bedeutungshaftigkeit des Anlasses“ (9) und der besonderen Form. Dabei ist entscheidend, dass sich diese drei Bestandteile aufeinander beziehen und sich gegenseitig bestätigen (vgl. 9). Dazu muss eine Gemeinschaft bestimmten Er­eignissen eine Bedeutung zuweisen und entsprechende äußere Formen (zum Beispiel Rituale) kennen, um die „Differenzqualität“ (9) dieser Bedeutung zu betonen.

Von seiner Definition ausgehend formuliert Deile drei grundlegende Fragen, mit denen ein Fest genauer beschrieben werden kann. Die erste Frage lautet „Was wird gefeiert?“ (12) und be­zieht sich also auf den Anlass. Wie bereits erwähnt muss nach Deile dem Anlass eine bestimmte Bedeutung innewohnen. Das Fest soll dem Menschen die Bedeutsamkeit des Lebens vor Augen führen, ist an sich also immer lebensbejahend (vgl. 8). Die zweite Frage: „Wer feiert?“ (12) be­schäftigt sich mit den Anwesenden bei dem Fest, wozu Deile zufolge auch virtuelle Anwesende zählen können (vgl. 8). Dieser Aspekt wird später noch eine Rolle spielen. Entscheidend ist, dass Feste nach innen gemeinschaftsstärkend, nach außenjedoch ausgrenzend sind (vgl. 8). Die dritte Frage „Wie wird gefeiert?“ (12) geht auf die äußere Form und die Inszenierung von Festen ein. Die Formen sind immer kulturgebunden und müssen die spezifische Bedeutung des Anlasses un­terstützen (vgl. 9). Es scheint durchaus legitim in diesem Zusammenhang auch von Ritualen zu sprechen, also von den standardisierten und performativen Geschehensabläufen innerhalb des Festes.

Als Sonderform des Festes wird die Feier beschrieben. Bei dieser wird die Bedeutungsebene mehr betont, als die Form- und die Gemeinschaftsebene (vgl. 14). Sie ist laut Deile kein idealty­pisches Fest (bei diesem wären alle drei Ebenen gleichwertig), wie sie in der Vergangenheit von verschiedenen Theoretikern dargestellt wurde, sondern eine bestimmte Ausprägungsform des Festes (vgl. 13-15).

Von den genannten Kriterien ausgehend, soll im folgenden dritten Kapitel der Festcharakter der Sendung Die Nacht der Mondfahrer genauer beschrieben werden.

3 Festcharakter von Die Nacht der Mondfahrer

3.1 Was wird gefeiert?

Die Antwort auf diese Frage scheint zunächst einfach zu sein: der dreißigste Jahrestag der Mond­landung wird gefeiert. Davon ausgehend werden aber noch andere Dinge gefeiert, die mit der Mondlandung direkt oder indirekt zu tun haben. Hier muss auch erstmals vom Mythos der Mondlandung gesprochen werden, ein Thema auf das im zweiten Teil der Arbeit ausführlich ein­gegangen wird. Der Begriff Mythos[1] impliziert, dass mit der Mondlandung bestimmte Bedeutun­gen (zum Beispiel die Erweiterung der Frontier oder die Weltgemeinschaft) verbunden sind, die ihrerseits wiederum Gegenstand des Festes sind. Dies soll allerdings gesondert in vierten Kapitel behandelt werden. An dieser Stelle soll es zunächst darum gehen, zu beweisen, dass es das Jubi­läum der Mondlandung erlaubt, mehrere Dinge gleichzeitig zu feiern.

Der Erkenntnisgewinn für die Wissenschaft nimmt beispielsweise einen breiten Raum in der Sendung ein. Circa ein Drittel der Sendezeit wird darüber mit verschiedenen Experten diskutiert, beziehungsweise werden verschiedene Zuspielfilme gezeigt, die die wissenschaftliche Be­deutsamkeit der Mondlandung in den Vordergrund stellen. Der eingeladene Wissenschaftler Ger­hard Neukum sagt in diesem Zusammenhang, die Apollo-Missionen „haben das Bild vom Mond total verändert“ (1:08:43).[2] Besonders das Mondgestein, dass die Astronauten mit zur Erde ge­bracht haben, sollen zum besseren Verständnis vom Mond und damit auch von der Erde geführt haben (vgl. 1:01:37). Der ebenfalls anwesende Moderator der Live-Übertragung Heinrich Heine bemerkt allerdings schon vorher, dass am Anfang nicht wissenschaftliche Neugier gestanden ha­be, sondern der Konkurrenzkampf zwischen zwei Systemen (vgl. 0:40:39). Der Aspekt, dass die USA den Wettlauf zum Mond gewonnen haben, ist auch ein Punkt, der in der Sendung eine Rolle spielt und der selber auch gefeiert wird. Das wird besonders deutlich wenn die Moderatorin Jacqueline Boyce behauptet: „Mit Apollo 11 hatte man sie [die Sowjets, M.H.] endgültig in die Knie gezwungen“ (1:02:50).

Weiterhin ist zu beobachten, dass die Mondlandung zum Anlass genommen wird, dass sich das Fernsehen quasi selber feiert. Die Moderatoren der Live-Übertragung sind Gäste im Studio und werden von dem Moderator Harald Lesch als „Helden“ (0:26:22) bezeichnet. Die Übertra­gung der Mondlandung sei dem Moderator noch in „ganz lebhafter Erinnerung“ (0:29:41) und sie hätten es geschafft, das Geschehen in „in hervorragender Art und Weise“ (0:29:34) zu vermit­teln. Infolgedessen wird auch das Missgeschick nicht erwähnt, dass die Moderatoren damals den entscheidenden Satz „a small step for man, one giant leap for mankind“ nicht verstanden haben, weil sie gerade dabei waren das Geschehen mit eigenen Worten zu kommentieren.[3] Generell ist festzustellen, dass die Rolle der Medien und insbesondere die des Fernsehens immer wieder be­tont wird, etwa wenn es in einem Zuspielfilm heißt, die Mondlandung sei das bis dahin größte Medienereignis (vgl. 0:04:25).

Gegen Ende der Sendung wird versucht, den ,Geburtstag‘ der Mondlandung zu personalisie­ren, indem man die Frau, die in der damaligen Nacht geboren wurde, ins Studio eingeladen hat, um ihren Geburtstag zu feiern. Mit dem Auftritt von Irene Luna Meyer, die als „Mondba­by“ (1:51:44) bezeichnet wird, wird versucht, eine typische Geburtstagsfeier zu simulieren. Wie das genau geschieht, wird in Kapitel 3.3 besprochen werden.

Es ist durchaus angebracht, die Sendung als ein hybrides Fest zu bezeichnen. Es wird der Jahrestag der Mondlandung mit dem damit verbundenen wissenschaftlichen Fortschritt und den Sieg über die UdSSR gefeiert. Daneben feiert man das Medium Fernsehen und seine Moderato­ren und schließlich gibt es noch eine Geburtstagsfeier innerhalb der Sendung.

Die „Bedeutungshaftigkeit des Anlasses“ (Deile 9) wird in der Sendung immer betont und überwiegt zusammen mit der Formebene eindeutig die Gemeinschaftsebene, wie sich auch in den nächsten Kapiteln noch bestätigen wird. Diese Tatsache ist auch zu erwarten, da es sich um ein vom Fernsehen produziertes Fest handelt. Eine ausgelassen feiernde Festgesellschaft ist hier nicht zu erwarten. Von Lars Deile ausgehend könnte man Die Nacht der Mondfahrer auch als Feier bezeichnen, da bei dieser Sendung die Bedeutungsebene „emphatisch reflektiert und betont wird“ (13f.).

3.2 Wer feiert?

Die Festgemeinschaft besteht vordergründig gesehen aus den zwei Moderatoren der Sendung Jacqueline Boyce und Harald Lesch, sowie den anwesenden Gästen im Studio. Man kann auch Edwin Aldrin und diverse Wissenschaftler hinzuzählen, die während der Sendung live ins Studio geschaltet werden. Auffällig ist, dass es kein Studiopublikum gibt, wie es sonst in vergleichbaren Veranstaltungen meistens der Fall ist. Die eigentliche Festgemeinschaft ist demnach eher be­grenzt. Dennoch werden auch die Zuschauer vor dem Fernseher direkt in das Fest mit eingebun­den, indem sie immer wieder dazu angehalten werden, sich zu erinnern, wie sie damals die Über­tragung der Mondlandung erlebt haben. Die virtuelle Festgemeinschaft soll natürlich möglichst groß sein, weshalb Harald Lesch gleich zu Beginn der Sendung fordert, die Zuschauer sollen ihre Kinder aus dem Bett holen, damit sie eine der „größten Geschichten der Menschheit“ (0:01:30) nochmals miterleben können. Lesch betont: „Wenn ich heute Nacht nicht hier wäre, würde ich mir genau diese Sendung angucken.“ (0:01:22).

Wenn dieses virtuelle Publikum vor dem Fernseher mit zur Festgemeinschaft gezählt wird, was laut Deile (vgl. 8) durchaus legitim ist, kann man von einer unüberschaubar großen und nicht näher zu bestimmenden Festgemeinschaft sprechen. Es handelt sich allerdings nicht, wie bei der Mondlandung, um eine global verstreute Masse. Damals war es durchaus angebracht zu sagen, dass die Weltgemeinschaft gleichzeitig die Festgemeinschaft ist.[4] Die Nacht der Mondfah­rer versucht das in einem freilich kleineren Rahmen zu wiederholen. Vielleicht ist deswegen auch kein Studiopublikum anwesend, da es in dem Sinne überflüssig erscheint und die Differenz zwischen tatsächlich anwesenden und virtuellen Festteilnehmern nur betonen würde.

Nach Deile muss sich eine Festgemeinschaft auch nach außen hin abgrenzen, um nach innen gemeinschaftsstärkend zu wirken (vgl. 8). Das ist in der Sendung insofern der Fall, da das Außen die ehemalige UdSSR ist. Das ist problematisch, da es die UdSSR nicht mehr gibt und da es sich um eine deutsche und nicht um eine amerikanische Sendung handelt. Die Verbundenheit mit den Amerikanern wird immer wieder betont und ein Festteilnehmer im Studio ist Amerikaner,[5] aller­dings werden auch Themen wie der Vietnam-Krieg angesprochen und wie wichtig die Mondlan­dung für das Selbstbewusstsein der USA gewesen ist. Es wird folglich versucht eine gewisse Neutralität zu wahren. Es erfolgt aber eine eindeutige Abgrenzung gegenüber den „Russen“. Bei­spielsweise wird nur bei ihnen ausdrücklich gesagt, dass der erste Mann im Weltall ein „Propa­gandaerfolg“ (0:33:38) gewesen war. Das Wort Propaganda wird in Zusammenhang mit der USA nicht gebraucht. Auch der mitgebrachte Mondstaub wird aufgrund seiner Herkunft zum „kom­munistischen Mondstaub“ (1:21:02), worauf Moderator Lesch fragt, ob dieser denn auch rot sei (vgl. 1:21:02). Diese Abgrenzung gegenüber Russland ist allerdings auch deswegen logisch, da der Sieg über die UdSSR ein wesentlicher Bestandteil dessen ist, was gefeiert wird (Siehe Kapi­tel 3.1).

[...]


[1] Für eine Definition des Begriffs Mythos siehe Seite 7f.

[2] Die Zeitangaben in dieser Arbeit beziehen sich auf den Videomitschnitt der Sendung.

[3] Vgl. dazu den Zusammenschnitt der Live-Übertragung Die Nacht, in der keiner schlafen wollte.

[4] Die Länder in denen die Mondlandung nicht übertragen wurde, wie China oder die Ostblock-Staaten sind natür­lich ausgenommen.

[5] Es handelt sich um den Wissenschaftler Wendell W. Mendell.

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Der Mythos im Fest des Fernsehens
Untertitel
Eine Untersuchung am Beispiel der Jubiläumsshow zum 30. Jahrestag der Mondlandung
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für Theater- und Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Die Feste des Fernsehens
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
25
Katalognummer
V141511
ISBN (eBook)
9783640494330
ISBN (Buch)
9783640494019
Dateigröße
498 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mythos, Fest, Fernsehen, Mondlandung, Frontier, Lars, Deile, Jubiläum
Arbeit zitieren
Maja Hetmank (Autor:in), 2008, Der Mythos im Fest des Fernsehens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141511

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