Die Rolle des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren - Spielball, Mitspieler oder Ballspieler?

Ein Essay zur Frage nach den Bestimmenden im Legislativprozess


Essay, 2006

12 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Ein Essay zur Frage nach den Bestimmenden im Legislativprozess.

Vor dem Hintergrund eines tendenziell realistisch-zynischen Politikverständnisses der modernen Gesellschaft ist es nicht verwunderlich, dass der Politik im Allgemeinen, aber auch speziell dem Deutschen Bundestag, häufig mit vielerlei Skepsis begegnet wird. So werden beispielsweise Anschuldigungen laut, dass letzterer einerseits nur von einer kleinen Gruppe dominiert werde und in einer gewissen Distanz zu den Bürgern stehe, andererseits wird ebenfalls manifestiert, dass er zu starke populistische Ausprägungen zeige.

Doch nicht nur die Frage nach öffentlicher Beteiligung, sondern auch nach der ausgeübten Rolle des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren in der parla- mentarischen Demokratie, wird kontrovers diskutiert. Kommt er seiner Aufgabe, politisch zu gestalten, nach? Sprich, ist er derjenige, der diesen Prozess von Anfang an im Griff hat und der auch nach einem schwierigen Jonglageakt die Bälle gekonnt wieder in der Hand auffängt? Oder beschränkt sich sein Spekt- rum in der Realität auf die bloße Ratifizierung, das heißt ist er lediglich das Mittel zum Zweck - der Spielball anderer? Um sich diesem Konglomerat an Fragen anzunähern bedarf es zunächst der Untersuchung des dem Deutschen Bundestag konkret zugewiesenen Tätigkeitskomplexes, sowie des Gesetzge- bungsverfahrens.

Legislative Programmsteuerung im formellen Gesetzgebungsverfahrens - „Ballspieler Bundestag“?

Ausgangslage für das Handeln des Bundestages bildet seine Wahl durch den Souverän, das Volk, durch das er als einzige Instanz seine Legitimation direkt bezieht und welches er repräsentiert. Da der Deutsche Bundestag außerdem in den Parlamentstypus Arbeitsparlament einzuordnen ist, kommt neben der Wahl des Bundeskanzlers und der Kontrolle über die Regierung in der Tat insbeson- dere der Gesetzgebungsfunktion und der Detailarbeit große Bedeutung zu. Die Artikulationsfunktion wird hingegen von der parlamentarischen Opposition wahrgenommen, aber gerät bei diesem Typus eher ins Hintertreffen.

Der Bundestag, der im Rahmen der funktionalen Gewaltenteilung in der Bun- desrepublik das wichtigste Organ der Legislative darstellt, wird per Gesetz durch die Geschäftsordnung von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat mit einer Vielzahl von Rechten ausgestattet, um diese gesetzgebende Funktion auch wirklich ausüben zu können. Artikel 76 bis 78 des Grundgesetzes besa- gen, dass der Bundestag in unterschiedlichen Phasen des formellen Gesetzge- bungsverfahrens aktiv beteiligt ist. So ist er Initiativphase neben den zwei ande- ren genannten Institutionen dazu autorisiert, Gesetze einzubringen, was unter den Begriff des Initiativrechts fällt. Des Weiteren müssen ihm alle eingebrachten Vorlagen zugeleitet werden, wobei dies, wenn der Initiator die Bundesregierung bzw. der Bundesrat ist, erst nach Vorlage des jeweilig anderen geschieht. In der darauf folgenden Phase des Gesetzgebungsverfahrens berät sich der Bundes- tag in mehreren Lesungen über die Entwürfe und kann sie gegebenenfalls verändern, was ihm, auch wenn er den Entwurf nicht selbst einbrachte, einen ansehnlichen Gestaltungsspielraum einräumt. Hierbei wird die Detailarbeit vor allem in den Ausschüssen des Bundestages geleistet, welche sich jeweils auf ein Teilgebiet der Politik konzentrieren. Des Weiteren sprechen sie eine Be- schlussempfehlung aus.

Kommt es schließlich in der einfachen Beschlussphase zur Annahme durch den Bundestag, so wird das Gesetz zum Bundesrat weitergeleitet. Billigt es dieser, so wird es nach der Unterzeichnung durch den Bundeskanzler, den zuständi- gen Ministern und des Bundespräsidenten verkündet. Stimmt der Bundesrat dem Gesetz jedoch nicht zu oder ruft er den Vermittlungsausschuss an, so spricht man von der Beschlussphase mit Vermittlung. Allerdings kann der Bun- destag auch hier mitwirken. Sieht er das ursprüngliche Gesetz nach der Verän- derung durch den Vermittlungsausschuss nicht mehr als zutreffend an, kann er es von sich aus ablehnen. Außerdem kann der Bundestag, im Falle keiner Veränderung aber Einspruch von Seiten des Bundesrates, diesen Einspruch mit einer 2/3-Mehrheit überstimmen und das Gesetz tritt ebenfalls in Kraft.

Diese Auswahl an genannten rechtlichen Möglichkeiten, ja sogar Aufgaben des Bundestages in den jeweiligen Phasen des Gesetzgebungsverfahrens, weisen ihm in der Tat die Hauptrolle im Bezug auf den Prozess von der Initiativphase bis hin zum Beschluss, und stehen somit im scheinbaren Gegensatz zur ein- gangs gestellten Anschuldigung, er segne letzen Endes nur ab. Im Kontext dieser Mächtigkeit des Parlaments wird oftmals von der „legislativen Pro- grammsteuerung“ gesprochen.

Trotz allem hat sich auch der Bundestag mit Gegenspieler zu messen und es gibt ebenfalls Spielregeln, welche ihm seine Schranken im Gesetzgebungsver- fahren aufzeigen. Der Politikwissenschaftler Carl Böhret geht sogar soweit, dass die legislative Programmsteuerung lediglich ein „Soll-Modell“ darstelle. Schaut man in der politischen Hierarchie nach oben, so kann man gleichwohl eine beträchtliche Einschränkung der legislativen Funktion des Bundestags durch die Entscheidungen der EU feststellen. Doch auch aus nächster Nähe des Bundestages kann ein Gesetz abgeblockt werden. Es tritt laut Artikel 78 GG nur in Kraft, wenn der Bundesrat entweder gleich oder nach dem dazwi- schen geschalteten Vermittlungsausschuss zustimmt, oder, im Falle eines Ein- spruchs des Bundesrats, dieser vom Bundestag überstimmt wird. Somit verfügt der Bundesrat durchaus über Mittel und Wege, vom Bundestag beschlossene Gesetze ins Abseits zu befördern, auch wenn er selbst nur etwa 5% der schließlich verkündeten Gesetzte einbringt.

Exekutive Führerschaft - „Mitspieler Bundestag“?

Wiederum ein anderer Teilnehmer im Wettkampf der Gesetzgebung ist die Regierung. Sie besitzt im Bereich internationale Beziehungen das Privileg Ver- träge abzuschließen. Diese treten zwar erst offiziell in Kraft, wenn sie der Bundestag ratifiziert hat, jedoch besitzt dieser kein Recht sie zu verändern und kann sie somit lediglich billigen oder ablehnen, wobei letzteres bisher in der Regel nicht der Fall war. Des Weiteren hat die Regierung einen Trumpf im Ärmel, wenn das Haushaltswesen tangiert ist, denn hier kann sie gegen einen allzu großzügigen Bundstag Veto einlegen. Folglich hat der Bundestag wohl schon im Voraus abzuwägen, wie weit er gehen kann.

In diesem Kontext, aber vor allem auch im Hinblick auf die hohen Erfolgsquoten der Gesetzesinitiativen der Regierung, bildete sich das Modell der „exekutiven Führerschaft“, heraus. Im Gegensatz zur „legislativen Programmsteuerung“ besagt es eigentlich selbsterklärend, dass es in der Realität die Regierung ist, die die Ziele in der Politik bestimmt. Sie hält die Zügel in der Hand und lenkt ihre Umgebung, also auch den Bundestag, in die gewollten Bahnen. Dieser Gedanke der Leitidee lässt sich ebenfalls im Kanzlerprinzip der Bundesrepublik wiederfinden, denn, obwohl der Kanzler keine unmittelbaren Weisungsbefug- nisse besitzt, so kommt ihm die allgemeine Richtlinienkompetenz zu. Auffallend ist, dass die von der Regierung lancierten Initiativen tendenziell einen punktuel- len Charakter besitzen. Im Rahmen des vorgegebenen Spielfelds wird sie oft- mals bei politisch und öffentlich kontrovers diskutierten Themen, in Notlagesitu- ationen oder um sich zu verteidigen aktiv. Jedenfalls scheint diese eher auf Aufmerksamkeit bedachte Strategie erfolgreich zu sein: im Durchschnitt sind bis zu 75% der verkündeten Gesetze auf die Regierung zurückzuführen - ein e- normer prozentualer Anteil, wenn man bedenkt, dass die Gesetzgebung eigent- lich im Tätigkeitskomplex des Bundestages liegt, welcher mit einer Erfolgsquote von nur etwa 20% nicht gerade seinen Hauptrollenanspruch unterstreicht.

Doch trifft diese Variante der Kategorisierung in „Ballspieler Regierung“ und „Mitspieler Bundestag“, der zwar im Gesetzgebungsverfahren in der Beratungs- , sowie in der Beschlussphase mehr Möglichkeiten besitzt, als die Regierung, im Grunde aber größtenteils die Initiativen letzterer offiziell über die Bühne bringt, ins Schwarze?

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Details

Title
Die Rolle des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren - Spielball, Mitspieler oder Ballspieler?
Subtitle
Ein Essay zur Frage nach den Bestimmenden im Legislativprozess
College
Zeppelin University Friedrichshafen
Course
Polity, Politics & Policy
Grade
2,0
Author
Year
2006
Pages
12
Catalog Number
V142070
ISBN (eBook)
9783640519262
ISBN (Book)
9783640520800
File size
402 KB
Language
German
Keywords
Bundestag, Gesetzgebung, Legislativprozess, parlamentarische Demokratie
Quote paper
Isabella Aberle (Author), 2006, Die Rolle des Bundestages im Gesetzgebungsverfahren - Spielball, Mitspieler oder Ballspieler?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142070

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