Außerschulische Hausaufgabenbetreuung als pädagogische Situation zwischen Ausbildung und Auslese


Mémoire (de fin d'études), 2008

132 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

Vorwort, Präzisierung und Erläuterung des Themas

1. Außerschulische Hausaufgabenbetreuung - praktische Erfahrungen
1.1. Hausaufgabenbetreuung in der Stadt Augsburg
1.1.1. Der Fragenkatalog
1.1.2. Die besuchten Einrichtungen
1.1.3. Auswertung der einzelnen Themenbereiche
1.2. Migrationshintergrund und Bildungssystem
1.2.1. PISA - Zahlen, Fakten, Erkenntnisse
1.2.2. Schulsystem und Sprache
1.2.3. Migrationshintergrund als Risikofaktor und als Kompetenz

2. Zur pädagogischen Situation
2.1. Konzepte
2.1.1. Pädagogisches Handeln
2.1.2. Situation als pädagogisches Problem
2.1.3. Pädagogisches Feld und Lebenswelt
2.2. Zum Leistungsbegriff
2.2.1. Verschiedene Perspektiven auf den Begriff Leistung
2.2.2. Pädagogische Diskussion des Leistungsbegriffs
2.2.3. Zwischen Ausbildung und Auslese
2.3. Interpretationsmuster in der pädagogischen Arbeit
2.3.1. Therapeutisches vs. pädagogisches Deutungsmuster
2.3.2. Bedeutung therapeutisch-psychologischen Grundwissens für den Pädagogen

3. Außerschulische Hausaufgabenbetreuung - pädagogische Aspekte
3.1. Pädagogische Aspekte von Hausaufgabenbetreuung
3.1.1. Zur Funktion von Hausaufgaben
3.1.2. Klassifikation von Hausaufgaben
3.1.3. Hausaufgabenbetreuung als Situation und Lernumwelt
3.1.4. Relevante Elemente interkultureller Pädagogik
3.2. Fachliche Aspekte von Hausaufgabenbetreuung
3.2.1. Zur methodischen Gestaltung der Hausaufgabenbetreuung
3.2.2. Stellung der Hausaufgabenbetreuung im Bildungssystem
3.2.3. Schulische vs. außerschulische Hausaufgabenbetreuung
3.2.4. Praxisanforderungen an die Hausaufgabenbetreuung

4. Schlussfolgerungen
4.1. Gestaltung von Situation und Lernumwelt
4.2. Pädagogisches Handeln in der Hausaufgabenbetreuung
4.3. Zum Zusammenhang Schulsystem und Sprache
4.4. Hausaufgabenbetreuung als Kompensation

Literaturverzeichnis

Vorwort, Präzisierung und Erläuterung des Themas

Außerschulische Hausaufgabenbetreuung als pädagogische Situation zwi- schen Ausbildung und Auslese - diese Themenstellung fordert die Auseinan- dersetzung mit verschiedenen schon seit geraumer Zeit kontrovers diskutierten Sachverhalten. Das Anliegen dieser Arbeit ist es einen Einblick in die Praxis der außerschulischen Hausaufgabenbetreuung zu geben, deren gesellschaftlich-in- stitutionelle Rahmenbedingungen kritisch zu beleuchten und einige der für den Bereich der Hausaufgabenbetreuung relevanten pädagogischen und psycholo- gischen Theoriemodelle auf ihre Anwendbarkeit hin zu betrachten und auf die außerschulische Hausaufgabenbetreuung zu übertragen. Hierbei werden die Schwerpunkte der Arbeit auf die pädagogische Situation, den Leistungsbegriff, die Abgrenzung von Erziehung zur Therapie, sowie pädagogischen (zum Bei- spiel Funktionen von Hausaufgaben, die Betreuung als Situation und Lernum- welt) und fachlichen (zum Beispiel Methodik, Stellung der Hausaufgabenbetreu- ung im Bildungssystem) Fragestellungen zur außerschulischen Hausaufgaben- betreuung gelegt. In dieser Arbeit werden ausschließlich nicht kommerzielle au- ßerschulische Hausaufgabenbetreuungen betrachtet, analysiert und als Grund- lage angenommen. Gemeint sind also solche Angebote, die nicht im Sinne ei- nes wirtschaftlichen Betriebes versuchen Gewinn zu erzielen. Wird im Folgen- den also von außerschulischer Hausaufgabenbetreuung gesprochen, so sind stets nicht kommerzielle Angebote gemeint. Dadurch verengt sich natürlich die Gruppe an betreuten Kindern, da solche Angebote in der Regel ganz bestimmte Zielgruppen haben (beispielsweise Kinder von Flüchtlingen, Hauptschüler, Kin- der mit Migrationshintergrund und andere mehr). Deshalb werden sich einige Kapitel auch mit der speziellen Situation von Migranten beschäftigen.

Zur Verdeutlichung dieser Vorauswahl und um einen Einstieg in das The- ma aus Sicht der Praxis zu ermöglichen, wird zu Beginn der Arbeit eine kleine, von mir durchgeführte, Untersuchung zu außerschulischen Hausaufgabenbe- treuungen in der Stadt Augsburg stehen, bevor ein kurzer Blick auf das Wech- selspiel von Migrationshintergrund und Bildungssystem folgen wird und die be- reits genannten Schwerpunkte behandelt werden. Hierbei werden unter ande- rem die Themenbereiche pädagogisches Handeln, Situation und Feld (in Erwei- terung hierzu auch der Begriff der Lebenswelt) die Grundlage für die Betrach- tung der Betreuung legen. Daran anschließend wird der Begriff Leistung in ver- schiedenen Perspektiven kritisch beleuchtet werden und einige Anmerkungen zur Auswahl von Schülern im Schulsystem folgen. Auch eine Abgrenzung von Erziehung zu Therapie und die kritische Beleuchtung verschiedener Interpretati- onsmuster bei Betreuern wird ein Bestandteil dieser Arbeit sein, da auch davon ausgegangen werden muss, dass wenige zu betreuende Kinder sich möglicher- weise in therapeutischer Behandlung befinden, beziehungsweise eine solche Behandlungsbedürftigkeit erkannt werden muss. Im dann folgenden Hauptteil der Arbeit werden zunächst einige pädagogische Aspekte der außerschulischen Hausaufgabenbetreuung im Mittelpunkt stehen. Diese umfassen Erläuterungen zu den zugeschriebenen Funktionen von Hausaufgaben, die Vorstellung eines selbst entwickelten Klassifikations- und Analyseschemas für Hausaufgaben, die Übertragung verschiedener vorgestellter theoretischer Annahmen auf die au- ßerschulische Hausaufgabenbetreuung sowie eines Programms der interkultu- rellen Pädagogik. Daran anschließend werden dann einige fachliche Aspekte behandelt werden, die sich auf die methodische Gestaltung, die Stellung im Bil- dungssystem, einem Abgrenzungsversuch von schulischer zu außerschulischer Hausaufgabenbetreuung und auf Anforderungen der Praxis beziehen werden. Im Schlussteil werden dann noch einmal einige Argumente und Aspekte her- ausgegriffen und ein Versuch unternommen, diese kritisch in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen einzuordnen.

Ausdrücklich sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass ausschließlich aufgrund der leichteren Lesbarkeit in der Regel die männliche Form personen- bezogener Hauptwörter gewählt wurde. Es sind jedoch jeweils männliche und weibliche Personen gemeint, wenn beispielsweise von Schülern oder Betreuern gesprochen wird, eine Diskriminierung weiblicher Personen ist hiermit in keins- ter Weise beabsichtigt. Außerdem sei darauf hingewiesen, dass sämtliche Her- vorhebungen und kursiven Schreibweisen in wörtlichen Zitaten der Originallite- ratur entnommen sind, ist dies nicht der Fall wird dies gesondert vermerkt.

1. Außerschulische Hausaufgabenbetreuung - praktische Erfahrungen

Als Einstieg in das soeben präzisierte Thema soll das erste Kapitel einige Ausführungen zu praktischen Erfahrungen in der außerschulischen Hausaufga- benbetreuung machen. Hierbei kann ich selbst auf einige Jahre praktischer Ar- beit zurückblicken und meine eigenen Eindrücke durch eine von mir durchge- führte Befragung verdeutlichen. Im Anschluss hieran wird ein kleiner Exkurs in den Themenbereich Migrationshintergrund und Bildungssystem nötig sein, da sich in der Befragung zeigte, dass Angebote zur außerschulischen Hausaufga- benbetreuung die nicht kommerzieller Art sind, vor allem von Kindern, die die Hauptschule besuchen, genutzt werden. An Hauptschulen wiederum sind Kin- der mit Migrationshintergrund überrepräsentiert (vgl. 1.2.). Nicht zuletzt die PISA-Studie hat gezeigt, dass es vor allem Kinder mit Migrationshintergrund sind, die spezieller Aufmerksamkeit in unserem Bildungssystem bedürfen (vgl. hierzu auch 1.2.1.).

1.1. Hausaufgabenbetreuung in der Stadt Augsburg

Die nun folgenden Ausführungen beruhen auf einer Befragung, die ich im Rahmen eines Praktikums im Sommer 2007 in Augsburg durchgeführt habe. Ziel der Befragung war es, Anregungen zur Verbesserung der Arbeit bei der Hausaufgabenbetreuung für Kinder von Asylbewerbern zu gewinnen. Diese Hausaufgabenbetreuung wird durch das Diakonische Werk Augsburg e. V. und Tür an Tür e. V. getragen und ich selbst war längere Zeit dort tätig. Die Befra- gung erhebt nicht den Anspruch in irgendeiner Art und Weise verallgemeinerbar zu sein, ebenso kann sie nicht als wissenschaftliche Untersuchung oder Befra- gung gelten. Dennoch möchte ich an dieser Stelle nicht darauf verzichten, eini- ge der Ergebnisse vorzustellen, denn sie geben unter anderem Einblick in die Vielfalt an Betreuungsangeboten, die durch unterschiedlichste Träger finanziert und mit relativ heterogenem Personal durchgeführt werden. Außerdem gründet sich die Auswahl der im weiteren Verlauf dieser Arbeit behandelten Themenbe- reiche nicht nur auf Fachliteratur (beispielsweise Becker, 1988; Derschau, 1979; Hössl, 1999; Nilshon, 1995; Schwemmer, 1980; Thurau, 1993; etc.), son- dern eben auch auf meine Eindrücke, die ich bei der Durchführung der Inter- views und in der Praxis gesammelt habe.

Die methodische Vorgehensweise ist am ehesten mit der einer qualitati-ven Befragung vergleichbar, wobei ich mich bei der Erstellung des Interviewleit- fadens sowie der Durchführung und Auswertung der Interviews von der ein- schlägigen Fachliteratur (Lamnek, 2005; Mayring, 1990) inspirieren ließ. Die hier gemachten Vorgaben und Empfehlungen wurden von mir jedoch nicht aus- reichend befolgt, um von einer wissenschaftlichen Untersuchung sprechen zu können. Die durchgeführten Interviews in neun verschiedenen Einrichtungen (in denen ich teilweise auch einen Tag hospitierte) wurden in der Regel im Origi- nalton aufgezeichnet. Lediglich wenn dies nicht erwünscht war, griff ich auf die handschriftliche Aufzeichnung zurück. Im Anschluss an die Interviews wurden die gesammelten Eindrücke (beispielsweise bezüglich der Gestaltung der Räu- me) und die Aufzeichnungen (Originalton oder Handschrift) von mir selbst ver- schriftlicht und am Ende der Erhebung ausgewertet. Die in den folgenden Un- terkapiteln zitierten Textpassagen entstammen ausnahmslos solchen Inter- views, die ich im Originalton aufzeichnen konnte. Sie sind von mir falls nötig so verändert worden, dass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen oder Institu- tionen möglich sind. Die entsprechenden Passagen sind durch XXX gekenn- zeichnet. Die Mitschnitte im Originalton, der in Zusammenarbeit mit dem Prakti- kumsbetreuer erstellte Fragenkatalog, sowie die Verschriftlichungen aller Inter- views (also auch derjenigen die nicht im Originalton aufgezeichnet wurden, hier nicht zitiert werden und sich deshalb nicht im Anhang befinden) besitze ich selbst und können auf Wunsch vorgelegt werden.

1.1.1. Der Fragenkatalog

Der Katalog an Fragen, der als Leitfaden zur Orientierung während der Interviews diente, versuchte, verschiedene thematische Blöcke möglichst umfangreich abzudecken. Dabei war von Anfang geplant, lediglich einige Fragen auch statistisch auszuwerten, die Mehrzahl hingegen qualitativ. Die statistische Auswertung wird in einigen Diagrammen dargestellt, ich möchte jedoch nochmals betonen, dass diese weder repräsentativ noch verallgemeinerbar sind. Zu den Themen zählten unter anderem Finanzierung, Organisation, Aus- und Fortbildung. Ich habe versucht, die Anzahl der Fragen pro Themenblock sowie die zur Beantwortung benötigte Zeit möglichst gleich zu halten, um nicht von vorneherein eine Gewichtung der Blöcke vorzunehmen.

Wie bereits erwähnt, diente der Katalog lediglich als Gedankenstütze für mich, um auch keine Fragen und Themenbereiche zu vergessen. Die Fragen wurden aber nicht immer wortwörtlich entsprechend dem Katalog von mir gestellt. Dennoch habe ich versucht, sowohl bei der Formulierung des Kataloges im Vorfeld als auch während der Interviews, selbst keine Wertungen und Antwortvorgaben zu machen. Ob dies immer gelungen ist (vor allem bei der Formulierung der Fragen), bezweifle ich.

1.1.2. Die besuchten Einrichtungen

Bei den von mir besuchten Einrichtungen handelte es sich sowohl um Einrichtungen zur Ganztagsbetreuung als auch um Einrichtungen die lediglich eine Betreuung der Hausaufgaben durchführen. Hierunter waren Schulen, Ju- gendtreffs, offene Einrichtungen und Ähnliche. Bei der Auswahl der besuchten Einrichtungen war mir wichtig, dass eine Hausaufgabenbetreuung angeboten wird, die auch auf ehrenamtliche Mitarbeiter und/oder Praktikanten/innen zu- rückgreift. Eine Vorauswahl aufgrund der Art des Angebots, der betreuten Kin- der, der örtlichen Lage oder der Finanzierung durch bestimmte Träger habe ich nicht vorgenommen. Leider konnte ich nur wenige Einrichtungen an Schulen besuchen, da an manchen Schulen keine Bereitschaft zur Mitarbeit vorhanden war. Bewusst habe ich versucht, vor allem mit den ehrenamtlichen Mitarbeitern oder Praktikanten/innen zu sprechen, um das Risiko einer verschönten Darstel- lung durch Führungspersonal zu verringern. Eine genaue Liste der besuchten Einrichtungen veröffentliche ich hier nicht, um die Anonymisierung der weiter unten präsentierten Interviewausschnitte zu gewährleisten.

Bedauerlicherweise konnte ich aufgrund der zeitlichen Intensität und der teils schwierigen Kontaktaufnahme sowie mangelnder Bereitschaft zur Mitarbeit nur neun verschiedene Einrichtungen besuchen. Es wäre natürlich wünschenswert gewesen, mehr Einrichtungen zu besuchen.

1.1.3. Auswertung der einzelnen Themenbereiche

Im Folgenden werde ich ausgewählte Ergebnisse der Untersuchung im Einzelnen darstellen. Dabei gehe ich entsprechend der thematischen Blöcke des Interviewleitfadens vor. Bei den Fragen, die ich qualitativ auswerte, werde ich beispielhaft typische Antworten im Originaltext wiedergeben und versuchen, den allgemeinen Trend zu beschreiben. Die Darstellung der statistisch ausge- werteten Fragen wird anhand von Diagrammen erfolgen. Die hier berücksichtig- te Fallzahl an besuchten Einrichtungen ist neun (hierbei werden also auch die Daten derjenigen Einrichtungen berücksichtigt, die einer Aufzeichnung des In- terviews im Originalton nicht zustimmten).

Die Frage nach der angebotenen Art der Betreuung war für eine statisti- sche Auswertung ideal, denn hier konnten leicht verschiedene Kategorien gebil- det werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mehrfachnennungen waren deshalb möglich, weil es einige Einrichtungen gibt, die mehrere Angebote machen. Beeindruckend und überraschend zugleich war für mich, dass bereits mehr als die Hälfte der Einrichtungen die Möglichkeit einer Mittagsbetreuung mit Mittagessen bieten, meist auch mit der Möglichkeit einer Vergünstigung (der ohnehin schon sehr geringen Preise) für bedürftige Familien. Ebenfalls relativ hoch war die Zahl der zusätzlich angebotenen Prü-

fungshilfen, meist spezielle QA-Vorbereitungskurse. Einzelnachhilfen werden eher selten angeboten, dies ist wohl eine Folge des Selbstverständnisses der Projekte, die sich eben als Hausaufgabenbetreuungen sehen und nicht als Nachhilfeeinrichtungen.

Die nächste Frage bezog sich auf die durchschnittliche Gruppengröße, auch diese lässt sich am besten durch ein Diagramm veranschaulichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Mehrzahl der Einrichtungen ist darauf angewiesen, Gruppen von bis zu 20 Kindern zu bilden, wobei ich keine Einrichtung besuchte, in der die Gruppe im Normalfall größer als 20 Kinder war. Wünschenswert wären natürlich prinzipiell kleinere Gruppen, wobei es aber auch von den Räumlichkeiten und dem Betreuerschlüssel abhängig ist, inwieweit die Gruppengröße direkte Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hier zeigt sich positiv, dass über die Hälfte der Einrichtungen nicht mehr als zehn Kinder pro Betreuer verzeichnen. Schade ist allerdings, dass 33% ei- nem Betreuer mehr als zehn Kinder zuordnen. Außerdem können lediglich 11% einen Betreuerschlüssel von fünf Kindern pro Betreuer vorweisen. Zur Sicher- stellung einer guten und adäquaten Unterstützung und Förderung der Kinder bei der Erledigung der Hausaufgaben ist ein guter Betreuerschlüssel (maximal 5 Kinder pro Betreuer) natürlich wünschenswert, aber aus Kostengründen auch schwer umsetzbar.

Zur Frage, wann die Betreuung stattfindet, lässt sich natürlich klar ein Un- terschied zwischen denen feststellen, die auch ein Mittagessen anbieten, und jenen die dies nicht tun. Einrichtungen mit Mittagsbetreuung starten ihren Be- trieb meist schon vor 12:00 Uhr, die Anderen meist erst gegen 14:00 Uhr oder später. Der Betrieb endet in der Regel gegen 16:00 Uhr, einige wenige bieten die Möglichkeit der Betreuung bis 17:00 Uhr, was vor allem berufstätigen Eltern entgegenkommen dürfte.

Viele der besuchten Einrichtungen versuchen, über die Hausaufgabenbe- treuung hinaus zusätzliche Angebote für die Kinder zu ermöglichen. Hier stehen gemeinsame Ausflüge (beispielsweise in Schwimmbäder, Zoos oder Kinos) an erster Stelle, aber auch die gemeinsame Zeit für Spiele oder Sport. Dabei wirkt sich leider oftmals die finanzielle Lage der Elternhäuser als begrenzender Fak- tor aus. Zusätzliche Angebote während der Ferien werden von sehr wenigen Hausaufgabenbetreuungen angeboten. Hierbei handelt es sich dann aus- schließlich um Projekte zur Freizeitgestaltung, meist jedoch wird aus unterschiedlichen Gründen heraus nichts angeboten. Diese sehen dann beispielsweise so aus: „Das wird auch von den Eltern nicht gewünscht.“, oder:

„Wir sind an die Öffnungszeiten der Schule quasi angeglichen. Das hängt aber einfach mit unseren Stunden zusammen, dass wir unter der Woche quasi mehr arbeiten als unsere Sollstundenzahl ist und dadurch relativ viele Überstunden entstehen, dass wir überhaupt die Öffnungszeiten abdecken können und deshalb sehr viele Überstunden haben und darum haben wir die Ferien mit zu. Es ist aber, also ich weiß nicht ob das jetzt von Interesse ist, ich denke schon ein interessanter Punkt, wo wir einfach schauen müssen, da könnte sich noch was tun. Weil gerade in den Ferien wo nicht einmal die Schule als Anlaufstelle da ist, sehr viel auch ein- fach zu hat, was wir da für eine Rolle im sozialen Raum spielen, da sind wir gerade noch am diskutieren.“

Zu den finanziellen Rahmenbedingungen lässt sich im Allgemeinen sagen, dass alle besuchten Einrichtungen versuchen die Kosten für die Eltern der Kin- der so niedrig wie nur irgend möglich zu halten. Insbesondere dann, wenn auch die Möglichkeit besteht, in der Einrichtung zu Mittag zu essen, sind die Preise sehr moderat.

Die Finanzierung der einzelnen Betreuungen gestaltet sich sehr vielseitig. Meist gibt es einen Hauptträger, dessen Finanzleistungen durch weitere Zuschüsse vor allem durch die Stadt, den Bezirk oder die EU ergänzt werden. Selten tritt das Land oder der Bund hier in Erscheinung. Von den besuchten Einrichtungen finanzieren sich vier Einrichtungen hauptsächlich über einen kirchlichen Träger, drei durch die Stadt Augsburg und/oder die Regierung von Schwaben und für zwei wird der größte Teil der Finanzierung von eingetragenen Vereinen gewährleistet. Außerdem wurde ein Projekt über einen festgelegten Zeitrahmen hinweg durch Mittel der EU ergänzend gefördert.

Die Betreuung der Hausaufgaben wurde zu meiner Überraschung nur in einer Einrichtung ausschließlich von Ehrenamtlichen durchgeführt. Zwar waren in der großen Mehrzahl der anderen Einrichtungen ebenfalls ergänzend Ehren- amtliche tätig, doch in Dreien wurde der Betrieb in erster Linie durch Honorar- kräfte, in Vieren von hauptamtlichen Mitarbeitern und Praktikanten (auch FSJ) garantiert.

Die von den Eltern geforderten Beiträge unterschieden sich, wie bereits erwähnt, vor allem aufgrund des teilweise angebotenen Mittagessens. Die monatlichen Gebühren bewegten sich in der Regel zwischen 30€ und 60€. In allen Betreuungen wurde daran gedacht, für besonders bedürftige Familien eine anderweitige, ergänzende Finanzierung zu ermöglichen, beispielsweise über Spendengelder. Die so eingenommenen Gelder dienen ausschließlich der Finanzierung des laufenden Betriebs.

Der Betreuerschlüssel der Einrichtungen wurde bereits weiter oben erläu- tert. Die Antworten auf meine Frage nach Kontinuität, also wie lange die Betreu- er für eine Einrichtung normalerweise tätig sind, fielen unterschiedlich aus. Eine längerfristige Tätigkeit eröffnet den Betreuern die Chance, zu einer akzeptierten und wichtigen Bezugs- und Vertrauensperson für die Kinder zu werden, was für die pädagogische Arbeit selbstverständlich von großem Nutzen ist. Natürlich er- geben sich in Einrichtungen, die vor allem auf hauptamtlichen Mitarbeitern auf- gebaut sind, eher weniger Fluktuationen, mehr hingegen bei denen die auf Ho- norarkräfte und/oder Ehrenamtliche zurückgreifen, obwohl es natürlich auch hierunter Mitarbeiter gibt, die bereits sehr lange für die jeweilige Einrichtung tä- tig sind.

„Also wir haben welche, die es zum Teil schon zwei Jahre machen, manche schon im dritten Jahr, aber gerade bei den Studenten merkt man wenn der Abschluss näher kommt, die Abschlussprüfungen, dann ... Gerade dieses Schuljahr haben jetzt wieder einige neue angefan- genen, die jetzt auch noch ziemlich am Anfang vom Studium sind, erstes, zweites oder drittes Semester, wo wir einfach hoffen, dass wir die wirklich auch während des Studiums halten kön- nen.“

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Hier ist erstaunlich, dass immerhin 44% der Projekte auf Personen mit ei- ner abgeschlossenen pädagogischen Ausbildung zurückgreifen. Dies liegt aber vermutlich auch daran, dass unter den besuchten Einrichtungen sehr viele wa- ren, die auf hauptamtliche Kräfte aufbauen. Weniger überraschend ist die Zahl derjenigen, die auf Mitarbeiter mit pädagogischen Grundkenntnissen bestehen, ebenso die relativ geringe Zahl der Einrichtungen, die keine pädagogischen Grundkenntnisse voraussetzen.

Die wöchentliche Arbeitszeit ergibt sich aus der bereits oben getroffenen Unterscheidung nach Projekten mit vorwiegend Hauptamtlichen und denen mit überwiegend Ehrenamtlichen und Honorarkräften. Während die letztgenannte Gruppe meist nur einige Stunden am Tag tätig ist (dafür aber oft auch mehrere Tage die Woche), sind die Hauptamtlichen natürlich eine übliche Stundenanzahl (also Halb- oder Ganztags) in der Woche tätig.

Eine gute interne Kommunikation des Teams ist für eine effektive pädagogische Arbeit unerlässlich. Die Art und Weise wie jedes Team die Kommunikation untereinander sicherstellt, ist unterschiedlich und hängt von der Anzahl der Mitarbeiter ab. Gängige Methoden sind Teamtreffen (die Spanne reicht von einmal wöchentlich bis zu einmal monatlich) oder schriftliche Mitteilungen in Teambücher, und auch das berühmte Tür-und-Angel-Gespräch stellt die Verbreitung von aktuellen Neuigkeiten sicher.

„Es sind an unterschiedlichen Tagen schon unterschiedliche Leute da. Also es kann schon vorkommen, dass zwei Teammitglieder eigentlich fast nie miteinander arbeiten. Aber die sehen sich in der Teambesprechung. Das ist für mich ganz, ganz wichtig: einmal die Woche Teambesprechung. Die ist eigentlich knapp kalkuliert, eineinhalb Stunden, aber da sind wir wirk- lich diszipliniert. Es gibt einen Part Organisatorisches, wo Termine abgesprochen werden, wo die Studenten auch sagen können ich habe da Prüfungen, ‚wer kann für mich einspringen‘ und dann gibt es einfach einen Part Fälle, wo Probleme und pädagogische Fragen besprochen wer- den, wo ich dann auch einen Rat geben kann, oder ich sage in diesem Fall bestelle ich die El- tern rein, das muss man mit den Eltern besprechen. Außerdem haben wir einen Team-Termin- kalender und eben durch Telefonate läuft manchmal auch eine Info, wenn jemand aus irgend- welchen Gründen nicht beim Team da sein kann, aber es gibt eine wichtige Info, dann geht das auch telefonisch.“

Der Themenblock, der sich mit den Kindern beschäftigte, die die Einrich- tungen nutzen, wollte unter anderem die am häufigsten besuchten Schularten, das Alter und die Herkunft der Kinder erörtern. Dies ist vor allem deshalb inter- essant, weil diese Faktoren anzeigen, von wem und in welchem Umfang das Angebot genutzt wird. Außerdem stellt sich in diesem Zusammenhang die Fra- ge, inwieweit es sinnvoll ist, sich mit seinem Angebot an eine ganz spezielle Gruppe von Kindern zu richten.

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Hier fällt auf, dass der Großteil der Angebote von Hauptschülern genutzt wird (67%). Zwar habe ich auch Einrichtungen besucht, die nur für Hauptschü- ler gedacht sind, dennoch ist hiermit allein dieser große Prozentsatz nicht zu begründen, denn ich habe ebenso Projekte besucht, die nur für Grundschüler ausgelegt sind (11%). Der hohe Nutzungsanteil durch Hauptschüler begründet sich vermutlich eher durch die Lebensumstände der Kinder. Wie verschiedenste Studien gezeigt haben, gibt es in Deutschland einen eindeutigen und starken Zusammenhang zwischen dem sozialen Milieu, dem die Eltern angehören und den Bildungsabschlüssen, die ihre Kinder in unserem Schulsystem erwerben (dazu später mehr). Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass diese Angebote deshalb so stark von Hauptschülern genutzt werden, weil sich die Eltern vieler Realschüler und Gymnasiasten beispielsweise gezielte Einzel- nachhilfen durch Lernstudios, Nachhilfestunden, etc. leisten können, viele El- tern von Hauptschülern hingegen nicht (was natürlich erneut einen großen Nachteil für ihre Kinder in unserem Schulsystem bedeutet). Sie nutzen deshalb die wesentlich preisgünstigeren Angebote in Form von Hausaufgabenbetreuun- gen, die durch Vereine, Kirchen, etc. (inzwischen auch Schulen) in ihrem Stadt- viertel angeboten werden. Lediglich 22% gaben an, dass die Kinder die von ih- nen betreut werden, relativ gleichmäßig auf die verschiedenen Schularten ver- teilt sind, wobei hier zu bedenken ist, dass ich auch die Einrichtungen zu dieser Gruppe gezählt habe, die zwar auch Realschüler und Gymnasiasten betreuen, deren überwiegender Anteil aber dennoch meist bei den Hauptschülern liegt. Immerhin 11% der Befragten gaben an, ihr Projekt sei nur auf die Betreuung von Grundschülern ausgelegt.

Die Frage nach dem Leistungsspektrum der Kinder wollte klären, ob die Betreuer denken, die Kinder seien auf der Schulart, die ihren Leistungsmöglich- keiten am ehesten entspricht und ob eher die schwächeren Schüler das Ange- bot nutzen. Hier erhielt ich einige interessante Antworten, die ich hier auch wie- dergeben möchte, weil sie durchaus unterschiedliche Sichtweisen auf ähnliche Problemlagen zeigen.

„(...) aber wir haben trotzdem alles in der Gruppe. Aber es überwiegt schon der Anteil an Kindern, die einfach Schwierigkeiten haben. Also es sind viele Kinder mit Migrationshintergrund in der Gruppe, wo die Eltern zuhause einfach nicht helfen können. Es sind viele Kinder in der Gruppe, wo ich sage die gehören eigentlich auf die Förderschule, die sind eigentlich restlos überfordert und wenn sie diese Unterstützung am Nachmittag nicht hätten dann würden sie gar nichts mehr blicken. Aber wir haben auch M-Schüler die einfach sagen, ich möchte die Sicher- heit haben, dass ich mich melden kann wenn ich etwas nicht kapiere und ich kriege Unterstüt- zung und ansonsten mache ich mein Zeug alleine. Aber wir haben auch eine Neuntklässlerin, die sagt sie möchte unbedingt ihren QA schaffen und deswegen ist sie in der Gruppe. Also es ist schon, die Motivation ist schon sehr unterschiedlich.“

„Ich denke einige der Jugendlichen hätten mehr drauf, die könnten mehr, wo sich aber einfach gewisse Lebensprobleme vor die Lernprobleme schieben.“

„Insgesamt würde ich sagen, sie kommen gut zurecht und können auch alleine und rela- tiv selbstständig arbeiten. Von den 12 Kindern die da sind, gibt es ein Kind bei dem es ganz große Probleme gibt, da läuft gerade die Kommunikation zwischen Schule und uns, dass das Kind eben auf die Förderschule wechseln muss. Das ist aber eben dieses eine Kind, beim Rest läuft es mittelmäßig bis sogar gut. Wir haben auch Kinder dabei die sich echt gesteigert haben.“

„Die meisten sind ganz schwach. Von den Viertklässlern hier ist denke ich einer dabei der auf eine Realschule weiter gehen wird. Alle anderen sehe ich da nicht. In der Regel weil es an der Sprache hapert. In Mathe habe ich einige die relativ fit sind, aber Sprache ist einfach, durch diesen Migrationshintergrund und ein Großteil der Eltern spricht überhaupt kein Deutsch. Also es sind vor allem Kinder türkischer Herkunft.“

Im Anschluss hieran wollte ich mehr über die Herkunft der Kinder erfah- ren. Die überwiegende Anzahl der betreuten Kinder hat Migrationshintergrund. Manchmal waren sogar keine deutschen Kinder in den entsprechenden Betreu- ungseinrichtungen, obwohl dies von der den Einrichtungen zugrunde liegenden Konzeption her nicht beabsichtigt ist. Ein Trend zu bestimmten Nationalitäten ließ sich aber nicht erkennen, meist lag eine sehr bunte Mischung vor, die so- wohl die Kinder als auch die Betreuer als sehr bereichernd empfanden, auch wenn es dadurch manchmal kulturelle Verständigungsprobleme gibt.

„Ich würde sagen es sind viele Migrantenkinder hier, weil es auch in diesem Viertel sehr gravierend ist, wir haben wahrscheinlich die Hälfte türkische Kinder, die andere Hälfte setzt sich aus verschiedenen Nationalitäten zusammen. Also schon überwiegend mit Migrationshinter- grund.“

„Wir haben viele Kinder mit Migrationshintergrund, also vorwiegend, ich glaube wir haben ein Kind das keinen Migrationshintergrund hat. Das auch querbeet, also es gibt keine vorwiegende Nationalität. Also eine bunte Mischung.“ „Natürlich, vereinzelt schaut ein deutsches Kind heraus, aber ansonsten eine bunte Mi- schung.“

Die Frage nach Kindern mit Behinderungen bezog sich sowohl auf Lern-als auch auf körperliche Behinderungen. Letzteres war in keiner der besuchten Einrichtungen vertreten. Kinder mit Lernbehinderungen (ADHS, LRS, etc.) nutzen hingegen einige der Angebote. Oftmals ist es auch schwer abgrenzbar und aufgrund fehlender Diagnostik nicht näher bestimmt, ob die Kinder an einer Lernbehinderung leiden oder nicht. Größere Schwierigkeiten im täglichen Ablauf ergeben sich allerdings laut den Befragten kaum, lediglich ein etwas erhöhter Zeitaufwand für entsprechende Kinder sei zu verzeichnen.

„Mit Lernbehinderungen, das ist schwierig einzuschätzen, bei dem einen Kind würde ich sagen ja, nur ist die halt in der Form offiziell noch nicht diagnostiziert worden.“

„Nein, eigentlich nicht. Weil die kommen ja von der normalen Schule, wir arbeiten eigentlich mit der XXX Schule eng zusammen.“

„Eher im Bereich der Verhaltensauffälligkeiten, also auch mit diagnostizierter Hyperaktivität. Ja, einfach auch Kids, die schon wahnsinnig viel mitgemacht haben, seien es wieder die familiären Lebensumstände.“

„Ja, das schon, also Legastheniker, Kinder mit ADS.“

„Wir haben schon auch viele Kinder, die schon einmal (...) einen Aufenthalt hatten, einen stationären oder ambulant behandelt wurden, oder die beim pädagogischen Dienst sind, oder die einen Erziehungsbeistand haben. Auch irgendwelche sonstigen Beeinträchtigungen. Wobei ich denke, vieles ist auch das soziale Umfeld das wirkt. Also jetzt weniger Behinderungen, sondern das was der Lebensraum der Kinder ist, was der Hintergrund der Kinder ist, das leben sie dann auch in der Schule aus. Und es zeigt sich im Leistungsbereich.“

Eigentlich alle der besuchten Einrichtungen formulieren in irgendeiner Art Ziele, sowohl für die Einrichtung als auch für einzelne Kinder. Unterschiede gibt es hier vor allem in der Art und Weise, wie und von wem diese Zielsetzungen formuliert werden. Teilweise werden Ziele für die Kinder von den Mitarbeitern zusammen mit den Kindern formuliert, teilweise erfolgt dies allein durch die Mit- arbeiter. Hier sind oftmals lang- und kurzfristige Zielsetzungen enthalten, meist abhängig von der Position der Kinder in der Schullaufbahn. So werden bei- spielsweise für Grundschüler Ziele bezüglich des Wechsels auf weiterführende Schulen formuliert, für Hauptschüler bezüglich des QA, für Kinder in den mittle- ren Jahrgangsstufen bezüglich der Versetzung und so weiter.

„(...) für die Kinder werden praktisch wie ein Hilfeplan Ziele formuliert und für die anderen Kinder in der Betreuung machen wir das in Teambesprechungen, dass wir da schauen, was braucht der oder die, wie können wir das Kind fördern und wir schauen uns das dann auch im - mer wieder an im Team. Wo stehen wir, wie geht es weiter und wo brauchen wir dann auch die Eltern.“

„Also grundsätzlich ist das Ziel, dass das Kind sich verbessert in der Schule. Aus der Erfahrung heraus ist es so, dass die Kinder die bei uns sind, nach einem Jahr sprechen sie schon besser Deutsch.“

„Beides, also sowohl für das Projekt als auch für einzelne Kinder. Bei einzelnen Kindern schon eher für die, wo man merkt, die fallen einfach auf. Weil sie entweder zu vorlaut sind, oder durch ihr Verhalten, oder eben andersherum, dass sie einfach untergehen. Die allgemeinen Zie- le, das sind eben die üblichen Ziele die man einfach hat. Also zum Beispiel, dass man die Elter- narbeit noch mehr ausweiten will, Schulen, Kommunikation, und so weiter, weil das sind ja die Bestandteile eigentlich.“

Im letzten Interviewausschnitt klang schon an, dass natürlich sowohl für die Kinder als auch für die Einrichtung Ziele formuliert werden. Hierzu noch eini- ge Beispiele.

„Das wichtigste Ziel ist die Hilfe bei den Hausaufgaben, weil viele Kinder hier eben ihre Probleme haben. Meist können die Eltern ihren Kindern kaum zuhause helfen, also ist es wich- tig, dass die Kinder sich hier einleben und auch für die Zukunft eine Chance haben. Sie müssen schauen, dass sie wenigstens einen halbwegs ordentlichen Abschluss haben und deshalb mel- den die Eltern auch ihre Kinder hier an, denn vom Alter her bräuchten die Kinder eigentlich kei- ne Betreuung, aber erstens für die Hilfe bei den Hausaufgaben und zweitens damit die Kinder überhaupt ihre Hausaufgaben machen denn zuhause machen sie meist überhaupt nichts und die Eltern sind auch fast alle berufstätig. Deshalb haben sie kaum die Möglichkeit zu kontrollie- ren ob die Kinder überhaupt ihre Hausaufgaben machen und durch die Betreuung ist gewähr- leistet, dass die Kinder etwas machen. Außerdem können wir den Kindern bei den Hausaufga- ben helfen und auch vor Proben gezielt mit den Kindern lernen. Das sind die wichtigsten Ziele und Aufgaben.“

„Ja, wir haben natürlich auch eine Konzeption. Ein Ziel ist natürlich, Partizipation zu för- dern. Jugendliche teilhaben zu lassen an Entscheidungsprozessen, dass sie hier einfach auch Verantwortung übernehmen können, dass sie hier einfach Schlüsselqualifikationen trainieren und lernen können. Ich denke das geht am besten über Verantwortung, natürlich ist ein Leitziel eine gewisse Chancengleichheit. Wir können natürlich nicht das bestehende System umkrem-peln, wo wir aber einfach Pünktchen schon setzen können, wo wir beitragen können, dass es leichter wird. Zum Beispiel, dass einfach die Mittagsversorgung klar ist, dass die Leute einfach hier essen können und man ohne Hunger die Hausaufgaben machen kann. Natürlich das soziale Miteinander, die Umgangsformen, das ist ein Ziel von uns, dass wir schauen, dass das gesellschaftliche Miteinander ausgelebt wird.“

Bei der Frage nach der Art und Weise, wie versucht wird diese Ziele um- zusetzen, ging es vor allem auch um die Verhaltensregeln für die Kinder und aus Verstößen resultierende Konsequenzen. Hier wurden durchaus verschiede- ne pädagogische Konzeptionen deutlich. Während beispielsweise einige Be- treuungen auch schriftliche Verträge mit den Kindern bezüglich Verhalten und Konsequenzen schließen, wäre dies für andere völlig undenkbar. Auch die Art der Konsequenzen auf einen Regelverstoß unterscheidet sich, hier allerdings eher aus praktischen Gründen. Einige Einrichtungen können Kinder zum Bei- spiel nicht für den Rest des Tages ausschließen, da sie auch fest vereinbarte Abholzeiten einzuhalten haben und für die Kinder die Aufsichtspflicht für den dazwischen liegenden Zeitraum haben. Andere wiederum können den Kindern schlecht Strafarbeiten in Form von Küchenarbeiten auferlegen, da sie keine Mit- tagsbetreuung haben. Regeln sehen also beispielsweise wie folgt aus:

1. Handy lautlos!
2. Wenn Hausaufgaben fertig, dann Raum verlassen!
3. Keine Ausdrücke sagen, wenn doch -> 10 cent
4. Wir gehen freundlich miteinander um!
5. Im HA-Raum und davor und in der Nähe, höflich und leise sprechen!
6. Die Anderen in Ruhe arbeiten lassen!
7. Türe leise schließen!
8. Streit schlichten!
9. Auf Anweisungen der Betreuerinnen achten!

Wer 5x gegen eine der Regeln verstößt -> abspülen, keine Nachspeise!

1. keine Ausdrücke/Schimpfwörter/Auslachen/Fertigmachen
2. Handy ausschalten
3. Wir verhalten uns ruhig und konzentrieren uns auf die Hausaufgaben
4. Wir sprechen deutsch miteinander
5. Wer keine HA macht, verlässt den Raum

Wer gegen die Regeln verstößt, bekommt noch eine Abmahnung, beim 2. Verstoß muss der Raum verlassen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es war überraschend, dass immerhin 44% keine Fortbildungen für die Mit- arbeiter anbieten, egal ob die Fortbildungen von ihnen selbst oder von Dritten durchgeführt werden. Gerade hier besteht wohl noch großes Verbesserungspo- tenzial. Diejenigen die Fortbildungen anbieten, versuchen dies auch in regelmä- ßigen Abständen zu tun und entwickeln die Themen in der Regel aus dem Team heraus und versuchen dann, diese Wünsche zu realisieren. Es scheint hier sekundär zu sein, ob die entsprechende Fortbildung selbst übernommen oder durch Dritte durchgeführt wird. Zur Teilnahme waren die Mitarbeiter immer gehalten, aber selten verpflichtet.

Die Zusammenarbeit mit der Schule gestaltet sich für die meisten Betreuungen sehr gut und einfach, für wenige eher schwierig. Natürlich sind die Betreuungen, die direkt an der Schule lokalisiert sind, hier klar im Vorteil. Sie haben einen sehr guten und häufigen Kontakt zu den Lehrern.

„Also das finde ich schon sehr von Vorteil und eben auch das integriert sein in das Kolle- gium. Da bekommt man natürlich ganz anders Infos wenn man dazugehört, also wenn man jetzt von außen kommt und sagt: Hallo, ich bin hier der Betreuer XY und ich habe dieses Kind in der Betreuung.“

„Wenn der Bedarf da ist, tauschen wir uns aus. Dadurch (...) treffen wir uns schon und besprechen einige Sachen, beziehungsweise wenn wir sehen, dass ein Kind überhaupt keine Hausaufgaben macht und der Lehrer bestätigt das und er sagt das Kind ist wieder ohne Haus- aufgaben gekommen, dann vereinbaren wir eine Möglichkeit zur besseren Kontrolle. Zum Bei- spiel, dass der Lehrer sich verpflichtet, dass er nachschaut ob das Kind die Hausaufgaben auch jeden Tag aufschreibt, ins Hausaufgabenheft, und ich unterschreibe sobald das Kind mit den Hausaufgaben fertig ist. Da ist schon ein bisschen Zusammenarbeit gefragt. Und das ist auch wichtig, wenn wir zum Beispiel wieder Anmeldungen verteilen für das nächste Jahr oder einen Elternabend vorbereiten arbeiten wir mit der Schule zusammen. Die Lehrer sprechen die Eltern auch an wenn sie meinen es wäre super, dass das Kind in einer Betreuung ist.“

„Die Kommunikation mit der XXX Schule ist ja schon ganz gut, klar muss man daraufhin arbeiten, dass das besser wird, das ist so das übliche Thema. Es sind schon Sachen geplant, jetzt sowohl im Bereich der Elternarbeit als auch in der Kooperation mit den Schulen, dass dann eben Elternabende hier stattfinden und auch Lehrertreffen. Man versucht dann, die Schule noch mehr einzubinden und auch die Werbung unsererseits an die Schulen einfach weitertragen. Es ist schon so, dass man bestimmte Lehrer hat, die als Ansprechpartner gelten, die das auch wis- sen und die dann auch weitervermitteln, aber das sind natürlich nur Lehrer die bereits mit uns in Berührung gekommen sind.“

Für manche gestaltet sich dieser Kontakt eher schwierig und wird nur selten hergestellt. Schade ist, dass so der Aufbau eines Netzwerkes nicht gelingen kann und viele Informationen, die die jeweilige Arbeit erleichtern könnten, nicht transportiert werden.

Die Zusammenarbeit mit den Eltern wird sehr oft gesucht, doch meist gestaltet sie sich ebenfalls als äußerst schwierig. Viele Eltern scheinen an einer Zusammenarbeit wenig oder gar nicht interessiert zu sein. Hier einige Auszüge aus meinen Gesprächen zur Verdeutlichung.

„Allerdings kommen nur ganz wenige Eltern zum Elternabend, also das Interesse ist nicht so riesig. Es gibt Eltern die sind sehr interessiert an dem was wir tun und die bemühen sich sehr um ihr Kind, die kommen regelmäßig und da gibt es sehr viel Austausch. Es gibt Eltern die ich nie zu Gesicht bekomme. Also das Kind kommt mit dem Vertrag, ausgefüllt und unterschrieben und geht und ich bekomme die Eltern überhaupt nicht zu Gesicht. Außer wenn das Kind sich to- tal daneben benimmt, dann schreibe ich eine Mahnung, dann müssen sie reagieren. Also zum Gespräch kommen.“

„Also, es kommen wenige Eltern hierher, die sich informieren was hier los ist, wo ihre Kin-der sind. Die Eltern die kommen, die versuche ich ganz bewusst zu bekräftigen und sage, dass ihr kommt, dass ihr euch informiert, finde ich ganz wichtig, ist für mich auch wichtig.“

„Wir machen immer einen Elternabend zum Jahresbeginn, wenn wir die Gruppe neu bil- den. Da ist dann auch das gesamte Team da, das sich den Eltern vorstellt. Wobei das immer sehr schlecht besucht ist. Egal was wir machen, egal was wir anbieten, da kommen vielleicht acht Eltern. Der Elternkontakt ist auch festgelegt im Vertrag, dass er stattfinden muss, ohne zu- mindest ein Erstgespräch mit Eltern und Kind gibt es keinen Vertrag. Wir fordern die Zusam- menarbeit der Eltern einfach auch ein. Ich sehe uns nicht als Institution wo man sein Kind abge- ben kann. Wenn es Probleme, wenn es Schwierigkeiten gibt, dann rufen wir an und dann wer- den die Leute auch herbestellt. Wenn jemand ganz nachhaltig keine Zeit hat und ganz nachhal- tig sich eigentlich weigert mitzuarbeiten, dann gehe ich auch zur Schulleitung und schalte die Schulleitung ein. Wenn einfach gar nichts geht, in extremen Fällen, wenn jemand zum Beispiel auch gegen unsere Betreuung arbeitet und wir haben sowieso ein schwieriges Kind das gegen die Gruppenregeln ständig verstößt dann entlassen wir das Kind auch einmal. Aber das kommt vielleicht einmal im Schuljahr vor.“

Eine Zusammenarbeit oder Kommunikation mit anderen Projekten zur Betreuung der Hausaufgaben findet in der Regel nicht statt. Dies ist sehr schade, da ein regelmäßiger Informationsaustausch über den Umgang mit Problemen und Herausforderungen in der praktischen Arbeit für die Beteiligten eigentlich nur von Vorteil sein könnte.

Die Erkenntnisse aus den Ausführungen zu dieser Untersuchung lassen sich in einigen Sätzen zusammenfassen und sollten für die weitere Lektüre im Hinterkopf behalten werden, da uns einzelne Themenbereiche später erneut beschäftigen werden. Angebote zur Hausaufgabenbetreuung sind sehr hetero- gen. Sie werden von den unterschiedlichsten Trägern finanziert und unterschei- den sich stark in Bezug auf Dauer, Ausstattung und Personal. Die überwiegen- de Anzahl der Einrichtungen legt Wert darauf, dass die Mitarbeiter pädagogi- sches Grundwissen mitbringen. Fortbildungen für die Mitarbeiter werden aller- dings nur von gut der Hälfte der Einrichtungen angeboten. Auffallend ist, dass viele der Kinder, die entsprechende Angebote nutzen, einen Migrationshinter- grund haben und oftmals die Hauptschule besuchen. Die Förderung von Sprachfertigkeiten wird meist als wichtige Aufgabe angesehen. Einige Kinder, die entsprechende Angebote nutzen, befinden sich, oder waren bereits (aus un- terschiedlichen Gründen heraus) in Therapie. Die Integration der außerschuli-schen Hausaufgabenbetreuung in ein Netzwerk bestehend aus Schule, Eltern- haus und/oder anderen Betreuungseinrichtungen gelingt leider meist nur unzureichend. Vor allem die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit den Eltern gestaltet sich oft unerwartet schwierig.

Bevor nun einige theoretische Grundlagen zur pädagogischen Arbeit in außerschulischen Hausaufgabenbetreuungen erörtert werden, erscheint ein kleiner Exkurs in den Themenkomplex Migrationshintergrund und Bildungssystem angebracht, da viele Kinder die entsprechende Angebote nutzen, einen Migrationshintergrund haben.

1.2. Migrationshintergrund und Bildungssystem

„Die Mehrheit der ausländischen Schülerinnen und Schüler wurde in Deutschland gebo- ren und besuchte auch überwiegend vorschulische Einrichtungen in Deutschland. Dennoch sind nach den Daten der Schulstatistik in der Verteilung auf die Schultypen in Sekundarstufe I und II erhebliche Abweichungen zu Deutschen festzustellen (...) Während nur knapp 15% der deut- schen Kinder und Jugendlichen eine Hauptschule besuchten, waren es bei den ausländischen über 40%. Fast die Hälfte der Deutschen (45%) besuchte ein Gymnasium; bei den ausländi- schen Schülerinnen und Schülern war dies nur jede/r Fünfte (21%).“ (Böhmer, 2007, S. 57 f.)

Zur Erklärung des hier beschriebenen Sachverhaltes werden in der Fachli- teratur unterschiedlichste Argumentationslinien verfolgt, die hier nicht in aller Ausführlichkeit wiedergegeben werden können. Dennoch erscheint es auch auf- grund der Erkenntnisse, die neuere Studien zum Thema liefern (PISA, IGLU, etc.; vgl. zu PISA 1.2.1.) und die im Zitat angedeutete Problematik in aller Deut- lichkeit vor Augen führen, angebracht, zumindest einen kurzen Überblick zu ge- ben, bevor eine der verschiedenen Sichtweisen auf die Problemstellung näher erläutert wird. Die folgende schematische Darstellung verschiedener denkbarer Faktoren, die den Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund beein- flussen können, zeigt, welche unterschiedlichen Ansatzpunkte sich je nach Fo- kus des Betrachters ergeben. Einen guten Überblick über die verschiedenen Ansatzpunkte der Erklärungsmodelle liefert Diefenbach (Diefenbach, 2007), aus deren Werk auch folgendes Schaubild zur Verdeutlichung entnommen ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(vgl. Diefenbach, 2007, S. 88)

Die vielfältigen Ansatzpunkte, die dieses Schaubild aufzeigt, liefern inter- essante Anregungen für einen kritischen Blick auf die praktische Arbeit mit Kin- dern mit Migrationshintergrund, sowohl in schulischen als auch in außerschuli- schen Institutionen. In den nachfolgenden Betrachtungen werden vor allem Fra- gen nach sprachlichen Voraussetzungen der Kinder und nach Mechanismen in- stitutioneller Diskriminierung, die bezüglich der Sprachbeherrschung auftreten, im Zentrum stehen. Außerdem soll versucht werden, den Faktor Migrationshin- tergrund nicht nur als Risiko für die Kinder zu verstehen, sondern auch sich dar- aus ergebende Kompetenzen zu erkennen. Zunächst jedoch werden einige Er- gebnisse der verschiedenen Pisa-Studien aus den Jahren 2000, 2003 und 2006 Einblick in die momentane Situation von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem liefern.

1.2.1. PISA - Zahlen, Fakten, Erkenntnisse

„Die Länder, in denen bei zwei Schülern mit unterschiedlichem Hintergrund [gemeint ist der sozioökonomische Hintergrund; F.R.] der größte Unterschied in der zu erwartenden Punktzahl in Naturwissenschaften bestand (steilste sozio-ökonomische Gradienten), waren Frankreich, Neuseeland, die Tschechische Republik, die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Belgien und Deutschland(...).“ (OECD, 2007, S. 37)

Die erste PISA-Studie im Jahre 2000 löste in Politik und Gesellschaft eine breite Diskussion über die zukünftige Gestaltung des Bildungssystems in der Bundesrepublik Deutschland aus, da Deutschland in den untersuchten Berei- chen unter dem Durchschnitt der OECD Länder lag. Die eben zitierte Pisa-Stu- die 2006 zeigt, dass vor allem im Bereich der Chancengleichheit im Bildungs- system noch viel zu leisten ist (eine Erkenntnis, die alle drei Pisa-Studien ver- deutlichen). Die Ursachen für die unterschiedlichen Ergebnisse von einheimi- schen Schülern und solchen mit Migrationshintergrund sind teilweise deshalb in unserem Bildungssystem zu suchen, weil aufgrund der sehr großen Unterschie- de zwischen Kinder mit und ohne Migrationshintergrund Erklärungen durch indi- viduelle Faktoren genauso zu kurz greifen wie kulturelle Erklärungsansätze (die Zugewanderten stammen ja aus den verschiedensten Kulturkreisen). Allerdings kann auch nicht allein das Bildungssystem verantwortlich gemacht werden, es dürfte sich vielmehr um eine Addition verschiedenster Risikofaktoren handeln, die zu den leider oftmals schlechten Ergebnissen von Kindern mit Migrations- hintergrund am Ende ihrer Schullaufbahn führen. An dieser Stelle sei nochmals auf das obige Schaubild verwiesen, das Anhaltspunkte für verschiedene Risiko- faktoren liefert. Unter Einbeziehung der Ergebnisse verschiedener Schulleis- tungsstudien kommt Diefenbach zu einer eher düsteren Beschreibung der Aus- gangslage für Kinder mit Migrationshintergrund:

„Trotz der insgesamt mangelhaften Datenlage lässt sich eine Vielzahl von Nachteilen ge- genüber deutschen Schülern konkretisieren, und zwar sowohl im Bereich vorschulischer institu- tioneller Betreuung als auch in den Bereichen der Primar- und Sekundarschulbildung. (...) Aus- ländische Kinder treten von der Grundschule deutlich häufiger als deutsche Kinder in eine Hauptschule über und deutlich seltener als deutsche Kinder in eine Realschule oder ein Gym- nasium. (...) Kinder und Jugendliche aus Migrantenfamilien haben eine deutlich geringere Lese- und naturwissenschaftliche (und eingeschränkt auch mathematische) Kompetenz als Kinder und Jugendliche aus deutschen Familien, auch wenn sie in Deutschland geboren wurden oder im Ausland geboren wurden, aber ihre gesamte Schullaufbahn in Deutschland durchlaufen ha- ben. (...) Ausländische Kinder besuchen doppelt so häufig Sonderschulen mit Förderschwer- punkt Lernen wie Kinder aus deutschen Familien. (...) Ausländische Jugendliche bleiben deut-lich häufiger als deutsche Jugendliche ohne einen Hauptschulabschluss.“ (Diefenbach, 2007, S. 76 f.)

„(...) in Germany, first-generation students perform relatively better than second-generation students, yet they still perform well below the OECD avera- ge.“ (OECD, 2006, S. 40) Die Aussage der OECD bezieht sich vor allem auf mathematische Fertigkeiten der Schüler (da der Schwerpunkt der Pisa-Studie 2003, auf die sich die Ausführungen beziehen, auf der mathematischen Grund- bildung lag), aber auch auf deren Lesekompetenz (die ebenfalls erfasst wurde). Als first-generation students werden Schüler bezeichnet, die mit ihren Eltern eingewandert sind, als second-generation students gelten jene Schüler, die im Einwanderungsland geboren sind. Vor diesem Hintergrund sind die Erkenntnis- se der OECD umso erschreckender, denn sie zeigen die Benachteiligung von Kindern mit Migrationshintergrund im Schulsystem, die leider auch die in Deutschland geborenen Kinder von Einwanderern betrifft. Während die (mit)zu- gewanderten Kinder noch halbwegs mit den deutschen Schülern mithalten konnten, so werden Kinder, die in Deutschland geboren sind, deren Eltern aber eingewandert sind, mehr und mehr abgehängt. Welcher Faktor aber ist hierfür entscheidend? Das einführende Zitat (vgl. 1.2.) zeigte bereits, dass der Besuch von vorschulischen Einrichtungen allein kein ausreichendes Kriterium zur Erklä- rung liefert. Weitere Hinweise können Aussagen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zu Ergebnissen der Pisa-Studie aus dem Jahr 2000 geben:

„15-Jährige mit einem im Ausland geborenen Elternteil unterscheiden sich in der Bil- dungsbeteiligung kaum von Jugendlichen, deren Eltern beide in Deutschland geboren sind. Sind jedoch beide Eltern zugewandert, so ist die Situation erheblich ungünstiger. Von den Kin- dern mit in Deutschland geborenen Eltern besuchen mehr als 30 Prozent das Gymnasium; in der Gruppe der Kinder, deren Eltern im Ausland geboren sind, beträgt der Anteil nur knapp 15 Prozent. Für den Hauptschulbesuch liegen die entsprechenden Quoten bei etwa 25 und fast 50 Prozent. Diese Unterschiede in den Chancen der Bildungsbeteiligung verschwinden, wenn man die Lesekompetenz der Schülerinnen und Schüler kontrolliert. Vergleicht man also Jugendliche, die ähnlich gut lesen können, ist keine Benachteiligung von Kindern aus Zuwanderungsfamilien mehr zu beobachten. Demnach ist für diese Gruppe die Sprachkompetenz die entscheidende Hürde in ihrer Bildungskarriere.“ (Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, 2002, S. 13)

Anknüpfend an diese Erkenntnis des Max-Planck-Instituts für Bildungsfor-schung wird im Folgenden eine kritische Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Schulsystem und Sprache vorgenommen werden.

1.2.2. Schulsystem und Sprache

„In many immigrant families, however, using another language at home may indicate a situation of inadequate integration where parents do not have the skills necessary to assist with homework or students have not mastered the language of instruction because of limited exposure to it in their personal lives. These two factors may have a negative effect on students’ ability to learn in the language of instruction.“ (OECD, 2006, S. 46)

Dieses Zitat der OECD zur Pisa-Studie 2003 weist bereits auf ein Problem hin, das für das in dieser Arbeit zu beschreibende Themengebiet relevant ist. Einige Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund verfügen nicht über die nö- tige sprachliche Kompetenz, um ihre Kinder ausreichend bei der Bewältigung der Hausaufgaben unterstützen zu können. Ein Problembereich, der nicht durch die außerschulische Hausaufgabenbetreuung zu bewältigen ist. Um so ent- scheidender scheint es zu sein, die Kinder frühzeitig an die Landessprache her- anzuführen. Hier sind vor allem Programme in Vorschuleinrichtungen und Grundschulen zur gezielten Förderung von Deutschkenntnissen gefragt. Dabei darf aber nicht die Muttersprache von Kindern mit Migrationshintergrund ins Ab- seits geraten. Aus einer erweiterten Perspektive auf den Problembereich stellt sich hier die Frage nach den Mechanismen, die zur Selektion von Geeigneten in unserem Schulsystem am Werke sind (vgl. hierzu auch 2.2.3.). In Anlehnung an die diversen Pisa-Studien drängt sich die Vermutung auf, dass sprachliche Faktoren als zentral für den zu erwartenden Bildungserfolg angesehen werden müssen, wie es verschiedene Autoren (vgl. auch Zitat des Max-Planck-Institus 1.2.1.) und die OECD nahelegen.

„Als entscheidend für den geringeren Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern aus Familien mit Migrationshintergrund werden (...) nicht die sozio-kulturellen, sondern die sprachlichen Faktoren angesehen. So wird ausdrücklich betont, dass für Benachteiligungen in der Bildungsbeteiligung von Schülerinnen und Schülern aus Zuwandererfamilien weder primär deren soziale Lage noch eine eventuell vorhandene kulturelle Distanz verantwortlich sei, sondern vielmehr ‚die Beherrschung der deutschen Sprache auf einem dem jeweiligen Bildungsgang angemessenen Niveau‘ (...).“ (Siebert-Ott in Auernheimer, 2006, S. 145)

Allerdings gibt es auch andere Sichtweisen auf diesen Problemkomplex:

„Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich zutreffend, wenn die Förderung der Deutsch- kenntnisse als dringlichste Aufgabe betrachtet wird, wenn es darum geht, die Bildungsbeteili- gung und den Bildungserfolg von Kindern aus Migrantenfamilien zu fördern. (...) Bereits zu die- sem Zeitpunkt zeichnet sich in der empirischen Forschung von Sozialwissenschaftlern unter- schiedlicher Disziplinen ab, dass die Erklärungskraft von Erklärungen, die auf die individuellen Merkmale von Migranten und ihrer Familien, allem voran ihre sozioökonomische Situation und die mangelhaften Deutschkenntnisse, rekurrieren, überschätzt worden ist.“ (Diefenbach, 2004, S. 249 f.)

Hier wird auf die bereits im obigen Schaubild (vgl. 1.2.) dargestellte An- nahme verwiesen, dass über individuelle und sozioökonomische Merkmale hin- aus, Mechanismen institutioneller Diskriminierung im Bildungssystem vermutet werden, da sich zeigt, dass nicht allein schlechte Deutschkenntnisse als Erklä- rung, beispielsweise für die sehr unterschiedlichen Übertrittsraten an höhere Schulen, ausreichend sind. Unter institutioneller Diskriminierung ist eine von Entscheidungsträgern unabhängige Benachteiligung bestimmter Gruppen von Individuen zu verstehen, die bereits in der organisatorischen Struktur der Insti- tution angelegt ist. Zur Verdeutlichung vermuteter Mechanismen institutioneller Diskriminierung im Schulsystem ein etwas ausführlicheres Zitat:

„Ein Beispiel für direkte institutionelle Diskriminierung als Resultat formaler Regeln ist die Einschulung von Kindern mit Migrationshintergrund in separate Vorbereitungsklassen, damit sie dort ihre Kenntnisse der Unterrichtssprache verbessern können. Als Variante direkter institutio- neller Diskriminierung, die eher aus informellen Praktiken in einer Organisation resultiert, lässt sich etwa die zur Gewohnheit gewordene Praxis in einer bestimmten Schule, Kinder mit Migrati- onshintergrund - unter Umgehung der rechtlichen Bestimmungen - bei der Einschulung aus- schließlich zum Spracherwerb in den Schulkindergarten zurückzustellen, begreifen. Indirekte Diskriminierung als Kumulationseffekt einzelner organisatorischer Entscheidungen in der Schul- karriere eines Kindes liegt beispielsweise vor, wenn Migrantenkinder aufgrund der nicht alters- gemäßen Beherrschung der Unterrichtssprache und vermeintlich kulturbedingter Mängel in der Schuleingangsphase zurückgestellt werden (z. B. in den Schulkindergarten, Kindergarten oder in eine Vorbereitungsklasse) und die daraus resultierende Stigmatisierung als Problemfall und die ‚Überalterung‘ im weiteren Prozess der Leistungsselektion in der Grundschule das Risiko für eine Umschulung auf eine Sonderschule steigert.“ (Gomolla, 2005, S. 6 f.)

Unabhängig davon, welchen Standpunkt man in der Bewertung möglicher Ursachen für den geringeren Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshinter- grund einnimmt, leuchtet wohl ein, dass die Grundvoraussetzung für erfolgrei- ches Lernen in der Schule die Beherrschung der Unterrichtssprache ist. Inwie-

weit Sprache wiederum ein geeignetes Auswahlkriterium für Entscheidungen zur weiteren Schullaufbahn eines Schülers ist, muss zumindest kritisch hinterfragt werden. Für Kinder mit Migrationshintergrund kann dies zum benachteiligenden Faktor werden, vor allem dann, wenn es nicht gelingt, in den vorschulischen Einrichtungen und in der Grundschule die nötigen sprachlichen Kompetenzen zu vermitteln. Hier sind sicherlich noch erweiterte staatliche Maßnahmen vonnöten, dass es sich hierbei um doppelt gut angelegtes Geld handelt, ist offensichtlich, wenn man bedenkt, wie hoch die Anforderungen an Auszubildende und Mitarbeiter auf dem heutigen Arbeitsmarkt sind.

„Die durch PISA (...) belegte Differenz zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrations- geschichte wird noch einmal kontruiert, wenn man die Schülerinnen und Schüler betrachtet, die beim Leseverständnis die unterste Kompetenzstufe I nicht erreichen, die daher - was ihr erwor- benes Leseverständnis angeht - kaum ausbildungsfähig sind. Diese Gruppe wird in den deut- schen PISA-Veröffentlichungen als ‚Risikogruppe‘ bezeichnet. Während bei den Jugendlichen, bei denen beide Eltern oder zumindest ein Elternteil in Deutschland geboren wurden, knapp 10% diese Kompetenzstufe nicht erreichen, galt dies für 20% aus der Gruppe, in der beide El- tern nicht in Deutschland geboren wurden (...). Diese Werte liegen jeweils in der Nähe der Quo- ten derer, die keinen Schulabschluss erwerben (Deutsche: 8,5%, Ausländer: 17,9%).“ (Klemm in Karakaşoğlu, 2004, S. 210)

1.2.3. Migrationshintergrund als Risikofaktor und als Kompetenz

Die bisher gemachten Ausführungen verleiten sicherlich dazu, den Migra- tionshintergrund von Kindern als Risikofaktor für ihre Entwicklung und Schullaufbahn innerhalb der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland an- zusehen. Dieses Bild bedarf zumindest teilweise einer Korrektur, weshalb im Folgenden der Migrationshintergrund auch als Kompetenz dargestellt werden soll. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass im deutschen Bildungssystem der Faktor Migrationshintergrund tatsächlich einen Risikofaktor bezüglich der Erfolgswahrscheinlichkeit darstellt. Ich denke das ist durch die beiden vorange- henden Unterkapitel klar geworden.

[...]

Fin de l'extrait de 132 pages

Résumé des informations

Titre
Außerschulische Hausaufgabenbetreuung als pädagogische Situation zwischen Ausbildung und Auslese
Université
University of Augsburg  (Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Note
1,0
Auteur
Année
2008
Pages
132
N° de catalogue
V144830
ISBN (ebook)
9783640585052
ISBN (Livre)
9783640585267
Taille d'un fichier
2523 KB
Langue
allemand
Mots clés
Außerschulische, Hausaufgabenbetreuung, Situation, Ausbildung, Auslese
Citation du texte
Florian Rößle (Auteur), 2008, Außerschulische Hausaufgabenbetreuung als pädagogische Situation zwischen Ausbildung und Auslese, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/144830

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