Moscheenbau im Konflikt

Ein Beitrag zur Religionsgeographie am Beispiel von Berlin-Heinersdorf


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2008

94 Páginas, Calificación: 2


Extracto


Inhalt

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Religionsgeographie
2.1 Definition der Religionsgeographie
2.2 Moscheen und ihre religiöse Funktion
2.3 Die muslimische Zuwanderung
2.4 Die verschiedenen Religionsgemeinschaften in Berlin
2.4.1 Christliche Gemeinden
2.4.2 Buddhistische Gemeinde
2.4.3 Jüdische Gemeinde
2.4.4 Muslimische Gemeinden
2.5 Die räumliche Beziehung und die Interaktion der Religionsgemeinschaften untereinander im Berliner Raum
2.5.1 Räumliche Verteilung der Religionsgemeinschaften in Berlin

3 Warum kommt es bei einem Moscheebau zum Konflikt? – Differenzierung des Konfliktbegriffs und die Konfliktursachen
3.1 Definition des Konfliktbegriffs
3.2 Konfliktursachen allgemein
3.3 Konfliktaustragung und Konfliktverlauf
3.4 Konfliktakteure und Lösungsstrategien
3.4.1 Religionsgemeinschaften
3.4.2 Staatliche Institutionen
3.4.3 Politische Akteure
3.4.4 Lokale Medien

4 Der Moscheebau-Konflikt in Berlin - Heinersdorf
4.1 Topographische Lage Heinersdorfs
4.2 Bevölkerungsstruktur
4.3 Sozialstruktur
4.4 Soziale Infrastruktur
4.5 Der Verlauf des Heinersdorfer Moscheebau-Konflikts
4.6 Die Akteure in Berlin-Heinersdorf Moscheebau-Konflikt
4.6.1 Die Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland e. V
4.6.2 Ev. Kirchengemeinde Heinersdorf
4.6.3 Kirche Alt-Pankow
4.6.4 Bürgerinitiativen
4.6.5 Parteien und Behörden
4.6.6 Bezirksverordnetenvorsteher
4.6.7 Bezirksbürgermeister
4.6.8 Die Presse
4.7 Konfliktursachen des Heinersdorfer Moscheebau-Konflikts
4.7.1 Städtebaulicher Konflikt
4.7.2 Der ethnisch-kulturelle Konflikt
4.8 Bewertungen des Konfliktes
4.9 Zusammenfassung: Der Heinersdorfer Moscheebau-Konflikt als Beispiel eines symbolischen Konfliktes

5 Ausblick: Erkenntnisse im Umgang mit dem Fremden

6 Literatur

I. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Entwicklung der Einwohner aus islamisch geprägten Ländern in Berlin 1960-2006

Tabelle 2: Moscheen-Vergleich unter acht deutschen Städten

Tabelle 3: Entwicklung der Moscheen in Berlin von 1930-2008

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Elemente einer Moschee

Abbildung 2: Die erste Moschee in Deutschland

Abbildung 3: Statistik der 84 Berliner Moscheen

Abbildung 4: Einwohner mit Migrationshintergrund nach Bezirken

Abbildung 5: Sichtbare Moscheen in Berlin

Abbildung 6: Verteilung der Moscheen in Berlin

Abbildung 7: Moscheen-Verteilung im Stadtbezirk Kreuzberg

Abbildung 8: Moscheen-Verteilung im Stadtbezirk Neukölln

Abbildung 9: Moscheen-Verteilung im Stadtbezirk Wedding

Abbildung 10: Moscheen-Verteilung nach Bezirken 2008

Abbildung 11: Räumliche Verteilung von Gebetsstätten verschiedener Religionsgemeinschaften in Berlin

Abbildung 12: Kartenausschnitt von Berlin-Heinersdorf

Einleitung

„Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, so sie professieren, ehrliche Leute sind; und wenn die Türken und Heiden kämen und wollten das Land pöplieren [bewohnen], so wollten wir sie Moscheen und Kirchen bauen.“ (Friedrich der Große) (zitiert in Spiegel Special 2/2008)

Neben den beiden großen christlichen Glaubensgemeinschaften hat sich der Islam im Laufe der Zuwanderung von Arbeitnehmern und Flüchtlingen zu der drittgrößten Glaubensgemeinschaft in Deutschland entwickelt. In den 1960er Jahren zählte man noch rund zwei Millionen Muslime, nun sind es mehr als drei Millionen. Vor einem Jahrzehnt war der Hauptansprechpartner der islamischen Glaubensgemeinschaft die türkische Religionsbehörde, inzwischen hat sich dies verändert. Es gibt nun verschiedene Glaubensgemeinschaften, die ihre Moscheen besuchen: arabische, marokkanische oder bosnische Einwanderer, um nur einige Beispiele zu nennen. Die hier aufgewachsenen Muslime der dritten Generation möchten, dass die Moscheen aus den Hinterhöfen herauskommen und sich architektonisch im Stadtbild präsentieren.

„Dass in mehr und mehr Moscheegemeinden Deutsch zur Verkehrssprache wird, ist ebenfalls ein Zeichen, dass der Islam längst eingebürgert ist.“ (Piening 2006: 4)

Meine Absicht ist es mit dieser Arbeit – gerade in einer Zeit, in der die Muslime nicht selten unter Generalverdacht stehen –, die Konflikte genauer zu analysieren. Durch das Recht der freien Religionsausübung ist es allen Religionsgemeinschaften möglich, Gebetsräume, Gebetshäuser zu errichten. Ihnen wird dadurch das Recht eingeräumt, repräsentative Bauten zu errichten. Aber warum kommt es dann bei einem Moscheebauvorhaben zu Konflikten? Es handelt sich hierbei um einen Konflikt zu einem mittlerweile begonnenen und bald endenden Moscheeneubau in Berlin-Heinersdorf, die erste Moschee mit Minarett im Osten Berlins. Wir leben in einem multiethnischen und multikulturellen Land. Bei einem Spaziergang durch die Großstädte in Deutschland, wie z. B. Berlin, München oder Köln, findet man überall Anzeichen unterschiedlicher Kulturen. Verschleierte Frauen, Moscheen und Imbissbuden mit unterschiedlich fremd klingenden Namen sind nur einige Beispiele. Meines Erachtens sind diese Einflüsse nicht mehr als „fremd“ zu bezeichnen, man kann sagen, dass sie zum Alltagsleben in Deutschland dazugehören (Tibi 2000: 88). Aufgrund dieser unterschiedlichen kulturellen Begegnungen halte ich es für sehr wichtig, dass sich die Kulturen untereinander austauschen, um so den Dialog zu stärken und Ängste voreinander abzubauen. Auch müssen sich Führer aller großen und kleinen Religionsgemeinschaften entschlossen zu ihrer Verantwortung für Frieden, Nächstenliebe und Gewaltlosigkeit, für Versöhnung und Vergebung aussprechen: das heißt alle Religionen der Welt haben heute Mitverantwortung für den Weltfrieden zu tragen (Rinschede 1999: 127). Im Laufe der Arbeit wird die Wichtigkeit der Dialoge untereinander immer wieder deutlich.

Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt darin, den Moscheebau-Konflikt in Berlin-Heinersdorf zu analysieren, um Erkenntnisse zu gewinnen, die für zukünftige Moscheebau-Konflikte deeskalierend wirken können. Ich verfolge das Ziel, vorerst allgemeine Fragestellungen zum Thema Islam und Moschee zu klären. Im anschließenden Teil geht es dann um die Analyse des Konflikts. Diese Anordnung entspricht letztlich eher einem hermeneutischen Verstehprozess, in dem sich das Verständnis des Moschee­‑ bezogenen Konfliktes erschließt.

Diese Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur religions- und städtegeographischen Konfliktforschung, doch aufgrund des Facetten-

reichtums des hier behandelten Themas ist der Rückgriff auf die Sozialwissenschaften erforderlich. Ich werde raumbezogene Aspekte des Konfliktes angemessen herausarbeiten, was weder eine Vernachlässigung noch eine Überbetonung raumbezogener Aspekte der Konflikte bedeuten kann. Dabei lässt sich die Arbeit, je nach Lesart, mehr der politischen Geographie bzw. einer inhaltlich konfliktorientierten Sozialgeographie oder „unmittelbar“ einer interdisziplinären (Friedens- und) Konfliktforschung zuordnen.

2 Religionsgeographie

2.1 Definition der Religionsgeographie

Die Religionsgeographie ist nach Lanczkowski (1980) und Hoheisel (1986,1988) eine Disziplin der Religionswissenschaften oder nach Büttner (1985) ein interdisziplinäres Arbeitsgebiet zwischen Geographie und Religionswissenschaften.

Sie beschäftigt sich verstärkt mit den Einflüssen des Raumes, d. h. den Einflüssen geographischer Faktoren auf die Religionen, sowie mit der Verbreitung religiöser Vorstellungen und Gruppen (Rinschede 1999: 20f). Überwiegend gilt die Religionsgeographie, als Teilgebiet der Geographie, den Einflüssen der Religionen und Religionsgemeinschaften auf den geographischen Raum. Im Bezug darauf ist die interdisziplinäre Auffassung der Religionsgeographie, welche zwischen Geographie, Religionswissenschaften, Soziologie oder Politikwissenschaften steht, auch durch den gegenseitigen Einfluss von Religion und Raum gekennzeichnet. Neben den räumlichen Auswirkungen religiöser Vorstellungen umfasst sie auch die Auswirkungen von säkularen Einstellungen und Weltbildern auf räumliche Strukturen und Prozesse. Die Religionsgeographie hat auf breiter Front soziologische Theorieansätze rezipiert und unter dem Aspekt der Relevanz von Räumlichkeit weiter ausgebaut.

Religionsgeographische Themen nehmen kontinuierlich an Bedeutung zu und sind unübersehbar in unseren Medien und unserer Gesellschaft präsent.

Wir leben in einer Zeit, in der sich die Globalisierung intensiviert. Damit ist die Vernetzung der ökonomischen, ökologischen, politischen und sozialen Entwicklung verbunden. Aufgrund des wirtschaftlichen Ungleichgewichtes, der sozialen Unterschiede, aber auch der politischen und religiösen Unterdrückungen finden auf allen Kontinenten umfangreiche Wanderbewegungen statt. So entwickeln sich in vormals einheitlichen Gesellschaften ethnische und religiöse Minderheiten. Nach Vossen (2003: 5) haben sich auch in der Bundesrepublik Deutschland plurale Gesellschaften gebildet.

Von der Bevölkerung verlangen solche Gesellschaften ein hohes Maß an Kenntnis, Verständnis, Toleranz und Weltsicht. Unterschiedliche Interessen werden anerkannt. Aufgrund der zunehmenden gesellschaftlichen Pluralität wird dieses in Zukunft an Bedeutung gewinnen, da die Probleme der Integration immer drängender werden.

In diesem Kontext bezieht sich diese Arbeit auf einen Moscheebau-Konflikt in Berlin-Heinersdorf. Aufgrund der fehlenden pluralen Gesellschaften in dem Ort kam es zu räumlichen Konflikten. In Bezug darauf ist es weniger wichtig, ob der Bau genehmigt wurde oder nicht, sondern vielmehr geht es um die negativen Reaktionen der sozialen Umwelt.

Mit diesen Problemen wird unsere Gesellschaft auch in Zukunft unvermeidlich konfrontiert. Von daher muss die Gesellschaft lernen, mit solchen Herausforderungen umzugehen.

Nach Thomas Schmitt (2003: 124) erfordern ethnisch-kulturelle Konflikte einen Blick auf die spezifischen und dabei in hohem Maße differenten Lebenssituationen der beteiligten Konfliktparteien, in diesem Falle Muslime und Nichtmuslime.

Als gesellschaftlicher Pluralität gewachsen und Musterbeispiel multikulturellen Zusammenlebens stellt Michael Kemper, Pfarrer der Katholischen Gemeinde „Peter und Paul“ in Duisburg-Marxloh, das Gebiet Duisburg-Marxloh vor. In Marxloh wurde die größte Moschee Deutschlands errichtet. Auf die Frage, ob es beim Bau der größten Moschee Deutschlands zu Protesten kam, antwortet der Pfarrer auf einer Podiumsdiskussion am 10. September 2008 in der Katholischen Akademie in Berlin: „Nein im Gegenteil, die Bewohner waren begeistert und schwärmen auch im Nachhinein über die architektonische Schönheit der erbauten Moschee.“ Auf die Frage, warum es so komplikationslos ablief, antwortet er: „Die türkische Gemeinde hat die christlichen Kirchen und die Einwohner von vornherein in die Planung mit einbezogen. Abgesehen davon kamen die Einwohner zu mir und ließen sich von mir über den islamischen Glauben aufklären.“ Anhand dieses Beispiels lässt sich erkennen, dass die Bevölkerung oder der Einzelne ihre mangels Informationen entstandenen Ängste auf diese Weise abgebaut hat. Mit den in diesem Kontext gewonnenen Grundlagen lässt sich dann ein leichteres Verständnis für die wachsende Reichhaltigkeit der Kultur im Nah- oder Heimatraum gewinnen.

Viele Menschen bemühen sich um Toleranz und Verständnis den Muslimen und ihrer Religion gegenüber.

Religiöse Konflikte sind heute und werden auch in der Zukunft ein bedeutendes Aufgabenfeld der Religionsgeographie darstellen.

Von daher halte ich es für wichtig, vorerst den Konfliktgegenstand „Moschee“ darzustellen und anschließend die Entwicklung der muslimischen Zuwanderung nach Deutschland zu thematisieren.

2.2 Moscheen und ihre religiöse Funktion

In diesem Abschnitt soll in knapper Form der Gegenstand des Konfliktes, die Moschee, allgemein dargestellt werden.

Die Anfänge der Moschee als Orte des Gebetes gehen auf die Zeit Mohammeds zurück. In seiner Bedeutung heißt sie im arabischen „Masdjid“, „Der Ort, an dem man sich zum Gebet niederwirft“ (Rinschede 1999: 149). Die erste Moschee wurde zu Lebzeiten des Propheten Mohammeds um 624 nach Chr. in Medina errichtet, in der Mohammed regelmäßig mit weiteren Muslimen die täglichen Gebete verrichtete. Die Gebetsrichtung war und ist heute noch in Richtung der Kaaba (ein Ort in Mekka) gerichtet. Die Moschee diente zu dieser Zeit nicht nur als Gebetsort, sondern auch als politisches und militärisches Zentrum muslimischer Bevölkerung (Rinschede 1999: 150). Hier wurden muslimische und nichtmuslimische Besucher empfangen und Gespräche gehalten. Die Entwicklung der Moscheen nahm ihren Ausgangspunkt in der ersten Moschee in Medina. Was ihre heutige Ausstattung anbelangt, kristallisierten sich mehrere Elemente heraus, die in den Moscheen überall auf der Welt wieder zu finden sind. Trotz ihrer architektonisch unterschiedlichen Stile existieren in jeder Moschee feste Elemente (siehe Abbildung 1). In knapper Form sollen diese Elemente vorgestellt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: www.wshoffmanns.de)

1- Mihrab (Gebetsnische):
Mit ihrer fest angelegten Gebetsrichtung zur Kaaba befindet sich der Mihrab als vertiefte Nische an dem vorderen Abschluss der Moschee. Alle Muslime richten sich in der Moschee nach dem Mihrab, in dem der Imam vorbetet.
2- Minbar (Kanzel): Sie befindet sich immer auf der rechten Seite des Mihrabs. Sie ist ausgerichtet mit mehreren Stufen, die bei einem Freitagsgebet vom Imam oder einem Beauftragten für eine Predigt bestiegen wird.
3- Kursi (Vorlesepult): Sie wird zur Ablage eines Koran-Exemplars verwendet. Meistens wird sie vor dem Gebet oder ggf. nach dem Gebet von einem Exegeten für eine Auslesung aus dem Koran benutzt.
4- Dikka (Estrade): Die Dikka befindet sich meistens in großen Moscheen. Sie ist in ihrer Form erhöht, damit auch die in der hintersten Reihe stehenden oder sitzenden Zuhörer den Imam hören und sehen können.
5- Reinigungsbrunnen: Der Brunnen befindet sich meistens in dem Innenhof einer Moschee und dient zur Waschung vor dem Gebet.
6- Minarett: Es dient als Ausrufungspunkt für den Muezzin, der vor Erfindung der Lautsprecher auf das Minarett stieg und gut hörbar sein musste. Heute sind an dem Minarett mehrere Lautsprecher befestigt, so braucht der Muezzin für den Gebetsruf nicht bis nach oben zu steigen (Rinschede 1999:151).

Der Boden einer Moschee ist überall mit Teppichen bedeckt und darf nicht mit Schuhen betreten werden, weil der Ort, an dem das Gebet verrichtet wird, sauber sein muss (vgl. Hiller 1974). Die Innenwände einer Moschee sind meistens gefliest und die Fliesen sind mit Kalligraphen[1] beschriftet. Was das Personal der Moschee anbelangt, besteht es aus dem Imam (Vorbeter), dem Hoca (Lehrer) und einem Muezzin (Ausrufer). Der Imam kennzeichnet sich durch seine gute Vertrautheit mit den Versen des Korans und gilt für die Gläubigen als Vorbeter (Watt/Welch 1980: 294). Damit ein Imam staatlich anerkannt wird, muss er ein Theologie-Studium abgeschlossen haben. Der Imam hält jeden Freitag eine Predigt, die politische, ethische oder auch soziale Themen beinhalten kann. Doch unter der Bevölkerung bedeutet Imam, jemand, der vorne steht und das gemeinsame Ritualgebet leitet. Daraus erschließt sich, dass jeder ein Imam sein und somit das Ritualgebet leiten kann, die Voraussetzung ist allerdings, dass derjenige, der das Gebet leitet, den Gebetsablauf und den dabei zu rezitierenden arabischen Text kennt. Der Hoca (Lehrer) erteilt in den dazugehörigen Räumen der Moschee Koranunterricht. In der Alltagssprache sind die Begriffe Imam und Hoca synonym. Auch der Hoca muss ein Theologiestudium absolviert haben. Der Muezzin hat die Aufgabe, die gläubigen Muslime mit dem Gebetsruf zum Gebet zu versammeln. Im Prinzip übernimmt der Gebetsruf die Aufgabe etwa einer Glocke der Kirche (vgl. Abdullah 1993), allerdings wurde der Gebetsruf zu Mohammeds Zeiten bewusst mit einer menschlichen Stimme gewählt, da er in seinem Text Gläubige zum Gebet auffordert. Der Muezzin muss kein Theologiestudium absolviert haben.

Der Stellenwert der Moschee in der islamischen Tradition:

Der Stellenwert der Moschee wird im Islam sehr hoch eingestuft.

In einem Interview mit dem Imam der Berliner Sehitlik Moschee am Columbiadamm, wird der Stellenwert der Moschee im Islam wie folgt beschrieben: „Das Gemeinschaftsgebet in der Moschee fördert das gegenseitige Kennenlernen der Muslime. Oft schon wurden neue Bekanntschaften und Freundschaften zwischen Gläubigen angeknüpft, weil sie sich in der Moschee kennen lernten. Auch erfährt dort mancher Gläubige von den Problemen seiner Glaubensgeschwister und Nachbarn, wenn er sich nach dem Gebet nach ihrem Befinden erkundigt.“

In einem Hadith (Worte des Propheten Mohammeds) sagt Mohammed: „Wer eine Moschee baut, dem wird Gott im Paradies ein ähnliches Bauwerk verrichten“ (Rassoul 1997: 115). Die Moschee dient im Islam als ein Ort des gemeinsamen Betens, was einen noch größeren Wert darstellt als das Beten allein. In Bezug darauf besagt ein Hadith: „Das Gemeinschaftliche Gebet ist siebenundzwanzigmal besser als das Gebet des einzelnen" (Rassoul 1997: 123). Besonders betont wird im Islam die Bedeutung des Freitagsgebets, welches gemeinsam in der Moschee verrichtet werden muss: „Wenn jemand die große Waschung verrichtet und sich zur ersten Stunde (gemeint ist damit früher als die angegebene Mittagszeit) zum Gebet begibt, so ist es, als hätte er ein Kamel als Opfer dargebracht (…)“ (Rassoul 1997: 151).

2.3 Die muslimische Zuwanderung

Im Folgenden soll ein kurzer geschichtlicher Rückblick auf die Zuwanderung von Muslimen nach Deutschland gegeben werden. Dieses ermöglicht auf die am meisten gestellte Frage über die Anfänge muslimischen Lebens eine Antwort zu geben. Anbei soll auch an die Entwicklung der nicht gerade leicht zu beschreibenden Gemeindestruktur der Muslime in Deutschland angeknüpft werden.

Meistens verbindet man die Arbeitsmigration der sechziger und siebziger Jahre mit dem heute in Deutschland verbreiteten Islam. Doch wenn man einen Blick in die Geschichte wirft, zeigt sich, dass der Islam in Deutschland bereits Ende des 17. Jh. begann. Mit der Belagerung 1683 vor Wien kamen muslimische Gefangene nach Deutschland und lebten und starben dort. 1739 wurde die erste Moschee Deutschlands am langen Stall in Potsdam für 22 türkische Gardesoldaten, die im Dienste des Preußenkönig Friedrich Wilhelm des I. standen, errichtet. Um 1763 begann die ständige Präsenz der osmanischen Gesandtschaften in Deutschland.

Von ihren Nachfahren ist nichts weiter bekannt. Die Preußenkönige unterhielten freundschaftliche Beziehungen zum Osmanischen Reich. Als der dritte osmanische Gesandte, Ali Aziz Efendie, am 29.10.1798 in Berlin verstarb, wurde von dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) zu seiner Bestattung ein Gelände in Berlin-Tempelhof zur Verfügung gestellt. Bis 1854 wurden dort vier weitere Botschaftsangehörige beerdigt. 1866 musste der Friedhof einem Kasernenbau weichen. Somit wurden die Gräber der verstorbenen muslimischen Diplomaten zu ihrem heutigen Ruheplatz in Berlin-Neukölln überführt. Aufgrund dieser Gräber ging dieses neue Gelände in den Besitz des Osmanischen Reiches als Geschenk über. Rund 100 Jahre lang, bis zur Schließung des Friedhofs wegen Überfüllung – Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts –, wurden dort nicht nur Bürger des Osmanischen Reiches oder der späteren Republik Türkei bestattet, sondern Muslime aller Nationalitäten.

Im Ersten Weltkrieg kämpfte das Osmanische Reich auf Seiten des Deutschen Reiches.

1915 ließ Kaiser Wilhelm II. (1888-1918) auf Anregungen des Oberhaupts der osmanischen Richterschaft in Istanbul, in Wünsdorf bei Zossen, nahe Berlin, eine Moschee aus Holz für die mohammedanischen multinationalen Kriegsgefangenen bauen (Siehe Abbildung 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Moschee in der Brienner Straße in Berlin-Wilmersdorf zogen viele Studenten und Akademiker aus den östlichen und südlichen Ländern Europas nach Berlin. Das islamische Gemeindeleben entfaltete sich, viele deutsche Konvertiten schlossen sich an. Diese Gemeinde setzte sich als Ziel, das Verständnis für den Islam zu verbreiten und zu fördern. Es erschienen zahlreiche deutschsprachige Publikationen im Verlag dieses Vereins. Um 1939 folgte dann die erste deutsche Koranübersetzung von ihrem Imam, Maulana Sadr-ud-Din.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Wilmersdorfer Moschee zum größten Teil beschädigt. Wenige Monate nach Kriegsende wurde sie wieder aufgebaut.

Ab 1961 nahm die Zahl der Muslime durch das Anwerbeabkommen immer mehr zu. Tabelle 1 zeigt die Entwicklung der Muslime in Berlin von 1960 – 2006. In Deutschland besteht keine Angabepflicht bezogen auf die Religionsangehörigkeit. Die Basis für die Schätzungen der Muslime im Lande bilden die Zahlen von Einwanderern aus islamischen Ländern. Von daher liegen nur Schätzungen vor. Als Grundlage wird die „Ausländerstatistik“ herangezogen. Es entwickelten sich verschiedene Vereinigungen, Organisationen und Dachverbände, die den Anspruch erheben, im Namen der Muslime zu sprechen, welche je nach ihrem Herkunftsland und/oder Gesichtspunkt verschiedene Ansichten zur Ausübung des islamischen Glaubens vertreten. Da die muslimischen Gemeinden nicht wie die christlichen Kirchen oder jüdischen Gemeinden als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt ist, entwickelte sich eine schwer durchschaubare und darzustellende Vereinslandschaft. Allerdings organisierten sich in Deutschland bzw. Berlin nicht nur muslimische Gemeinden, sondern auch eine Vielzahl anderer Religionsgemeinschaften, wie z. B. jüdische, buddhistische etc. Dieses bestätigt noch einmal die Aussage von Vossen (2003), dass sich Deutschland besonders nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer pluralen Gesellschaft entwickelt hat. Ein friedliches Zusammenleben in einer solchen multikulturellen und multiethnischen Gesellschaft setzt eine gute Interaktion sowohl zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften als auch innerhalb der Bevölkerung voraus.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4 Die verschiedenen Religionsgemeinschaften in Berlin

Im Folgenden werden die verschiedenen christlichen, jüdischen, hinduistischen/buddhistischen und muslimischen Glaubens-gemeinden in Berlin dargestellt. Die Interaktion zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften ist in einem multikulturellen Raum besonders wichtig. Dieses wird sich auch in späteren Abschnitten dieser Arbeit immer wieder bestätigen. Auch wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht religiös gebunden ist, ist Berlin durch vielfältige Religionen geprägt. Rund 40 % der Berliner Bevölkerung gehören den christlichen Kirchen an, 5,9 % bekennen sich zum Islam und knapp 11.000 Mitglieder zählen derzeit zur jüdischen Gemeinde zu Berlin. Auch hinduistische/buddhistische Gemeinden sind in Berlin vertreten.[2]

2.4.1 Christliche Gemeinden

1,38 Mio. Berliner sind als Christen gemeldet und gehören den 44 verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften an. Dieses macht rund 40 % der Berliner Bevölkerung aus. Mit über 750.000 Mitgliedern gilt die Evangelische Kirche als die mitgliedstärkste in Berlin, danach folgt die Katholische Kirche des Erzbistums Berlin, welche knapp 300.000 Mitglieder zählt. Der restliche Teil der 1.38 Mio. Christen gehört einer Vielzahl von anderen christlichen Glaubensgemeinschaften an.

2.4.2 Buddhistische Gemeinde

Die buddhistische Glaubensgemeinschaft hat ihre Wurzeln in Nordindien und ist etwa 2560 Jahre alt. In Berlin ist sie mit ca. 1400 Mitgliedern vertreten, welche 4 Tempel besitzen. Vorwiegend kommen sie aus Taiwan.

2.4.3 Jüdische Gemeinde

Die als Einheitsgemeinde organisierte jüdische Gemeinde besitzt in Berlin sieben Synagogen. Sie verzeichnet derzeit ca. 11.000 Mitglieder. Allerdings gehören nicht alle Juden einer Gemeinde an. Es gibt auch hier, wie in den anderen Religionen unterschiedliche Glaubensgemeinschaften. Laut Aussagen der AJC (American Jewish Committee) – auch bedingt durch die Zuwanderung von russischen Juden – ist Berlin die derzeit am schnellsten wachsende jüdische Gemeinschaft.

2.4.4 Muslimische Gemeinden

Da es sich in der Arbeit um einen Moscheebau-Konflikt handelt, werde ich die muslimischen Religionsgemeinschaften in Deutschland und in Berlin im Besonderen erläutern. Zum Abschluss des Abschnittes folgt in Abbildung 3 eine Statistik, in der 84 Berliner Moscheen erfasst worden sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierten sich die Muslime zunächst in kleinen Moscheengemeinden, um die Bedürfnisse der in Deutschland lebenden Muslime zu decken. In den 80er Jahren wurden dann größere Dachverbände und Organisationen gegründet, die den deutschen Verwaltungsanforderungen entsprachen. Deshalb werden in Berlin Moscheen vorwiegend von Vereinen getragen. Zu erwähnen ist noch, dass die Zugehörigkeit zu einem Moscheeverein oder einer Organisation für einen Muslim nicht zwingend notwendig ist. Seit 1973 schlossen sich zahlreiche islamische Vereine zu Dachverbänden in Berlin und deutschlandweit zusammen.

Die fünf wichtigsten Dachverbände auf Landesebene

DITIB „Diyanet Ísleri Türk Íslam Birligi“ (Türkisch islamische Union der Anstalt für Religion e. V.)

Sie ist die größte türkische islamische Organisation in Deutschland. Mit ihrem Hauptsitz in Köln wurde sie 1982 gegründet. Sie steht über das Präsidium für Religionsangelegenheiten in enger Beziehung zum türkischen Staat (vgl. Rumpf 1989: 21) und zu der türkischen Botschaft in Deutschland. Zudem vermittelt sie für einen begrenzten

Zeitraum Imame (Vorbeter) aus der Türkei in die Mitgliedsgemeinden.

IFB „Islamische Föderation Berlin“

Sie wurde 1980 als Dachverband für Moschee-, Jugend- und Frauenvereine gegründet. Gekennzeichnet ist sie durch ihre umfassende Infrastruktur und ihr umfangreiches Angebot für die islamischen Organisationen. Hinzuzufügen ist auch, dass die IFB von dem Oberverwaltungsgericht 1998 als Religiongemeinschaft anerkannt wurde.

IGMG „Islamische Gemeinschaft Milli G örüş e. V.“

Mit ihrem ursprünglichen Namen AMGT „Avrupa Milli Görüş Teşkilati“ („Vereinigung Neue Weltsicht in Europa e. V.“) entstand sie 1976 in Berlin und wurde 1995 zur islamischen Gemeinschaft Milli Görüş (Islamische Gemeinschaft Neue Weltsicht) umbenannt. Laut den Angaben der IGMG zufolge hat der Verband keine offizielle Mitgliedsmoschee in Berlin.

ADÜTDF „Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland“ (oder auch TF „Türkische Föderation Berlin“)

Die „Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Europa e. V.“, mit ihrem Sitz in Frankfurt am Main, wurde 1978 gegründet. Geprägt durch die Idee der türkisch-islamischen Synthese wird sie mit der Partei MHP in der Türkei „Türkische Partei der nationalistischen Bewegung“ in Verbindung gesetzt.

VIKZ „Verband der Islamischen Kulturzentren“

Der 1973 in Köln gegründete Verein etablierte sich 1976 in Berlin. Der Verein ist stark hierarchisch strukturiert. Er kennzeichnet sich durch seine breite Palette an Bildungsangeboten. Der Verein war Bildungsmitglied der beiden Verbände „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland“ und „Zentralrat der Muslime in Deutschland“. Aus beiden Verbänden trat er nach wenigen Jahren aus.

Beide Verbände sind Zusammenschlüsse verschiedener Dachverbände und verstehen sich als Beschlussorgan der in Deutschland lebenden Muslime. In enger Zusammenarbeit verfolgen sie das Ziel, auf bundespolitischer Ebene anerkannt zu werden.

Islamische Religionsgemeinschaft e. V.

Der Verein wurde 1990 im Ostteil Berlins zu DDR-Zeiten gegründet und anerkannt. Die Gemeinde sieht sich als Körperschaft des öffentlichen Rechts, was allerdings von der Berliner Senatsverwaltung bestritten wird. Abgesehen von fördernden Mitgliedern, besteht die Gemeinschaft aus den Moscheevereinen der IFB und dem „Islam Vakfi“.

IBMUS „Initiative Berliner Muslime“

Bestehend aus vier islamischen Gemeinden und vier Moscheen wurde der Zusammenschluss 1994 vollzogen. Der Verein setzt sich das Ziel, den Dialog unter den Berliner Gläubigen zu fördern und zu stärken. Auch strebt der Verein eine bundesweite Vertretung der Muslime in Deutschland an.

IRAB „Ahlul – Beyt Moscheen-und Kulturverband e. V.“

Im Jahre 1994 wurde die Gemeinde in Duisburg gegründet. Sie ist Mitglied im Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland. Vier Moscheevereine aus Berlin sind Mitglied dieser Gemeinde.

VIGB „Vereinigung islamischer Gemeinden der Bosniaken in Deutschland e. V.“

Der Verein wurde 1994 gegründet und vereinigt momentan fünfzig bosnische Gemeinden im Bundesgebiet. Auch das im Jahre 1989 gegründete und in Berlin-Kreuzberg ansässige „Islamische Kulturzentrum der Bosniaken“ ist eines ihrer Mitglieder.

AMJ „Ahmediyya Muslim Jemaat Deutschland“ und AAIIL „Ahmediyya anjuman Ishat-i-Islam Lahore“

Diese Organisation teilt sich in zwei Hauptrichtungen, in die Lahore-Gruppe (AAIIL), der die Moschee in Wilmersdorf gehört, und die Qadiani-Gruppe (AMJ), welche den Bau der im Oktober 2008 zur Eröffnung stehenden Khadija-Moschee in Berlin-Heinersdorf anstrebt. Ursprünglich stammen die AMJ- und AAIIL-Organisationen aus Pakistan.

AADF „Almanya Alevi Birlikleri Federazionu“ (Föderation der Aleviten-Gemeinden in Deutschland)

Gegründet wurde sie 1994 und hat zwei Berliner Mitglieder: das 1990 gegründete „Kulturzentrum Anatolischer Aleviten“ (Anadolu Aleviler Kültür Merkezi, AAKM) und den „Verein Zeitgenössischer Demokraten aus Tokat und Umgebung e. V.“.

[...]


[1] Schreibkunstwerke mit arabischen Zeichen, die die Namen Allah, Mohammed, Namen der ersten Kalifen oder Verse aus dem Koran zeigen.

[2] Statistisches Landesamt Berlin, 2005

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Detalles

Título
Moscheenbau im Konflikt
Subtítulo
Ein Beitrag zur Religionsgeographie am Beispiel von Berlin-Heinersdorf
Universidad
Free University of Berlin
Calificación
2
Autor
Año
2008
Páginas
94
No. de catálogo
V145751
ISBN (Ebook)
9783640542543
ISBN (Libro)
9783640542789
Tamaño de fichero
2202 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Moscheebau im Konflikt, Moscheebau, Moschee, Konfliktanalyse, Konflikt, Muslime, Einwanderer, Religionsgeographie, Examensarbeit
Citar trabajo
Ömer Ayik (Autor), 2008, Moscheenbau im Konflikt, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/145751

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