„"Was ich auch tat", so zitiert das Programmheft des Nationaltheaters Weimar Goethe während seiner Arbeit am "Faust", "ich entfernte ihn mehr vom Theater, als dass ich ihn heran gebracht hätte." Und einige Seiten später fragt der Schriftsteller Ludwig Bechstein: "Ist Faust [...] für die Bühne geschrieben? Soll es gegeben werden? Kann es gegeben werden?" Seine Antwort: "Faust ist ein Torso, ein riesenhaftes Fragment; zu groß um eingegrenzt werden zu können in den engen Raum der Bühne.““
Das Zitat Bechsteins könnte durchaus ausschlaggebend gewesen sein für die Arbeitsweise der Regie Sebastian Baumgartens in seiner „Faust“-Inszenierung: Nicht der Stoff muss reduziert, sondern der „enge Raum der Bühne“ erweitert werden. Baumgarten verfolgte diesen Gedanken konsequent durch den enormen Einsatz von Neuen Medien, wofür die Presse sowie das Publikum teilweise stürmischen Applaus zollte, aber auch harte Kritik mit modernen Schlagwörtern wie „reines Medientheater“ und „Reizüberflutung“ auszuteilen
vermochte.
Dieser Thematik möchte ich mich in dieser Hausarbeit neutral und objektiv widmen, insbesondere unter dem Aspekt der folgenden, von mir aufgestellten These:
Der Zwiespalt in der Kritik gegenüber den Einsatz von Neuen Medien in Baumgartens „Faust“-Inszenierung besteht nicht in der Flut von Reizen, sondern in der gesteigerten Interaktionsmöglichkeit des Publikums durch die Neuen Medien.
In dieser Ausarbeitung werde ich folgendermaßen vorgehen: Zu Beginn werde ich eine Definition für Neue Medien aufbauen, worauf sich meine gesamte Analyse beziehen wird. An Hand dieser Begriffsdefinition werde ich die verschiedenen Nutzweisen der Neuen Medien in „Faust“ aufzeigen, worauf dann die unterschiedlichen Wirkungsweisen auf das Publikum folgen – erst speziell auf einen ausgewählten Abschnitt einer Szene fixiert, dann noch ergänzend auf die gesamte Inszenierung selbst. Als Fazit folgt ein Resümee, wo ich den Wahrheitsgehalt eben dieser abschließend zu bestimmen versuchen werde mit Hilfe der
ersten These von Erika Fischer-Lichte (aus „Einleitende Thesen zum Aufführungsbegriff“), welche ich mit Baumgartens „Faust“ in Beziehung setzen werde, da sie sich insbesondere mit der Interaktion beschäftigt, wodurch sich hoffentlich wichtige Endergebnisse für oder gegen meine These ergeben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Analyse
- Der Begriff der Neuen Medien
- Nutzung der Neuen Medien in „Faust“
- Wirkungsweisen der Neuen Medien auf das Publikum
- aggressiv-aktive Neue Medien – Szene „Verführungskiste“
- teils-aktive Neue Medien - Inszenierung allgemein
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit untersucht den Einsatz von Neuen Medien in der „Faust“-Inszenierung von Sebastian Baumgarten. Die Arbeit widmet sich der These, dass der Zwiespalt in der Kritik gegenüber den Neuen Medien nicht in der Flut von Reizen, sondern in der gesteigerten Interaktionsmöglichkeit des Publikums durch die Neuen Medien besteht.
- Definition des Begriffs „Neue Medien“
- Analyse der Nutzung von Neuen Medien in der Inszenierung
- Untersuchung der Wirkungsweisen der Neuen Medien auf das Publikum
- Beziehung zwischen Interaktion und der Kritik an den Neuen Medien
- Anwendung der Thesen von Erika Fischer-Lichte auf die Inszenierung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung zitiert Ludwig Bechstein, der „Faust“ als „Torso, ein riesenhaftes Fragment“ bezeichnet, das für den engen Raum der Bühne zu groß sei. Diese Aussage dient als Ausgangspunkt für die Analyse des enormen Einsatzes von Neuen Medien in Baumgartens Inszenierung. Die Arbeit setzt sich mit der These auseinander, dass die Kritik an den Neuen Medien nicht aus der Reizüberflutung, sondern aus der gesteigerten Interaktionsmöglichkeit des Publikums resultiert.
Analyse
Der Begriff der Neuen Medien
Die Analyse beginnt mit einer Definition von Neuen Medien, die auf Seminarergebnissen von Dr. Christiane Schmidt basiert. Neue Medien werden als „apersonale Träger und Vermittler von Information und Kommunikation“ definiert, die auf modernen, elektrotechnischen Entwicklungen beruhen und interaktive Benutzungsschnittstellen ermöglichen.
Nutzung der Neuen Medien in „Faust“
Dieser Abschnitt untersucht die exzessive Nutzung von visuellen und auditiven Neuen Medien in Baumgartens Inszenierung. Projektoren, Computer, Mikrofone und Tonspuren werden als Hauptträger der Neuen Medien identifiziert. Die Analyse zeigt, dass Neue Medien in 83 Prozent der Spielzeit präsent sind, während der Zuschauer sich nur in 17 Prozent der Zeit auf die Schauspieler konzentrieren kann.
Wirkungsweisen der Neuen Medien auf das Publikum
Dieser Abschnitt differenziert zwischen „aggressiv-aktiven“ und „teils-aktiven“ Neuen Medien. Zu den aggressiv-aktiven Medien gehören Projektionen und Tonspuren, die immer präsent sind. Zu den teils-aktiven Medien zählen Computer und Mikrofone, die von den Schauspielern genutzt werden, um aktiv auf das Publikum einzuwirken.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind Neue Medien, Interaktion, „Faust“-Inszenierung, Sebastian Baumgarten, Erika Fischer-Lichte, Aufführungsbegriff, Reizüberflutung und Medientheater.
- Quote paper
- Sebastian Standke (Author), 2009, Der Einsatz von Neuen Medien in der Faust-Inszenierung von Sebastian Baumgarten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147891