In seinem 2008 erschienenen Studienbuch über die Literatur der Frühen Neuzeit erkennt Andreas Keller im Zuge der Diskussion der Naturerfahrung und des Naturbegriffs eine den Texten der Epoche immanente Analogie zwischen Natur und Gemüt. Anhand eines Textes von Siegmund von Birken aus dem Jahr 1670 verweist
er auf zwei rhetorische Prinzipien, „[…] das zielbestimmte Bewegen in reihenweise gekoppelten Etappen und das stationenweise Innehalten an vorgegebenen Punkten zwecks Gedankenvertiefung.“. In diesen Prinzipien verortet Keller die Funktion der
rhetorischen Tröstung. Der Protagonist versteht nach Absolvierung des Parcours „[…] die Natur nicht mehr als inkongruentes und andersartiges Gegenüber, sondern als den heilsgeschichtlichen Zeichenkosmos, in dem er selbst aufgeht und aus dem er Trost durch das erkannte göttliche Wirken schaffen darf.“.
Lässt sich ein ähnlicher Rezeptionsprozess auch in dem 32 Jahre älteren, anonym überlieferten Text „Amoena und Amandus“ wiederfinden? Sicherlich können die benannten rhetorischen Prinzipien im Rahmen des vorliegenden Aufsatzes aufgrund
seiner Kürze nicht analytisch nachvollzogen werden. Es soll aber zunächst geprüft werden, inwieweit der entsprechende Text Natur und Gemüt entlang seines Erzählflusses instrumentalisiert und wie beide Begrifflichkeiten gegeneinander aufgestellt werden. Dabei ist insbesondere interessant, ob diese Analogie, insofern
sie sich nachweisen lässt, den sequentiellen Textverlauf mitbestimmt. Als Natur soll neben der ihn umgebenden Landschaft auch weitestgehend der Leib des Menschen, also seine Körperlichkeit, und aus ebendieser entspringende, emotional motivierte körperliche Handlungen verstanden werden. Unter Gemüt hingegen werden alle geschilderten Zustände des Inneren, alle Gefühlsbeschreibungen, alle emotionalen Einstellungen der Figuren betrachtet.
In seinem 2008 erschienenen Studienbuch über die Literatur der Frühen Neuzeit erkennt Andreas Keller im Zuge der Diskussion der Naturerfahrung und des Naturbegriffs eine den Texten der Epoche immanente Analogie zwischen Natur und Gemüt. Anhand eines Textes von Siegmund von Birken aus dem Jahr 1670 verweist er auf zwei rhetorische Prinzipien, „[...] das zielbestimmte Bewegen in reihenweise gekoppelten Etappen und das stationenweise Innehalten an vorgegebenen Punkten zwecks Gedankenvertiefung.“.[1] In diesen Prinzipien verortet Keller die Funktion der rhetorischen Tröstung. Der Protagonist versteht nach Absolvierung des Parcours „[...] die Natur nicht mehr als inkongruentes und andersartiges Gegenüber, sondern als den heilsgeschichtlichen Zeichenkosmos, in dem er selbst aufgeht und aus dem er Trost durch das erkannte göttliche Wirken schaffen darf.“[2]
Lässt sich ein ähnlicher Rezeptionsprozess auch in dem 32 Jahre älteren, anonym überlieferten Text „Amoena und Amandus“ wiederfinden? Sicherlich können die benannten rhetorischen Prinzipien im Rahmen des vorliegenden Aufsatzes aufgrund seiner Kürze nicht analytisch nachvollzogen werden. Es soll aber zunächst geprüft werden, inwieweit der entsprechende Text Natur und Gemüt entlang seines Erzählflusses instrumentalisiert und wie beide Begrifflichkeiten gegeneinander aufgestellt werden. Dabei ist insbesondere interessant, ob diese Analogie, insofern sie sich nachweisen lässt, den sequentiellen Textverlauf mitbestimmt. Als Natur soll neben der ihn umgebenden Landschaft auch weitestgehend der Leib des Menschen, also seine Körperlichkeit, und aus ebendieser entspringende, emotional motivierte körperliche Handlungen verstanden werden. Unter Gemüt hingegen werden alle geschilderten Zustände des Inneren, alle Gefühlsbeschreibungen, alle emotionalen Einstellungen der Figuren betrachtet.
Schon am Beginn des Textes wird Amoena unter anderem als „ein Triumpff der Natur / ein Wunder des Erdbodens / ein Werk aller Vollkomenheit“[3] charakterisiert. Zunächst erschöpft sich die Mehrzahl dieser Vergleiche auf ihre äußere Erscheinung. Nachdem der Text jedoch einen Konflikt andeutet - das Werben der Schäfer um Amoena und ihre beharrliche Widerwehr gegen ihre Verehelichung durch den Vater - wird bereits deutlich, wie frühneuzeitliche Literatur Natur und Gemüt im Einklang betrachtet. Amoena will sich „[...] eher mit dem Grabe / als mit einem Schäffer / deme sie sonsten abhold were / vermählen lassen.“[4] Rationale Gründe, die gegen eine Eheschließung sprechen, liefert der Text an dieser Stelle nur verhalten. Jedoch beschreibt er vielmehr ihre Beharrlichkeit als wider die Natur. Amoena, so gibt er an, führe einen aussichtlosen Kampf wie der der Titanen gegen den Gott Jupiter.[5] In der Ankündigung der Traumsequenz schließlich verschmelzen Gemüt der Amoena und Naturschilderung im textimmanenten Konflikt. Amoena entschließt sich angesichts ihrer unnatürlich schweren Morgenmüdigkeit, noch eine Stunde zu schlafen, um „[...] hierdurch zu erfahren / ob jhr etwa das göttliche Verhängnis solchen Schlaff zuschickte / jhr im Traum etwas sonderbares anzudeuten [.]“.[6] Ausgehend von dieser Gemütsbeschreibung entlädt der Text sich symbolisch in einem Traum, der zunächst durch die Beschreibung eines aufkommenden Ungewitters Amoena in Furcht versetzt, sie schließlich mit dem aus den Wolken erscheinenden Cupido konfrontiert. Dieser durchschießt ein Herz in den Händen der Venusstatue mit seinem Pfeil und entzündet es mit einer Kerze. Dient dieser Traum doch als erklärendes Bild für die Gewalt der göttlichen Fügung über weibliches Gefühl, ist gerade seine Auswirkung auf das Gemüt der Amoena letztendlich ein notwendiges Schlüsselelement für alle nachfolgenden Handlungen des Textes. Allein die Bleiche ihres Gesichts verrät ihrer Hofmeisterin Dulcimunda, dass „[...] dero Gemüthe mit etwa einem heimlichen Kummer müsse verunruhiget seyn [.]“.[7] Aus ihrer Traumdeutung heraus schließt Dulcimunda wenig später, dass die Natur Amoena „[...] ja so wol einen Mann / als sie der Natur einen Todt / schuldig ist. [...].[8] Gerade wenn Amoena sich dieser Deutung zunächst verwehrt und Dulcimunda der Kuppelei bezichtigt, tritt an dieser Stelle doch die Komplexität und der eigentliche Konflikt des Textes zutage. Dieser erklärt dem Leser innerliche Befindlichkeiten und äußerliche Natur der Amoena im Einklang und gleichermaßen als Vorboten und Konsequenzen göttlicher Gewalt. Nicht zuletzt auch deshalb erschließt es sich dem Leser leicht, wenn Dulcimunda ihr den Auftritt von Amandus vorherbestimmt, nämlich, „[...] daß jhr dieser Traum kein Vnglück / sondern ein grosses Glück / nemlich einen wackren Cavalier, bedeuten werde […].[9] Der Widerwillen der Amoena gegen die Verehelichung jedoch bleibt die eigentliche, latente Bedrohung für sie selbst. Dulcimunda greift dem weiteren Textverlauf in ihrer Traumdeutung nämlich vor, wenn sie sagt, Amoena „ […] wolte hinfüro sich nicht so sehr vor den Pfeilen als vor dem bevorstehenden Zorn dieses nackenden Bogenschützens hüten […].“.[10]
[...]
[1] Keller, Andreas (2008). Frühe Neuzeit: Das rhetorische Zeitalter. Berlin: Akademie Verlag, S. 185.
[2] Ebd., S. 186.
[3] Anonymus (1970). Jüngst-erbawete Schäfferey/ oder Keusche Liebes-Beschreibung/ Von der Verliebten Nimfen Amoena Und dem lobwürdigen Schäfer Amandus. Hamburg: Rowohlt, S. 13.
[4] Ebd., S. 14.
[5] Vgl. ebd.
[6] Ebd., S. 15.
[7] Ebd., S. 18.
[8] Ebd., S. 21.
[9] Ebd., S. 20.
[10] Ebd.
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