Excerpt
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Gegenstand: Expertenkommissionen der Bundesregierung
2.1 Typologie und Definition
2.2 Forschungsstand
3 Probleme und Funktionen der Kommissionsarbeit
3.1 Probleme und Hindernisse
3.1.1 Fehlende Anschlußfähigkeit der Politik
3.1.2 Konsensfähigkeit
3.1.3 Interessenkonflikte mit anderen Institutionen
3.1.4 Fehlende Legitimation
3.2 Kommissionen aus politisch-funktionalistischcr Sieht
3.2.1 Sachbezogene Funktionen
3.2.2 Politische Funktionen
4 Kriterien erfolgreicher Politikberatung
4.1 Konkurrcnzvcrmcidung
4.2 Überwindung von Handlungsbloekadcn
4.3 Konsens und eindeutige Handlungsanweisungen an die Politik
4.4 Anschlussmöglichkcitcn durch die Politik
4.5 Öffentlichkeitsarbeit
5 Die Arbeit der Hartz-Kommission und Anwendung der Erfolgskriterien
5.1 Der Policy Cycle
5.2 Agenda Setting
5.3 Politikformulicrung
5.3.1 Zusammensetzung und Konstituierung
5.3.2 Arbeitsweise der Kommission
5.3.3 Ergebnisse und Präsentation
5.3.4 Medien
5.3.5 Gesetzgebungsverfahren
5.3.6 Proteste
5.4 Evaluierung
6 Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
5.1 Dor Policy Cycle
5.2 Mitglieder der Hartz Kommission
5.3 Medienberichte zur Hartz Kommission
1 Einleitung
Expertenkommissionen unter der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder, beispielsweise die Hartz-, Rürup- oder Süssmuth-Kommission, erregten großes öffentliches Aufsehen.[1] Die Verabschiedung der sogenannten „Hartz-Gesetze“ waren von großen Protesten begleitet und auch heute noch sind viele der in dieser Zeit angestoßenen Reformen Inhalt breiter Debatten in der Öffentlichkeit. Die Aktualität dieser Arbeit ergibt sieh auch aus der wachsenden Bedeutung, die Expertenkommissionen in den letzten .Jahren in der Debatte um die Umsetzung von Reformvorhaben gespielt haben und vermutlich auch in der Zukunft weiter spielen werden. Viele Kommissionen scheiterten, und auch wenn diese zu einem Konsens kamen und einen Abschlussbericht verlegten, so fanden ihre Vorschläge vielfach kaum Resonanz in der Politik und blieben daher folgenlos. Daher ist cs das Ziel dieser Arbeit herauszuarbeiten, welchen Problemen Expertenkommissionen gegenüb erstehen.
Die zu überprüfende These dieser Hausarbeit ist, dass die Hartz-Kommission aus Sieht der Politik als ein Beispiel gelungener Politikberatung durch Expertengremien zu schon ist, da sic viele der in sic gesetzten Erwartungen erfüllte und dabei viele allgemeine Probleme der Politikberatung umgehen konnte. Hierbei soll cs keineswegs um eine normative Betrachtung der Kommissionsarbeit gehen, sondern vielmehr soll anhand festgelegter Kriterien eine Untersuchung der Kommissionsarbeit vorgenommen werden. Zwar wurden umfangreiche Fallstudien zu verschiedenen Kommissionen vorgclcgt und Probleme der Politikberatung sowie die politischen Funktionen der Beratung im demokratischen Prozess erarbeitet. Eine systematische und zusammenführende Erarbeitung von Bewertungskriterien fehlt jedoch bisher. Diese Lücke soll mit der vorliegenden Arbeit geschlossen werden.
In dieser Arbeit wird zunächst der Forschungsstand zu Expertenkommissionen in Deutschland dargestellt. Da keine Einigkeit über die Bcgriffliehkcit herrscht, wird folgend eine allgemeine Definition erarbeitet. Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit liegen darin, allgemeine Probleme und Funktionen der Politikberatung durch Expertenkommissionen aufzuzeigen und aus diesen Kriterien abzuleiten, unter welchen Rahmenbedingungen eine Kommission aus der Perspektive der Politik als „erfolgreich“ anzusehen ist. Diese Kriterien beschränken sieh jedoch nicht auf die inhaltliche Arbeit der Kommission sondern sind zu einem großen Teil politischer Natur. Ein besonderer Augenmerk liegt hierbei auf der Vermeidung von Konkurrenzsituationen mit anderen Institutionen und der LegitimitätsSteigerung durch den vorgeblich neutralen Sachverstand der Kommission. Zudem wird die Hartz-Kommission auf ihre Fähigkeit zum Konsens, ihre Darstellung in den Medien und auf ihre Öffentlichkeitsarbeit hin untersucht.
2 Gegenstand: Expertenkommissionen der Bundesregierung
2.1 Typologie und Definition
Der Begriff Expertenkommission wird in der Wissenschaft uneinheitlich gebraucht und meist unsystematisch neben anderen Begriffen wie Beirat, Sachverständigenkommission, Gremium oder Ausschuss verwendet. Dabei kann von der Sclbstbczcichnung des Gremiums nicht auf dessen Arbeitsweise und Aufgabe geschlossen werden, da dieser keinen Aufschluss über die Struktur und Arbeitsweise des Gremiums gibt (vgl. Sicfkcn 2007: S. 17). Daher besteht zunächst die Notwendigkeit einer systematischen Einordnung der Inst it ut ion Exp ert enkommission.
Zu unterscheiden ist zwischen Bcratungs- und Entschcidungsgrcmicn wobei zu untersuchen ist, ob die von dem Gremium getroffenen Entscheidungen Bindungswirkung gegenüber Dritten entfalten (vgl. Unkclbach 2001: S. 20). Expertengremien sind in der Regel den Beratungsgremien zuzurcehncn, da ihre Ergebnisse den Auftraggeber nicht an eine Entscheidung binden, sondern rein informeller Natur sind. Sicfkcn (2006, S. 215) schlägt zur weiteren Systematisierung zwei Kriterien vor, die ein Expertengremium kennzeichnen: Erstens die Einsetzung mit dem spezifischen Auftrag, zu einer Fragestellung beratend Stellung zu nehmen und zweitens die Besetzung mit Personen aus verschiedenen gcscllschafts-politischcn und fachlichen Hintergründen.
Unter einer Expertenkommission soll daher verstanden werden: Ein plural zusammengesetztes Gremium ohne gesetzgeberische Kompetenzen, welches den Auftrag erhält zu einem spezifischen Problem Lösungsvorschläge zu erarbeiten.
2.2 Forschungsstand
Das allgemeine Feld der Politikberatung ist aus politikwisscnschaftlichcr Perspektive gut erforscht. Eine systematische Untersuchung von Expertenkommissionen liegt seit kurzen in Form einer Dissertation von Sven Sicfkcn vor. In dieser untersucht der Autor vcrglci- ehend die Kommissionen unter der Schröder Regierung 1998 bis 2006. In den letzten .Jahren wurden zum Teil umfangreiche politikwisscnschaftlichc Fallstudien zu verschiedenen Expertengremien durchgeführt. Insbesondere die Hartz Kommission war, wahrscheinlich auch in Folge der großen medialen Aufmerksamkeit und der Auswirkungen der Reformen, Gegenstand vieler Studien aus unterschiedlicher Perspektive und darf sieben .Jahre nach ihrer Einberufung als das am besten erforschte Expertengremium gelten.[2].Jedoch wurden auch andere Kommissionen wie die Rürup-Kommission, die sieh mit einem Umbau der sozialen Siehcrungssystcmc beschäftigte, sowie die Süssmuth-Kommission in teilweise aufwendigen Studien untersucht.[3]
Auch wenn das Thema Beratung aus politikwissenschaftlicher Perspektive in letzter Zeit große Aufmerksamkeit erfuhr, fand eine spezifische Auseinandersetzung mit dem Thema Kommissionen aus soziologischer Sieht jedoch bisher kaum statt. Zwar wurden grundlegende theoretische Überlegungen angestellt,[4] eine weitere Analyse des Themas blieb der Politikwissenschaften überlassen. Hier könnten sieh zukünftig interessante Fragestellungen insbesondere unter wissens- und maehtsoziologisehcr Perspektive eröffnen.
3 Probleme und Funktionen der Kommissionsarbeit
Ob die Expertenkommission die von der Politik in sie gesetzten Erwartungen erfüllt und Reformvorhaben mit Hilfe der Kommission leichter umgesetzt werden können, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Nicht immer ist ersichtlich, welche Umstände dazu beitragen, dass die nach langen Verhandlungen in den Kommissionen ausgehandelten Ergebnisse in der Politik keine Anwendungen fanden. In diesem Kapitel werden zunächst allgemeine Probleme der Politikberatung angeführt, die dazu führen können, dass die erarbeiteten Vorschläge nicht umgesetzt werden oder cs nicht zu einem Konsens und einem gemeinsamen Abschlussbericht kommt. Folgend werden aufbauend auf einem Aufsatz von Wolfram Lamping (2006) Funktionen dargestellt, die Expertenkommissionen aus Sieht der Politik erfüllen sollten. Diese Probleme und Funktionen werden die Ausgangsbasis für eine Erarbeitung von „Erfolgskritcricn“ im folgenden Kapitel bilden.
3.1 Probleme und Hindernisse
3.1.1 Fehlende Anschlußfähigkeit der Politik
Viele von Kommissionen erarbeitete Lösungen und Konzepte gehen nicht in die politische Arbeit ein und werden nicht umgesetzt. Auf Seite der Wissenschaft wird über die mangelnde Beachtung der Beratungsergebnisse in der Politik geklagt (vgl. Renn 2006: S. 56). Dahingegen bemängeln viele Politiker, dass die Beratungsergebnisse für ihre praktische Arbeit keine Bedeutung hätten und nicht umsetzbar seien. Vielfach wird der Vorwurf erhoben, dass Wissenschaftler aus einem Sprichwort liehen Elfenbeinturm an der Praxis vorbei forschen würden und keine Lösungen für reale Probleme anbieten könnten. Theoretiker wie Niklas Luhmann versuchen diese Diskrepanz mithilfe der Systcmthcoric zu erklären. Politik und Wissenschaft stellen in dieser Theorie „Systeme“ dar, deren unterschiedliche Kommunikationscodes (ausgerichtet auf Legitimation auf der umsetzbare Lösungsvorsehlägccincn und Wahrheit auf der anderen Seite) nicht miteinander kompatibel seien (Luhmann 2006). Diese Systeme seien autopoctisch, also nach außen hin abgeschlossen. Eine Beeinflussung des jeweils anderen Systems ist nur schwer möglich, da jede Störung des Systems von außen mit einer Veränderung innerhalb der Systcmlogik beantwortet wird. Luhmann illustriert dies am Beispiel der Umwcltpolitik, der er einen ganzen Band widmet. In diesem zeigt er auf, wie schwer cs dem gesellschaftlichen System fällt, auch auf von ihr selbst ausgelöste Umweltproblcmc adäquat zu reagieren (Luhmann 2004).
Auf der einen Seite kann eingewendet werden, dass Expertengremien per Definition plural zusammengesetzt sind und Menschen mit der Profession des Wissenschaftler in den Expertenkommissionen oft deutlich in der Unterzahl sind. Demnach würde Expertenkommissionen nicht dem Wissenschaftssystem zugcrcchnct werden können.
Auf der anderen Seite kann diesem entgegengehalten werden, dass die weit überwiegende Mehrheit der Gremiumsmitglieder einen universitären Abschluss besitzt. Die Arbeit der Unternehmensberater findet aufgrund der Aufgabenstellung in der Regel nach Kriterien des wissenschaftlichen Arbcitcns statt. In der Logik der Systcmthcoric agieren die Akteure innerhalb der Expertenkommission daher im Wissenschaftssystem, woraus sieh die oben geschilderten Problcmc der gestörten Kommunikations- und Intcraktionsfähig- keit ergeben.
3.1.2 Konsensfähigkeit
Unter dem Stichwort Expertendilemma ist das Problem bekannt geworden, dass Debatten oft mit sieh gegenseitig widersprechenden Gutachten geführt werden (Nennen und Garbe 1996). Kein Wissenschaftler kann für sieh die absolute und entgültige Wahrheit in Anspruch nehmen. Die Komplexität der Problcmc in der modernen Gesellschaft nimmt durch die Ausweitung der Verflechtungen in der Gesellschaft, die Zunahme der Handlungsoptionen und ein rasantes Wachsen der Wissensbestände zu. Somit wird cs immer schwerer, klare Handlungsempfehlungen durch wissenschaftliche Expertise zu geben. Ortwin Renn (2006, S. 54) nennt folgende Problcmc, welche die Ungewissheit von Prognosen bedingen:
- Ursache-Wirkungsketten sind zu komplex;[5]
- Zufälligkeit der Prozesse in Wirtschaft, Natur und Sozialwesen;
- unvorhersehbare singuläre Ereignisse;
- die prinzipielle Unfähigkeit von Prognostikern, den Fortschritt des wissenschaftlichen und technischen Wissens vorhcrzuschcn;
[...]
[1] Die Kommissionen werden oft. in der öffentlichen Debatte und der Wissenschaft, aus Gründen der Praktikabilität nach ihrem Vorsitzenden benannt. Zur besseren Lesbarkeit wird auf eine Formulierung des offiziellen Kommissionsnamen verzichtet und ihre allgemein gebrauchten Bezeichnungen verwendet.
[2] “Verwiesen sei liier auf einige exemplarische Studien: Sielten (2006), Weimar (2004) und Lamping (2006).
[3] '’Zur Itürup-Kommission siehe (Krick 2006) und zur Süssmut.h-Kommission (Zint.erer 2004).
[4] Hier kann auf grundlegende Werke verwiesen werden: (Luhmann 2004), (Weingart. 2001) und (Habermas 1989).
[5] “Ähnlich argumentiert Luhmann (2004)
- Quote paper
- Christopher Maier (Author), 2009, Kriterien wirksamer Beratung durch Expertenkommissionen am Beispiel der Hartz-Kommission, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148835
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