Minderheiten und Randgruppen im Mittelalter


Dossier / Travail de Séminaire, 2002

19 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die unehrlichen Berufe
a. Die Henker und ihre Gesellen
b. Die Prostituierten
c. Die Spielleute
d. Die Bader und ihre Mägde
e. Die Hebamme

3. Die körperliche Signifikanz
a. Die körperlich Behinderten und Geisteskranke
b. Die Aussätzigen

4. Die Ethnisch- religiösen Gruppen

5. die dämonisierten Verfolgungsopfer

6. Zusammenfassung

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 31. Juli 1488 schrieb der Kölner Stadtrat an die Hansestadt Lübeck einen Brief mit etwa folgendem Inhalt:

„Arnold van Straisberg und Johann Grone beschwören, dass Jakob von Meddemen aus einem ehelichen Brautbett echt und recht, ehrlich gezeugt und geboren ist, frei und nicht eigen, deutsch und nicht wendisch, auch keines Zöllners, Müllers, Leinewebers, Badstubers, Pfeifers, Schäfers noch Aderlassers Sohn, sondern würdig, Amt und Gilde zu besitzen.“[1]

Viele Handwerkerzünfte machten es zur Auflage, dass ihre Mitglieder aus ehrlichen und ehelichen Verhältnissen stammten. Diese Vorlage gehörte in der spätmittelalterlichen Gesellschaft zu einer der zahlreichen Normen und Wertvorstellungen, die bestimmten, welcher Beruf als „ehrlich“ oder „unehrlich“ galt. Normen und Werte bezogen sich nicht nur auf den Beruf, sie durchzogen alle Bereiche der sozialen Gesellschaft und machten somit viele Menschen, die nicht diesen Regeln entsprachen, zu Außenseitern und Minderheiten.

In der folgenden Arbeit sollen diese Außenseiter und Minderheiten genauer betrachtet werden. Es soll gezeigt werden, warum bestimmte Gruppen aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurden und wie sich dies auf ihr Leben auswirkte. Da sich die Diskriminierung dieser Personen-kreise oder einzelner Personen von Ort zu Ort und von Jahr zu Jahr verschieden auswirkte, kann ich mit meiner Arbeit nur einen allgemeinen und knappen Überblick verschaffen.

Zum ersten soll gezeigt werden, welche Berufe zu denen der „Unehr-lichen“ zählten. Weiterhin möchte ich über die körperlich signifikanten Randständigen wie auch über die dämonisierten Verfolgungsopfer berichten. Auch die ethnisch- religiösen Gruppen gehören zu diesem Thema. Da es sich hierbei um ein eigenständiges Hausarbeitsthema handelt, werde ich nur sehr kurz darauf eingehen.

2. Unehrliche Berufe

Henker und Schinder waren die „klassischen“ Unehrlichen, dennoch folgte eine Vielzahl weiterer Berufsgruppen, die sich in die Reihe der unehrlichen Berufe eingliederten: Die Prostituierten und ihre Hurenwirte, die Bader und ihre Mägde, die Quacksalber und Hebammen wie auch das fahrende Volk und die Bettler. Menschen, die in diesen Berufen arbeiteten, verloren im allgemeinen das aktive und passive Wahlrecht, der Zugang zu Zünften und Gilden, sofern sie keine eigene Zunft, wie z. B. die Leinweber, gründeten, war ihnen untersagt, wie auch der Zutritt zu Trinkstuben und Tanzhäusern. Auch das Recht auf die freie Partnerwahl hatten sie eingebüßt.[2] Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass jene Berufsgruppen, die während ihrer Arbeit mit schmutzigen oder übelriechenden Materialien oder mit toten Körpern zu tun hatten, der Gefahr der Ausgrenzung nahe waren.

a. Die Henker und ihre Gesellen

Schon im Alten Testament wurden Menschen mit dem Tode bestraft. Während anfangs das Volk selbst, oder das Opfer die Hinrichtung vollzog, wurden schon bald freie oder unfreie Männer mit dieser Arbeit beauftragt. Die Kirche legte sich lange Jahre nicht fest, ob sie eine besoldete Tötung dulden sollte. Erst mit Papst Innozenz III. wurde 1210 beschlossen, dass die Hinrichtung ohne Todsünde ausgeübt werden durfte, „sofern es dazu diene, die Sühne nicht aus privatem Hass, sondern aufgrund eines Urteils, nicht besonnen, sondern nach reichlicher Beratung durchzuführen.“[3] Mit der Verfolgung der Albigenser, Waldenser und anderer Ketzer, gab der Papst 1252 die Folter frei.[4] In den wachsenden Städten schuf man Rahmenbedingungen für den neuen Beruf des Henkers. Sie mussten eine Ausbildung mit Meisterstück nachweisen, durften ausbilden, erhielt ein Haus und Unterhalt.[5]

Scharfrichter gehörten zu den Unehrlichsten der Unehrlichen. Sie waren einerseits für die Erhaltung des Straf- und Abschreckungssystems unabdingbar, andererseits, auf Grund des Gebotes „du sollst nicht töten“, auch schwere Sünder. Da man ihnen während der Folter einen gewissen Spielraum einräumte, galten sie als blutrünstige, diabolische Figuren. Vor allem der „Stücklohn“ unterstrich dieses Denken. Bei diesem Lohne wurde der Henker für einzelne Handlungen, z. B. während der Folter, bezahlt.[6] Vor allem große Hinrichtungen wurden zum gern gesehenen Spektakel.[7] War der Henker seines Handwerks mächtig, konnte er z. B. den Kopf mit einem Hieb vom Rumpf trennen oder lange foltern, ohne dass der Gepeinigte in Ohnmacht fiel, genoss er große Anerkennung und der Beifall war ihm sicher. So bejubeltet man den Henker für seine „gute“ Arbeit und grenzte ihn doch auch dafür aus.

Die Henker und ihre Gesellen waren Tabufiguren. Die Menschen wussten, dass man sie brauchte, wollten jedoch nichts mit ihnen zu tun haben. Die Angst ebenfalls in die Unehrlichkeit abzurutschen war zu groß. Somit war jeder Kontakt zu ihnen und ihren Angehörigen verpönt. War dem Verkauf der Henkerswerkzeuge nichts entgegenzusprechen, wurde die Berührung mit denselben nach ihrem Kauf zum Unheil. Für viele Menschen war der Kontakt mit dem Henker eine so große Schande, dass sie Selbstmord begingen, wie z. B. 1546 ein Handwerksbursche, der mit einem Henker gezecht hatte.[8] In einigen Städten war den Scharfrichtern das Betreten der Gaststätte untersagt. Indem man ihnen das Bier durch das Fenster reichte und danach den Krug zerschlug, umging man dieses Verbot.[9] Die Isolierung reichte teils soweit, dass die Henkerswohnung immer weiter aus der Stadtmitte verbannte wurde. Diese Isolierung hatte auch andere Gründe. So musste der Henker eine Reihe von weiteren Tätigkeiten übernehmen, die vor allem mit Schmutz, Aas und Kot zu tun hatten. In kleineren Städten, in denen der Scharfrichter nicht durch seine Arbeit ausgelastet war, arbeitete er als Abdecker, Kloakenreiniger oder Hundeschläger. Auf Grund dieser übelriechenden Arbeit musste er ohnehin außerhalb der Stadt leben. Diese teils demütigenden Arbeiten sollten einerseits die Diskriminierung und Absonderung der Henker verschärfen, anderseits sicherten sie den Lebensunterhalt der Henkersfamilien. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass meist die Gesellen diese Arbeit erledigten.[10] Eine sehr ertragsreiche Nebentätigkeit war die Aufsicht über die Bordelle. Für ihren Schutz mussten die Prostituierten einen festen Betrag an den Henker zahlen.

Vor allem die Kirche hatte einen großen Einfluss auf das Ansehen der Henker. 1210 sprach sie sich zwar für die Todesstrafe aus, die Sitzverteilung in der Kirche konnte jedoch die soziale Isolation verstärken. Hatte der Henker einen gesonderten Platz in der Kirche, nahm auch in der Gesellschaft die Isolierung zu und umgekehrt.[11] Nach seinem Tod wurde er zwar auf dem Gemeindefriedhof beigesetzt, meist jedoch an einem separaten Platz.

Nicht nur räumliche Isolierung sollte die „Ehrlichen“ vor den „Unehrlichen“ schützen. Damit ein versehentlicher, unheilbringender Kontakt mit dem Henker und seines Gleichen verhindert werden konnte, mussten sie sich oftmals äußerlich kennzeichnen. So wurde der Braunschweiger Henker 1414 gezwungen eine gelbe Kappe zutragen, um sofort als solcher erkannt werden zu können. Gelb stand für Schwefel und Hölle und wurde auch bei anderen Randgruppen verwendet.[12] Wurden sie einerseits gezwungen diese äußerliche Kennzeichnung zu tragen, war ihre Amtskleidung meist sehr prächtig. Dies sollte die Zeremonie steigern und den Scharfrichter als „ ehrfurchtgebietende Gestalt an der Grenze zwischen Leben und Tod zeigen.“[13]

Auch die Familie der Henker und ihrer Gesellen hatten unter der Iso-lierung zu leiden. Nur durch schwer zu findende Patenschaften z. B. mit Pfarrern, Ärzten oder anderen angesehenen Bürgern, hatten sie eine kleine Aufstiegschance. Meist jedoch wurden die Söhne Nachfolger ihrer Väter und die Töchter Ehefrauen anderer Schergen. Heiratspartner außerhalb der Henkerssippe waren noch schwerer zu finden. Sie hatten Angst durch die Heirat ebenfalls in die Unehrlichkeit abrutschen.

Aus ökonomischer Sicht waren Henker meist nicht der Unterschicht zuzurechnen. Auf Grund ihrer Einkünfte hatten sie, vor allem in großen Städten, einen gesicherten Lebensunterhalt, der dem eines Bürgers der Mittelschicht glich.[14]

Viele der hier genannten Isolierungsarten unterschieden sich von Region zu Region, von Stadt zu Stadt. 1585 berichtete ein Ulmer aus Lübeck, dass dort der Nachrichter nicht sozial isoliert würde, er sogar mit „ehrlichen“ Leuten am Tisch säße und man ihn in seinem Haus besuchen würde. Solche Beobachtungen führten zu der These, dass die Henker im nordwestdeutschen Raum ein höheres Ansehen besaßen als die Scharfrichter in Süddeutschland.[15]

Während der großen Hexenprozesse im 16. Jahrhundert wurden die Scharfrichter noch einmal zu wichtigen und notwendigen Personen. Ende des 18. Jahrhunderts, im Zeitalter der Aufklärung, wurden schwere Folterungen, wie z. B. das Rädern und sogar vorrübergehend die Todesstrafe abgeschafft (Österreich 1787-98).[16] Mit sinkenden Todesstrafen ging auch die Anzahl der Vollstrecker zurück. Diejenigen, die weiter diese Arbeit nachgingen, gehörten auch künftig zu den Rand-gruppen.

1946 wurde in Deutschland die Todesstrafe abgeschafft und somit verschwand auch hierzulande der Beruf des Henkers.

[...]


[1] Irsigler, Franz / Lasotta, Arnold, Bettler und Gaukler Dirnen und Henker. (Köln: Greve, 1984) S. 11

[2] Hergemöller, Bernd- Ulrich, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. (Warendorf: Fahlbusch, 1990) S. 1

[3] Hergemöller, Bernd- Ulrich, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. (Warendorf: Fahlbusch, 1990) S. 88.

[4] Ebd.

[5] Ebd

[6] Ebd. S. 101.

[7] Irsigler, Franz / Lasotta, Arnold, Bettler und Gaukler Dirnen und Henker. (Köln: Greve, 1984) S. 139.

[8] Hergemöller, Bernd- Ulrich, Randgruppen der spätmittelalterlichen Gesellschaft. (Warendorf: Fahlbusch, 1990) S. 95.

[9] Ebd.

[10] Ebd. Vgl. S. 97.

[11] Ebd. Vgl. S. 90.

[12] Ebd. Vgl. S. 91.

[13] Roeck, Bernd, Außenseiter, Randgruppen, Minderheiten: Fremde im Deutschland der frühen Neuzeit. (Göttingen: 1993) S. 109.

[14] Roeck, Bernd, Außenseiter, Randgruppen, Minderheiten: Fremde im Deutschland der frühen Neuzeit. (Göttingen: 1993) S. 109.

[15] Ebd. Vgl. S. 109

[16] Meyers großes Taschenlexikon (Mannheim: B.I. Taschenbuchverlag, 1995) Bn. 22, S. 132

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Minderheiten und Randgruppen im Mittelalter
Université
Karlsruhe University of Education  (Geschichte)
Cours
Die Stadt im MIttelalter
Note
2,0
Auteur
Année
2002
Pages
19
N° de catalogue
V14894
ISBN (ebook)
9783638201759
Taille d'un fichier
542 KB
Langue
allemand
Mots clés
Minderheiten, Randgruppen, Mittelalter, Stadt, MIttelalter
Citation du texte
Michaela Benz-Riede (Auteur), 2002, Minderheiten und Randgruppen im Mittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14894

Commentaires

  • Karin Susan Luther le 15/1/2012

    Nach dem ich es zu Ende gelesen habe, verstehe ich die 2,0

  • Karin Susan Luther le 15/1/2012

    Gefällt mir sehr gut! Verstehe die nur 2,0 nicht so richtig.

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