Grundlagen und aktuelle Erkenntnisse des Neuromarketing und mögliche Anwendungen bei einem Online Reiseportal

Am Beispiel HolidayCheck mit Fokus auf den Unterschied zwischen B2B und B2C


Masterarbeit, 2010

113 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG
1.1 PROBLEMSTELLUNG
1.2 ZIELE DER THESIS
1.3 ÜBERSICHT DER KAPITEL
1.4 STAND DER BISHERIGEN FORSCHUNG

2. DEFINITION, GESCHICHTE UND BEDEUTUNG DES NEUROMARKETING
2.1 DEFINITION
2.2 GESCHICHTE UND BEDEUTUNG DES NEUROMARKETING
2.3 GRENZEN DES NEUROMARKETING

3. ANATOMISCHE GRUNDLAGEN, STRUKTUR & FUNKTIONSWEISE DES GEHIRNS
3.1 AUFBAU DES GEHIRNS:
3.1.1 VERLÄNGERTES MARK (MEDULLA OBLONGATA)
3.1.2 DIE BRÜCKE (PONS)
3.1.3 DAS MITTELHIRN (MESENCEPHALON)
3.1.4 DAS KLEINHIRN (CEREBELLUM)
3.1.5 DAS ZWISCHENHIRN (DIENCEPHALON)
3.1.6 DAS GROßHIRN (TELENCEPHALON)
3.1.6.1. Der Assoziationscortex
3.1.6.2. Der Präfrontale Cortex
3.1.6.3. Der Orbitofrontale Cortex
3.2 SYSTEME
3.2.1 LIMBISCHES SYSTEM
3.2.2 MESOLIMBISCHES SYSTEM
3.3 PROZESSE IM GEHIRN
3.3.1 GEDÄCHTNIS UND LERNEN
3.3.1.1. Deklaratives (explizites) Gedächtnis
3.3.1.2. Nicht-deklaratives (implizites) Gedächtnis
3.3.1.3. Arbeitsgedächtnis
3.3.2 GLÜCK & BELOHNUNG
3.3.3 DAS UNTERBEWUSSTSEIN
3.3.4 EMOTIONEN & GEFÜHLE
3.4 BILDGEBENDE VERFAHREN
3.4.1 MAGNETOENCEPHALOGRAPHIE (MEG)
3.4.2 ELEKTROENCEPHALOGRAPHIE (EEG)
3.4.3 POSITRONEN-EMISSIONS-TOMOGRAPHIE (PET)
3.4.4 FUNKTIONELLE MAGNETRESONANZTOMOGRAPHIE (FMRT/FMRI)

4. ETHISCHE DISKUSSION

5. EXPERIMENTE UND ERKENNTNISSE FÜR DAS NEUROMARKETING
5.1 RATIO VS. EMOTION
5.1.2 RATIO VS. EMOTION IM B2B
5.2 MOTIVE
5.2.1 GESCHLECHTSUNTERSCHIEDE
5.2.2 ALTERSUNTERSCHIEDE
5.2.3 KULTURUNTERSCHIEDE
5.2.4 MOTIVE IM B2B
5.3 CODES
5.3.1 SPRACHE
5.3.2 GESCHICHTEN
5.3.3 SINNE
5.3.4 SYMBOLE
5.4 SPIEGELNEURONEN
5.5 MARKENWIRKUNG
5.5.1 MARKENNETZWERKE
5.5.2 DER MENSCH ALS SOZIALES WESEN
5.5.3 BELOHNUNG
5.5.4 PREISEMPFINDEN
5.5.5 MARKEN IM B2B

6. EMPFEHLUNGEN FÜR HOLIDAYCHECK
6.1 ANALYSE
6.1.1 PRODUKT B2C
6.1.2 PRODUKT B2B
6.1.3 MARKE B2C
6.1.4 MARKE B2B
6.1.5 WETTBEWERBER B2C
6.1.6 WETTBEWERBER B2B
6.1.7 KUNDEN B2C
6.1.8 KUNDEN B2B
6.2 STRATEGISCHE ÜBERLEGUNGEN
6.2.1 AUSGEWÄHLTE MOTIVE B2C
6.2.2 AUSGEWÄHLTE MOTIVE B2B
6.2.3 ZIELGRUPPE
6.2.4 ATTRIBUTE UND TONALITÄT DER MARKE
6.3 OPERATIVE HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN
6.3.1 MARKETINGMIX B2C
6.3.2 MARKETINGMIX B2B
6.3.3 AUSBAU DER MARKE
6.3.1.1. Dienstleistung in Kontext stellen - 83 -
6.3.1.2. Emotionen wecken
6.3.1.3. Umsetzung durch Codes
6.3.1.3.1. Sprache
6.3.1.3.2. Symbole
6.3.1.3.3. Geschichten
6.3.1.3.4. Sinne
6.4 KONTROLLE

7. FAZIT

8. ANHANG
8.1 INTERVIEWS
8.1.1 MARKUS RODER
8.1.2 Prof Dr. W
8.1.3 Prof Dr. Dr. R
8.1.4 Dr. S
8.1.5 Dr. H
8.1.6 Dipl.-Kffr. H
8.2 LIMBIC TYPES
8.3 MARKENSTUDIE
8.4 SOZIODEMOGRAPHISCHE DATEN HC
8.5 KUNDENPROTOTYPEN IM B2B

9. BIBLIOGRAPHIE

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNG 1: NEUROMARKETING ALS ZUSAMMENSPIEL VIELER VERSCHIEDENER DISZIPLINEN

ABBILDUNG 2: MEDIANSAGITTALSCHNITT DURCHS MENSCHLICHE GEHIRN

ABBILDUNG 3: LAPPEN DER GROßHIRNRINDE

ABBILDUNG 4: LIMBISCHES SYSTEM

ABBILDUNG 5: DEKLARATIVES GEDÄCHTNIS

ABBILDUNG 6: IMPLIZITES GEDÄCHTNIS

ABBILDUNG 7: SYNAPTISCHE VERBINDUNG

ABBILDUNG 8: DARSTELLUNG ZUR GEFÜHLSENTSTEHUNG

ABBILDUNG 9: VERGLEICH BILDGEBENDER VERFAHREN

ABBILDUNG 10: FUNKTIONSWEISE VON KAUFENTSCHEIDUNGEN

ABBILDUNG 11: DIE EMOTIONSSYSTEME IM GEHIRN, SOG. LIMBIC MAP

ABBILDUNG 12: MÄNNLICHE UND WEIBLICHE MOTIVE

ABBILDUNG 13: LIMBIC MAP IM B2B

ABBILDUNG 14: MARKENNETZWERK MILKA

ABBILDUNG 15: HOTELBEWERTUNGSPORTALE IM ÜBERBLICK - 68 -

ABBILDUNG 16: LIMBIC MAP DARSTELLUNG VON HC UND WETTBEWERBERN

ABBILDUNG 17: LIMBIC TYPES

ABBILDUNG 18: ÄNDERUNG DER MOTIVE IM LAUFE DES LEBENS

ABBILDUNG 19: LIMBIC MAP IM B2B

ABBILDUNG 20: MOTIV-EBENEN IM B2C

ABBILDUNG 21: EINFLUSS VON MARKEN IM TOURISMUSSEKTOR

TABELLENVERZEICHNIS

TABELLE 1: ZWEIDIMENSIONALE BETRACHTUNGSWEISE NEURONALER FUNKTIONEN

TABELLE 2: WAHRNEHMUNGS- UND ENTSCHEIDUNGSPROZESSE

TABELLE 3: DIE DREI GRUNDMOTIVE

TABELLE 4: AUFNAHMEFÄHIGKEIT DER SINNE

Die Gedanken sind frei Ich denke, was ich will

wer kann sie erraten? und was mich beglücket,

Sie fliehen vorbei doch alles in der Still’

wie nächtliche Schatten. und wie es sich schicket.

Kein Mensch kann sie wissen, Mein Wunsch und Begehren

kein Jäger erschießen kann niemand verwehren,

mit Pulver und Blei: es bleibet dabei:

Die Gedanken sind frei! Die Gedanken sind frei!

(Deutsches Volkslied, 1842)

1. Einleitung

Das menschliche Gehirn gehört zu den komplexesten Gebilden, das die Natur geschaffenhat. Im Laufe der Jahrhunderte ist der menschliche Körper immer durchsichtiger gewordenund viele Dinge lassen sich heutzutage erklären, die noch vor 100 Jahren Rätselaufgegeben haben. Selbst im 21. Jahrhundert sind noch viele Dinge im Verborgenen -eine Tatsache, die vielen unglaubwürdig erscheinen mag, angesichts unseres heutigenWissensstandes und des technologischen Fortschritts. Gerade das Organ, das uns alsHomo Sapiens von allen anderen Tieren unterscheidet und uns erst zu dem macht, wasund wer wir sind, ist noch immer nicht durchschaut und in Gänze erklärbar.Gerade deshalb übt es für viele Menschen eine unglaubliche Faszination aus. DieTatsache, dass es Ursprung rationalen Handelns und Denkens ist, ist für viele anziehend.Aber ist dies wirklich so? Schon Goethe vermutete:

„Du glaubst zu schieben, und du wirst geschoben“ (Goethe, Faust, 1. Teil).

Sind wir wirklich rational handelnde Individuen? Oder sind wir vielmehr ausführende Objekte, die der Evolution und der Erhaltung des biologischen Gleichgewichts dienen?Dies ist die Kernfrage, die mein Interesse an dem Thema Neuromarketing geweckt hat.Denn wenn wir nur ausführen und reagieren, dann lässt sich diese Reaktion sicherlichdurch bestimmte Reize auch hervorrufen. Und dann lassen sich diese Reize bestimmtauch nutzen, Reaktionen zu erzielen, die nicht mehr nur rein biologischen und existenz-sichernden Gründen dienen: der Kauf von Produkten und Dienstleistungen.

An dieser Stelle kommt das Neuromarketing ins Spiel.

1.1 Problemstellung

Bisher ist sehr wenig über Neuromarketing bekannt, im Vergleich zu dem, was es noch zu entdecken, zu erforschen und zu erklären gibt. In Unternehmen wird jedoch noch vielweniger umgesetzt als immerhin schon bekannt ist. Das Unternehmen, für das dieseArbeit geschrieben wird, HolidayCheck (im Folgenden HC genannt), hat bisher noch keine Neuromarketing-Erkenntnisse angewandt, um seine Performance zu verbessern. Ausdiesem Grund wird Folgendes Thema dieser Master Thesis sein: Wie kann theoretisches Neuromarketing-Wissen praktisch bei HC und anderen Unternehmen in der Tourismus-und Reisebranche umgesetzt werden? Fokus soll hierbei auf dem Unterschied derAnsprache von B2C und B2B Kunden sein.

1.2 Ziele der Thesis

1.2.1 Primäres Ziel

Das primäre Ziel der Masterthesis ist es herauszufinden, ob und in wie weit Erkenntnisse des Neuromarketing bei HC angewandt werden können und ob es Unterschiede in der Ansprache von B2C und B2B Kunden gibt.

1.2.2 Sekundäres Ziel

Um das primäre Ziel zu erreichen, sind folgende sekundäre Unterziele notwendig:

- Sammlung aller relevanten Informationen zur Funktionsweise des Gehirns, zu Neuromarketing im Allgemeinen und zu Studien- und Experiment-Ergebnissen, die bei Unternehmen und insbesondere HC angewandt werden können.
- Entscheidung darüber welche der oben erwähnten Ergebnisse wichtig für HC sind. o Bereitstellung von Handlungsempfehlungen wie relevante Erkenntnisse des Neuromarketing im Unternehmen umgesetzt werden können.

1.3 Übersicht der Kapitel

Die Masterthesis besteht aus fünf Kapiteln:

1.3.1 Definition, Geschichte und Bedeutung des Neuromarketing

In diesem Kapitel wird die Entwicklung des Neuromarketing von seinen Anfängen bis in die heutige Zeit (2009) dargelegt. Des Weiteren soll die Bedeutung des Neuromarketingheutzutage und in Zukunft erörtert werden.

1.3.2 Grundlagen des Neuromarketing und Aufbau des Gehirns

Das zweite Kapitel wird sich mit den Grundlagen des Neuromarketing befassen, was u.a. auch beinhaltet, Strukturen und Aufbau des Gehirns zu erklären, die relevant für dasNeuromarketing sind. Außerdem werden Hirnabläufe, wie z.B. Konditionierung, Sucht- und Belohnungs-Prozesse erläutert und die Verbindung zum Neuromarketing, welches sichauch dieser Prozesse bedient, erklärt. Ein weiterer wichtiger Punkt, der in diesem Kapitel behandelt werden soll, ist eine kurze Übersicht über wichtige Technologien, die imNeuromarketing Verwendung finden.

1.3.3 Ethische Diskussion

In diesem Kapitel soll erörtert werden, ob die Neuromarketing-Forschung und deren Anwendung ethisch vertretbar ist. Des Weiteren wird das Thema der Willensfreiheit desMenschen angerissen, welches sich damit auseinander setzt, ob der Mensch überhauptfrei in seinem Willen ist oder ob letzterer nicht beeinflussbar, und damit auch manipulierbarist.

1.3.4 Experimente, Studien und deren Ergebnisse

Das dritte Kapitel wird sich mit schon erfolgten Experimenten beschäftigen. Hierbei werden jedoch nur Experimente erwähnt, die auch für HC relevant sein könnten.

Zusätzlich soll die aktuelle gesellschaftliche Situation mit einbezogen werden, insbesondere die Weltwirtschaftskrise, die mögliche Änderung von Werten, Bedürfnissen und Haltungen zur Folge haben könnte.

1.3.5 Handlungsempfehlungen für HC

Im letzten Kapitel wird der Autor der Thesis recherchierte und gewonnene Erkenntnisseder Neurowissenschaften im allgemeinen und des Neuromarketing im speziellen, nutzenund adaptieren, um spezifische Handlungsempfehlungen für HC geben zu können.

1.4 Stand der bisherigen Forschung

Aufgrund der Komplexität des Gehirns war es bisher nicht möglich, dieses vollständig zu erforschen und zu verstehen. Zwar ist schon vieles bekannt, jedoch bedarf es nochweiterem technischen Fortschritt, um genauere Nachforschung zu betreiben. Beispiele für Bereiche, in denen bereits geforscht wird sind:

- Durchführung, Beschreibung und Auswertung von Experimenten
- Einschätzung der praktischen Anwendbarkeit von Neuromarketing-Erkenntnissen in Unternehmen und anderen Bereichen, wie z.B. im Rechtswesen
- Die ethische Diskussion über die Anwendung des Neuromarketing, in Bezug auf Konsumenten-Manipulation
- Diskussionen über die Relevanz von Neuromarketing, d.h. die Frage ob überhaupt neue Erkenntnisse herausgezogen werden können oder ob es nur eine wissenschaftliche Methode ist, bereits bestehendes Wissen zu bestätigen.

Die Fülle an Literatur und Informationen über Neuromarketing betrachtend, kann leicht zu der Vermutung führen, dass keine Fragen mehr offen sind und es auf diesem Gebietnichts mehr zu erforschen gibt. Gerade aber was das Thema Neurowissenschaften betrifft, die Mutter des Neuromarketing, ist dies ein Trugschluss, denn dieser Forschungsbereich steht immer noch am Anfang.

Zum einen ist Neuromarketing an sich ein relativ junges Forschungsgebiet, das sich erst inden letzten zehn Jahren entwickelt hat (vgl. Scheier, 2007 b, 305). Dies liegt hauptsächlichdaran, dass notwendige technische Geräte erst in den 1970ern entwickelt wurden. DasfMRI z.B., ein wichtiges Instrument in den Neurowissenschaften, ist erst 1973 entwickeltworden und wurde ab den 1980er Jahren genutzt, zu Beginn auch nur zu medizinischenZwecken (vgl. http://www.bayerscheringpharma.de).

Zum anderen stellt die Komplexität des Gehirns eine große Herausforderung dar. Das menschliche Gehirn ist ca. 50.000 Jahre alt. Es komplett zu verstehen und zu analysierenwird noch sehr lange dauern. Obwohl das Gehirn schon seit langer Zeit die Menschenfasziniert und es erforscht wird, war es doch nur in den letzten 30 Jahren möglich, in daslebendige Gehirn zu schauen und Gedanken sichtbar zu machen. Auch wenn vieleFunktionen und Prozesse schon erforscht sind, bleibt doch noch einiges, was es zuergründen gilt.

In dieser Thesis soll versucht werden, die Erkenntnisse des Neuromarketing ganz konkret an einem Praxisbeispiel anzuwenden, Möglichkeiten aufzuzeigen, die Gedanken und Gefühle, die bisher durch die bildgebenden Verfahren nur abgebildet worden sind, selbst zu erzeugen und die ethische Vertretbarkeit des Neuromarketing zu hinterfragen. Es wird nicht möglich sein, dies komplett und definitiv zu klären. Vielmehr ist es ein Prozess des Schließens aus Literatur und Gesprächen mit Experten in Kombination mit eigenenGedanken und moralischen Grundsätzen.

2. Definition, Geschichte und Bedeutung des Neuromarketing

2.1 Definition

Neuromarketing ist eine Disziplin, die sich erst im Laufe der letzten Jahre, insbesondereinnerhalb der letzten fünf Jahre, entwickelt hat und bedeutet generell „die Anwendung derErkenntnisse der Neurowissenschaft auf das traditionelle Marketing“ (Raab et al., 2009, 6).Es ist nichts Neues, dass die Wirtschaftswissenschaften auch Erkenntnisse andererDisziplinen, wie z.B. die der Psychologie oder Soziologie, nutzen. Die bisherigenDisziplinen stoßen jedoch an ihre Grenzen wenn es darum geht, ökonomisch relevantesVerhalten der Menschen zu analysieren und zu verstehen. Die naturwissenschaftlichePerspektive und deren Erkenntnisse helfen nun dabei, menschliche Kauf- undWahlentscheidungen zu erkennen und abzubilden und diese Entscheidungen zubeeinflussen bzw. hervorzurufen (vgl. Häusel 2007a, 9). Insgesamt soll damit versuchtwerden, Kunden, ihre Bedürfnisse und ihr Verhalten besser zu verstehen, um somit dieEffizienz jeglicher Aktivität zwischen Unternehmen und Kunde, wie z.B. im BereichMarketing, zu steigern (vgl. Braidot, 2005, 9).

Der Begriff Neuromarketing lässt zwei Definitionen zu: eine engere Definition und eine erweiterte. Der engeren Definition nach, ist Neuromarketing die Anwendung bildgebenderVerfahren, wie z.B. dem fMRI, EEG oder PET1. Mithilfe dieser Verfahren kann das Gehirnlebender Probanden nicht-invasiv untersucht und Aktivität gemessen und dargestelltwerden. Dies kann von Unternehmen z.B. dafür verwendet werden, die Belohungswirkungder eigenen Marke im Vergleich zu anderen vergleichbaren Marken festzustellen.2 Dadiese Verfahren, und insbesondere die Auswertung der Ergebnisse, sehr teuer sind undmeist für Unternehmen auch keine neuen Erkenntnisse daraus gezogen werden können,wird sich diese engere Definition von Neuromarketing und deren Anwendung laut Expertenmeinungen nicht durchsetzen (vgl. 8.1.4 und 8.1.5).

Es wird daher, in Bezug auf die Anwendung in Unternehmen, geraten, die erweiterteDefinition von Neuromarketing zu verwenden. Nach dieser Definition sind bildgebende Verfahren zwar auch wichtig, jedoch nur Teil einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, die versucht, alle bisherigen Erkenntnisse der Neurowissenschaften in die Marketingtheorie und -praxis zu integrieren und dort anzuwenden (vgl. Häusel 2007a, 10).

Neuromarketing beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Integration der Neurowissenschaften im Marketing. Es vereint vielmehr die Erkenntnisse und Techniken vieler verschiedener älterer Disziplinen, wie im Folgenden dargestellt ist:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Neuromarketing als Zusammenspiel vieler verschiedener Disziplinen (Quelle: Scheier, 2006, 22).

Das Zusammenspiel verschiedenster Disziplinen spiegelt die Komplexität des Gehirnswider. Zum einen verwendet das Neuromarketing Techniken der Hirnforschung, wie z.B.das fMRI oder Erkenntnisse der Künstlichen Intelligenz, die sich mit der Funktionsweiseneuronaler Netzwerke beschäftigt. Auch die Entwicklungspsychologie, die sich mit derEntwicklung des Gehirns befasst ist wichtig um einzelne Strukturen und Prozesse imGehirn erklären zu können. Die sensorischen Hintergründe, die im Marketing immerwichtiger werden, also wie wir hören, riechen, schmecken, tasten, etc. werden durch dasGebiet Psychophysik abgedeckt. Diese eher naturwissenschaftlichen Bereiche werden mitMarketingerkenntnissen und Techniken aus der Marktforschung zusammengeführt undbilden die Disziplin Neuromarketing (vgl. Scheier, 2006, 22). Da aber technische Geräteallein zwar Aktivität im Gehirn erkennen lassen und diese auch durch die Erkenntnisse derHirnforschung relativ gut interpretiert werden können, jedoch nicht die Bedeutung vonSymbolen und anderen Dingen, die das Gehirn wahrnimmt, erkennen kann, ist die Kulturwissenschaft für das Neuromarketing unabdingbar. Nur mit ihrer Hilfe können Ergebnisse richtig interpretiert werden, bzw. gewünscht Ergebnisse erzielt werden.3 In dieser Thesis wird, sobald von Neuromarketing die Rede ist, die zweite, erweiterte Definition, verwendet.

2.2 Geschichte und Bedeutung des Neuromarketing

Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist Gehirnforschung ein immer interessanteres, herausforderndes und wichtigeres Thema geworden. Ergebnisse werden nicht nur im medizinischen Bereich, sondern auch in der Psychologie, in der persönlichen Entwicklungjedes Einzelnen durch zahlreiche Ratgeberbücher und in der Wirtschaft genutzt undverarbeitet. Neuromarketing ist jedoch noch eine relativ junge Disziplin aus dem Gebietder Neuroökonomie, die sich wiederum aus den Neurowissenschaften entwickelt hat.Erste Forschung wurde erst Ende der 90er Jahre von Gerry Zaltman an der HarvardUniversity betrieben (vgl. Raab et al., 2009, 8), was nicht zuletzt daran liegt, dassentsprechende Technologien erst ab den 80er Jahren genutzt wurden (vgl.http://www.bayerscheringpharma.de). Besonders in den letzten fünf Jahren ist einregelrechter Hype um diese Sparte entbrannt, der sich nicht zuletzt in den Einträgen beiGoogle widerspiegelt. Waren es bis April 2005 noch unter 100.000 Einträge (vgl. Kenning,2007, 19) findet man aktuell, im Oktober 2009, über 700.000 Einträge.

Die Frage stellt sich erstens nach dem Warum und zweitens ob der Erfolgskurs des Neuromarketing berechtigt und nicht nur eine Mode-Erscheinung ist. Die Frage weshalbdie Disziplin Neuromarketing so beliebt ist, lässt sich an drei Punkten festmachen. Anerster Stelle steht der Konkurrenzkampf, dem Unternehmen mehr und mehr ausgesetztsind. Aufgrund des hohen Wettbewerbdrucks suchen viele Unternehmen nachMöglichkeiten, sich voneinander abzugrenzen, nicht nur in Bezug auf ihre Produkte oderDienstleistungen, sondern auch in der Art und Weise, diese zu vermarkten. Die Methodenaus den Neurowissenschaften bieten die Möglichkeit, mithilfe bildgebender Verfahren dieeigenen Maßnahmen zu testen in Hinsicht auf die Reaktion potenzieller Kunden4, währendbestehende Erkenntnisse dabei helfen, die Zielgruppe besser zu verstehen, sie so besserauf sich aufmerksam machen zu können, potenzielle Kunden für sich zu gewinnen undbestehende zu halten.

Ein zweiter wichtiger Grund für den Boom des Neuromarketing ist die Knappheit der Ressourcen. Gerade in Krisenzeiten müssen Unternehmen mit ihren Budgets gut wirtschaften, um am Markt bestehen zu können. Der zielgerichtete Einsatz von Mitteln, seies im Marketingbereich, im Bereich Human Resources oder im Bereich anderer StakeHolder, wird immer wichtiger, damit diese nicht unnötig und erfolglos verschwendetwerden. Der zielgerichtete Einsatz ist auch aus dem Grund wünschenswert, als dassheutzutage eine sog. Information Overload5 besteht und Werbemaßnahmen z.T. gar nichtmehr wahrgenommen werden können. Dies wird nachvollziehbar anhand der Tatsache,dass bspw. allein in Deutschland über 50.000 Marken beworben werden und wir jedesJahr mit über 2 Millionen Werbespots und 350.000 Printanzeigen konfrontiert werden (vgl.Scheier/Held, 2006, 151, f). Da für einen durchschnittlichen Werbemittelkontakt ca. 1,8Sekunden aufgewandt werden, würden wir uns 48 Tage pro Jahr nur mit der Aufnahmevon Werbung beschäftigen. Da dies ausgeschlossen ist, muss der Mensch ständigirrelevante Informationen herausfiltern. Aus diesem Grund besteht die Herausforderung anein Unternehmen und dessen Werbung zunächst einmal darin, überhaupt wahrgenommenzu werden und erst im nächsten Schritt die richtige Wirkung zu entfalten (vgl. Raab et al.,2009, 14). Das Neuromarketing bietet hier eine neue Möglichkeit und neue Erkenntnisse,wie trotz aller Hindernisse, ein Unternehmen den Weg in die Köpfe der Konsumentenfinden kann. Aber kann man von dieser neuen Disziplin langfristig profitieren? Und ist sienicht nur ein Trend, der irgendwann wieder passé sein wird?

Viele neue Erkenntnisse sind durch Neuroforschung gewonnen worden, die auch im Marketing relevant sind und dort umgesetzt werden können. So ist die bisherige Marketinglehre von vielen falschen Annahmen, die den Menschen betreffen, ausgegangen(vgl. Raab et al., 2009, 15). Bislang war das Modell des Homo Ökonomikus ein Modell,das angesehen und als Grundlage vieler Marketingaktivitäten verwendet wurde. Der HomoÖkonomikus gilt als Lebewesen, das ökonomisch, bewusst und rational entscheidet unddurch Einsatz seiner Vernunft im Vergleich zu anderen, die dies nicht tun, besser gestelltist. Durch Erkenntnisse des Neuromarketing ist dieses Modell jedoch in Frage gestelltworden. Es setzt einen Menschen voraus, der logisch, rational und berechnend handeltwie eine Maschine. Jedoch: „der Mensch ist kein Automat“ (vgl. 8.1.4). Vielmehr geht manheute davon aus, dass erstens die meisten Entscheidungen unbewusst getroffen werden,und dass zweitens Emotionen bei Entscheidungen eine weitaus größere Rolle spielen als die Ratio, wie man zuvor angenommen hat. Somit kann der Mensch sein eigenes Denken und Verhalten teilweise nicht erklären, da emotionale Entscheidungskomponenten unbewusst wahrgenommen werden und daher nicht rational und bewusst erklärt werden können. Als Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen ergibt sich, dassWerbemaßnahmen nicht unbedingt bewusst wahrgenommen werden müssen, damit sie bei Kunden eine Wirkung zeigen. Auch ist es für Unternehmen, die Individualität jedes einzelnen Menschen vorausgesetzt, eben nicht möglich, die Meinung und das Denken aller Menschen über Marken und Produkte durch Marketing und Kommunikationsmaßnahmen zu kontrollieren (vgl. Raab et al., 2009, 15), da jeder Mensch anders geprägt ist und andere emotionale Voraussetzungen mitbringt.

Ob das Neuromarketing aber tatsächlich auch in Zukunft Verwendung findet ist noch nichtganz geklärt. Von einigen Experten wird behauptet, dass die bisherigen Erkenntnisse auchmithilfe des gesunden Menschenverstandes zu Tage gekommen wären, bzw. es sich umkeine neuen Erkenntnisse handelt, sondern nur um wissenschaftliche Bestätigungendessen was ohnehin schon bekannt ist (vgl. Raab et al., 2009, 25). Man solle sichvielmehr auf die klassischen Methoden der Marktforschung, wie Fragebögen, Umfragen,Interviews, etc. konzentrieren, da sich aus diesen, geschickt konzipiert, die gleichenErgebnisse ziehen lassen wie aus den komplizierten, aufwändigen und teuren Methodendes Neuromarketing. Laut Prof. Dr. Dr. Roth, Hirnforscher an der Universität Bremen, kanndurch bildgebende Verfahren, im Moment, nicht mehr herausgefunden werden, als durchdie klassische Befragung. So wird z.B. bei einer eindeutigen Vorliebe für eine Marke dieszwar im Hirnscanner zu sehen sein, kann jedoch auch durch eine gezielte Fragestellungherausgefunden werden. Ist jedoch keine eindeutige Präferenz einer Marke durchBefragung herauszufinden, so wird auch im Hirnscanner keine Antwort zu finden sein (vgl. 8.1.3). All diese Kritik bezieht sich jedoch auf die engere Definition des Neuromarketing (vgl. 1.3.1). Die weitere Definition, wie von vielen Experten bestätigt wird, hat Zukunft undwird nicht mehr wegzudenken sein aus dem Marketing. Modetrends und Vorlieben mögensich ändern im Laufe der Zeit, das Gehirn ist jedoch ein beständiges Organ, das sich „seit 50.000 Jahren in seiner Funktionsweise nicht verändert“ (Scheier/Held, 2006, 23) hat undsich höchstwahrscheinlich auch in den nächsten Jahren nicht verändern wird. Auch AlanSanfey, Psychologie-Professor an der Universität Princeton sagt: „we believe that the field[neuroeconomics] has real potential for making important contributions to ourunderstanding of decision-making, above and beyond what has and will continue to belearned from work within each discipline independently” (Sanfey et al., 2006, 108).

Dies bestätigt auch Herr X.: „Wo ich aber jede Menge Potenzial sehe (…) ist die Applikation von Psychologie, Neuropsychologie im Marketing, wo man wirklich versucht mit Motivforschung, mit Erkenntnissen aus der Evolutions-Psychologie (…)eine fachübergreifende Melange (…) zu kochen und (…) mit sinnvollen und statistischabprüfbaren Methoden in der Werbung oder respektive im Marketing zu verwenden.“(8.1.1).

Es ist also sinnvoll, sich der neuen Erkenntnisse zu bedienen und sie auf das Marketing zuübertragen. Dabei ist es wichtig, ein neues Verständnis des Menschen anzunehmen oder,wie Christian Scheier sagt, sich „eine neue Brille anzulegen, mit der man auf bestehendesWissen (…) draufschauen kann.“ (8.1.4). Der Begriff Neuromarketing wird dann, Hans-Georg Häusel zu folge, nicht mehr explizit Neuromarketing genannt, sondern neueErgebnisse werden ganz selbstverständlich in den Marketingalltag und andereUnternehmensprozesse integriert (vgl. 8.1.5). Die Grundlagenforschung sollte alsoweiterhin, z.B. zu medizinischen Zwecken betrieben werden, während die Erkenntnisse,die aus dieser Forschung herrühren, dann für das Marketing genutzt und angewandtwerden können, um den Menschen als Konsumenten besser zu verstehen.

2.3 Grenzen des Neuromarketing

Durch die bildgebenden Verfahren der Hirnforschung sind viele neue Informationen zuTage getreten. Jedoch ist man noch weit davon entfernt, jede menschliche Hirnaktivitätmessen, abbilden und interpretieren zu können. Dies liegt zum einen an der Komplexitätdes Gehirns und zum anderen an der technischen Entwicklung. Zwar ist es möglich,Hirnaktivität zu messen, jedoch sind die aktuellen Verfahren noch viel zu ungenau, umexakte Angaben über den genauen Ort und Zeitpunkt der Aktivität zu machen. Das vielgrößere Problem ist jedoch die Interpretation der Aktivität. Was bedeutet es wenn z.B. dieAmygdala aufleuchtet? Welche Gefühlsregungen oder Gedanken stecken dahinter? Diesherauszufinden ist zum einen aufgrund technischer Probleme noch nicht möglich, zumanderen aber auch aufgrund der Tatsache, dass der Mensch versucht sein eigenes Gehirnzu erklären und als Analyse- und Interpretationsinstrument, neben technischen Geräten,nur eben dieses Gehirn zur Verfügung hat. Ein menschliches Gehirn mithilfe einesmenschlichen Gehirns zu interpretieren ist schwierig und die Frage bleibt offen ob esjemals komplett und objektiv erforscht werden kann, oder ob immer eine subjektive Komponente mitschwingt: die der „Logik der menschlichen Spezies“ (Precht, 2007, 26).6

Die technische Entwicklung macht jedoch Fortschritte und nach Meinung von Experten werden wir immer mehr über das Gehirn wissen und immer detailliertere Informationen darüber bekommen, wie der Mensch denkt, fühlt und wie man diese Prozesse beeinflussen und hervorrufen kann (vgl. 8.1.2 und 8.1.3). Von daher wird noch viel auf uns zukommen an Wissen, das sich für das Marketing oder die Medizin nutzen lässt, aberauch an ethischen Fragestellungen, in wie weit man diese Forschung betreiben und das Wissen nutzen darf.

Ganz klar lässt sich jedoch auch heute schon sagen, dass es den sogenannten Buy- Button7, der von vielen gesucht wird, nicht gibt. Vielmehr hilft Neuromarketing, wie schon erwähnt, generell mehr über Konsumentenverhalten herauszufinden und im Speziellen zu erforschen, was die Reaktion von Kunden beeinflusst, wie diese in Wirklichkeit reagieren und, das wichtigste Kriterium, wie man Kunden zu einer gewünschten Reaktion hinführen kann, nämlich Produkte und Dienstleistungen zu kaufen oder in Anspruch zu nehmen und dies nicht nur einmal, sondern immer wieder zu tun.

Die Prozesse, die bei Kaufentscheidungen ablaufen sind viel zu „komplex und dynamisch“(Scheier/Held, 2006, 19), als dass sie auf eine einzige Struktur, den sog. Buy Button, imGehirn zurückzuführen wären. Scheier sagt weiterhin, dass bei über 100 MilliardenNervenzellen, die durch ihre Verknüpfungen 1015 Verbindungen entstehen lassen, dasGehirn einem Heuhaufen gleicht. Und in diesem Heuhaufen die Buy Button-Nadel zufinden ist unmöglich, schon alleine deshalb weil man sich ihrer Existenz noch nicht einmalsicher ist (vgl. Scheier/Held, 2006, 19) und sie, aufgrund der Fähigkeit der Nervenzellenständig neue Verbindungen zu bilden, ihren Platz auch noch wechseln kann.

Viele verschiedene Strukturen sind an Kaufentscheidungen beteiligt, die sich alle gegenseitig beeinflussen und unterstützen. Zwar lassen sich diese Kaufentscheidungs-Prozesse nicht 100% und exakt im Gehirn lokalisieren, jedoch ist es möglich, bestimmteRegionen auszumachen, in denen für das Neuromarketing relevante Prozesse ablaufen.Im Folgenden wird daher eine kurze Einführung in Aufbau und Struktur des Gehirnsgegeben.

3. Anatomische Grundlagen, Struktur & Funktionsweise des Gehirns

Wie bereits erwähnt, ist der Aufbau des Gehirns äußerst komplex. Daher ist zunächst ein grober Überblick über den Aufbau des Gehirns erforderlich und die Hervorhebung der Areale, die für das Neuromarketing von Bedeutung sind. Da selbst auf diesem eigentlich eindeutigen Gebiet unter Wissenschaftlern Uneinigkeit herrscht bezüglich bestimmter Prozesse, wird sich der folgende Teil an den Ansichten von Gerhard Raab et al., Mark Bear et al. und Faller/Schünke orientieren.

Zu Beginn zunächst eine Übersicht über den

3.1 Aufbau des Gehirns:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Mediansagittalschnitt durchs menschliche Gehirn (Quelle: www.kuratorium-zns.de)

Zunächst kann das Gehirn in zwei Hälften geteilt werden: eine linke und eine rechte. Jederdieser zwei Hälften werden besondere Eigenschaften zugeschrieben. Die linkeGehirnhälfte ist für Sprache und rationale Entscheidungen zuständig, stark mit demBewusstsein verknüpft und wird eher mit negativen Emotionen in Verbindung gebracht,während die rechte Hälfte eher unterbewusst arbeitet, für emotionale Prozesse, dasErkennen von Bildern, Gedächtnis und Musikverständnis zuständig ist und mit eherpositiven Affekten in Verbindung gebracht werden kann (vgl. Splawinski, 2007, 9).

Diese Zweiteilung des Gehirns gibt ihm zwar die allseits bekannte äußerliche Form, betrifft jedoch nur das Großhirn. Deshalb zunächst eine Übersicht über alle wichtigen Bereiche des Gehirns.

3.1.1 Verlängertes Mark (Medulla Oblongata)

Das verlängerte Mark ist die Verbindung zwischen Rückenmark und Gehirn. Die hauptsächliche Aufgabe des Marks ist die Steuerung vegetativer Funktionen wie Atmung,Kreislauf, Herzschlagfrequenz, etc. Daher ist dieser Teil lebensnotwendig. Die Funktionendes verlängerten Marks können willentlich nicht kontrolliert werden. So ist es z.B.unmöglich, seinen Herzschlag auf Kommando zu stoppen oder die Atmung anzuhalten.Hier kommt das Fehlen an Kontrolle über bestimme Körperfunktionen dem Überleben desMenschen zugute, da ein Herzschlagstopp unweigerlich zum Tod führen würde (vgl. Bearet al., 2009, 192). Auch die Kontrolle über ungewollte Reaktionen ist uns versagt, wie z.B.die auf emotionale Reize mit Herzklopfen oder Erröten (vgl. Bear et. al., 2009, 194).

3.1.2 Die Brücke (Pons)

Die Brücke, wie der Name schon sagt, hat eine verbindende Funktion. Sie liegt zwischendem verlängerten Mark und dem Mittelhirn und leitet Informationen über Faserbündel andas Klein- und an das Großhirn weiter (vgl. Raab et al., 2009, 97). Sie enthält außerdemdie Kerne des V. Hirnnervs (N. trigeminus, zuständig für sensorische Wahrnehmung desGesichts), des VI. Hirnnervs (N. abducens, zuständig für Augenbewegungen) und des VII.Hirnnervs (N. facialis, zuständig für Geschmackswahrnehmung und Gesichtsbewegungen)(vgl. Faller/Schünke, 2008, 629). Somit werden hier sensorische Wahrnehmungen weitergeleitet was im Neuromarketing von großer Bedeutung ist.

3.1.3 Das Mittelhirn (Mesencephalon)

Das Mittelhirn ist der kleinste Gehirnteil und liegt zwischen der Brücke und dem Zwischenhirn. Charakteristisch für das Mittelhirn ist die „schwarze Substanz“. In dieser,durch den hohen Melanin- und Eisengehalt schwarz gefärbt, wird Dopamin hergestellt,der Botenstoff, der Signale von Neuron zu Neuron transportiert. Dopamin hat vieleEigenschaften: es aktiviert, motiviert, stimmt uns optimistisch und euphorisch und fördertdas Lernen (vgl. Klein, 2002, 185, ff). Klein bezeichnet es als den „chemische[n]Hauptschalter des Begehrens“ (Klein, 2002, 190) was für das Neuromarketing ein wichtiges Kriterium ist. Zusammen mit dem verlängerten Mark und der Brücke bildet das Mittelhirn den Hirnstamm.

Im Zentrum des Hirnstamms verläuft das retikuläre System, welches vom verlängerten Mark bis ins Zwischenhirn reicht (vgl. Faller/Schünke, 2008, 631). Dieses beinhaltet die sog. Raphe-Kerne, deren Neuronen Serotonin produzieren, einen Neurotransmitter, der den Blutdruck und die Aufmerksamkeit steuert (vgl. Raab et al., 2009, 98). Auch besteht eine Verbindung dieser Kerne zum Zwischenhirn und limbischen System, die beide für emotionale Verarbeitung wichtig sind (ibid.). Des Weiteren steuert das retikuläre System Augen- und Kopfbewegungen, die insbesondere mit der Wahrnehmung neuer Reize in Verbindung stehen (vgl. Schandry, 2003, 115).

3.1.4 Das Kleinhirn (Cerebellum)

Das Kleinhirn ist wesentlich kleiner als das Großhirn. Dennoch enthält es jedoch genausoviele Neuronen wie das gesamte Großhirn. Die Aufgabe des Kleinhirns ist hauptsächlich,unbewusste Bewegungen zu kontrollieren, wie z.B. das Gehen (vgl. Bear et. al., 2009,191).

3.1.5 Das Zwischenhirn (Diencephalon)

Das Zwischenhirn sitzt im Zentrum des Gehirns und besteht aus dem Thalamus, demHypothalamus und der Hypophyse. Letztere steuert Erregungsprozesse durchHormonausschüttung und ist durch den Hypophysenstiel mit dem Hypothalamusverbunden. Dieser kontrolliert u.a. das vegetative Nervensystem, also Atmung, Kreislauf,Nahrungsaufnahme, etc. (vgl. Faller/Schünke, 2008, 624,f.) und spielt eine wichtige Rollebei emotionaler Verarbeitung und der Organisation des Gedächtnisses (vgl. Raab et al.,2009, 102). Aufgrund seiner wichtigen und lebensnotwendigen Aufgaben ist er mit fastallen Teilen des Gehirns verbunden (vgl. Roth, 2003, 161). Der Thalamus wird auch als„Tor zum Bewusstsein“ bezeichnet, da er alle ankommenden Reize sammelt und diewichtigen zur Großhirnrinde weiterleitet, welche für bewusste Wahrnehmungen zuständigist (vgl. Faller/Schünke, 2008, 624).

3.1.6 Das Großhirn (Telencephalon)

Das Großhirn macht den größten Teil des Gehirns aus, genauer gesagt 85% des Gesamtgewichts (vgl. Raab et al., 2009, 102). Dieser Teil ist es auch, der allgemein bekannt ist und die charakteristische gewundene Form aufweist.8 Er ist in der Mitte durch die Fissura longitudinalis cerebri in zwei Teile gespalten: die rechte und die linke Hirnhälfte (vgl. Bear et. al., 2009, 191).

Die beiden Gehirnhälften sind durch Kommissurenfasern miteinander verbunden, von denen die meisten sich im sog. Balken, dem Corpus Calossum, bündeln, durch den ca. 200 Millionen Fasern verlaufen (vgl. Faller/Schünke, 2008, 617).

Das Großhirn kann in seiner Gesamtheit in zwei Bereiche eingeteilt werden: Zum einen in die Großhirnrinde, auch Kortex genannt, die aus einer grauen 2-5 mm dicken Zellschicht besteht und zum anderen in die weiße Markschicht, die aus Nervenfasern und denBasalganglien besteht.

Die Basalganglien sind zweipaarige Kerne zu denen der bleiche Körper (globus pallidus),der Schalenkern (Putamen), der Schwanzkern (Nucleus caudatus) und der Mandelkern(Corpus amygdaloideum) gehören (vgl. Faller/Schünke, 2008, 618). Eine ihrerHauptfunktionen ist die Kontrolle willkürlicher Bewegungen in Ausmaß und Richtung. Eineweitere Funktion, die auch für das Neuromarketing von Bedeutung ist, ist ihre Rolle beimErlernen von Gewohnheiten und Handlungsmustern (vgl. Faller/Schünke, 2008, 617).

Die Großhirnrinde ist das alles entscheidende Organ. Durch sie unterscheidet sich derMensch vom Tier, da auf ihr Funktionen wie „sehr hoch entwickelte Sprache, logischesDenken, Persönlichkeit und Gewissen“ (Faller/Schünke, 2008, 620) sitzen. Die Rinde istSitz des menschlichen Verstandes und damit der Fähigkeit, sein eigenes und dasVerhalten anderer zu reflektieren (vgl. Bear et al., 2009, 215). Die Großhirnrinde ist somitfür bewusstes Nachdenken und Handeln zuständig. Da sie jedoch auch achtmal sovielSauerstoff wie andere Bereiche des Gehirns benötigt, sollte, rein energiebilanz-technischgesehen, ihre Aktivität eingeschränkt werden (vgl. Raab et al., 2009, 102). Prozesse, dieoft und schnell durchgeführt werden müssen, werden daher z.T. unbewusst abgewickelt,um Energie zu sparen.

3.1.6.1. Der Assoziationscortex

Neben dieser oberflächlichen Einteilung in die vier Bereiche, kann die Großhirnrinde auch zeitgeschichtlich aufgeteilt werden in eine Urrinde (Archicortex), Altrinde (Palaeocortex) und eine Neurinde (Neocortex). Urrinde und Altrinde sind beim Menschen mittlerweile vom stark entwickelten Neocortex überwachsen. Dennoch sind die beiden älteren Bereiche wichtig, da dort bedeutende Strukturen für das Motivations- und Emotionsverhalten zu finden sind (vgl. Faller/Schünke, 2008, 619).

Bestandteile der Urrinde sind:

- “der Mandelkern (Corpus amygdaloideum),
- das Ammonshorn (Hippocampus),
- die gezähnte Windung (Gyrus dentatus),
- die Gürtelwindung (Gyrus cinguli) sowie
- der graue Überzug (Indusium griseum) auf dem Balken (Corpus Callosum)” (Faller/Schünke, 2008, 619) Die Altrinde besteht hauptsächlich aus dem Riechhirn, welches beim Menschen nicht sonderlich ausgeprägt ist.

Neuester, wichtigster und größter Teil ist die Neurinde, im Folgenden nur noch Neocortexgenannt. Der Neocortex kommt nur bei Säugetieren vor und ist beim Menschenaußerordentlich ausgeprägt. Dieser Teil ist es auch, der sich im Laufe der Evolution beimMenschen sehr stark vergrößert hat. Dies erklärt auch die gewundene Form, die zurOberflächenvergrößerung entstehen musste (vgl. Bear et. al., 2009, 219). So umfasst ermittlerweile 90% der gesamten Großhirnoberfläche (vgl. Raab et al., 2009, 104). WeiteTeile des Neocortexes können spezifischen Funktionen wie z. B. motorischen,sensorischen oder exekutiven zugeordnet werden. Der Großteil jedoch, 80% derGroßhirnoberfläche (vgl. Faller/Schünke, 2008, 622), hauptsächlich im Bereich desFrontal- und Temporallappens, dient der Bildung von Interpretationen und Assoziationenund wird deshalb auch Assoziationscortex genannt. Hier werden sensorischeWahrnehmungen kognitiv wahrgenommen, interpretiert, zugeordnet undHandlungskonsequenzen ausgearbeitet (vgl. Faller/Schünke, 2008, 622).Somit liegt hier der menschliche Verstand, d.h. nach Definition von Bear die „Fähigkeit,Verhalten (unser eigenes und das von anderen) zu interpretieren und auf nichtbeobachtbare geistige Zustände wie etwa Wünsche, Absichten und Überzeugungen zuschließen“ (Bear et. al., 2009, 223).

Jedoch ist es wichtig, zu erkennen, dass obwohl der Assoziationscortex für die kognitive Wahrnehmung zuständig ist, keine 100% Objektivität erreicht werden kann. Dies liegt daran, dass alle Reize, die an die Großhirnrinde gelangen, zuvor vom Thalamus gefiltert werden. Begründet ist dies darin, dass der Mensch viel zu vielen Reizen ausgesetzt ist, alsdass er sie alle verarbeiten könnte und daher einer Reizüberflutung ausweichen muss. Dader Thalamus aber auch für Gefühle und emotionale Inhalte zuständig ist, sind dieInformationen, die er an die Großhirnrinde weiterleitet vorsortiert und emotional gefärbt.Der Assoziationscortex ist außerdem stärker als die anderen Cortices mit dem limbischenSystem verknüpft, was ebenfalls dazu führt, dass dieser Cortex vom „emotionalenBewertungssystem“ (Roth, 2003, 222) beeinflusst wird (vgl. Raab et al., 2009, 110).

Die gesamte Großhirnrinde kann nach Carlson oberflächlich in vier Bereiche, die sog.Lappen, aufgeteilt werden, die jedoch alle miteinander verknüpft sind (vgl. Roth, 2003,142, ff.) Hierbei sind in jedem Lappen auch Teile des Assoziationscortex zu finden. ImFolgenden werden die Funktionen des Assoziationscortex anhand seiner Position in denLappen erläutert:

A: FrontallappenB: ParietallappenC: TemporallappenD: Okzipitallappen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Lappen der Großhirnrinde (Quelle: http://img.geo.de)

- Okzipitallappen (Sitzt am Hinterkopf): Der Assoziationscortex im Bereich des Okzipitallappens ist zuständig für die Verarbeitung visueller Informationen und das Wiedererkennen von Objekten.

- Parietallappen (sitzt unter dem Scheitelbein): der partiale Assoziationscortex ist zuständig für Körperwahrnehmung und Tastgefühl, insbesondere das Gleichgewichtsgefühl und die Bewegungssteuerung von Arm, Hand und Kopf.

- Temporallappen (sitzt unter dem Schläfenlappen): der temporale Assoziationscortex ist für die Verarbeitung auditorischer Informationen und dieemotionale Komponente von Sprache, d.h. die Entschlüsselung von Mimik.

- Frontallappen (sitzt an der Stirnseite): der frontale Assoziationscortex befindet sich hauptsächlich im Frontallappen. Dieser Bereich ist zuständig für Planung zukünftiger Aktionen und Bewegungskontrolle und kann wiederum in den präfrontalen (PFC) und orbitofrontalen (OFC) Cortex unterteilt werden. Diese beiden Cortizes sind auch für das Neuromarketing von wesentlicher Bedeutung und werden daher nun noch einmal ausführlich erläutert.

3.1.6.2. Der Präfrontale Cortex

Der PFC befindet sich im Frontallappen und ist hauptsächlich dafür zuständig, relevantevon irrelevanten Informationen zu trennen und diese bei der Planung von Handlungen unddem Lösen von Problemen einzusetzen (vgl. Raab et al., 2009, 117). Teil des PFC ist dasArbeitsgedächtnis, welches sowohl aktuelle Informationen kurz zwischenspeichern kann,als auch Zugriff auf „Sinnes- und Gedächtnisleistungen und (…)Handlungssteuerungenhat und nach bestimmten Kriterien Informationen aus diesen Systemen einlädt“ (Roth, 2003, 158). Der PFC bedient sich also bereits gemachter Erfahrungen und kombiniert diese mit der aktuellen Motivationslage und Situation, um Verhalten zu durchdenken undzu planen (vgl. Raab et al., 2009, 117). Er kann somit als Entscheidungs- undAusführungssystem des menschlichen Gehirns bezeichnet werden (vgl. Roth, 2003, 480).

3.1.6.3. Der Orbitofrontale Cortex

Der orbitofrontale Cortex liegt an der Stirnfront über den Augen und ist direkt mit dem limbischen System verbunden. Seine Hauptfunktion ist die Korrektur der Bewertung emotionaler Reize durch den PFC. Somit werden alle durch den PFC bewusst getroffenen Entscheidungen mit erlernten Emotionen, die im OFC gespeichert sind abgeglichen und der OFC kann daher als „Sitz ethischer Empfindung“ (Raab et al., 2009, 116) bezeichnet werden. Die Korrekturfunktion des PFC und die direkte Verbindung zwischen dembewussten und rationalen Arbeiten des frontalen Cortex und dem unbewusst arbeitendem und emotionalen limbischen System lässt die Vermutung zu, dass viele Entscheidungen letztendlich emotional getroffen werden (vgl. Raab et al., 2009, 117).

Die Verknüpfung vieler Bereiche des Gehirns ist also Grundvoraussetzung für viele seiner Funktionen, da auch im Gehirn Teamarbeit gefragt ist. Im Folgenden werden die Systeme erklärt, die für das Neuromarketing eine wichtige Rolle spielen:

3.2 Systeme

3.2.1 Limbisches System

Die Hauptbestandteile des limbischen Systems sind laut Faller/Schünke: Hippocampus, Fornix, Corpus mamillare, Gyrus cinguli und Amygdala (Mandelkern) (vgl. Faller/Schünke, 2008, 619). In der folgenden Abbildung sind ihre Positionen durch grüne Markierung imGehirn angedeutet:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Limbisches System (Quelle: www.neuro24.de)

Wie in der Abbildung zu erkennen ist, liegt das limbische System am Corpus callosum, esumsäumt ihn bildlich gesprochen (Limbus = lat. Saum). Zentrum des limbischen Systemsist der Hippocampus und der Gyrus cinguli. Sie sind beide für Motivations- undAgressionsverhalten zuständig und an Lernprozessen beteiligt (vgl. Faller/Schünke, 2008,619). Amygdala und Hippocampus sind die Orte, an denen Erinnerungen an Gefühle undOrte gespeichert werden. Durch sie ist es möglich, dazu zu lernen, da auf diesegespeicherten Erinnerungen immer wieder zurückgegriffen werden kann (vgl. Klein, 2002,167). Nicht nur Erinnerungen an Gefühle werden hier gespeichert, auch die Möglichkeit,weitere Emotionen wahrzunehmen hat hier ihren Ursprung. So geht man davon aus, dassdie sozialen Emotionen, wie z.B. Partnerbindung, Gruppenbildung, Brutpflege und Freudeam Spiel, hier entstehen. Unterstützt wird diese These durch die Tatsache, dass sich dieseRegion zeitgleich mit den ersten Säugetieren entwickelt hat (vgl. Klein, 2002, 168).

Die Amygdala ist jedoch nicht an allen Gedächtnisprozessen beteiligt, sondern nur an solchen, bei denen auch Emotionen involviert sind. Sie unterstützt die Speicherung vonInformationen, u.a. durch die Vermittlung von Adrenalin, ist aber nur am Speicherungs-Prozess beteiligt und nicht beim Abruf von Inhalten (vgl. Güntürkün & Hausmann, 2007,94). Je höher die Aktivierung der Amygdala bei Wahrnehmung emotionaler Informationenist, desto besser werden diese Informationen später auch erinnert (ibid.). Sie wird daherauch als emotionales Gedächtnis bezeichnet (vgl. Raab et al., 2009, 140). In Bezug auf das Phänomen der Adrenalinausschüttung fand LeDoux heraus, dass die Amygdala diese beeinflussen und somit bei bestimmten emotionalen Reizen, wie z.B. Gefahr, den Befehl zur Ausschüttung erteilen kann (vgl. Raab et al., 2009, 177).

Lange Zeit ging man davon aus, dass die Amygdala nur für das Empfinden von Angst undGefahr zuständig ist (vgl. Raab et al., 2009, 176). Mittlerweile weiß man, dass sie generellbei der Speicherung von Informationen vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis beteiligt ist (vlg.Faller/Schünke, 2008, 619) und dabei diese Informationen auch noch emotional einfärbt(vgl. Raab et al., 2009, 176). Man vermutet, dass die linke Hälfte eher für die positivenReize zuständig ist und die rechte Hälfte für drohende (ibid.). Sicher ist jedoch, dass dieAmygdala wesentlich an der Wiedererkennung von Gesichtern beteiligt ist (ibid.).

Der Gyrus Cinguli anterior (ACC) ist für das Neuromarketing insofern wichtig, als dass er an „komplexen, längerfristigen Einschätzungen von Gewinn- und Verlustsituationen“ teilhat und „daher vor allem auch mit komplexer Belohnungs- und Bestrafungswahrnehmung und mit Risikoeinschätzung verbunden“ ist. (Raab et al., 2009, 177).

3.2.2 Mesolimbisches System

Das mesolimbische System besteht aus dem Fornix, dem Nucleus accumbens und dem ventralen tegmentalen Areal. Eine wichtige Funktion des Fornix ist die Stimulation von Neugierde und Entdeckerverhalten (vgl. Raab et al., 2009, 173). Der Nucleus accumbens produziert Dopamin, das zu positiven Gefühlen wie Lust und Glück führt (vgl. Raab et al., 2009, 148). Er spielt eine große Rolle in Zusammenhang mit Belohnung (vgl. 3.3.2), was die Bezeichnung des mesolimbischen Systems als „Belohnungszentrum“ (Raab et al., 2009, 174) rechtfertigt. In Zusammenhang mit Belohnung spielt auch emotionaleKonditionierung eine große Rolle (vgl. 3.3.1.2), und Roth sieht das mesolimbische System daher als wichtigstes System hierfür an (vgl. Roth, 2003, 266, f.).

3.3 Prozesse im Gehirn

3.3.1 Gedächtnis und Lernen

Gedächtnis kann definiert werden als “umfassende Bezeichnung für die Leistungen, Bedingungen und Grenzen des Einprägens von Erfahrungen, des Behaltens, Wiedererkennens und Abrufs” (Brückner, 2006, 3). Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass all diese Prozesse nicht nur bewusst ablaufen, sondern auch unbewusst.

“Die Summe unserer Erkenntnisse besteht aus dem, was wir gelernt, und aus dem, waswir vergessen haben.” (Marie von Ebner-Eschenbach (1830-1916), östr. Schriftstellerin)

Obwohl wir manchmal meinen, vieles Gelernte wieder vergessen zu haben, ist dies nicht verloren, es kann nur nicht bewusst darauf zugegriffen werden, beeinflusst unserVerhalten aber nach wie vor. Dies ist zurückzuführen auf die Unterteilung in eindeklaratives (explizites) und ein nicht-deklaratives (implizites) Gedächtnis, die imFolgenden näher erläutert werden.

3.3.1.1. Deklaratives (explizites) Gedächtnis

Das deklarative (explizite) Gedächtnis kann in drei Bereiche geteilt werden:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Deklaratives Gedächtnis (Quelle: Roth, 2003, 154)

Das episodische oder auch autobiographische Gedächtnis umfasst inhaltliche, zeitliche und räumliche Aspekte von Erlebnissen, hauptsächlich der eigenen Person aber auchSchicksale anderer (vgl. Raab et al., 2009, 124). Das Fakten- oder auch semantischeGedächtnis beinhaltet generelle Informationen und Wissen, unabhängig vom Kontext, wie z.B. die Tatsache, dass 2x2 = 4 ergibt. Dieses Gedächtnis wird angesprochen wenn es um das Erkennen von Symbolen oder Wörtern geht, wie z.B. das Mc Donalds „M“ und ist aus diesem Grund besonders bedeutend für das Neuromarketing.

Das Bekanntheitsgedächtnis hilft uns, mit automatischen Prozessen, zu unterscheiden ob wir etwas schon kennen oder nicht (vgl. Raab et al., 2009, 124).

An der Enkodierung und beim Abruf des autobiographischen Gedächtnisses sind vorwiegend Bereiche der rechten Gehirnhälfte beteiligt, wie z.B. der Amygdala oder desPFC, während das semantische Gedächtnis eher auf der linken Hirnhälfte lokalisiert ist(vgl. Raab et al., 2009, 125). Als Organisator des ganzen deklarativen Gedächtnisses wirdder Hippocampus bezeichnet, d.h. er legt fest was wo und in welcher Form gespeichertwird (vgl. Raab et al., 2009, 128). Durch seine enge Verknüpfung zur Amygdala sind imepisodischen Gedächtnis Informationen auch sehr stark an Emotionen gekoppelt (vgl.Scheier/Held, 2008, 72).

Informationen, die im deklarativen Gedächtnis gespeichert sind, können meist bewusst erinnert werden, während solche, die im nicht-deklarativen Gedächtnis gespeichert werden, meist nicht bewusst abrufbar sind, unser Verhalten jedoch beeinflussen ohne dass wir uns darüber im Klaren sind (vgl. Raab et al., 2009, 125, f.).

3.3.1.2. Nicht-deklaratives (implizites) Gedächtnis

Das nicht-deklarative (implizite) Gedächtnis teilt sich in folgende Bereiche:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Implizites Gedächtnis (Quelle: Roth, 2003, 154)

Wichtig ist zu erkennen, dass Informationen aus dem impliziten Gedächtnis zwar nicht bewusst abrufbar, dafür aber immer verfügbar sind, sobald die Zusammenhänge, unter denen bestimmte Sachen erlernt wurden, wieder hergestellt werden (vgl. Raab et al., 2009, 126). Insbesondere das Priming und die emotionale Konditionierung sind für das Neuromarketing relevant.

Durch das Priming ist es möglich, bestimmte Aufgaben schneller zu lösen, wenn diesezuvor in einen passenden Kontext gestellt wurden (vgl. Raab et al., 2009, 127). Durchemotionale Konditionierung wird es dem Menschen möglich, in bestimmten Situationen schnell zu handeln und somit Energie zu sparen. Hierbei werden Erfahrungen mit Reizen, Merkmalen, Gefühlen und Reaktion verbunden, die somit markiert werden. Immer dannwenn eine dieser Markierungen oder ihr ähnliche auftreten, wird die dementsprechendeReaktion oder ein bestimmtes Gefühl ausgelöst. Dabei hängt die Einprägsamkeit vonEmotionen zum einen von der Häufigkeit ab, zu der sie erlebt werden, und zum anderenvon ihrer Intensität (vlg. Lehmann-Waffenschmidt, et al., 2008, 12). Der Zusammenhangvon Gedächtnis und Emotionen wird auch darin deutlich, dass sowohl bei Lernprozessenals auch bei emotionaler Aktivität wie der Belohnungswirkung ähnliche Areale aktiv sind,wie die Amygdala, Teile des Striatums und des PFC (vgl. Lehmann-Waffenschmidt et al.,2007, 23).

3.3.1.3. Arbeitsgedächtnis

Während das explizite und implizite Gedächtnis das Langzeitgedächtnis bilden, wird dasKurzzeitgedächtnis vom Arbeits- und unmittelbaren Gedächtnis gebildet (vgl. Raab et al.,2009, 131). Das Arbeitsgedächtnis sitzt im PFC und zeichnet sich dadurch aus, dass esVerbindungen zu motorischen und sensorischen Arealen hält und vor kurzem erworbeneInformationen zwischenspeichern kann, auch wenn der dazugehörige Reiz in diesemMoment fehlt (vlg. Raab et al., 2009, 131). Des Weiteren kann das Arbeitsgedächtnis dieaktuellen Informationen mit älteren Informationen aus dem Langzeitgedächtniskombinieren und zusammen mit diesen Entscheidungen treffen (vgl. 3.1.6.2). Je nachLernaufwand, d.h. nach Anzahl und Intensität der Wiederholungen, werden dieInformationen aus dem Kurzzeitgedächtnis in das Langzeitgedächtnis überführt. Um dieseInformationen wieder abrufen zu können, müssen sie aus dem Langzeit- wieder insKurzzeitgedächtnis zurückgeholt werden (vgl. Raab et al., 2009, 136). Dabei muss derKontext ein ähnlicher sein wie bei der Einspeicherung. Birbauer/Schmidt weisen daraufhin, dass zu diesem Kontext auch Emotionen zu zählen sind (vgl. Birbaumer/Schmidt,2003, 578). Für diesen Konsolidierungs-, d.h. den Einspeicherungsprozess, isthauptsächlich die Amygdala zuständig. Sie ist über den OFC mit dem PFC verbunden undspeist den emotionalen Gehalt einer Information in den PFC ein. Informationen werdenauch über den Hippocampus (den Organisator) und das limbische System an den PFCgeleitet. Letzteres bewertet die durch den Hippocampus zugeteilten Informationen nachderen emotionalem (positivem oder negativem) Gehalt. Im PFC werden alle Informationenkombiniert und dementsprechend gehandelt. Es kommt also „zu einer Verknüpfung desdeklarativen sowie des emotionalen Gedächtnisses innerhalb des PFC“ (Raab et al.,2009,147).

Die Amygdala kann in bestimmten Situationen Informationen aber auch direkt vom Thalamus erhalten9. So kann, unter Hinzunahme alter Informationen aus dem Arbeitsgedächtnis im PFC, schnell reagiert werden. Dies ist insbesondere in Gefahrensituationen wichtig, wo keine Zeit bleibt, um bewusst nachzudenken und überlegt zu handeln (vgl. Raab et al., 2009, 139).

Um aber überhaupt erst einmal ins Gedächtnis zu gelangen und dort abrufbar zu sein,müssen die Informationen durch Lernprozesse erworben werden. Während desLernvorgangs und beim Abruf des Gelernten sind Neuronen beteiligt, die untereinanderverknüpft sind und so die Informationen weitergeben können. Je häufiger ein Prozess(Lernen, Abruf, Erfahrungen) stattfindet, desto stärker ist die Verbindung der Neuronen,die an diesem Prozess beteiligt sind. An dieser Verbindung zwischen Neuronen sindmehrere Akteure beteiligt. Ein Neuron sendet Signale über ein Axon (den sendenden Ast)an ein anderes Neuron. Dieses Neuron nimmt die Signale durch einen Dendrit(empfangender Ast) auf. Zwischen Axon und Dendrit ist jedoch keine direkte Verbindunghergestellt, sondern die Signale müssen erst einen kleinen Spalt (synaptischer Spalt)überwinden. Dies geschieht mit Hilfe von Neurotransmittern, wie z.B. Dopamin.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Synaptische Verbindung (Quelle: http://v.hdm-stuttgart.de)

Je öfter dieser Prozess abläuft, desto ausgeprägter ist die Synapse zwischen denNeuronen und desto besser können wir Dinge erinnern und behalten. SämtlicheLernprozesse laufen so ab, wie der kanadische Psychologe Donald Hebb 1949herausfand:

"When one cell repeatedly assists in firing another, the axon of the first cell develops synaptic knobs (or enlarges them if they already exist) in contact with the soma of the second cell." (Hebb, 1966, 63).

3.3.2 Glück & Belohnung

Der Neurotransmitter Dopamin ist es auch, der für beglückende Zustände sorgt. Generellführt dieser Botenstoff zu „Erkundungsverhalten“ (Raab et al., 2009, 148), d.h. er suchtaktiv nach neuen Erfahrungen, Schutz, einem Sexualpartner, geistigen Höhenflügen, etc.10 Der Mensch wird aktiver. An einem einfachen Beispiel kann dies jeder selbst ausprobierenund nachvollziehen, wenn er Alkohol zu sich nimmt, ein Stoff, der die Dopamin-Produktionanregt. Nach dessen (mäßigem) Genuss wird man aktiver und motivierter, erlebt alsopositive Gefühle.11 Sinkt hingegen der Dopaminspiegel, äußert sich dies in Antriebs- undInteresselosigkeit (vgl. Raab et al., 2009, 148). Dopamin ist somit für die Vermittlung vonLust und Belohnung zuständig (vgl. Roth, 2003, 361). Produziert wird Dopamin vor allemim mesolimbischen System und dort im Nucleus accumbens, der das Dopamin im PFCausschüttet. Unter dessen Wirkung kann der PFC mithilfe des OFC und des partiellenAssoziationscortex Handlungen planen und Befehle zur Durchführung geben (vgl. Roth,2003, 482-485). Die Ausschüttung des Dopamins wird vom Hypothalamus im limbischenSystem veranlasst, der diese Information wiederum von der Amygdala erhält (vlg. Raab etal., 2009, 150).12

3.3.3 Das Unterbewusstsein

Wie bereits erwähnt, gibt es Bereiche, die wir bewusst kontrollieren können und Bereiche,die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Die meisten Bereiche, die wir nicht kontrollierenkönnen, sind für Funktionen zuständig, die ursprünglich unser Überleben gesichert haben.

[...]


1 Die Verfahren werden in 3.4 ausführlich erklärt.

2 Siehe auch das Coca Cola vs. Pepsi Experiment unter 5.5.3.

3 Unter 5.2.3 wird auf das Phänomen der kulturellen Unterschiede und ihre Auswirkung auf das Neuromarketing gezielt eingegangen.

4 Dies ist jedoch wie in 2.1 bereits erwähnt, nicht zu empfehlen, da es zu teuer und aufwändig ist.

5 Dieser Begriff geht zurück auf den Autor Alvin Toffler, der ihn 1970 in seinem Buch Future Shock verwendete und beschreibt die Flut an Informationen, die aufgrund ihrer Menge nicht mehr gefiltert und wahrgenommen werden können.

6 Die Theorie, dass alle Wahrheit und Logik letztendlich die Wahrheit und Logik ist, die der Mensch sich selbst in seiner Welt geschaffen hat und nicht ewig und unfehlbar ist, stammt Nietzsche aus seiner Abhandlung Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne, in: Friedrich Nietzsche: Gesammelte Werke (2005). Bindlach: Gondrom.

7 Dieser Begriff stammt von einer Neuromarketings-Konferenz am 30.01.2008 der Gruppe Nymphenburg und der Haufe Mediengruppe mit dem Titel: „Auf der Suche nach dem Buy-Button" (http://www.nymphenburg.de">www.nymphenburg.de).

8 Die charakteristische Form entsteht durch Sulci (Furchen) und Gyri (Windungen) und dient dazu, die Gesamtoberfläche des Gehirns enorm zu vergrößern. Diese beträgt ca. 2200 cm2 und besteht aus ca. 10.000 bis 30.000 Nervenzellen pro mm3 (vgl. Faller/Schünke, 2008, 616).

9 Der Thalamus leitet die Informationen eigentlich erst an den PFC weiter, nachdem er die relevanten Informationen herausgefiltert hat (vgl. 3.1.5).

10 Man könnte darauf schließen, dass sich im Laufe der Evolution dieses Dopamin-System und die mit dem Dopamin verbundenen guten Gefühle als Anreiz entwickelt haben, immer und fortlaufend zu lernen, um Vorteile gegenüber anderen Lebewesen zu erzielen und das Überleben zu sichern. Da das menschliche Gehirn jedoch weitaus komplexer ist und man sich nicht nur auf das Dopamin-System berufen kann und darf, ist dies jedoch nur eine interessante und gewagte Hypothese, die weiter erforscht werden muss.

11 Auch Kokain oder Heroin können das natürliche dopaminerge Reizsystem ersetzen und führen zu den gleichen euphorischen Gefühlen. Hier setzt auch das Suchtverhalten an, das im neurobiologischen Sinne nur ein Bedürfnis nach Stimulation des mesolimbischen Systems ist (vgl. Raab et al., 2009, 174).

12 Besagte Areale (NAcc., Striatum, Amygdala, Teile des PFC) sind es auch, die in vielen Experimenten, in denen Belohnungswirkung getestet wird, aktiv sind. So z.B. in einem Tierexperiment von Old & Milner, bei dem den Tieren die Selbststimulation von Gehirnarealen ermöglicht wurde. Oben genannte Areale wurden besonders häufig stimuliert, was zur Annahme führt, dass diese für eine belohnende Wirkung zuständig sind (vgl. LehmannWaffenschmidt, et. al., 2007, 16).

Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
Grundlagen und aktuelle Erkenntnisse des Neuromarketing und mögliche Anwendungen bei einem Online Reiseportal
Untertitel
Am Beispiel HolidayCheck mit Fokus auf den Unterschied zwischen B2B und B2C
Hochschule
Fachhochschule Münster
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
113
Katalognummer
V151481
ISBN (eBook)
9783668678088
ISBN (Buch)
9783668678095
Dateigröße
1678 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Neuromarketing;, B2B, B2C
Arbeit zitieren
Catharina Kern (Autor:in), 2010, Grundlagen und aktuelle Erkenntnisse des Neuromarketing und mögliche Anwendungen bei einem Online Reiseportal, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151481

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Titel: Grundlagen und aktuelle Erkenntnisse des Neuromarketing und mögliche Anwendungen bei einem Online Reiseportal



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