Einsatz von Avatartechnologien in Banken


Bachelorarbeit, 2006

80 Seiten, Note: 99%

Bachelor Matthias Mehmke (Autor:in)


Leseprobe


I Inhaltsverzeichnis

II ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

III TABELLEN- UND ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1 PROBLEMSTELLUNG
1.1 AUSGANGSLAGE
1.2 ZIELE DIESER ARBEIT
1.3 METHODIK
1.4 BEGRIFFSBESTIMMUNG

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
2.1 CHANCEN UND STÄRKEN
2.2 SCHWÄCHEN UND RISIKEN
2.3 BESONDERHEITEN IM BANKUMFELD
2.4 BEWERTUNGSKRITERIEN AUS KUNDENSICHT

3 ANALYSE DES TECHNOLOGISCHEN UMFELDES
3.1 GRUNDLEGENDE ARCHITEKTUR
3.2 SPRACHERKENNUNG
3.3 TEXT-INTERPRETER
3.4 GRAPHISCHES INTERFACE
3.5 TEXT-TO-SPEECH

4 AUFZEIGEN EINER BEISPIELHAFTEN LÖSUNG
4.1 ZIELFORMULIERUNG FÜR DEN PROTOTYP
4.2 UMSETZUNG UND ALTERNATIVEN
4.3 INTERAKTIONSFÄHIGKEITEN
4.4 PRAXISTEST UND BEWERTUNG

5 BEWERTUNG UND DISKUSSION
5.1 TECHNOLOGISCHE ZUKUNFTSPERSPEKTIVE
5.2 AVATARE AUS BENUTZER-SICHT
5.3 AVATARE AUS BANKBETRIEBLICHER SICHT
5.4 FAZIT

IV LITERATURVERZEICHNIS

V ANHANG

A DIAGRAMME

B PROGRAMMCODE DES PROTOTYPEN

C DATENBANKABZUG DES PROTOTYPEN

D SCREENSHOTS DES INTERAKTIONSABLAUFS

E USE-CASE DIAGRAMM FÜR PROZESS „WERTPAPIER ORDERN“

II Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

III Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Avatar-Interaktionen in unterschiedlichen Gesprächskonstellationen

Abbildung 2: Der avatargestützte Kaufprozess des Kunden

Abbildung 3: Informationsfluss und generische Architektur eines Avatars

Abbildung 4: Umwandlung von Text in Sprache für den Haptek Player

Abbildung 5: Architektur des eigenentwickelten Prototypen

Tabelle 1: Stärken und Schwächen verschiedener Plugins für Avatare

1 Problemstellung

1.1 Ausgangslage

„Intelligente Software-Roboter erobern das Internet. Sie dienen als Web-Lotse oder als virtueller Kundenberater. Bald sollen sie sogar Depots selbstständig managen.“1 Überschriften, wie diese aus dem Handelsblatt, verkündeten noch einen Monat vor dem Platzen der Dotcom-Blase den Siegeszug von Avataren und anderen Technologien der IT Industrie. Damit gehörten Avatare zu den Ideen, denen für die Zukunft ein großes Potential vorausgesagt wurde. Inspiriert durch Science Fiction Vorstellungen sollten Avatare die menschliche Sprache verstehen, natürlich reagieren und damit die Interaktion zwischen Mensch und Maschine revolutionieren2. Doch mit dem Platzen der Dotcom-Blase verabschiedete sich diese Idee, zusammen mit einer ganzen Reihe anderer, die als unprofitabel und technokratisch fallengelassen wurden. Die Folge war eine generelle Zurückhaltung bei IT Investitionen. Mittlerweile erleben einige damals totgesagte Entwicklungen eine Renaissance, wie beispielsweise das Telefonieren über das Internet per Voice over IP. Allerdings ist die Branche aufgrund der Fehler der Vergangenheit deutlich vorsichtiger geworden. Kosten, Nutzen und Risiken von IT-Investitionen werden heute so sorgfältig abgewogen, dass der deutsche IBM-Forschungschef Herbert Kirchner bereits von mangelndem Mut bei der Projektauswahl spricht3.

Doch was heißt das nun für den Einsatz von Avataren im 21. Jahrhundert? Fakt ist, dass Avatar-Technologien in den letzten Jahren eine starke Weiterentwicklung erlebt haben4. Das Internet als primärer Einsatzort für Avatare hat auch nicht zu solch hocheffizienten Märkten geführt, in denen eine Differenzierung keinen Vorteil mehr bieten würde5. Insofern sind die Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Einsatz durchaus gegeben. Die Frage, ob eine wirtschaftliche Anwendung möglich ist, entscheidet sich aber an einer Vielzahl schwer greifbarer Faktoren und ist noch nicht abschließend geklärt6. Oft fehlen handfeste Kriterien für die Diskussion. So halten sich deutsche Banken bei diesem Thema trotz Innovationsinitiativen und wachsendem Differenzierungsdruck7 derzeit noch mehrheitlich zurück.

1.2 Ziele dieser Arbeit

Erstes Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen inwieweit der Einsatz von Avatar- Technologien im Bankbereich zu Wettbewerbsvorteilen führen kann. Die Betrachtung bezieht sich dabei auf die gegenwärtige Marktsituation unter den gegebenen technologischen Rahmenbedingungen. Dabei soll eine ganzheitliche Betrachtung geliefert werden, die alle relevanten Aspekte umfasst, um die Entscheidungsfindung in der Praxis unterstützen zu können. Dies beinhaltet sowohl technische, betriebswirtschaftliche, marketingtechnische als auch rechtliche Gesichtspunkte. Auf qualitativer Ebene sollen Erfolgs- und Negativkriterien ausgearbeitet werden. Diese sollen eine abschließende Aussage ermöglichen, die darüber Aufschluss gibt, ob und inwieweit der Einsatz von Avataren im Bankbereich zu empfehlen ist.

Das zweite Ziel ist die Analyse und Bewertung von technologischen Umsetzungsmöglichkeiten zur Erreichung der zuvor festgelegten fachlichen Ziele. Dabei soll prototypartig eine Avatar-Anwendung erstellt werden, die sich an diesen Zielen orientiert. In dem Zusammenhang soll nicht nur ein Weg betrachtet werden, sondern auch gangbare Alternativen beschrieben werden. Dazu gehört sowohl das Aufzeigen des technischen Umfeldes, als auch ein Blick darüber hinaus.

Ausschließliches Ziel ist dabei die Untersuchung von Avataren in so genannten „hyper-presentation“ Gesprächskonstellationen. Diese stehen – wie in der nebenstehenden Abbildung veranschaulicht – mit dem Besucher in direktem, bilateralen Dialog. Dabei sind weder weitere Menschen, noch virtuelle Charaktere beteiligt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Avatar-Interaktionen in unterschiedlichen Gesprächskonstellationen Quelle: Rist, T. (2003), S. 3.

Weiterhin soll schwerpunktmäßig der Zugangskanal Internet betrachtet werden. Die Betrachtung ist außerdem auf den Markt in Deutschland beschränkt. In anderen Märkten können andere Gesetze, insbesondere für die Akzeptanz einer solchen Technologie, gelten8.

1.3 Methodik

Um eine Aussage bezüglich des ersten Zieles, nämlich den Wettbewerbsvorteilen aus dem Einsatz von Avataren in Banken treffen zu können, muss zunächst eine Analyse der Ausgangssituation in Kapitel 2 durchgeführt werden. Dies wird durch eine SWOT-Analyse9 in den Kapiteln 2.1 und 2.2 bewerkstelligt. Daneben müssen die bankspezifischen Besonderheiten und die Kundensicht mit einbezogen werden. Als Resultat sollen feste Kriterien für die Implementierung und Bewertung von Avataren festgelegt werden. Diese Größen werden deduktiv, anhand literarischer Quellen, sowie durch Interviews bestimmt. Die Interviews wurden dabei mit verantwortlichen und fachkundigen Mitarbeitern innerhalb der Deutschen Bank geführt. Da diese mit sehr unterschiedlichen qualitativen Zielfragestellungen stattfanden, wurden sie in einer offenen Weise ohne Leitfaden durchgeführt.

Zur Analyse der zweiten Zielfragestellung, also den technologischen Umsetzungsmöglichkeiten, werden die einzelnen Komponenten eines Avatars im Detail betrachtet. Dies wird in Kapitel 3 anhand von Marktrecherchen durchgeführt. Unter diesem Gesichtspunkt findet auch die Entwicklung eines eigenen Prototyps statt. Ziel ist es dabei, praktische Erkenntnisse zu gewinnen und mögliche Risiken zu identifizieren. Die Erstellung des Prototyps wird in Kapitel 4 beschrieben und soll sich an den zuvor festgelegten Kriterien orientieren. Das realisierte Ergebnis soll anhand eines Fragenkatalogs anschließend überprüft werden.

Die wissenschaftlich aufgestellten Erfolgskriterien, sowie die praktischen Erfahrungen und Ergebnisse, bilden die gemeinsame Basis um in Kapitel 5 festzustellen, ob im Bankbereich sinnvolle Einsatzmöglichkeiten für Avatare bestehen und wie diese aussehen könnten. Dabei soll auch ein Ausblick auf die Zukunft gegeben werden.

1.4 Begriffsbestimmung

Die Bezeichnung Avatar stammt ursprünglich aus dem Hinduistischen und steht für die körperliche Manifestation eines Gottes10. Dieser Begriff, auf die Informationstechnologie übertragen, steht heute für ein scheinbar körperliches Wesen, das Benutzerinteraktion ermöglicht und zumindest ansatzweise intelligent reagiert. Scheinbar körperlich deshalb, weil es die virtuelle Projektion eines Körpers besitzt. Eine allgemeine wissenschaftliche Definition für diesen Begriff existiert nicht, weshalb er als unscharf gilt und fälschlicherweise häufig mit ähnlichen Begriffen gleichgesetzt wird. So tauchen in diesem Zusammenhang nicht selten Bezeichnungen wie Web-Agenten, Bots, Chatterbots, Online-Agenten oder ähnliche Konstrukte auf11. Letztlich lassen sich diese Begriffe nur schwer abgrenzen, beziehen sich aber auf unterschiedliche Entwicklungsstufen und Einsatzgebiete. Auch werden häufig Parallelen zu herkömmlichen Suchmaschinen gezogen, da Avatare vom Grundgedanken her nichts anderes machen als Anfragen entgegenzunehmen und passende Antworten zu suchen. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass Rückmeldungen in einen Dialogkontext gesetzt werden und alles natürlichsprachlich abläuft.

Um solchen Verwechslungen vorzubeugen, wird im wissenschaftlichen Umfeld stattdessen von so genannten „Embodied Conversational Agents“ gesprochen. Cassel et al. definieren den Begriff wie folgt:12 „An embodied conversational agent (ECA) is a computer-generated cartoon-like character that demonstrates many of the same properties as humans in face-to-face conversation, including the ability to produce and respond to verbal and nonverbal communication. It has a multimodal interface that parallels the modalities natural to human conversation: speech, facial displays, hand gestures and body stance.” Vor allem die Schlüssel- begriffe der Multimodalität und der interaktiven verbalen und non-verbalen Kommunikation decken sich mit anderen gängigen Definitionen. Multimodalität bedeutet hierbei die Ansprache von verschiedenen Sinneswahrnehmungen, also neben dem visuellen z. B. auch den auditiven Sinneskanal. Dennoch wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit und mit Blick auf den Praxisbezug der Arbeit im Folgenden der stärker praxisgeprägte Begriff Avatar verwendet.

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Chancen und Stärken

Avatare werden von Unternehmen in der Zukunft nur eingesetzt, sofern aus betriebswirtschaftlicher Sicht durch ihren Einsatz unter dem Strich ein Gewinn zu erwarten ist. Diese Annahme folgt der allgemeinen Regel der Investitionsrechnung, die besagt, dass nur Projekte mit positivem NPV13 durchgeführt werden. Diese Grundvoraussetzung gilt für Banken wie für andere wirtschaftlich ausgerichtete Unternehmen gleichermaßen. Dieses Kapitel hat deshalb die Untersuchung der relevanten Bestimmungsgrößen zum Ziel.

Stärkung der Kundenbindung: Die Kundenfluktuation hat sich durch die Nutzung des Internets nicht drastisch verändert, obwohl die nächste Direkt-Bank nur einen Mausklick entfernt ist14. Dennoch wird davon ausgegangen, dass durch die zunehmende Medienkompetenz in Bezug auf das Internet mit einer weiter wachsenden Fluktuationsrate gerechnet werden muss15. Der Ansatzpunkt für Banken in diesem Zusammenhang, um die Kundenbindung zu erhöhen und dem Trend entgegenzuwirken, ist das Vertrauensverhältnis16. Riegelsberger beschreibt die Situation wie folgt17: „The widely publicised lack of trust in mediated interactions is commonly attributed to an increase in risk and uncertainty, which results from conducting interactions over spatial and temporal distance with complex technologies that are often poorly understood.” Für Banken ist der Ansatzpunkt zur Stärkung der Kundenbindung insofern das Vertrauensverhältnis zum Kunden. Da dies ebenfalls im Interesse des Kunden ist, wird es in dem späteren Kapitel zur kundenseitigen Bewertung beschrieben.

Extensivierung des Internet-Kanals: Ein weiterer Weg, um Wettbewerbsvorteile aus dem Einsatz von Avataren zu ziehen, ist die Möglichkeit, damit Kunden für das Online-Banking zu gewinnen. Der Internet-Kanal steigert die Profitabilität des Kunden um ganze vier Prozent18. Daneben ist festzustellen, dass Online-Banking Kunden seltener ihre Bank verlassen19. Insofern ist es für Banken höchst rentabel, Kunden zur Nutzung dieses Zugangskanals zu bewegen. Allerdings sind derzeit nur rund 7% der Kunden an einer Direktbank-Möglichkeit interessiert20. In einer Umfrage der Deutschen Bank wurde als Ablehnungsgrund gegen das Online- Banking mit 12,5% am dritthäufigsten „zu unpersönlich“ genannt21. Mendoza zeigt, dass es möglich ist, in bestimmten Bereichen die Hemmschwelle zur Benutzung von Computersystemen durch Avatare zu senken22. Damit eine solche persönliche Interaktion stattfinden kann, muss ein Avatar als glaubwürdiger Gesprächspartner wahrgenommen werden. Sofern dies gegeben ist, können gemäß der vorigen Gesetzmäßigkeiten, positive Effekte für den Internet-Kanal erwartet werden.

Intensivierung des Internet-Kanals: Genauso profitabel für Banken ist es, die Nutzungsintensität von bestehenden Online-Banking Kunden zu steigern. Derzeit verwendet die absolute Mehrheit der Kunden die Online-Banking Seiten nur für Standardvorgänge, wie die Umsatzanzeige oder Inlands-Überweisungen. Dies wird auch von der Deutschen Bank in einer repräsentativen Umfrage belegt23. Der Grund dafür liegt vor allem darin, dass Vorgänge sehr komplex sind und zum Teil besonderes Fachwissen erfordern. So haben 92,6 % der Deutschen bereits einmal ihren Besuch bei einer Bank-Webseite abgebrochen, mit dem Hauptgrund, dass die Information zu schwer zu finden sei24. Hinzu kommt die Tatsache, dass das menschliche Gehirn laut Sprachforschung, für die Medien des 21. Jahrhunderts, nicht spezialisiert ist25. Daraus resultiert, dass alle nicht Standard- Transaktionen nach wie vor meist über die teuren Zugangskanäle abgewickelt werden. Aus diesem Grunde kommt der Benutzerfreundlichkeit derzeit eine wachsende Bedeutung zu. Avatare können in diesem Zusammenhang eine zugänglichere Schnittstelle zum Menschen darstellen26. So stellt ein interner Bericht der Avanti Projektgruppe fest27, dass unerfahrene Nutzer mit der Hilfe von Avataren leichter an gewünschte Informationen gelangen. Mit einer solchen Hilfe ist es also einfacher, komplizierte Vorgänge benutzerfreundlich zu unterstützen. Dadurch wird ersichtlich, dass die Benutzerfreundlichkeit ein Schlüsselelement zur Intensivierung der Nutzung des Internet-Kanals ist.

Einsparung von Support-Kosten: Desweiteren wird von entsprechenden Anbieter- Firmen häufig mit einer drastischen Reduktion der Kosten im Support-Bereich geworben. Diese ROI28-Berechnungen sind allerdings mit äußerster Vorsicht zu genießen und sollten nicht als Erwartungswert betrachtet werden. Beispielsweise gibt die novomind GmbH in einer Fallstudie 60% der Benutzeranfragen als Call Center-relevant an, was in diesem Falle 18.000 Anfragen im Monat wären29. Ob nun tatsächlich diese Anzahl von Anfragen im Call Center weniger anfallen, wird allerdings nicht angegeben und muss bezweifelt werden. Die entscheidende Frage ist nämlich, inwieweit der Avatar in der Lage ist, Problem- und Fragestellungen selbstständig zu beantworten bzw. auch lösen zu können. Damit ist der wesentliche Faktor zur Senkung der Support-Kosten, die Handlungsfähigkeit des Avatars. Ist der Wissensbestand kongruent zu dem FAQ-Bereich, so ist durch den Avatar mit keinen nennenswerten Einsparungen im Support zu rechnen. Ist er aber mit Rechten ausgestattet, um Probleme selbsttätig zu lösen und kann er auf eine Wissensbasis zurückgreifen, welche die große Mehrheit aller Anfragen abdeckt, so sind deutliche Einsparungen möglich. Ein Avatar, der eine ganzheitliche Unterstützung offeriert, hat damit das Potential, das Spannungsverhältnis von Customer Support Quality und Kosteneffizienz zu entschärfen. Denn bei einer Avatar-Lösung bedeutet ein höheres Service-Level nicht zwangsläufig auch spürbare Mehrkosten im laufenden Betrieb.

Ausnutzung von Cross Selling Potential: Neben den genannten Punkten kann mit Avataren das Cross Selling gestärkt werden30. Prinzipiell ist dies möglich, indem die Aufmerksamkeit des Benutzers gezielt auf ein bestimmtes Produkt gelenkt wird. Avatare besitzen sehr stark diese Fähigkeit und können dadurch auch Cross Selling stark fördern. Welche Resultate sich durch diesen Effekt realisieren lassen, zeigt auf eindrucksvolle Weise der Suchmaschinenbetreiber Google. Unmittelbar durch Ersetzen eines Links auf der Startseite war es möglich, die Nutzerzahl des neuen Dienstes (Google Video) zu verdoppeln, während sich die des ersetzten Dienstes (Froogle - Produktsuche) halbierte31. Avatare können sich diesen Effekt zunutze machen und als Verkaufsförderer fungieren. Sehr vorteilhaft für die Ausnutzung von Cross Selling Potential ist dabei die Möglichkeit, Produktempfehlungen mit CRM32-Daten zu verknüpfen und somit zielgruppengesteuert anzubringen33. Entscheidend für diese Zwecke ist aber, mit welcher Eindringlichkeit und Persistenz das Cross Selling betrieben wird.

Erzeugung positiver Medienwirkung: Der Einsatz eines so auffälligen Elements wie ein Avatar es ist, hat selbstverständlich auch marketingtechnische Auswirkungen. Virtuelle Charaktere werden schon seit einigen Jahren verstärkt in der Werbung eingesetzt, wobei mit Sicherheit „Robert T-Online“ zu den bekanntesten Vertretern gehört34. Zu klären ist die Frage, ob und wie Avatare als feste Prozessunterstützer zum Erzeugen einer positiven Werbewirkung eingesetzt werden können. Zu den Vorteilen gehört, dass ein „lebendiges“ Gesicht im Internet als Markenträger eine stärkere Differenzierung ermöglicht35. Allgemein werden Avatare von Benutzern in der Regel als angenehm und freundlich empfunden und erzeugen ein erhöhtes Markenbewusstsein36. Die vollständige Klärung der Fragestellung bezüglich des Marketing-Effektes übersteigt allerdings den Rahmen dieser Arbeit. Es wird deshalb im Folgenden davon ausgegangen, dass die Werbe-Wirkung zumindest nicht negativ ausfällt, der Punkt aber nicht tiefer betrachtet.

Wie eben beschrieben, leiten sich die meisten der betriebswirtschaftlichen Erfolgsfaktoren von der expliziten Ausgestaltung eines Avatars ab. Die Kundenbindung ergibt sich aus dem erzeugten Vertrauen. Die Extensivierung und die Intensivierung des Internet-Kanals beziehen sich auf die Glaubwürdigkeit bzw. Benutzerfreundlichkeit eines Avatars. Die Support-Kosten sind von der ganzheitlichen Unterstützung abhängig. Und inwieweit Cross Selling Potentiale ausgenutzt werden können, entscheidet sich letztlich an der Wahl des richtigen Produktes und der passenden Gesprächssituation. Lediglich die Medienwirkung lässt sich nicht auf ein solches wesentliches Kriterium zurückführen. Prinzipiell ist aber die Stärke der realisierten betriebswirtschaftlichen Effekte abhängig von der Akzeptanz. Diese kundenseitige Betrachtung erfolgt an späterer Stelle.

2.2 Schwächen und Risiken

Die eben beschriebenen Chancen und Stärken durch den Einsatz von Avataren gehen auch mit verschiedenen Schwächen und Risiken einher. An erster Stelle seien dabei die Kosten für die Erstellung und den laufenden Betrieb genannt. Avatare setzen sich aus unterschiedlichen Komponenten zusammen und können aus technologischer Sicht nicht als ein einziges Programm angesehen werden. Derzeit existiert kein Standard-Produkt am Markt, welches alle erforderlichen Komponenten kombiniert und als integrierte Avatar-Lösung anbietet. Insofern ist jeder Avatar eine Individual-Software und erfordert die Realisierung und Integration unterschiedlicher Komponenten. Aus diesem Grunde fallen zwangsläufig auch Projektkosten und Durchführungszeiten an. Weiterhin entstehen Integrationskosten, um den Avatar mit anderen Systemen zu vernetzen und so echten Mehrwert zu bieten. Neben den Initialkosten fallen auch konstante laufende Kosten durch den redaktionellen Aufwand an, um Texte aktuell zu halten. Unter die laufenden Kosten fallen auch Hardware- und Transferkosten in der Produktion. Da es sich bei Avataren um multimediale Anwendungen handelt, die sowohl Sprach- als auch Bilddaten transportieren, können dadurch nicht unerhebliche Kosten entstehen.

Neben diesen monetären Aufwänden sind mögliche Imagerisiken und das Risiko durch Ablehnung seitens der Kunden zu nennen. Virtuelle Charaktere werden heute oftmals noch mit dem Umfeld von Computerspielen assoziiert. Dies kann sich negativ auf die wahrgenommene Seriosität auswirken. Prinzipiell gilt dabei, je weiter die Darstellung eines Avatars von einem realen Menschen entfernt ist, desto stärker ist dieser Effekt37. Dass die Wahrnehmung von Avataren nicht zwangsläufig positiv ausfällt, zeigt NFO Infratest in dem Internet Shopping Report38. Dort bewerten 40% der befragten Benutzer die Unterstützung des virtuellen Charakters als positiv bis sehr positiv. Dementgegen stehen allerdings 60% der Nutzer mit anderer Meinung. Das Risiko durch Ablehnung seitens der Kunden ist also signifikant und kann zum Scheitern des Projektes an sich führen. Insofern sind Benutzerakzeptanz und Imagerisiken vor einer Einführung sehr sorgfältig zu analysieren.

Weiterhin zu nennen sind rechtliche Risiken durch den Einsatz von Avataren. Kritisch sind dabei vor allem Formulierungen wie „Ich empfehle Ihnen…“. Durch die Vielzahl von Gesprächsoptionen, die ein Avatar in der Regel bietet, sowie des Verwendens der ersten Person Singular, eröffnen sich eine Vielzahl von Quellen für Formulierungsfehler mit rechtlichen Konsequenzen. Im Gegensatz zu dem gesprochenen Wort lassen sich solche Aussagen problemlos speichern und können kostspielige Gerichtsverfahren nach sich ziehen. Dieses Risiko lässt sich allerdings durch die generelle Überprüfung der Texte nach rechtlichen Kriterien durch Experten stark minimieren.

An letzter Stelle in diesem Zusammenhang seien IT-Sicherheitsrisiken genannt. Gerade durch die Vernetzung von Avataren mit anderen Systemen, sowie der gegebenen technologischen Komplexität können sich neue Türen für Angriffe eröffnen. Allerdings sollte dieses Risiko nicht überbewertet werden, da es bei angemessenen Vorkehrungen und permanenter Wartung und Überprüfung minimiert werden kann.

Wie aus den eben beschriebenen Gesichtspunkten ersichtlich wird, lassen sich sowohl rechtliche als auch sicherheitstechnische Risiken durch den entsprechenden Einsatz von Ressourcen auf ein Minimum reduzieren. Imagerisiken und das Risiko durch Ablehnung seitens der Kunden, hängen vor allem von der Akzeptanz ab und müssen als erfolgskritisch angesehen werden. Zwar können diese Faktoren bereits vor der Einführung durch Feldstudien ausgelotet werden, allerdings sind zu diesem Zeitpunkt die Initialkosten bereits angefallen. Um diese Risiken von Vorneherein zu entschärfen, ist ein starker Fokus auf die Kundenakzeptanz von Nöten. Insofern sind die hauptsächlichen Gegenargumente die Projektkosten zur Einführung eines Avatars, sowie das Risiko durch die Ablehnung seitens der Kunden.

2.3 Besonderheiten im Bankumfeld

Die bisherigen Argumente beziehen sich vornehmlich auf allgemeine Fragestellungen bezüglich des Einsatzes von Avataren. In diesem Kapitel sollen nun die Besonderheiten im Umfeld von Banken aufgezeigt werden. Dabei werden die drei Schwerpunkte Produkte, Kunden und Zugangskanäle genauer betrachtet.

Aus Produkt-Sicht ist zu vermerken, dass Banken verschiedene standardisierte, sowie nicht standardisierte intangible Leistungen anbieten. Zu den nicht standardisierten gehört beispielsweise die Beratung, während Überweisungen als standardisierte Produkte angesehen werden können. Bei vielen Produkten kommt es dabei zu einer Vermischung dieser Leistungen, indem Produkte während des Beratungsprozesses vertrieben werden39. Davon betroffen sind vor allem komplexe Produkte, wie z. B. Kreditvergaben. Die Stärke von Avataren gegenüber anderen Benutzer unterstützenden Funktionen, liegt vor allem bei diesen verbundenen Leistungsarten. Eine weitere Besonderheit von Bankprodukten ist ihre meist nicht-physische Natur. Da der Wert der Produkte bis auf wenige Ausnahmen in keiner physischen Eigenschaft liegt, lassen sich diese optimal auf den virtuellen Raum projizieren. Damit liegen diese Produkte vollkommen in dem Handlungsumfeld von Avataren. Es muss für keinen Teilprozess der Leistungserstellung das Medium gewechselt werden. Die Abwicklung kann, zumindest theoretisch, vollkommen durch einen Avatar erfolgen. In der Bankpraxis wird diese allumfassende Handlungsfähigkeit dadurch eingeschränkt, dass das Vertrauen in den virtuellen Vertrieb eingeschränkt ist40. Als limitierender Faktor bestimmt es also, welche Produkte sich auf diese Weise vertreiben lassen.

Dies führt direkt zur zweiten Besonderheit im Bankumfeld welche sich auf die Kunden bezieht. Der Faktor Vertrauen nimmt hierbei eine deutlich höhere Gewichtung ein als in anderen Branchen. Der Hauptgrund liegt darin, dass die finanziellen Entscheidungen gravierende Auswirkungen auf das spätere Leben der Kunden haben können. Aus dieser Tatsache sind zwei Schlüsse zu ziehen. Einerseits müssen die Kunden segmentiert werden. Es muss unterschieden werden, für welche Kundengruppe welche Leistungen avatargestützt angeboten werden können, ohne dass das Vertrauensverhältnis darunter leidet. Andererseits muss bei der Realisierung darauf geachtet werden, dass der Avatar als vertrauenswürdig empfunden wird. An späterer Stelle werden Rückmeldungen beschrieben, mit denen das Vertrauen von Benutzern positiv beeinflusst werden kann. Diesen muss bei der Realisierung eine besondere Aufmerksamkeit zugute kommen.

Als letzte Besonderheit seien hier die bankeigenen Zugangskanäle betrachtet. Als großer Vorteil ergibt sich, dass Banken eine eigene digitale Schnittstelle zum Kunden besitzen, nämlich elektronische Banking-Terminals. Neben der reinen Verfügbarkeit dieser Terminals werden diese auch noch regelmäßig von der Mehrzahl der Kunden in Anspruch genommen wird. Dies bietet die Möglichkeit, Kunden ohne eigenen Internet-Zugang mit digitalen Prozessen durch Avatare zu verknüpfen. Weiterhin erlaubt die Schnittstelle es, die Hardwareumgebung selbst festzulegen und entsprechende Optimierungen durchzuführen. Damit bietet sich ein erheblicher Vorteil zu Unternehmen anderer Branchen beim Vertrieb digitaler Produkte. Zusätzlich besteht für Banken die Möglichkeit Avatare kanalübergreifend einzusetzen und damit die Effekte zu multiplizieren.

2.4 Bewertungskriterien aus Kundensicht

In den vorherigen Kapiteln wurde die Themenstellung hauptsächlich aus unternehmerischer Perspektive betrachtet. Damit diese Art von Vertrieb und Support-Service aber auch genutzt wird, muss die Kundensicht notwendigerweise mit einbezogen werden. Nur wenn ein Avatar von den Kunden angenommen wird, ergibt sich die Möglichkeit, die beschriebenen betriebswirtschaftlichen Vorteile zu realisieren. In diesem Kapitel wird diese Kundensicht berücksichtigt, indem Bewertungskriterien zur Gewinnung von Akzeptanz festgelegt werden.

Erzeugung von Vertrauen: Zum Erzeugen von Vertrauen gelten für Avatare dieselben Regeln wie in der zwischenmenschlichen Interaktion41. Dabei ist es möglich, Vertrauen über die nonverbale Kommunikation zu erzeugen42. Weiterhin können direkte Rückmeldungen zum Erzeugen von Vertrauen ausgegeben werden43. Zwei mögliche Arten von Rückmeldungen kommen dafür in Betracht. Zum einen sind das Informationen zu den Sicherheitsvorkehrungen des Systems an sich. Zum anderen sind das Rückmeldungen zu dem Prozess, in dem sich der Benutzer gerade befindet. Avataren können solche Informationen gezielt platzieren, und somit das Vertrauen zu dem System und dem Vorgang für den Kunden stärken. Allerdings müssen entsprechende Rückmeldungen bei der Gestaltung des Avatars explizit berücksichtigt werden.

Glaubwürdigkeit: Ein weiteres Kriterium für die kundenseitige Bewertung von Avataren ist die Glaubwürdigkeit. Sofern ein Avatar von den Benutzern nicht als ernstzunehmender Gesprächs- und Geschäftspartner aufgefasst wird, ist auch nicht zu erwarten, dass er für geschäftsrelevante Prozesse eingesetzt wird. Auch Bates44 sieht deshalb die Glaubwürdigkeit als notwendige Erfolgsvoraussetzung.

Untergliedern lässt sich der Begriff analog zu Bos et al.45 in die folgenden drei

Kategorien:

1. Domänen-Kompetenz: Wissen und Handlungsfähigkeit des Avatar innerhalb der ihm zugeordneten Domäne.

2. Kommunikationsfertigkeiten: Beschreibt die Strategie, respektive den Dialogbaum, zum Erreichen eines Kommunikations-Zieles (Begrüßung, Information, Nachfragen, Weiterleiten, etc.)

3. Affektives Verhalten: Beinhaltet alle Nachrichten, die auf emotionaler Ebene versandt werden.

Besonders über das affektive Verhalten lässt sich Glaubwürdigkeit aufbauen. Konkret ist dies durch individuelle Ansprache, kontextabhängige Tonalität, Körpersprache und Blickkontakt möglich. Je mehr dabei auf den Kunden selbst, seine Interessen und seinen emotionalen Zustand eingegangen wird, desto effektiver ist die Ansprache46. Der Grad der verwendeten Emotionen sollte einerseits von statisch festgelegten Charaktereigenschaften abhängen, andererseits auch von situationsabhängigen Gegebenheiten47. Die eben beschriebenen Maßnahmen, zusammen mit einem zweckentsprechenden Erscheinungsbild des Avatars48, ermöglichen es, die Glaubwürdigkeit zu steigern und damit einen ernstzunehmenden Gesprächspartner aufzubauen.

Benutzerfreundlichkeit: Als weiterer Einflussfaktor für die Akzeptanz ist die Benutzerfreundlichkeit anzuführen. Avatare sollten darauf abzielen, die Übersichtlichkeit einer Seite zu verbessern, indem Hinweise ausgeblendet und stattdessen kontextspezifisch eingeworfen werden. Dabei sollte die Technik für den Benutzer transparent sein und ohne Zusatzinstallation von Komponenten, oder langen Lade- und Antwortzeiten funktionieren.

Ganzheitliche Unterstützung: Weiterhin müssen Avatare als ganzheitliche Prozessinstrumente verstanden werden, die jede Phase der Leistungserstellung unterstützen. Sobald Besucher differenzieren müssen, welche Fragen sie einem Avatar stellen können, schwindet die Akzeptanz49. Denn sobald Diskussionen in Sackgassen enden, tritt Frustration auf. Insofern müssen Ausweichmechanismen existieren, die dem Benutzer sinnvolle Alternativlösungen präsentieren. Die umfassende Handlungsfähigkeit muss deshalb als ein vorrangiges Ziel verstanden werden. Lindner veranschaulicht mit der folgenden Abbildung, in welchen Phasen des Kundenprozesses Avatare einen Zusatznutzen bieten können:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Der avatargestützte Kaufprozess des Kunden Quelle: Lindner, C. (2003), S. 15.

Aktivitäts-Level: Neben der ganzheitlichen Benutzer-Unterstützung ist die Wahl des richtigen Aktivitäts-Level von essentieller Bedeutung. Es beschreibt, wie aktiv ein Avatar auf den Benutzer zugehen und ihm Hilfestellungen anbieten soll. Hille definiert die Bestimmungsgrößen dafür wie folgt50:

action tendency := competence * importance * urgency

Neben den informationsspezifischen Faktoren importance (Wichtigkeit) und urgency (Dringlichkeit), wird also auch die benutzerspezifische competence (Kompetenz) in Bezug auf das System berücksichtigt. Dies trägt dem Phänomen Rechnung, dass sich versierte Benutzer durch „gängelnde“ Benutzerführung belästigt fühlen, während unerfahrene Benutzer sich oftmals verloren vorkommen. Das Aktivitäts-Level muss deshalb personenbezogen gewählt werden, was wiederum ein entsprechendes Wissen über den Benutzer voraussetzt.

3 Analyse des technologischen Umfeldes

3.1 Grundlegende Architektur

Aus technologischer Perspektive kommen heute zumeist zwei unterschiedliche Architekturtypen zum Einsatz, nämlich rein Client oder Client-Server basiert. Sie unterscheiden sich darin wo welche Funktionalitäten konzentriert sind. Für Banken wäre es durchaus möglich, die Client basierte Variante an Banking Terminals einzusetzen und die Inhalte durch einen zentralen Bankserver zu aktualisieren. Je nach Bank besitzen Banking Terminals bereits entsprechende Aktualisierungsmechanismen. Allerdings lässt sich diese Architektur für andere Bereiche, wie z. B. das Online-Banking, nicht sinnvoll nutzen. Durch die nicht einheitliche Bereitschaft von Kunden, Zusatzsoftware zur Nutzung von Internet- Diensten zu installieren, kommt in diesen Bereichen nur die Client-Server basierte Variante in Frage. Insofern wird im Folgenden nur diese Variante betrachtet. Sie ist universeller einsetzbar und technologisch anspruchsvoller.

Die grundlegende Architektur wird von der folgenden Abbildung veranschaulicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Informationsfluss und generische Architektur eines Avatars Quelle: Anthony, K./ Lawson M. (2002), S. 6.

Die Benutzerschnittstelle wird dabei über den Web-Browser realisiert. Darin wird ein Plugin geladen, welches für die multimediale Wiedergabe der Inhalte verantwortlich ist. Es muss Texte, Audio-, und ggf. Video-Inhalte empfangen, und eingebettet wiedergeben können. Daneben hat es die Aufgabe, Steuerungsbefehle, wie beispielsweise Seitenaufrufe, an den Browser zurückzugeben. Umgekehrt muss es in der Lage sein, das Event-Handling zu übernehmen und Benutzereingaben, seien sie in Form von Text- oder Sprachanweisungen, weiterzureichen. Diese Eingaben werden an den Server gerichtet und von dem Text-Interpreter (hier „Natural Language Engine“) weiterverarbeitet. Dieser muss die Eingaben analysieren und, zumindest in begrenztem Umfang, den Inhalt extrahieren können. Nur so kann darauf basierend eine zutreffende Antwort geliefert werden. Die notwendigen Informationen zur Lieferung von passenden Rückmeldungen sind in einer Wissensdatenbank gespeichert, welche das konzentrierte Wissen des Avatars widerspiegelt. In ihr werden alle möglichen Rückmeldungen zusammen mit verschiedenen Unterscheidungskriterien gespeichert. Anhand der Kriterien kann eine Zuordnung erfolgen, bei welchen Fragen welche Antworten geliefert werden sollen. Gängige Praxis ist es derzeit, die Kriterien anhand von Schlüsselworten festzulegen und mit Operatoren zu verknüpfen. Man spricht dabei von regelbasierten Ansätzen. Die Interpretation der Ergebnisse aus der Wissensdatenbank liegt dann wieder bei der Logik-Komponente. Da die Rückmeldungen sowohl textbasierte Antworten, als auch multimediale Inhalte sein können, müssen sie entsprechend verpackt werden, bevor sie an das graphische Frontend zurückgegeben werden können.

Dies war zunächst die architektonische Sicht auf Server basierte Avatar-Systeme. Auf funktionaler Ebene existieren folgende Kernfunktionalitäten die, je nach Implementierung, stärker client- oder serverzentriert stattfinden können.

- Spracherkennung: Erkennung von Sprache als Benutzereingabe. Dabei handelt es sich um eine optionale Komponente.
- Text-Interpreter: Stellt die Logik-Komponente zwischen Benutzereingaben und Wissensdatenbank dar. Sie ist zuständig für die Interpretation und Auswertung der Benutzereingaben und erzeugt passende Rückmeldungen.
- Graphisches Interface: Visuelle Darstellung und Animation des Avatars. Beinhaltet auch Gestik, Mimik und Lippensynchronisation.
- Text-to-Speech: Audio-Ausgabe von Rückmeldungen durch den Avatar.

Da es derzeit ein einsatzfähiges ganzheitliches Framework für Avatare nicht gibt, schließt sich die Verwendung einer Standardsoftware aus. Für einzelne Kernfunktionalitäten hingegen gibt es teilweise am Markt Lösungen, die sich in ein Avatar-System integrieren lassen. Im Folgenden wird auf die einzelnen Funktionalitäten eingegangen und die technologischen Möglichkeiten abgesteckt.

3.2 Spracherkennung

Spracherkennungssysteme sind Programme, die gesprochene Wörter aufzeichnen, analysieren, erkennen und daraus geschriebene Wörter oder Computeranweisungen erzeugen. Bei Avataren werden diese Programme zurzeit allerdings höchstens zu experimentellen Zwecken eingesetzt. In kommerzielle Anwendungen finden sie noch keinen Eingang. Dies hat verschiedene Gründe, die hauptsächlich in der Technologie liegen. Der wichtigste ist die Notwendigkeit, Spracherkennungssysteme zunächst zu trainieren. Vor der Benutzung erfordern diese Programme eine Trainings-Sitzung, bei der Benutzer vordefinierte Sätze nachsprechen müssen. Ohne eine solche Trainings-Phase sind Spracherkennungssysteme, wie sie z. B. im Telefon-Support verwendet werden, nur fähig, einfache gesprochene Worte zu verstehen. Sie bieten damit keine natürlichsprachlichen Dialogfähigkeiten, sondern sind lediglich Dialogskripte mit Systemkontrolle51. Allerdings variiert die Erkennungsrate selbst nach einer Trainings-Phase sehr stark, in Abhängigkeit von Mikrophonqualität und Hintergrundgeräuschen52. Zusätzlich erfordern solche Systeme das Vorhandensein eines funktionsfähig eingerichteten Mikrophons. Auch der Transport der Daten über das Internet stellt derzeit noch ein Problem dar. Für den Transfer in unkomprimiertem Format ist die Upload-Geschwindigkeit, insbesondere bei Schmalbandanschlüssen, noch nicht ausreichend. Eine clientseitige Kompression der Sprachdaten vor dem Versand geht aber über die derzeitigen Möglichkeiten von Plugins hinaus. Dadurch ist die Frage des Datentransports derzeit noch ungeklärt. In jedem Falle auf dem Server verbleibend ist die Interpretation der Sprachdaten und das Extrahieren der gesprochenen Worte. Dieser Vorgang erfordert einen hohen Einsatz von CPU-Zeit und ist deshalb im Retail Geschäft sehr kostspielig. Neben den genannten technologischen Hinderungsgründen ist eine mehrheitliche Akzeptanz für die Spracheingabe derzeit nicht vorhanden.

Aus diesen Gründen ist auf kurze bis mittelfristige Sicht der Einsatz von Spracherkennungssystemen in Client-Server Architekturen nicht sinnvoll machbar. Zunächst müssen die angesprochenen technologischen Mängel beseitigt werden, bevor die Akzeptanz dafür steigen kann. Dass sich auf diesem Feld etwas tut, zeigt das kürzlich vorgestellte Spracherkennungssystem „Dragon Naturally Speaking“, welches als erstes am Markt keine Trainings-Phase mehr benötigt53.

3.3 Text-Interpreter

Hinter dem Begriff des Text-Interpreters verbirgt sich die serverseitige Schaltzentrale eines Avatars. Sie nimmt Anfragen entgegen, analysiert diese und sucht die passende Rückmeldung anhand des in der Datenbank hinterlegten Wissens. Das wohl bekannteste Programm dieser Art ist das von Joseph Weizenbaum im Jahre 1966 entwickelte Computerprogramm ELIZA. Es kann Benutzereingaben entgegennehmen und anhand derer scheinbar intelligente Gegenfragen formulieren54. Allerdings nur scheinbar intelligent, denn ein tatsächliches, menschenähnliches Verständnis von Objekten war damals und ist auch heute nicht praxistauglic55. Insofern basieren alle hier beschriebenen Lösungen auf vorher definierten Regeln (Rule-Sets).

Auf technischer Seite ist die erste Aufgabe von Text-Interpretern die Interpretation von Benutzereingaben. Dazu werden diese zunächst in einzelne Worte zerlegt. Die Suchwörter werden dann mit allen Einträgen der gespeicherten Wissensbasis verglichen und zutreffende Einträge herausgegriffen. Die „Intelligenz“ der Suchfunktion ist dabei wesentlich für die Qualität der Treffer und damit für die Qualität der Antworten. Gute Suchfunktionen erlauben das Verknüpfen von Begriffen über verschiedene logische Operatoren. Daneben ist das Erkennen von Wortkonstellationen ein wesentlicher Qualitätsfaktor. Auf ähnlicher Basis arbeitet auch die Suchmaschine www.ask.com, die natürlichsprachliche Benutzereingaben akzeptiert und Treffer heraussucht.

Voraussetzung für dieses Verfahren ist das Vorhandensein einer entsprechend strukturierten Wissensbasis. Diese ist neben der Suchfunktion das zweite entscheidende Erfolgskriterium.

[...]


1 Endert, R. J. (2000).

2 Paniaras, I. (1997), S. 34.

3 Kuri, J. (2006).

4 Vgl. Rist, T. (2003), S. 1 oder vgl. Wolff, P. (2003), S. 297.

5 Vgl. Stobbe, A. (2003), S. 3.

6 Vgl. Bertram, M. (2005), S. 1.

7 Vgl. Niemeyer, V. (2003), S. 6.

8 Vgl. Schenk, M./ Wolf, M. (2001), S. 3.

9 SWOT-Analyse: Analyse der Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken.

10 Vgl. Linder, C. (2003), S. V.

11 Vgl. Samuelsen, P. (2003), S. 29.

12 Cassel, J. et al. (2000), S. I.

13 NPV: Net Present Value.

14 Vgl. Schaaf, J. (2005), S. 1.

15 Vgl. Stobbe (2003), S. 6.

16 Vgl. Stobbe, A. (2003), S. 6.

17 Riegelsberger, J. (2005), S. 220.

18 Vgl. Schaaf, J. (2005), S. 5.

19 Vgl. Schaaf, J. (2005), S. 3.

20 Skiera, B. (2006), S. 150.

21 Schaaf, J./Stobbe A. (2002), S. 4.

22 Mendoza, M. (2003), S. 5.

23 Schaaf, J./Stobbe A. (2002), S. 4.

24 Schaaf, J. (2005), S. 4.

25 Vgl. Reeves, B. (2002), S. 1.

26 Vgl. Reeves, B. (2002), S. 8.

27 Avanti Projektgruppe (2002), S. 9.

28 ROI: Return On Investment.

29 novomind AG (2004).

30 Vgl. Reeves (2002), S. 2.

31 Vgl. Anhang A: Diagramme, S. 60.

32 CRM: Customer Relationship Management.

33 Vgl. Stricker, A. (2003), S. 180.

34 Vgl. Fuchs, R./Reiners, H. (2003), S. 197.

35 Vgl. Reeves, B. (2002), S. 5f.

36 Riegelsberger, J. (2005), S. 189.

37 McBreen, H./Anderson, J./Jack, M. (2001), S. 3.

38 NFO Infratest (2001).

39 Vgl. Moormann, J./Wilkerling, C. (2003), S. 67.

40 Vgl. Hauser, G./Strommer, U./Wolschner, M. (2002), S. 3.

41 Vgl. Reeves, B. (2002), S.4.

42 Vgl. Riegelsberger, J. (2005), S. 46.

43 Vgl. Reeves, B. (2002), S.5.

44 Bates, R. M. (1994).

45 Bos, J. et al. (2002), S. 6.

46 Vgl. Voth, D. (2005), S. 5.

47 Vgl. Poggi, I. et al. (2005), S. 2.

48 Vgl. McBreen, H./Anderson, J./Jack, M. (2001), S. 4.

49 Vgl. Vetter, M. (2003), S. 87.

50 Hille, K. (1997).

51 Vgl. Pape, K.-L. (2003), S. 58.

52 Vgl. Gunnarsson, Ö. (2005), S. 34.

53 Vgl. Pakalski, I. (2006).

54 Weizenbaum, J. (1966).

55 Vgl. Duch, W./Szymanski, J./Sarnatowicz, T. (2006), S. 8.

Ende der Leseprobe aus 80 Seiten

Details

Titel
Einsatz von Avatartechnologien in Banken
Hochschule
Frankfurt School of Finance & Management
Note
99%
Autor
Jahr
2006
Seiten
80
Katalognummer
V151529
ISBN (eBook)
9783640636532
ISBN (Buch)
9783640636419
Dateigröße
1561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Einsatz, Avatartechnologien, Banken
Arbeit zitieren
Bachelor Matthias Mehmke (Autor:in), 2006, Einsatz von Avatartechnologien in Banken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151529

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