Perspektiven und Möglichkeiten der Einbindung bestehender Corporate Social Responsibility-Aktivitäten in die beruflich-betriebliche Weiterbildung


Diplomarbeit, 2009

88 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


INHALT

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Veränderungen in der Gestaltung von beruflichen Bildungsprozessen
2.1. Sozioökonomische Megatrends
2.2. Veränderte Ansprüche an die beruflich-betriebliche Weiterbildung
2.3. Kompetenzentwicklung
2.3.1. Kompetenzentwicklung und berufliche Handlungsfähigkeit
2.3.2. Reflexive Handlungsfähigkeit
2.4. Zwischenfazit

3. Beruflich-betriebliche Weiterbildung
3.1. Abgrenzung der beruflich-betrieblichen Weiterbildung
3.2. Aktuelle Situation beruflicher Weiterbildung in Europa und Deutschland
3.3. Betriebliches Bildungsmanagement
3.4. Berufsbildung in der betrieblichen Bildungsarbeit
3.4.1. Informelles und formelles Lernen im Kontext betrieblichen Lernens
3.4.2. Neue Lernformen in der beruflich-betrieblichen Weiterbildung
3.5. Zwischenfazit

4. Corporate Social Responsibility als Maßnahme sozialer Verantwortung in Unternehmen
4.1. Begriffliche Abgrenzung der CSR
4.2. Historische Entwicklungslinien
4.3. CSR aus der Perspektive von Nachhaltigkeitskonzeptionen
4.4. CSR als Instrument diskursiver Partizipation der Stakeholder
4.5. CSR als strategischer Ansatz für Unternehmensentwicklung
4.6. Zwischenfazit

5. Corporate Volunteering als Maßnahme der Durchführung von CSR
5.1. Die Konzeption und der Nutzen von Corporate Volunteering im Rahmen von Corporate Citizenship
5.2. Formen des Corporate Volunteering
5.3. Verknüpfung von Corporate Volunteering-Aktivitäten und Lernprozessen
5.3.1. Aktionstage
5.3.2. Mentoring
5.3.3. Secondment
5.4. Kompetenzentwicklung und Lernprozessbegleitung als Voraussetzung für Kompetenzentwicklung
5.5. Unternehmen als Bildungsdienstleister

6. Zusammenfassung und Ausblick

7. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Der Wandel betrieblicher Weiterbildung im Rahmen prozessorientierter Organisation

Tabelle 2: Dimensionen der Reflexivität

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Struktur der Weiterbildung

Abbildung 2: Betriebliche Bildungsarbeit als Einheit von Berufs- und Weiterbildung, Personal- und Organisationsentwicklung

Abbildung 3: Eingrenzung der Personalentwicklung

Abbildung 4: Betriebliche Lern- und Wissensarten

Abbildung 5: Dreieck der Nachhaltigkeit

Abbildung 6: Corporate Social Responsibility im Stakeholder-Diskurs

Abbildung 7: Corporate Volunteering als Teil des Corporate Citizenship

1. Einleitung

Eine zunehmende Anzahl von Unternehmen übernimmt Verantwortung für soziale Belange und Umweltschutz. Entsprechende Aktivitäten werden als Corporate Social Responsibility (CSR) bezeichnet. Folgerichtig wird CSR von der Europäischen Kommission definiert als das „Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern[1] zu integrieren“ (Europäische Kommission 2001, S. 8).

Bei CSR handelt es sich zusätzlich zum Einhalten von bestehenden Rechtsvorschriften, um ein über den gesetzlichen Rahmen hinausgehendes ökologisches und soziales Engagement. Es zeigt sich, dass Unternehmen durch Aktivitäten in diesen erweiterten Bereichen einen Wettbewerbsvorteil erzielen (vgl. Europäische Kommission 2001, S. 8). Eine immer stärkere Berücksichtigung bei der Auslegung von Unternehmensstrategien finden Konzepte sozialer Verantwortung wie z.B. das Corporate Volunteering. In den USA verfügen ca. 79-92 Prozent der Unternehmen über Corporate Volunteering-Programme (vgl. Wichelhaus 2007, S. 9ff.), die Bestandteil von Konzepten sozialer Verantwortung sind und bei denen sich bei den Mitarbeitern ein erfahrungsbezogener Lernprozess vollzieht.

Traditionell wird das Lernen Erwachsener in Form von Seminaren, Lehrveranstaltungen und organisierten Unterrichtseinheiten nach einem vorgegebenen Rahmenlehrplan formal organisiert. Diese Organisation des beruflichen Lernens steht oftmals wegen ihrer Praxisferne in der Kritik. Neben den traditionellen Formen des formellen Lernens etablierte sich deshalb zunehmend die Nutzung informeller bzw. erfahrungsbezogener Lernprozesse.

Reischmann (1995, S. 200) hat die Bedeutung des informellen Lernens bereits 1995 erkannt und „als Nebenergebnis von anderen Geschehnissen im Lebenslauf“ beschrieben. Diese Art des Lernens wird im Rahmen moderner beruflicher Bildungskonzepte immer mehr in den Mittelpunkt gestellt (vgl. Schröder 2009, S. 50). Lernen im Lebenslauf und Lernen im Prozess der Arbeit (vgl. Dehnbostel 2007, S. 11 ff.) gewinnen immer mehr an Bedeutung und rufen demzufolge auch Veränderungen der betrieblichen Arbeits- und Lernorganisation hervor, die dementsprechend angepasst werden muss. Am Beispiel des IT- Weiterbildungssystems (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2002) lässt sich erkennen, dass arbeitsprozessorientierte Qualifizierungen auch ordnungspolitisch angestrebt werden. Ziele der beruflich-betrieblichen Weiterbildung sind (vgl. Dehnbostel 2008, S. 40):

- die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit
- das Aufzeigen von beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten
- das Einbinden der Kompetenzentwicklung in die Arbeits- und Lebenswelt.

Problemstellung

Der gesellschaftliche und wirtschaftliche Wandel beeinflusst die betriebliche Arbeitsorganisation und somit auch die Konzeption und Durchführung der beruflichen Weiterbildung.

Auch die Sozialisation der Arbeitnehmer ist hiervon betroffen. Bildung wird zunehmend zum Merkmal sozialer Differenzierung, woraus sich wiederum ein künftig noch stärkerer Bedeutungszuwachs beruflich-betrieblicher Weiterbildung ergeben wird. „Bildung, Berufsbildung und Weiterbildung bestimmen maßgeblich berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, Aufstiegswege und gesellschaftlichen Status.“ (Dehnbostel 2008, S. 11). Schiersmann (2007, S. 9) bezeichnet Weiterbildung sogar als „Schlüsselressource für die Individuen und die Gesellschaft“, auf die durch gezieltes Einwirken seitens der Unternehmen reagiert werden muss.

Die beruflich-betriebliche Weiterbildung umfasst somit also neben der Kompetenzentwicklung auch Aspekte der Personalentwicklung, der Organisationsentwicklung und der betrieblichen Bildungsarbeit. Sie soll dazu beitragen, den gesellschaftlichen und ökonomischen Wandel sowie dessen Auswirkungen auf Unternehmen entgegenzutreten, um Arbeitnehmern langfristig ein Beschäftigungsverhältnis zu bieten und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens festigen zu können. Demzufolge werden sich Unternehmen in den nächsten Jahren immer stärker engagieren und so durch betriebliche Bildungsarbeit einen stärkeren individuellen Einfluss auf die Arbeitnehmer ausüben müssen. Hier müssen arbeitsplatznahe Konzepte der beruflich-betrieblichen Weiterbildung, die sich am lebenslangen Lernen orientieren, implementiert werden.

Unternehmen nehmen die Förderung des lebenslangen Lernens als Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahr und setzen sich seit den 1980er Jahren vermehrt mit diesem Problemfeld auseinander. Parallel zu den Entwicklungen in der Bildungsarbeit von Unternehmen beschäftigen sich Unternehmensethiker vor allem mit unternehmensspezifischen Fragen und Problemstellungen wie Menschenrechte, Korruption, Kinderarbeit aber auch mit dem Abbau von Arbeitnehmerrechten oder umweltfreundlichem Verhalten und inwiefern Unternehmen einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft leisten können (vgl. Beschorner 2005, S. 40). Solche unternehmensethischen Fragestellungen haben in der letzten Zeit erheblich an Bedeutung gewonnen. Das Auftauchen vieler neuer Konzepte wie Corporate Social Responsibility, Corporate Responsibility, Corporate Volunteering, Corporate Citizenship, Corporate Governance, Triple Bottom Line oder Sustainable Development ist ein Beleg für diese Entwicklung (vgl. Beschorner 2005, S. 40).

Viele Unternehmen setzen derzeit auf Projekte sozialer Verantwortung. So startete z.B. die Henkel KGaA das MIT-Projekt. Im Projekt „Miteinander im Team“ (MIT) wird bereits seit 1998 ein konzeptionelles Fundament für soziale Verantwortung geschaffen, indem Mitarbeiter bei selbstgewählten, ehrenamtlichen Tätigkeiten unterstützt werden. Richter (2003, S. 70ff.) stellt einen Fall dar, bei dem durch das Engagement eines Mitarbeiters und die finanzielle Unterstützung der Henkel KGaA Klassenräume in einer Schule für lernbehinderte Kinder renoviert werden konnten. Durch diese Unterstützung wurde einerseits das Ansehen des Unternehmens in der Öffentlichkeit gefördert, und andererseits das Selbstbewusstsein des Mitarbeiters durch die ihm erfahrene Unterstützung seines Unternehmens gestärkt.

Fragestellung und Aufbau der Arbeit

Nachdem der Anteil der beruflichen Weiterbildung in der Bundesrepublik im Vergleich zu den anderen Bildungsbereichen angestiegen ist und durch die Einbeziehung des informellen Lernens erheblich ausdifferenziert wurde und parallel dazu der Bereich der sozialen Verantwortung von Unternehmen stärker in den Vordergrund gerückt ist, soll die Vereinbarkeit von Konzepten der unternehmerischen sozialen Verantwortung und dem Bereich der beruflich­betrieblichen Weiterbildung und somit die gezielte Nutzung von CSR-Aktivitäten für die Zielsetzungen beruflich-betrieblicher Weiterbildung untersucht werden. Durch die Entwicklung arbeitsprozessorientierter und erfahrungsbezogener Qualifizierungskonzepte sowie dem ökologischen und sozialen Engagement der Betriebe soll in dieser Arbeit die Vereinbarkeit anhand folgender Fragestellungen analysiert werden:

- Welche CSR-Aktivitäten werden von den Unternehmen eingesetzt und wie vollziehen sich in diesem Kontext Lernprozesse?
- Inwiefern unterstützen diese Aktivitäten den individuellen und organisationalen Kompetenzzuwachs?
- Können CSR-Aktivitäten gezielt als beruflich-betriebliche Weiterbildungsmaßnahmen eingesetzt werden?

Analog zu den Fragestellungen ist die Arbeit wie folgt aufgebaut:

Im zweiten Kapitel soll untersucht werden, welche soziökonomischen Megatrends sich in den letzten Jahren vollzogen haben und wie diese auf die Bildung, vornehmlich die beruflich-betriebliche Weiterbildung wirken. Hier sollen die wichtigsten Trends demografischer Wandel, Tertiarisierung - Wandel zur Wissens­und Dienstleistungsgesellschaft, Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien, Europäisierung und Globalisierung sowie die damit verbundenen nationalen und europäischen Qualifikationsrahmen mit den jeweiligen Auswirkungen beschrieben werden. Ebenfalls ist es das Ziel dieses zweiten Kapitels, die sich aus dem Wandel ergebenden veränderten Ansprüche an Organisation und Durchführung beruflicher Bildung allgemein und den Prozess der Kompetenzentwicklung darzustellen.

Im dritten Kapitel wird dann spezifisch auf die beruflich-betriebliche Weiterbildung eingegangen. Zunächst wird eine Abgrenzung der beruflich-betrieblichen Weiterbildung zu anderen Bildungsbereichen vorgenommen, ehe im Anschluss betriebliche Bildungsarbeit in Form von betrieblichem Bildungsmanagement und der Aufwertung von Lernprozessen, bei denen informell erworbene Kompetenzen im Vordergrund stehen, auch anhand von Statistiken erläutert wird.

Im Anschluss soll im 4. Kapitel ein Einblick in die unternehmerische soziale Verantwortung gegeben und Corporate Social Responsibility als Konzept nachhaltiger Unternehmensführung dargestellt werden. Hierzu wird zunächst der konzeptionelle Rahmen der Eingliederung der CSR in die Nachhaltigkeitskonzeption sowie das Bedingungsgefüge zwischen Unternehmen, Stakeholder und der CSR- Konzeption erläutert, um eine Grundlage für die weitere Untersuchung zu schaffen.

Hierauf folgt dann die Zusammenführung beider Hauptteile, indem versucht werden soll, Corporate Social Responsibility in Form von Corporate Volunteering konzeptionell in die beruflich-betriebliche Weiterbildung einzugliedern. Dabei werden Formen der Durchführung von Corporate Volunteering, die dabei ablaufenden Lernprozesse und der generelle Nutzen solcher Maßnahmen für Unternehmungen, Mitarbeiter und weitere Beteiligte herausgestellt. Ebenfalls wird der Trend der Betriebe, als Bildungsdienstleister in Erscheinung zu treten, aus Sicht sozialer unternehmerischer Verantwortung analysiert.

Im 6. Kapitel werden dann die gewonnenen Erkenntnisse zusammengefasst und wesentliche Erkenntnisse aus der veränderten Gestaltung beruflich-betrieblicher Weiterbildungsprozesse mit den dargelegten Entwicklungen unternehmerischer Verantwortungsmaßnahmen in Beziehung gesetzt.

2. Veränderungen in der Gestaltung von beruflichen Bildungsprozessen

Die Wirkungen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und arbeitsorganisatorischer Veränderungen sind weitläufig in der Wissenschaft bekannt, lediglich das Ausmaß wird unterschiedlich beurteilt (vgl. Schröder 2009, S. 28).

Durch die veränderten Produktionsprozesse und die Abkehr von tayloristischen Produktionsweisen mit einer Tendenz zu einer ganzheitlichen Umgestaltung der Arbeitsorganisation erfahren auch Konzepte des Lernens im Prozess der Arbeit an Bedeutung.

Die bestehenden Veränderungsprozesse sollen in diesem Kapitel aufgeführt und auf ihre Bedeutung für die Organisation beruflich-betrieblicher Weiterbildung untersucht werden. Hierzu werden zunächst in Abschnitt 2.1 die sozioökonomischen Megatrends analysiert, ehe die in Abschnitt 2.2 beschriebenen Veränderungen beruflicher Bildung als Reaktion auf die veränderte Arbeitsorganisation aufgrund sozioökonomischer Wandlungsprozesse näher untersucht werden sollen. Schließlich wird in Abschnitt 2.3 ein Einblick in die Entwicklung der beruflichen Handlungskompetenz und der reflexiven Handlungsfähigkeit gegeben.

2.1. Sozioökonomische Megatrends

Informatisierung

Entscheidend beeinflusst wurde die gesellschaftliche und ökonomische Entwicklung von der Einführung von Informations- und Telekommunikationstechnologien (ITK), die bereits massiv in alle Lebens- und Arbeitsbereiche eingedrungen sind (vgl. Schiersmann 2007, S. 16; Schröder 2009, S. 29) und als notwendiges und selbstverständliche Arbeitsmittel angesehen werden (vgl. Dehnbostel 2007, S. 17). Diese Informations- und Telekommunikationstechnologien sind für die Entwicklung der Informations- und Wissensgesellschaft von Bedeutung und werden mit dieser in Verbindung gebracht (vgl. Dewe et al. 2007, S. 13). Verbunden mit der Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien ist somit auch die Zunahme von Wissen und die Zunahme der Bedeutung von Wissen, das sich in immer kürzeren Zeiträumen verdoppelt (vgl. Schröder 2009, S. 28f.) und als „vierter Produktionsfaktor“ (vgl. Schiersmann 2007, S. 16) bezeichnet wird.

Die klassischen Unternehmensstrukturen müssen an die neuen Technologien angepasst werden, was aufgrund der zunehmenden Vernetzung und der schnelleren und flexibleren (sowie mengenmäßigen Zunahme der) Bereitstellung von Daten und Informationen zu neuen Formen der Arbeit wie virtuellen oder Telearbeitsplätzen führt. Da dieser Prozess teilweise bereits abgeschlossen ist, ist nun eine Anpassung der Mitarbeiter auf sozialer, personaler und fachlicher Ebene (vgl. Dehnbostel, 2007 S. 17) an diese veränderten Strukturen sowie die zunehmenden kommunikativen Anteile der Arbeit notwendig. Die komplexeren und abstrakteren Strukturen der Arbeit sowie beschleunigte Ablauf- und Entscheidungsprozesse wirken sich auf die Arbeitsorganisation und Arbeitsstrukturierung aus und führen zu veränderten Tätigkeitsschwerpunkten und Aufgabenbearbeitung. Die herkömmliche Raum- und Zeitbindung von Arbeit wird zunehmend aufgelöst (vgl. Baethge et al. 1998, S. 18). Dewe et al. (2007, S. 16) leiten hieraus virtuelle und hybride Lernprozesse ab, die durch die Einführung der Informations- und Kommunikationstechnologien entstehen. Diese Lernprozesse zeichnen sich durch eine „Entmaterialisierung des Lernens“, den Zugang für jedermann, dem „learning on demand“ und dem Fernunterricht durch IT-Werkzeuge aus. Außerdem können Lernprozesse durch ITK unterstützt und besser vorangebracht werden. Die ITK dienen hierbei der Kundenorientierung, der Wahlmöglichkeit des Arbeitsstils, der Selbstprüfung der Lernprozesse, der Kommunikation zwischen Teilnehmern und Tutoren im Prozess des Lernens sowie dem weit gefächerten interaktiven Zugang zu Bildungsressourcen (vgl. Dewe et al. 2007, S. 16).

In Bezug auf die wachsenden Wissensumfang wird hier eine neue „Metakompetenz“ der Arbeitnehmer gefordert, die die Bereitschaft zum Lernen und zur Reflexion des eigenen Wissens sowie die Bereitschaft zur ständigen Aktualisierung des Wissens nötig macht (vgl. Schiersmann 2007, S. 16f.). Schätzungen besagen, dass mittlerweile 8 von 10 neuen Arbeitsplätzen auf Beschäftigte fallen, die mit Wissen in Verbindung stehen (vgl. Wernig 2005, S. 20).

Auch die Arbeit in neuen Organisationsformen und der Umgang mit flexiblen und flachen Hierarchien werden vom Arbeitnehmer zukünftig gefordert. Die Entgrenzung der klassischen Arbeitskraftnutzung in den neu gestalteten Arbeitsprozessen und die Selbstorganisation des Lernens, der Umgang und die Verwaltung des neu erworbenen Wissens (vgl. Schröder 2009, S. 29 zitiert nach Zimmer 2005, S. 53) sowie zunehmende kooperative Lern- und Arbeitsformen bestimmen die an Arbeitnehmer gestellten Kompetenzen, wobei die Spielräume sowie und auch durch neue Kontroll- und Qualitätssicherungssysteme beeinflusst werden (vgl. Dehnbostel 2007, S. 17). Die Einführung von Informations- und Kommunikationstechnologien führt also insgesamt zu erhöhter Flexibilität, Mobilität, Effizienz und Intensität der Arbeit. Die Auswirkungen dieser Erscheinungen müssen bei der Gestaltung von Arbeits- und Lernplätzen berücksichtigt werden.

Tertiarisierung

Der übergeordnete gesellschaftliche Trend ist der Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft. Dieser Trend vollzieht sich bereits seit den 1970er Jahren vornehmlich in den westlichen Industriestaaten und wird auch als Tertiarisierung bezeichnet (vgl. Schröder 2009, S. 28f.).

In dieser Arbeit wird in Bezug auf den gesamtgesellschaftlichen Kontext die folgende Definition für Dienstleistungsgesellschaft zugrunde gelegt:

„Mit dem Begriff ‘Dienstleistungsgesellschaft werden solche Gesellschaften belegt, deren Beschäftigungsstruktur durch ein Übergewicht an Dienstleistungen gekennzeichnet ist. Eine genaue Mindestmarke gibt es dafür nicht, aber ‘Übergewicht’ bedeutet, dass zumindest 50% der Erwerbstätigen mit Dienstleistungen ihr Einkommen verdienen.“ (Häußermann et al. 1995, S. 21; Hervorhebung im Original)

Ebenfalls in typischen Produktionsberufen lassen sich Tertiarisierungstendenzen finden. Durch engere Markt- und Kundenbeziehungen, die durch flache Hierarchien und flexible Gestaltung der Arbeit als eine Folge des Tertiarisierungsprozesses entstehen, werden solche Prozesse immer öfter und mit steigender Intensität in die Geschäftsprozesse integriert. Tertiarisierung bedeutet nach Baethge et al. (2003, S. 20) also auch immer, dass der „Umgang mit Menschen und Symbolen an Bedeutung gewinnt“.

Gesamtgesellschaftlich beschreibt der Trend zur Dienstleistungsgesellschaft also die empirische Tatsache, dass die Zahl der in Betrieben der Güterproduktion Beschäftigten abnimmt und die Zahl der Erwerbstätigen wächst, die nicht mit Gewinnung, Bearbeitung und Verarbeitung von materiellen Gütern beschäftigt sind (vgl. Häußermann et al. 1995, S. 23), währenddessen unternehmensintern Prozesse der Dienstleistung an Bedeutung gewinnen und von Baethge et al. (2003, S. 20) als „interne Tertiarisierung“ beschrieben werden.

Aus historischer Sicht vollzogen sich Veränderungen in der sozialen Struktur immer wieder. Ausgehend von Fourastie[2] verschiebt sich seit 1800 mit dem technischen Fortschritt und der einhergehenden Steigerung der Produktivität die Zahl der Erwerbstätigen vom primären in den sekundären Sektor (vgl. Fourastie 1969, S. 109).

Fourastie geht hier von Wanderungsbewegungen der Bevölkerung aus, die sich aus der Verschiebung der wirtschaftlichen Produktionsverhältnisse ergeben. Bereits 1969 sagte Fourastie auch einen Rückgang des Anteils des sekundären Sektors zugunsten des tertiären Sektors voraus und bezeichnete diesen Vorgang als „das unstillbare Bedürfnis nach Tertiärem“ (Fourastie 1969, S. 112). Als Grundlage geht er hierbei von der Nachfrage und dem Bedürfnis des Menschen an materiellen und immateriellen Gütern aus.

Ist das primäre Bedürfnis nach Nahrung befriedigt, treten andere, vornehmlich materielle Bedürfnisse in den Vordergrund und bedingen eine Umverlagerung der Produktionsanteile zugunsten des sekundären Sektors, der die im primären Sektor freigesetzten Arbeitskräfte aufnimmt. Auch hier wird es durch Steigerung der Produktivität erneut zu einer Spreizung zwischen Produktivität und Konsumfähigkeit kommen. Mit steigendem Einkommen entwickelt der Mensch neue Bedürfnisse. Das ausgedehnte Freizeit- und Bildungsangebot verlangt wiederum nach entsprechenden Dienstleistungen, die durch Arbeitskräfte angeboten werden, die im weniger nachgefragten sekundären Sektor freigesetzt werden (vgl. Häußermann et al. 1995, S. 31f.).

Der Dienstleistungssektor ist demnach zum „Hoffnungsträger für Beschäftigungsexpansion avanciert“ (Baethge 2000, S. 88). Deutschland gilt als „Latecomer“ im Bereich der Dienstleistungen.

Spätestens seit den 1980er Jahren gilt der tertiäre Sektor als der wirtschaftlich dominierende Sektor, ausgehend von der Betrachtung der Bruttowertschöpfung in Deutschland. Bis in die 90er Jahre konnten die im sekundären Sektor abgebauten Stellen durch den Dienstleistungssektor kompensiert werden. Das zukünftige Beschäftigungspotenzial muss in Zukunft im Dienstleistungssektor liegen und gesteigert werden, um die Arbeitslosigkeitsrate zu verringern (vgl. Baethge, 2000 S. 90).

Die Auswirkungen der Tertiarisierung auf den hier zu untersuchenden Bereich der Arbeits- und Lernorganisation sind vielfältig. Qualitativ betrifft der Wandel die Kompetenzprofile in der gesamten Berufsbildung, quantitativ werden das Ausbildungsplatzangebot und die Verteilung der Auszubildenden auf verschiedene Formen der Ausbildung betroffen sein. Der Anteil des Dienstleistungssektors an beruflicher Bildung war schon immer geringer als sein Anteil an der Gesamtbeschäftigung (vgl. Baethge et al. 2003, S. 20). Die Berufe mit Dienstleistungscharakter werden sich laut Baethge et al. (2003, S. 20) vornehmlich zu vollzeitschulischen Bildungsgängen und, resultierend aus der Verschiebung zu Dienstleistungsberufen, zu einer generellen Reduzierung des Ausbildungsplatzangebots entwickeln.

Die neuen Kompetenzanforderungen sind durch ein höheres Wissen und eine zunehmende Interaktion sowie Analysefähigkeit und analytisches Wissen, Problemlösefähigkeit und Reflexivität gekennzeichnet und ergänzen die Kompetenzanforderungen technische Sensibilität, Zuverlässigkeit sowie Genauigkeit und Sorgfalt der Industriegesellschaft zunehmend (vgl. Baethge et al. 2003, S. 20f.; Schröder 2009, S. 29; Schiersmann 2007, S. 16). Sie werden die Bildungsarbeit in allen Einrichtungen der allgemeinen sowie beruflichen Bildung beeinflussen.

Ebenso wird davon ausgegangen, dass sich aufgrund des Wandels der Bedürfnisse des Menschen auch Veränderungen in der Berufsstruktur ergeben. Eine stärker geistige Arbeit löst die produktive Arbeit mit den Händen ab. Arbeit wird zunehmend durch intellektuelle Fähigkeiten bestimmt und erfordert höhere Qualifikationen, was wiederum zu einer Ausdehnung der Schul- und Bildungszeiten und einer Verwissenschaftlichung der Arbeit führt (vgl. Baethge 2000, S. 87).

Globalisierung

Die deutsche Wirtschaft ist erheblich in die internationalen Austauschbeziehungen eingebunden und mit einem Anteil von ca. 10 Prozent am Welthandelsexport der Staat mit dem größten Exportanteil. Im Bereich des Import steht Deutschland mit 8 Prozent an zweiter Stelle, wobei die internationalen Beziehungen stetig ausgebaut wurden (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 12; Schiersmann 2007, S. 17). Der hier entstehende „neue Charakter der Globalisierung“ wird durch die Umlagerung vom klassischen Export- und Importgeschäft zu weltweiten Wertschöpfungsketten und prozessgebundenen Kooperationen bestimmt, die alle Abteilungen eines Unternehmens einschließen (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 12).

Globale Zusammenarbeit muss als neue Kompetenz in die berufliche Bildung integriert werden, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden. Hierauf müssen Unternehmen und externe (Berufs-) Bildungseinrichtungen reagieren. Die Herausforderung liegt hier in der räumlichen Entgrenzung der Arbeitsmärkte sowie in der bereits angeführten Entstehung transnationaler Wertschöpfungsketten, aber auch in grenzüberschreitenden Arbeitskräftebewegungen und der internationalen Öffnung der Arbeitsmärkte, die die internationale Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt steigert.

Durch die Globalisierungstendenzen ergeben sich für die Arbeitnehmer neue und erweiterte Kompetenzanforderungen wie Sprachkenntnisse, Weltoffenheit, Wissen über andere Kulturen und Mobilitätsfähigkeit, die neben den bestehenden Fachkenntnissen vorhanden sein müssen (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 13; Schiersmann 2007, S. 17). Demnach muss auch in der beruflichen Bildung auf diese Veränderungen eingegangen werden.

Demographischer Wandel

Auch der Wandel der Altersstruktur in der deutschen Bevölkerung hat einen entscheidenden Einfluss auf die Organisation und Durchführung der Arbeit, aber auch auf Lernorganisation und Durchführung des Lernens.

Generell steigt das Alter der Erwerbspersonen an, wobei Deutschland eine der am schnellsten alternden Gesellschaften der Welt ist (vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 6) und gleichzeitig die Gesamtbevölkerung seit 2003 abnimmt - von 82 Millionen Anfang 2006 auf ca. 69 bzw. 74 Millionen[3] Menschen im Jahr 2050. Die Ursache für diesen Rückgang sind sinkende Geburtenzahlen. Um die derzeitige Bevölkerung reproduzieren zu können, muss die Fertilitätsrate bei 2,1 Kindern je Frau liegen. Tatsächlich liegt diese Rate bereits seit ca. 30 Jahren bei 1,4. Demnach sterben mehr alte Menschen als Kinder geboren werden. Beeinflusst wird die Bevölkerungsentwicklung auch von den jährlichen Wanderungsbewegungen, die jedoch die niedrige Geburtenrate nicht ausgleichen können, allenfalls wird der Schrumpfungsprozess der Bevölkerung durch eine positive Zuwanderungsrate gemildert.

Je nach Annahme steigt die Lebenserwartung von im Jahr 2050 geborenen Kindern im Gegensatz zu heute um 7 bis 9 Jahre an. Demnach wird der Anteil der unter 20­Jährigen um ca. 30 bis 40 Prozent bis 2050 unter den Anteil der über 65-Jährigen sinken und die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 20 bis 64 Jahren von ca. 50 Millionen auf 39 Millionen in 2050 zurückgehen (vgl. Radermacher 2006, S. 5f.). Zunächst werden aber bis 2020 „weder die Bevölkerung insgesamt noch die im Erwerbsalter wesentlich schrumpfen, sehr wohl aber danach“ (Bellmann et al. 2007, S. 1).

Diese Entwicklung in der Altersstruktur hat enorme Auswirkungen auf das Bildungssystem und auf die Arbeitswelt. Neben den bereits im Bildungssystem ersichtlichen Auswirkungen wie Schulschließungen und -zusammenlegungen aufgrund geringerer Schülerzahlen muss auch die Arbeit an die Potenziale älterer Arbeitnehmer angepasst werden. Diese Forderungen wurden auch von der Europäischen Union sowie der Bundesrepublik Deutschland aufgenommen und sollen in Form einer Erhöhung der Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer auch umgesetzt werden, was wiederum die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit dieser Altersgruppe voraussetzt und somit zu einem Anliegen betrieblichen Gesundheitsmanagements und betrieblicher Gesundheitsförderung wird, die laut Bellmann et al. nur ca. ein Fünftel aller Betriebe derzeit aktiv durchführen (vgl. Bellmann et al. 2007, S. 1; Schröder 2009, S. 31).

Auch Maßnahmen der beruflich-betrieblichen Weiterbildung rücken durch den höheren Anteil älterer Erwerbspersonen in den Vordergrund, da die berufliche Erstausbildung allein den ständig wechselnden Kompetenzanforderungen nicht mehr entsprechen kann. Allerdings ist die Zahl der Betriebe mit Weiterbildungsaktivitäten für Ältere eher rückläufig (zwischen 2002 und 2006 ist ein Rückgang von 19 auf 17 Prozent zu verzeichnen) (vgl. Bellmann et al. 2007, S. 3).

Die Zunahme älterer Bürger hat zu einer Verschiebung der Bildungsphasen geführt, die sich sowohl auf das allgemeine Bildungssystem als auch auf das System der beruflichen Bildung auswirkt. Diese ganzheitliche Verschiebung muss in die Konzeption der Bildung mit einfließen und berücksichtigt werden.

Eine Konzentration im Bereich der Bildung auf ältere Arbeitnehmer zur Nutzung derer Potenziale und Möglichkeiten wird daher in Zukunft unerlässlich sein.

2.2. Veränderte Ansprüche an die beruflich-betriebliche Weiterbildung

Wie bereits im vorherigen Abschnitt angedeutet worden ist haben die deutschen Unternehmen die veränderten Wettbewerbs- und Strukturbedingungen erkannt und in den 1990er Jahren damit begonnen, ihre Organisationskonzepte und Marktstrategien an den Wandel anzupassen. Hierbei wird versucht, die hohe Qualität bei steigender Kundennähe und schnellerer Innovation zu halten. Diese Ansprüche sind an einen generellen Bedeutungszuwachs an die beruflich­betriebliche Weiterbildung gebunden. Erforderlich für die Umsetzung in die Wirklichkeit ist der Wandel der Steuerung betrieblicher Abläufe hin zur Prozessorientierung (vgl. Baethge et al. 1998, S. 21).

Baethge et al. (1998, S. 21f.) beschreiben die Merkmale einer solchen Prozessorientierung wie folgt:

- Dynamisierung des betrieblichen Leistungsspektrums über flexible In- und Outsourcingprozesse
- Dezentralisierung des Unternehmens in weitgehend selbstständige multi­funktionale Einheiten (z.B. Profit-Center)
- Intensivierung der querfunktionalen Kooperation durch temporäre oder dauerhafte Zusammenarbeit von Beschäftigten mit unterschiedlichen Aufgaben
- Integration funktions- und fachfremder Tätigkeiten zur Auflockerung berufstypischer Einsatzkonzepte
- flachere Strukturen durch Enthierarchisierung
- Flexibilisierung durch Änderungen in der Belegschaftsstruktur sowie des Arbeitszeitregimes.

Generell wird der Wandel der betrieblichen Weiterbildung im Rahmen prozessorientierter Weiterbildung von Baethge et al. (1998, S. 30) anhand der folgenden Tabelle verdeutlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Der Wandel betrieblicher Weiterbildung im Rahmen prozessorientierter Organisation (Baethge et al. 1998, S. 30)

Weiterhin unterscheiden Baethge et al. (1998, S. 24) die Ursachen für den Wandel in Effekte erster und Effekte zweiter Ordnung. Erstere sind von den globalen Trends beeinflusst und zeichnen sich in Bezug auf veränderte Kompetenzanforderungen durch eine Zunahme kommunikativer Anteile der Arbeit aus, die im Zusammenhang mit Arbeitsprozessen angeeignet werden.

Als Folge dieser Prozessorientierung und aufgrund der zunehmenden Anteile an Kommunikationsfähigkeit ergibt sich eine Aufwertung des Erfahrungslernens und des informellen Lernens sowie die Schaffung lernförderlicher Arbeitsumgebungen und neuer Lernformen (vgl. Dehnbostel 2007, S. 17). Vor allem die kommunikativen Kompetenzen können nur im realen Arbeitskontext ausgebaut und perfektioniert werden, so dass arbeitsintegrierte Formen der beruflich-betrieblichen Weiterbildung einen Bedeutungszuwachs erlangen (vgl. Schröder 2009, S. 34f.).

Effekte zweiter Ordnung basieren auf der betrieblichen Reorganisation der Arbeit aufgrund veränderter Rahmenbedingungen und spiegeln sich vornehmlich in erweiterten Dispositionsspielräumen, gestiegener Verantwortung, partizipativen Managementkonzepten, flexiblen Arbeitszeitmodellen und Arbeitsgruppenkonzepten wider und stellen neue Anforderungen wie Flexibilität, Selbstständigkeit, Selbstorganisation sowie Koordinierungs- und Kommunikationsfähigkeit an den Arbeitnehmer (vgl. Baethge et al. 1998, S. 24f.; Schröder 2009, S. 35). Weiterhin zeichnet sich diese Gegentendenz zum zentralisierten Lernen im Aufkommen arbeitsplatzbezogener Lernformen und den damit verbundenen Möglichkeiten der Qualifikation und Bildung im Arbeitsprozess ab. Arbeitsanforderungen in bestimmten Situationen und Prozessen sind in formell organisierten Bildungsprozessen nur schwer vermittelbar, so dass eine umfassende berufliche Handlungskompetenz in zentralen Bildungseinrichtungen nur schwer herauszubilden ist (vgl. Dehnbostel 2008, S. 23). Dieser Grundsatz muss auch in der Berufs- und Weiterbildung berücksichtigt werden.

Das Lernen im Prozess der Arbeit gewinnt seit Einführung neuer betrieblicher Arbeits- und Organisationskonzepte in den 1980er Jahren immer mehr an Bedeutung. In der beruflichen Bildung und der beruflichen Weiterbildung entstehen neue Qualifikationsmöglichkeiten. Eine umfassende berufliche Handlungskompetenz kann aber nur in Kombination von beiden Lernorten, also formellen Lernorten außerhalb der Arbeit und Lernorten in der Abreit erworben werden (vgl. Dehnbostel 2007, S. 17). Es wird also von der inhaltlich und organisatorisch zentralistisch geprägten Weiterbildung zu Gunsten einer selbstorganisierten und dehierarchisierten Weiterbildung ausgegangen, die als übergeordnetes Ziel die Kompetenzentwicklung des Individuums statt lediglich die Vermittlung notwendiger Qualifikationen zur Durchführung einzelner Tätigkeiten hat.

Europäischer und Nationaler Qualifikationsrahmen

Wie bereits skizziert worden ist wirkt sich die zunehmende Internationalisierung auch auf das Bildungssystem aus. Bildungsabschlüsse müssen zukünftig international vergleichbar gestaltet werden, so dass in diesem Kontext der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) im Frühjahr 2008 verabschiedet wurde. „Der EQR stellt einen Metarahmen zur Bewertung der beruflichen und der allgemeinen Bildung dar“ (Dehnbostel 2008, S. 168). Qualifikationen und Kompetenzen sollen erfasst, bewertet und verglichen werden können, um diese Qualifikationen und Kompetenzen in den unterschiedlichen europäischen Ländern anzuerkennen.

Die weitere Zusammenarbeit der EU im wirtschaftlichen und politischen Bereich schließt seit der im Jahr 2000 in Lissabon festgelegten Strategie nun auch die Zusammenarbeit im Bildungsbereich mit ein und wurde im Jahr 2004 in der Maastrichter Erklärung als Europäischer Qualifikationsrahmen zur „Förderung von Transparenz und Mobilität zwischen den nationalen Bildungs- und Beschäftigungssystemen beschlossen“ (Bundesinstitut für Berufsbildung 2007). Generell soll die Qualität der Berufsbildung verbessert und die Vergleichbarkeit mit akademischen Abschlüssen hergestellt werden.

Verbunden mit der Einführung eines EQR ist auch bereits der 1999 beginnende Bologna-Prozess mit dem „European Credit Transfer and Accumulation System“ (ECTS), das Kreditpunktesystem für berufliche Bildung auf europäischer Ebene (ECVET) und das im Rahmen eines Nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) entwickelte deutsche System für berufliche Bildung DECVET gestartet worden, die in der Gesamtheit das Bildungssystem durch die gegenseitige Anrechnung beruflicher und hochschulischer Bildung durchlässiger gestalten sollen.

Allgemeines Ziel des EQR (oder European Qualifications Framework (EQF)) ist die Förderung der Mobilität und Flexibilität sowie die Förderung des lebenslangen Lernens der Bürger der Europäischen Gemeinschaft. Neben der Vergleichbarkeit der Qualifikationen und Kompetenzen soll der EQR auch Unternehmen und Bildungseinrichtungen bei der Qualifikationserfassung und -bewertung dienen (vgl. Dehnbostel 2008, S. 168). Weiterhin soll eine einheitliche Qualität der Bildung gewährleistet sein, indem gemeinsame Kontrollverfahren und Qualitätssicherungssysteme eingerichtet werden.

Die Messung der Lernergebnisse erfolgt in acht Stufen, den sogenannten Referenzniveaus, die je in den drei Kategorien Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenz das Lernergebnis beschreiben.

Inhaltlich werden die drei Kategorien wie folgt beschrieben:

Kenntnisse (Knowledge) als Verarbeitungsergebnis von Lernen werden als Theorie- und/oder Faktenwissen beschrieben. Unter Fertigkeiten (Skills) wird das Umsetzen und Anwenden der Kenntnisse in der Praxis zur Problemlösung verstanden, während Kompetenz (Competence) die Fähigkeit beschreibt, Kenntnisse und Fertigkeiten in Verbindung mit persönlichen, methodischen und sozialen Fähigkeiten für die berufliche und/oder persönliche Entwicklung zu nutzen (vgl. Dehnbostel 2008, S. 170). Aus der Kombination der Referenzniveaus mit den Kategorien ergeben sich 24 Deskriptoren zur Einordnung beruflicher und allgemeiner Bildung.

Die inhaltliche und methodische Gestaltung der Durchführung des Lernprozesses wird allerdings nicht festgelegt. Eine Bewertung der Kompetenzen erfolgt ausschließlich anhand der Lernergebnisse (Outcome-Orientierung).

Die Beschreibungen der Kompetenzniveaus sind allgemein gehalten und überlassen eine genauere Auslegung den jeweiligen Nationen. Um hierbei die Willkür der Einteilung in Kompetenzniveaus zu unterbinden, werden Gütekriterien angegeben. Demzufolge ist der EQR lediglich ein Überbau für die jeweiligen nationalen Qualifikationsrahmen, die bis 2010 an den EQR gekoppelt sein sollen.

Für die Entwicklung eines deutschen Qualifikationsrahmens in Zusammenarbeit des Bundeministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und der Kultusministerkonferenz ist eine Bund-Länder-Koordinierungsgruppe sowie ein Arbeitskreis „Deutscher Qualifikationsrahmen“ ins Leben gerufen worden, die im Februar 2009 einen ersten Entwurf zur Gestaltung des DQR vorgelegt haben. Ausgehend von der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rats vom Februar 2008 wird in diesem Diskussionspapier festgelegt, dass der „DQR auf acht Niveaustufen fachliche und personale Kompetenzen, an denen sich die Einordnung der Qualifikationen orientiert, die in der allgemeinen, der Hochschulbildung und der beruflichen Bildung erworben werden“ (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2009, S. 2) berücksichtigt. Neben dem Aufbau wird in dem Diskussionspapier auch die erste Beschreibung der acht Niveaustufen, die zur Erlangung einer Qualifikation erforderlich sind, festgelegt. Der DQR unterteilt die Niveaus in Fachkompetenz und personale Kompetenz. Diese Kompetenzen werden wiederum in Wissen, Fertigkeiten, Sozialkompetenz und Selbstkompetenz unterteilt, wobei Kompetenz im Rahmen des DQR als Handlungskompetenz verstanden wird. Nicht abgebildet werden können individuell in den Bildungsprozessen erworbene Fähigkeiten, Haltungen sowie Eigenschaften, die sich aus der individuellen Lern-, Berufs- und Lebenssituation des Lernenden ergeben (vgl. Arbeitskreis Deutscher

Qualifikationsrahmen 2009, S. 2ff.).

Fraglich ist allerdings die Benennung in „Qualifikationsrahmen“, da das neue übergeordnete Leitziel beruflicher Bildung auch auf europäischer Ebene die Entwicklung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz ist und die veraltete Vorstellung der Qualifikation ablöst. Eine genaue Darstellung und Abgrenzung dieser Begriffe erfolgt im folgenden Abschnitt.

2.3. Kompetenzentwicklung 2.3.1. Kompetenzentwicklung und berufliche Handlungsfähigkeit

Aus dem in den Abschnitten 2.1 und 2.2 dargestellten Strukturwandel in der beruflichen Bildung und Weiterbildung ergibt sich als übergeordnetes Ziel die Herausbildung einer umfassenden beruflichen Handlungskompetenz, die bereits seit den 1970er Jahren diskutiert wird. Es besteht eine Unterscheidung zwischen den Begriffen Kompetenz und Qualifikation.

Kompetenz ist immer das vorläufige Ergebnis einer Kompetenzentwicklung und definiert sich über Fähigkeiten, Kenntnisse, Methoden, Wissen, Einstellungen und Werte, die sich auf den Erwerb, Entwicklung und Verwendung während der gesamten Lebenszeit des Menschen beziehen. Kompetenzen sind immer an das Subjekt gebunden und setzen eigenverantwortliches Handeln voraus.

Qualifikationen hingegen sind weniger subjektbezogen und werden eher als Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten in Hinblick auf ihre Verwertbarkeit gesehen. Qualifikationen sind eher aus Sicht der Nachfrage zu betrachten und werden vom Kompetenzbegriff umfasst (vgl. Dehnbostel 2007, S. 31f.).

Kompetenz umfasst immer mehrere Elemente:

- Fachkompetenz
- Sozialkompetenz und
- Personal-/ Humankompetenz

Auf Grundlage der Definition der Kultusministerkonferenz (2007, S. 11) werden die drei Kompetenzen wie folgt definiert:

Fachkompetenz ist als Bereitschaft und Befähigung zu sehen, auf der Grundlage von fachlichem Wissen und Können Aufgaben und Probleme zielorientiert zu lösen und das Ergebnis beurteilen zu können.

Als Humankompetenz wird die Fähigkeit beschrieben, eigene Entwicklungschancen sowie Anforderungen und Einschränkungen in Familie und Beruf zu klären, zu durchdenken und zu beurteilen und daraus eigene Begabungen zu entwickeln sowie den eigenen Lebensweg selbst zu gestalten. Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit und Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein werden umfasst.

Sozialkompetenz bezieht sich auf den Umgang mit Anderen. Hierbei handelt es sich um die Befähigung soziale Beziehungen zu leben und zu gestalten und Zuwendungen und Spannungen zu erfassen und zu verstehen. Auch die Auseinandersetzung und Verständigung mit Menschen sowie die Entwicklung sozialer Verantwortung und Solidarität werden berücksichtigt (vgl. Kultusministerkonferenz 2007, S. 11).

Weitere Bestandteile dieser Kompetenzen sind Methodenkompetenz, kommunikative Kompetenz und Lernkompetenz (vgl. Kultusministerkonferenz 2007, S. 11), wobei diese untereinander mit den Hauptkompetenzen vernetzt sind.

Kompetenzentwicklung vollzieht sich während des beruflichen Lernens und Arbeitens und betont das subjektive, reflexive und selbstorganisierte Lernen. Hierbei stehen Arbeits- und Handlungsbedingungen in Wechselwirkung zu den genannten Hauptkompetenzen. Entscheidend für ein erfolgreiches Lernen ist nach Dehnbostel (2007, S. 34f.) eine innovative betriebliche Lernkultur, die sich innerhalb des Unternehmens nicht nur auf Seminare begrenzt, sondern auch das Lernen während der Arbeit in Form von Erfahrungslernen und informellem Lernen einbezieht. Somit können handlungsorientierte und individualisierte ganzheitliche Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten in die berufliche Bildung integriert werden. Der Prozess des Erwerbs soll hierbei handlungsorientiert vom Handelnden selbst und im Rahmen einer realen Handlungssituation stattfinden.

2.3.2. Reflexive Handlungsfähigkeit

Der Begriff reflexive Handlungsfähigkeit ist eine Erweiterung des Kompetenzbegriffs, vor allem in der beruflichen Weiterbildung, wobei Handlungsfähigkeit immer ein Ziel der Kompetenzentwicklung darstellt. Diese Handlungsfähigkeit soll ermöglichen, dass Handlungen in der Arbeit im Sinne einer Steigerung der Produktivität erfolgen können. Im engeren Sinne handelt es sich um eine reflexive Handlungsfähigkeit, die zur selbstgesteuerten Nutzung der erworbenen Kompetenzen im Rahmen bestehender Arbeits- und Sozialstrukturen sowie der eigenen Verhaltensweisen bei gleichzeitiger kritischer Einschätzung und Bewertung dieser Handlungen aufgrund von Erfahrungen und Wissen führen soll. (vgl. Dehnbostel 2005, S. 149). Reflexive Handlungsfähigkeit bedeutet, Selbstreflexion über sich selbst als auch über die umgebenden Strukturen, Bedingungen, Situationen und die anschließende Bewertung aufgrund einer

[...]


[1] Stakeholder: „Einzelpersonen, Gemeinschaften oder Organisationen, die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens beeinflussen oder von ihr beeinflusst werden. Es gibt interne Stakeholder (z.B. Belegschaft) und externe Stakeholder (z.B. Kunden, Zulieferer, Anteilseigner, Investoren, lokale Gemeinschaften)" (Europäische Kommission 2001, S. 29f.).

[2] Jean Fourastie: 1907 - 1990. Ausgehend vom Einfluss des technischen Fortschritts auf die Produktion untergliedert Fourastie die gesamte Volkswirtschaft in drei große Sektoren: primärer Sektor: Landwirtschaft, Bergbau, Jagd; sekundärer Sektor: Industrie, verarbeitendes Gewerbe; tertiärer Sektor: Dienstleistungen (Wirtschaftsbereiche mit geringem oder ohne technischen Fortschritt) (vgl. Fourastie 1969, S. 74f.). Der Anstieg der Produktivität der Arbeit wird im ersten Sektor durch natürliche Faktoren, im zweiten Sektor durch mechanische Faktoren, im dritten Sektor durch menschliche Fähigkeiten und Kentnisse bestimmt (vgl. Häußermann & Siebel 1995, S. 30).

[3] je nach Voraussagen zur jährlichen Zuwanderung, zum Anstieg der Lebenserwartung und zu Geburtenraten ergeben sich hier unterschiedliche Vorausberechnungen für die Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland (vgl. Radermacher 2006, S. 2ff.)

Ende der Leseprobe aus 88 Seiten

Details

Titel
Perspektiven und Möglichkeiten der Einbindung bestehender Corporate Social Responsibility-Aktivitäten in die beruflich-betriebliche Weiterbildung
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
1,1
Autor
Jahr
2009
Seiten
88
Katalognummer
V151827
ISBN (eBook)
9783640638499
ISBN (Buch)
9783640639014
Dateigröße
2743 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Perspektiven, Möglichkeiten, Einbindung, Corporate, Social, Responsibility-Aktivitäten, Weiterbildung
Arbeit zitieren
Christoph Schmaler (Autor:in), 2009, Perspektiven und Möglichkeiten der Einbindung bestehender Corporate Social Responsibility-Aktivitäten in die beruflich-betriebliche Weiterbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/151827

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