Europäischer Verbraucherschutz: Die Verordnung Rom I und Vertragsabschlüsse über Internet


Master's Thesis, 2010

90 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung
I. Problemstellung
II. Methodik/Vorgehensweise

B. Notwendigkeit von Verbraucherschutz
I. Allgemeines
II. Historische Entwicklung in (Österreich

C. Internationales Privatrecht
I. Aufgabe des Internationalen Privatrechts
II. Historische Entwicklung auf EG-Ebene
III. IPRG und Nebengesetze
IV. § 13a KSchG
V. EVÜ
VI. Verordnungen Rom II, Rom I

D. Fernabsatz

E. Verbraucherverträge im Internationalen Privatrecht
I. Rechtslage nach Artikel 5 EVÜ
1. Allgemeines
2. Artikel 5 EVÜ und Fernabsatz
II. Rechtslage nach Artikel 6 VO Rom I
III. Diskussion der Unterschiede

F. Artikel 15 EuGVVO: Rechtsprechung und Schrifttum
I. Die EuGVVO
II. Rechtsprechung zum „Ausrichten“
1. LG Feldkirch 3R 259/03s
2. LG Salzburg 53R 13/04z
3. LG Feldkirch 2R 18/08z
4. OGH 6Ob 192/08s
5. OGH 2Ob 256/08y
6. OGH 6Ob 24/09m
7. BGH III ZR 71/08
8. OLG Dresden 8 Ü 1855/04
9. OLG Karlsruhe 14 Ü 72/06
10. LG Munchen I 9 O 16842/06
III. Schrifttum zum „Ausrichten“
IV. Diskussion

G. Zusammenfassung und Ausblick
I. Zusammenfassung
II. Ausblick

H. Literaturverzeichnis

I. Judikaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

I. Problemstellung

Durch die Verordnung Nr. 593/2008 (EG) des Europäischen Parlaments und des Ra­tes vom 17. Juni 2008 uber das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (,,VO Rom I“) wurde das Kollisionsrecht im Bereich der vertraglichen Schuldverhaltnisse neu geregelt. Wahrend einige Prinzipien wie die Anknäpfung an die Rechtsordnung des Staates mit dem stärksten Bezug zum Vertrag oder die Mäglichkeit der Rechts­wahl durch die Parteien unberiihrt geblieben sind, gibt es im Detail einige bedeutende Veränderungen beispielsweise bei Befärderungsvertragen, Versicherungsverträgen und Verbraucherverträgen. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung des Internationalen Privat­rechts auch im Bereich der Verbraucherverträage immer staärker zu. Einer der Gruände dafur ist die steigende Nutzung des Fernabsatzes, insbesondere des grenzuberschreitenden Einkaufs bei Handlern via Internet. Dies wird auch in Erwägungsgrund (24) zur VO Rom I hervorgehoben. Zwar wird mit der Neuregelung des auf grenzüberschreitende Ver- braucherverträage anzuwendenden Rechts durch die VO Rom I eine Intensivierung des Verbraucherschutzes angestrebt, jedoch ist die Auslegung und Bedeutung der Neuformu­lierung im Einzelnen unklar. Diese Arbeit setzt sich daher das Ziel, die neue Rechtslage in Folge der VO Rom I und die damit verbundenen Probleme zu besprechen sowie einen Ausblick auf zwei bevorstehende Entscheidungen des Europaischen Gerichtshofs zu die­sem Thema zu geben.

II. Methodik/Vorgehensweise

Zunaächst sind in einer Einleitung die allgemeine Entwicklung des Verbraucherschutz­rechts in Oä sterreich darzustellen und die fuär den weiteren Verlauf der Arbeit notwen­digen Begriffe, wie beispielsweise Verbrauchervertrag oder Fernabsatz, zu definieren. Anschließend erfolgt ein allgemeiner Überblick uber das Themengebiet des Internatio­nalen Privatrechts, speziell im Bereich der vertraglichen Schuldverhäaltnisse. Danach wer­den die Themen Verbraucherschutz und Internationales Privatrecht verknuäpft und die dafuär vorhandenen Rechtsnormen, namentlich das EVÜä und die VO Rom I, mit ihren wesentlichen Unterschieden vor Allem im Bereich des Verbraucherschutzes dargestellt. Schließlich folgt als Herzstück der Arbeit eine Zusammenstellung und Diskussion von Judikatur und Literatur zu dem in den VO Rom I und EuGVVO verwendeten Begriff des „Ausrichtens der gewerblichen Tätigkeit auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers“, speziell bei Vertragsabschlussen via Internet. Fallbeispiele zur neuen Rechtslage runden die Ausfährungen ab, bevor die Arbeit mit einer Besprechung der bereits vorliegenden Schlussantrage der Generalanwältin in zwei beim Europaischen Gerichtshof anhängigen Rechtssachen schließt.

B. Notwendigkeit von Verbraucherschutz

I. Allgemeines

An einem Vertragsabschluss beteiligte Personen lassen sich in zwei Kategorien eintei­len: Unternehmer und Verbraucher. Nach § 1 Abs 2 KSchG ist ein Unternehmen jede auf Dauer angelegte Organisation selbstandiger wirtschaftlicher Tatigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein. Unternehmer ist nach § 1 Abs 1 UGB jeder, der ein Unternehmen betreibt. § 1 Abs 1 Z 2 KSchG sagt weiters, dass Verbraucher jeder ist, der nicht Unternehmer ist. Es kann daher keine Restgröße übrigbleiben: Jede an einem Vertragsabschluss beteiligte Person muss entweder Unternehmer oder Verbraucher sein.

Im nöchsten Schritt kann man nun (zweiseitige) Vertröge anhand der daran beteilig­ten Personen klassifzieren: Es lassen sich Vertröage feststellen, an denen ausschließlich Unternehmer beteiligt sind, fur welche die Vertröge jeweils zum Betrieb ihres Unterneh­mens gehören, weiters gibt es Vertrage, an denen nur Verbraucher beteiligt sind und schließlich Vertröge, an denen beide Arten von Personen beteiligt sind, sich also ein Verbraucher und ein Unternehmer, für welchen der Vertrag zum Betrieb seines Unter­nehmens gehört, gegenöberstehen.

Sind an einem zweiseitigen Rechtsgeschaöft ein Unternehmer und ein Verbraucher be­teiligt, so liegt ein sogenanntes Verbrauchergeschaft iSd § 1 KSchG vor. Bei diesen Vertrögen kann bei den beteiligten Parteien oft ein Machtungleichgewicht festgestellt werden. Der Unternehmer wird erstens nur dann kontrahieren, wenn sich der Verbraucher den vorformulierten AGB des Unternehmers unterwirft, und zweitens wird er wesent­lich geneigter sein, den Gestaltungsspielraum der Privatautonomie zu seinen Gunsten auszunutzen. Dies kann dazu fuhren, dass dem Verbraucher Bedingungen aufgezwun­gen werden, die intransparent sind, fur ihn unerwartet kommen oder ihn gröblich be­nachteiligen. Um auch rechtsunkundige Verbraucher im Geschaftsverkehr vor derartigen Praktiken zu schutzen, wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte das Gebiet des Verbrau­cherschutzrechts immer weiter ausgebaut.

In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die typisierende Unter­teilung in Unternehmer und Verbraucher im Einzelfall skurrile Folgen haben kann: Man denke nur an einen Rechtsanwalt, der „nach Feierabend“ Geschafte abschließt, die mit seinem Unternehmen (seiner Kanzlei) nichts zu tun haben. Bei diesen Privatgeschäften ist der Rechtsanwalt selbstverständlich als Verbraucher zu behandeln, obwohl er alles an­dere als rechtsunkundig ist und daher auch als nicht so schutzwuärdig anzusehen ist, wie ein rechtsunkundiger Verbraucher. Letztlich sind aber derartige Typisierungen in Rechts­normen unverzichtbar, denn eine Prufung auf Rechtskundigkeit oder Schutzwurdigkeit in jedem Einzelfall wärde den Geschaftsverkehr zum Erliegen bringen. Auch in vielen anderen Gesetzen finden sich ähnliche Typisierungen, man denke nur an die stufenweise altersabhangige Entwicklung der Geschäftsfahigkeit natärlicher Personen.

II. Historische Entwicklung in Österreich

Wesentlicher Baustein des Verbraucherschutzes in Österreich ist das Konsumenten­schutzgesetz (BG vom 8.3.1979, BGBl 1979/140), das mit dem KSchG nicht nur ein eigenes Gesetz zum Verbraucherschutz brachte, sondern auch Novellierungen des ABGB beinhaltete. Hinzuweisen ist speziell auf die §§ 864a und 879 Abs 3 leg cit, die auch als Geltungskontrolle und Inhaltskontrolle von AGB bezeichnet werden. Diese Bestim­mungen wurden deshalb in das ABGB eingefügt, weil sie nicht das Vorliegen eines Ver­brauchervertrags iSd § 1 KSchG voraussetzen. Praktische Anwendungsfalle der §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB sind daher einerseits die erwahnten Verbrauchervertrage und an­dererseits beidseitig unternehmensbezogene Geschäfte, d.h. auch ein Unternehmer kann sich gegenuäber einem anderen Unternehmer auf die erwaähnten Paragraphen berufen. Die Bestimmungen, die direkt im I. Hauptstuäck des KSchG enthalten sind, setzen im Gegensatz dazu das Vorliegen eines Verbrauchervertrags voraus, d.h. nur ein Verbrau­cher kann sich gegenuäber einem Unternehmer auf Bestimmungen des I. Hauptstuäcks des KSchG berufen.

Seit seiner Einfährung wurde das KSchG etwa 20 Mal novelliert. Heute enthalt das Ge- setz beispielsweise eine Reihe von Rücktrittsrechten für Verbraucher, etwa bei Haustür­geschäften oder Vertrügen im Fernabsatz. Dazu kommt in § 6 leg cit ein Katalog von (besonders benachteiligenden) Vertragsklauseln, die mit einem Verbraucher nicht oder nur erschwert vereinbart werden können. Weiters enthült das KSchG unter Anderem Be­stimmungen über Abzahlungsgeschafte (Ratenkaufe) und Interzedentenschutz sowie die Müglichkeit von „Verbandsklagen“ durch bestimmte Verbraucherschutzverbande. Fur eine umfassende Darstellung des KSchG sei auf die einschlagige Literatur verwiesen[1]. Daneben fanden in den letzten Jahrzehnten auch in anderen Gesetzen wie dem ABGB oder dem FernFinG eine Reihe von verbraucherfreundlichen Änderungen statt, zu denken ist z.B. an § 864 Abs 2 ABGB idF BGBl I 1997/6 uber die Rücksendung nicht bestellter Waren. Hinzuweisen ist hier nochmals auf die unterschiedlichen Anwendungsbereiche der verschiedenen Gesetze, da das ABGB im Gegensatz zum KSchG grundsaützlich fuür alle Arten von Vertrügen gilt, demnach nicht nur fur Verbraucherverträge.

Viele Anderungen und Erweiterungen des üsterreichischen Verbraucherschutzrechts im weitesten Sinne sind Umsetzungen von EG-Richtlinien. Zu nennen sind als Beispie­le das mit November 2009 in Kraft getretene Zahlungsdienstegesetz[2] uber schnellere Überweisungen zwischen Bankkonten, die komplette Neuregelung des Gewührleistungs- rechts im Jahr 2001[3] sowie die Vorschriften uber den Reiseveranstaltungsvertrag im

III. Hauptstück des KSchG[4]. Weiter unten in dieser Arbeit wird außerdem noch auf die in den §§ 5a - 5i KSchG umgesetzte EG-Fernabsatzrichtlinie[5] eingegangen. Der Be­reich des Verbraucherschutzes weist somit verglichen mit anderen Rechtsgebieten eine relativ hohe Harmonisierung innerhalb der Europüaischen Gemeinschaft auf, wobei die meisten Richtlinien nur als Mindeststandards“ gedacht sind, also einen weitergehenden Verbraucherschutz durch Gesetze in den einzelnen Mitgliedstaaten erlauben[6].

C. Internationales Privatrecht

I. Aufgabe des Internationalen Privatrechts

Immer häufiger findet man Verträge mit Auslandsbezug. Dieser kann sich entweder aus der unterschiedlichen Staatsburgerschaft oder dem Aufenthaltsort der abschließenden Personen ergeben, weiters daraus, dass sich die Sache, uber die der Vertrag geschlossen wird, im Ausland befindet oder schließlich daraus, dass der Vertrag im Ausland abge­schlossen wird. In diesen Fällen stellt sich dann die Frage, welchem Recht der Vertrag unterliegt, d.h. die Rechtsnormen welches Staates zur Auslegung des Vertrags oder zur Entscheidung von Streitfällen, z.B. äber seine Gultigkeit oder Anfechtungsmäglichkeiten heranzuziehen sind. Getrennt davon zu beurteilen ist die Frage, in welchem Staat ein Gerichtsverfahren stattzufinden hat. Dies ist Aufgabe des „Internationalen Zivilverfah­rensrechts“, welches später in dieser Arbeit noch angesprochen wird. Das Internatio­nale Privatrecht hingegen befasst sich mit der Frage, welches Recht von dem (nach dem Internationalen Zivilverfahrensrecht zustandigen) Gericht anzuwenden ist, ob also z.B. ein oästerreichisches Gericht auf einen Vertrag, der zwischen einem äosterreichischen und einem deutschen Staatsbuärger abgeschlossen wurde, oästerreichisches oder deutsches Recht anzuwenden hat. Es kann also im Ergebnis dazu kommen, dass ein ästerreichisches Gericht einen Fall nach ausländischem Recht zu beurteilen hat.

Trotz seines Namens steht das Internationale Privatrecht aber nicht auf einer „supra­nationalen Ebene“, sondern ist Teil der österreichischen Rechtsordnung, genau wie die Rechtsnormen des allgemeinen Zivilrechts auch. Im Wesentlichen hat jeder Staat der Welt sein eigenes Internationales Privatrecht zur Klärung der Frage, welche Rechts­normen auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug Anwendung finden, sollten seine Ge­richte (also die des Staates) zustäandig sein. Nicht zu leugnen ist allerdings, dass viele Rechtsnormen des (osterreichischen) Internationalen Privatrechts supranationalen Ur­sprungs sind, insbesondere auf umzusetzende EG-Richtlinien, unmittelbar anzuwenden­de EG-Verordnungen oder zu ratifizierende voälkerrechtliche Vertraäge zuruäckgehen. In allen EG-Staaten (bei Richtlinien und Verordnungen) bzw. allen ratifizierenden Staaten

(bei völkerrechtlichen Verträgen) gilt dann im jeweils geregelten Bereich inhaltlich glei­ches Kollisionsrecht. Dies ist nun z.B. in weiten Teilen des Schuldrechts innerhalb der EG durch die Verordnungen Rom I und Rom II gelungen; als weitere Beispiele för die internationale Vereinheitlichung des Kollisionsrechts kann man das „Haager Testament­sabkommen“[7] über letztwillige Verfögungen und das „Haager Straßenverkehrsabkom­men“[8] uber das anzuwende Recht bei Straßenverkehrsunfällen nennen. Letzteres behalt nebenbei bemerkt trotz der Verordnung Rom II seine Gultigkeit und steht zu dieser im Verhältnis einer lex specialis. Anzumerken ist, dass die meisten völkerrechtlichen Ver­träge im Bereich des Internationalen Privatrechts nach dem Prinzip des „loi uniform“ ausgestaltet sind, was bedeutet, dass die in ihnen festgelegten Verweisungen auch dann gelten, wenn der Staat, in dessen Rechtsordnung verwiesen wird, dem jeweiligen Ab­kommen nicht beigetreten ist. Dennoch verbleiben viele Rechtsbereiche, fur welche in den diversen Staaten der Welt unterschiedliches Kollisionsrecht gilt, sowie viele Staaten, die an der Vereinheitlichung des Kollisionsrechts uberhaupt nicht teilnehmen. Nicht zu vergessen ist daruber hinaus, dass das Kollisionsrecht ja nur die Frage beantwortet, die Rechtsnormen welches Staates zur Anwendung gelangen. Dass dieses Sachrecht selbst dann weltweit ganz unterschiedlichen Inhalt haben kann, versteht sich von selbst.

II. Historische Entwicklung auf EG-Ebene

Im Bereich der EG-Rechtsnormen ist zwischen Richtlinien und Verordnungen zu un­terscheiden. Wahrend erstere grundsatzlich einer Umsetzung (typischerweise in Form eines nationalen Gesetzes) in jedem einzelnen Mitgliedstaat bedörfen, um Bestandteil der Rechtsordnung des jeweiligen Staates zu werden, genießen letztere nach ihrer Kund­machung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in allen Mitgliedstaaten un­mittelbare Geltung und Anwendung und sind damit sofort Bestandteil aller nationalen Rechtsordnungen, ohne dass es eines eigenen Umsetzungsaktes bedurfte[9].

Umsetzungen von EG-Richtlinien im Bereich des Internationalen Privatrechts sind spärlich gesät und betreffen großteils Spezialthemen. Zu nennen sind das (allerdings mittler­weile obsolete) Bundesgesetz äber internationales Versicherungsvertragsrecht (IVVG)[10], der § 13a KSchG11 (siehe unten), der § [11] Teilzeitnutzungsgesetz[12] (betrifft sogenannte „Time-Sharing-Verträge“) sowie die §§ 20 - 23 E-Commerce-Gesetz[13] (in Umsetzung der EG-E-Commerce-Richtlinie[14] ).

EG-Verordnungen im Bereich des Internationalen Privatrechts sind insbesondere die Verordnungen Rom II und Rom I, die weiter unten noch ausfährlich diskutiert wer­den. Zur Zeit bestehen auch konkrete Bestrebungen, die Bereiche des Kollisionsrechts fär Ehesachen sowie langfristig auch fur das Erbrecht und das Sachenrecht EG-weit zu vereinheitlichen[15].

III. IPRG und Nebengesetze

Zentrales Gesetz im Bereich des IPR in Österreich ist das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht (IPRG), BGBl 1978/304. Es enthält nach einigen allge­meinen Bestimmungen zu seiner Anwendung eine systematische Darstellung, nach den Rechtsnormen welches Staates ein Sachverhalt mit Auslandsbezug zu beurteilen ist. Ei­nige Bereiche sind in diesem Zusammenhang z.B. die Rechts- und Handlungsfahigkeit naturlicher Personen, die Gultigkeit einer Eheschließung, das Erbrecht und das Sachen­recht. Der Bereich des vertraglichen wie des außervertraglichen Schuldrechts ist mitt­lerweile grundsatzlich nicht mehr nach dem IPRG, sondern nach den EG-Verordnungen[16]

Neben dem IPRG finden bzw. fanden sich Bestimmungen zum Internationalen Privat­recht auch in einigen anderen Gesetzen. Zu erwahnen sind hier insbesondere das Bundes­gesetz uber internationales Versicherungsvertragsrecht (IVVG), das allerdings mit der Einfuhrung der Verordnung Rom I außer Kraft getreten ist. Weiters sind beispielsweise noch § 7 des Amtshaftungsgesetzes [17] sowie die Artikel 91 bis 98 des Wechselgesetzes[18] zu nennen. Für eine umfassende Darstellung des Internationalen Privatrechts sei auf die einschlägige Literatur verwiesen[19].

IV. § 13a KSchG

Der Paragraph 13a des oben vorgestellten Konsumentenschutzgesetzes enthält in seinen zwei Absätzen zwei verschiedene Regelungen. Absatz 1 ist anwendbar auf Fülle, in denen die Parteien eines Verbrauchervertrags die Anwendung des Rechts eines Nicht-EWR- Staates vereinbart haben. Dann ist diese Rechtswahl für die Beurteilung

1. der Gültigkeit und der Folgen der Ungultigkeit einer Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungspflichten festlegt,
2. der Folgen einer unklar und unverständlich abgefassten Vertragsbestimmung,
3. des Schutzes bei Vertragsabschlussen im Fernabsatz (§ 5a KSchG) [...] und
4. der Gewährleistung und Garantie beim Kauf oder bei der Herstellung beweglicher Sachen [...]

insoweit unbeachtlich, als das gewahlte Recht fär den Verbraucher nachteiliger ist als das Recht, das ohne die Rechtswahl maßgebend ware. Dies gilt jedoch nur, wenn ohne die Rechtswahl das Recht eines EWR-Staates anzuwenden wäre.

§ 13a Abs 1 KSchG legt damit im Grunde vier Voraussetzungen fest, die kumulativ erfüllt sein mussen, um eine Rechtswahl durch die Parteien ungultig werden zu lassen:

1. Es muss sich um einen Verbrauchervertrag handeln.
2. Es muss das Recht eines Nicht-EWR-Staates vereinbart worden sein.
3. Das gewählte Recht muss fur den Verbraucher nachteiliger sein als das Recht, das ohne die Rechtswahl maßgebend wäre.
4. Ohne die Rechtswahl muss das Recht eines EWR-Staates zur Anwendung kommen.

Sind alle genannten Voraussetzungen erfällt, so ist die Rechtswahl fär die aufgezählten Fragen ungultig und es kommt fur diese nach Art 6 VO Rom I grundsätzlich das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewoähnlichen Aufenthalt hat (siehe unten). Bezüglich anderer Fragen, die sich aus dem Vertrag ergeben, bleibt die Rechtswahl aufrecht.

Absatz 2 lautet: ,,§ 6 KSchG und die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB sind zum Schutz des Verbrauchers ohne Ruäcksicht darauf anzuwenden, welchem Recht der Vertrag unter­liegt, wenn dieser im Zusammenhang mit einer in Österreich entfalteten, auf die Schlie­ßung solcher Verträge gerichteten Tatigkeit des Unternehmers ... zustande gekommen ist.“ Im Wesentlichen legt § 13a Abs 2 KSchG damit fest, dass die darin erwähnten Paragraphen sogenannte Eingriffsnormen sind. Darunter versteht man im Interna­tionalen Privatrecht Rechtsnormen uberwiegend sozial- und wirtschaftspolitischer Na­tur, an denen ein öffentliches Interesse fur ihre umfassende Anwendbarkeit besteht. Sie kommen demnach in jedem Fall zur Anwendung, egal, nach welcher Rechtsord­nung der Vertrag grundsätzlich laut Internationalem Privatrecht zu beurteilen ist[20]. Im Ergebnis kann dies daher z.B. bedeuten, dass ein Vertrag von einem ästerreichischen Gericht zwar grundsaätzlich nach deutschem Recht zu beurteilen ist, die erwäahnten österreichischen Paragraphen, welche die Geltungs- und Inhaltskontrolle von allgemei­nen Geschäftsbedingungen sowie den Katalog von in Verbrauchervertragen ungöltigen Klauseln betreffen, aber dennoch als Eingriffsnormen zur Anwendung kommen.

V. EVÜ

Das Europäische Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ), auch „römisches Schuldrechtsübereinkommen“ genannt, ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Ge­meinschaft am 19.6.1980 abgeschlossen wurde und in den einzelnen Staaten ab 1991, in Österreich am 1.12.1998 in[21] und mit 18.12.2009 grundsatzlich außer Kraft getreten[22] ist. An seine Stelle ist nun die EG-Verordnung Rom I getreten, die ebenfalls das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht regelt. Auf Verträge, die vor dem In-Kraft-Treten der VÖ Rom I geschlossen wurden, bleibt jedoch weiterhin das EVÜ anzuwenden, was bedeutet, dass dieses auch in den nächsten Jahren noch erhebliche Bedeutung genießen wird. Das EVÜ ist „loi uniform“, d.h. die in ihm festgelegten Ver­weisungen gelten auch dann, wenn der Staat, in dessen Rechtsordnung verwiesen wird, dem EVÜ nicht beigetreten ist (insb. weil er kein Mitgliedstaat der EG ist).

In dieser Arbeit kann keine vollstandige Darstellung des Inhalts des EVÜ erfolgen. Grundsätzlich kännen aber folgende Prinzipien genannt werden: Den Parteien steht es nach Art 3 Abs 1 EVÜ frei, in ihren Verträgen eine Rechtswahl zu treffen, also das anzuwendende Recht einvernehmlich zu vereinbaren. Dabei muässen sie nicht einen der Staaten wählen, in dem eine Vertragspartei ihren Sitz hat, sondern theoretisch kann das Recht jedes Staates gewaählt werden. So käonnen z.B. auch zwei Vertragspartner aus Österreich und Deutschland die Anwendung von niederländischem Recht gultig verein­baren. Auch die Wahl von verschiedenen Rechtsordnungen fur verschiedene Teile eines Vertrags ist moglich.

Soweit keine Rechtswahl getroffen wurde, unterliegt der Vertrag nach Art 4 Abs 1 EVU grundsätzlich dem Recht jenes Staates, mit dem er „die engste Verbindung“ aufweist. Nach Abs 2 wird grundsätzlich vermutet, dass der Vertrag mit jenem Staat die engste Verbindung aufweist, in dem die Partei, welche die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen hat, zum Vertragsabschlusszeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihren Sitz hat. Als charakteristische Leistung ist bei entgeltlichen Vertragen dabei die nicht in Geld bestehende Leistung anzusehen, also z.B. erbringt bei einem Kaufvertrag jene Partei, welche die Sache liefert die charakteristische Leistung, und nicht jene Par­tei, die den Kaufpreis bezahlt. Wie gesagt normiert Abs 3 aber nur eine Vermutung und so ist nach Art 4 Abs 5 EVU noch in jedem Fall zu prufen, ob nicht aus der Gesamt­heit der Umstande heraus der Vertrag eine engere Verbindung mit einem anderen Staat aufweist („Ausweichklausel“). Daneben enthalt das EVU noch zahlreiche Sonderbestim­mungen fur Vertrage uber Grundstäcke, Guterbefärderung, Arbeitsvertrage und auch äber Verbraucherverträge. Letztere werden weiter unten im Detail dargestellt.

VI. Verordnungen Rom II, Rom I

Die Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europaischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (,,VO Rom II“) regelt die Fragen des Internationalen Privatrechts im Bereich der au­ßervertraglichen Schuldverhaältnisse, also nach allgemeinem Verstäandnis Schadenersatz, Bereicherungsrecht, Geschäftsfuhrung ohne Auftrag und Glaubigeranfechtung. Da die Verordnung Rom II allerdings eine gemeinschaftsrechtsautonome Interpretation erfor­dert, wurde auch die Haftung aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis (culpa in contrahendo) in den Anwendungsbereich der VO Rom II einbezogen; eine entsprechen­de Regelung findet sich unter dem Titel „Verschulden bei Vertragsverhandlungen“ in Art 12. Die VO Rom II ist mit 11.1.2009 in Kraft getreten und daher auf Sachverhalte anzuwenden, sie sich ab diesem Datum ereignet haben. Fär davor stattgefundene Er­eignisse ist weiterhin die alte Rechtslage nach den damals geltenden §§ 46 - 48 IPRG anzuwenden. Die VO Rom II gilt in der gesamten Europaäischen Gemeinschaft mit Aus­nähme von Dänemark. Da der Bereich der außervertraglichen Schuldverhältnisse nicht Gegenstand dieser Arbeit ist, sei diesbezäglich auf die einschlagige Literatur verwiesen[23].

Während die VO Rom II den Bereich der außervertraglichen Schuldverhaltnisse regelt, widmet sich die Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (,,VO Rom I“) eben den vertraglichen Schuldverhältnissen, die im Rahmen die­ser Arbeit interessieren. Die VO Rom I tritt damit die Nachfolge des oben besprochenen EVU an und ist in zeitlicher Hinsicht auf Vertrage anzuwenden, die ab dem 18.12.2009 geschlossen wurden. In räumlicher Hinsicht gilt die VO Rom I in der gesamten Eu­ropäischen Gemeinschaft mit Ausnahme von Danemark und dem Vereinigten Königreich. Zum sachlichen Anwendungsbereich, der grundsatzlich alle Arten vertraglicher Schuld­verhältnisse in Zivil- und Handelssachen umfasst und alle Fragen des Schuldverhaltnisses betrifft, insbesondere dessen Entstehen, Inhalt, Wirkungen, Anderung, Übertragung, Verjährung usw. legt die Verordnung in ihrem Art 1 allerdings eine Reihe von Aus­nahmen fest: Ausgeschlossen ist insbesondere die Beurteilung der Rechts-, Geschäfts­und Handlungsfahigkeit natmiicher Personen (Art 1 Abs 2 lit a VO Rom I), auf die weiterhin § 9 IPRG anzuwenden ist. Gleiches gilt fur die Gultigkeit rechtsgeschaftlicher Stellvertretung (Art 1 Abs 2 lit g VO Rom I), fär die weiterhin § 49 IPRG gilt. Weite­re Ausnahmen betreffen beispielsweise das Gesellschafts- und Vereinsrecht, den Bereich des vorvertraglichen Schuldverhäaltnisses (geregelt in der VO Rom II, siehe oben) sowie bestimmte Versicherungsverträage.

An dieser Stelle kann keine vollstäandige Darstellung der VO Rom I erfolgen. Allerdings seien einige wesentliche Prinzipien genannt: Die „eindeutige Rechtswahl“ durch die Par­teien bildet ahnlich wie im EVÜ auch weiterhin das primäre Anknupfungsmoment, d.h. es steht den Parteien frei, das Recht, das auf den Vertrag anzuwenden sein soll, frei zu wahlen. Die Grenzen dieser Moglichkeit ergeben sich auch weiterhin aus den oben erwähnten Eingriffsnormen sowie aus Sonderregeln u.A. für Arbeits- und Verbraucher­verträge. Auch in diesem Punkt bestehen also keine Abweichungen gegenuber dem EVU. Fur den Fall, dass keine Rechtswahl durch die Parteien getroffen wurde, sah das EVU ganz allgemeine eine Anknupfung an die Rechtsordnung jenes Staates vor, mit dem der Vertrag „die engste Verbindung aufweist“. In der VO Rom I findet sich diese Be­stimmung in gleicher Form wieder (Art 4 Abs 2 leg cit), allerdings zählt Art 4 Abs 1 zahlreiche Beispiele auf, um diese allgemeine Formulierung zu konkretisieren: Beispiels­weise unterliegen Kaufverträge uber bewegliche Sachen dem Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und Dienstleistungsvertrage unter­liegen dem Recht des Staates, in dem der Dienstleister seinen gewähnlichen Aufenthalt hat. Schließlich normiert Art 2 Abs 3 VO Rom I auch wieder die aus dem EVU bekann­te Ausweichklausel, wonach fur den Fall, dass sich aus der Gesamtheit der Umstande ergibt, dass der Vertrag eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen als dem nach Abs 1 oder 2 bestimmten Staat aufweist, das Recht dieses anderen Staa­tes anzuwenden ist. Im Endeffekt fuährt damit die VO Rom I im Regelfall trotz neuer Formulierungen, insbesondere der kasuistischen Aufzaählung von Regelungen zahlreicher gangiger Vertragstypen, zu keinen anderen Ergebnissen als das EVU. Sonderregelungen, die zum Teil deutlich gegenüber dem EVU abweichen, enthält die VO Rom I allerdings fur Mietvertrage, Gutertransport- und Personenbeforderungsvertrage, Versicherungsver­träge sowie fur Verbraucherverträge, die weiter unten noch naher diskutiert werden.

D. Fernabsatz

Vertragsabschlüsse im Fernabsatz haben in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen. Das KSchG enthalt in seinen §§ 5a ff. einige Regelungen über Verbraucherrechte im Fernabsatz, die im Zuge der Umsetzung der EG-Fernabsatzricht- linie[24] im Jahre 1999 eingehigt wurden[25]. § 5a KschG definiert Fernabsatzverträge als „Verträge, die unter ausschließlicher Verwendung eines oder mehrerer Fernkommuni­kationsmittel geschlossen werden, sofern sich der Unternehmer eines fur den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems bedient.“ Unter Fernkommunika­tionsmittel iSd Gesetzes sind alle Kommunikationsmittel zu verstehen, die fär einen Vertragsabschluss ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien ein­gesetzt werden konnen, dazu zählen beispielsweise Kataloge, Teleshopping oder das In­ternet - wesentlich ist, dass sich die Vertragspartner bis zum Vertragsabschluss zu keinem Zeitpunkt persänlich gegenuberstehen[26]. Anhang I der zitierten EG-Fernabsatzrichtlinie wurde in § 5a Abs 2 KSchG umgesetzt und zählt nicht abschließend ebenfalls Fern­kommunikationsmittel auf: Drucksachen mit oder ohne Anschrift, Kataloge, telefonische Kommunikation, elektronische Post (E-Mail), Telefax und Teleshopping. Der Begriff des Kommunikationsmittels“ in Zusammenhang mit dem Begriff des Fernabsatzvertrags därfte in der Praxis kaum Schwierigkeiten bereiten. Zweite Voraussetzung neben der ausschließlichen Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zum Vertragsabschluss ist in § 5a KSchG, dass sich der Unternehmer zum Vertragsabschluss eines „fur den Fern­absatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ bedient. Im Regelfall wird fär den Verbraucher schon allein auf Grund der verwendeten Fernkommunikationsmittel erkennbar sein, ob ein fär den Fernabsatz organisierter Vertrieb vorliegt - wesentlich ist das Vorhandensein entsprechender organisatorischer Merkmale, die erkennbar machen, dass der Unternehmer seine Produkte auch in dieser Weise vertreiben will[27].

Liegt ein Fernabsatzgeschäft iSd § 5a KSchG vor, so sehen die §§ 5c - 5i als Rechts­folgen u.A. bestimmte Informationspflichten des Unternehmers vor und gewahren dem Verbraucher grundsätzlich ein siebentägiges Rücktrittsrecht vom Vertrag ab Erhalt der Ware bzw. bei Dienstleitungen ab Vertragsabschluss. Dadurch soll dem Verbraucher die Mäglichkeit gegeben werden, von einem leichtfertig abgeschlossenen Vertrag einfach wie­der zurücktreten zu kännen. Speziell bei der Lieferung von Waren kommt hinzu, dass der Verbraucher bei Fernabsatzvertragen ja keine Mäglichkeit hat, sich vor Erhalt der Ware von dieser persänlich zu uberzeugen, wie dies z.B. bei einer Begutachtung in einem Geschäftslokal der Fall ware.

Im Zusammenhang mit dem oben vorgestellten Themenbereich des Internationalen Pri­vatrechts stellt sich nun die Frage, welcher Rechtsordnung im Fernabsatz geschlossene Verträge unterliegen. Bestellt also eine Person beispielsweise uber das Internet bei einem Unternehmer aus dem Ausland, so ist zunächst zu fragen, nach welchen IPR-Normen die Anknupfung erfolgt. Beim Kauf von Waren, die nicht dem persänlichen Gebrauch oder dem Gebrauch in der Familie oder im Haushalt dienen, ist zudem noch die Anwend­barkeit des UN-Kaufrechts[28] zu prufen, das in dieser Arbeit, die sich auf Verbraucher­schutz beschrankt, nicht dargestellt werden kann. Bei Verbraucherverträgen hingegen ist die Anknupfung anhand der nun im Folgenden darzustellenden Regeln des EVU (bis 16.12.2009) bzw. der VO Rom I (ab 17.12.2009) vorzunehmen.

E. Verbraucherverträge im Internationalen Privatrecht

I. Rechtslage nach Artikel 5 EVÜ 1. Allgemeines

Art 5 EVÜ widmet sich laut dessen Abs 1 Verträgen über die Lieferung beweglicher Sa­chen oder die Erbringung von Dienstleistungen an eine Person zu einem Zweck, der nicht einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Somit enthält Art 5 EVÜ zunachst eine eigene Definition eines „Verbrauchervertrags“: Es darf auf der Seite der Partei, die die Leistung empfängt, kein Zusammenhang mit einer berufli­chen oder gewerblichen Tatigkeit bestehen, auf der anderen Seite (beim Unternehmer) hingegen muss dies gerade schon der Fall sein. Weiters muss dem Unternehmer der pri­vate Charakter des Geschäfts bekannt sein oder er muss fär ihn nach den Umstanden zumindest objektiv erkennbar sein. Dies bedeutet, dass ein Vertrag dann nicht unter Art 5 EVÜ fallt, wenn die Leistung des Unternehmers tatsachlich zur Ausubung einer beruflichen oder gewerblichen Taätigkeit dienen kann, ihm jedoch unerkennbar ist, dass sie im konkreten Fall ausschließlich privaten Zwecken seines Vertragspartners dienen soll.

Im nächsten Schritt wird in Art 5 Abs 4 EVÜ eine Ausnahme festgelegt: Die Regeln uber den Verbrauchervertrag gelten dann nicht, wenn (a) ein Vertrag uber Befärderungsdienst- leistungen vorliegt oder (b) es um Dienstleistungen geht, die ausschließlich in einem an­deren Staat erbracht werden sollen, als dem, in dem der Verbraucher seinen gewoähnlichen Aufenthalt hat. Abs 5 nennt dann - als Gegenausnahme - sogenannte Pauschalreisever­träge, d.h. fur solche gelten die Ausnahmen des Abs 4 nicht.

Nach dieser Definition des „Verbrauchervertrags“ interessieren nun die Rechtsfolgen, falls ein solcher vorliegt: Art 5 Abs 3 EVÜ legt fest, dass fur Verbraucherverträge nicht die „herkämmliche“ Anknüpfung nach Art 4 EVÜ („Land mit der engsten Verbindung zum Vertrag“) zur Anwendung kommt, sondern das Recht jenes Staates, in dem der Ver­braucher seinen gewähnlichen Aufenthalt hat - also das Recht seines Heimatlandes, mit dem er in der Regel noch besser vertraut sein wird als mit dem eines fremden Staates.

Das gilt allerdings nur, wenn (alternativ) eine der drei folgenden Voraussetzungen des Abs 2 erfüllt ist:

1. wenn dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in dem Staat, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, voraus­gegangen ist und wenn der Verbraucher in diesem Staat die zum Abschluß des Vertrages erforderlichen Rechtshandlungen vorgenommen hat oder
2. wenn der Vertragspartner des Verbrauchers oder sein Vertreter die Bestellung des Verbrauchers in diesem Staat entgegengenommen hat oder
3. wenn der Vertrag den Verkauf von Waren betrifft und der Verbraucher von diesem Staat ins Ausland gereist ist und dort seine Bestellung aufgegeben hat, sofern diese Reise vom Verkäufer mit dem Ziel herbeigeführt worden ist, den Verbraucher zum Vertragsabschluß zu veranlassen. (sogenannte „Kaffeefahrten“)

Neben diesen Regelungen des EVU bleibt nach Art 5 Abs 2 EVU eine Rechtswahl durch die Parteien (Art 3 EVU) weiterhin zulässig, darf aber nicht dazu fuhren, dass dem Verbraucher dadurch die „zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen seines Heimat­landes“ entzogen werden, sofern einer der drei Falle des Abs 2 vorliegt. Zu klären ist dabei, was unter den zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen“ zu verstehen ist: Zweckmäßig erscheint es, darunter das gesamte I. Hauptstuck des KSchG zu verstehen sowie die §§ 864a und 879 Abs 3 ABGB, da diese zeitgleich mit dem KSchG eingefuhrt wurden. Fur den Fernabsatz besonders relevant sind die oben dargestellten §§ 5c - 5i KSchG.

Im Ergebnis bedeutet nun die Regelung des Art 5 EVUä Folgendes:

1. Liegt keine Rechtswahl durch die Parteien vor und auch keiner der drei Falle des Abs 2, so kommt nach Art 4 EVU das Recht jenes Staates zur Anwendung, mit dem der Vertrag die engste Verbindung aufweist. Hier kann es also passieren, dass das anzuwendende „fremde“ Recht für den Verbraucher wesentlich nachteiliger ist als das Recht seines Heimatlandes.
2. Liegt keine Rechtswahl durch die Parteien vor, aber einer der drei Fälle des Abs 2, so kommt nach Art 5 Abs 3 EVU für den gesamten Vertrag das Recht des Staates zur Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewähnlichen Aufenthalt hat.
3. Liegt eine Rechtswahl durch die Parteien vor, aber keiner der drei Fälle des Abs 2, so gilt das von den Parteien vereinbarte Recht. Auch dieser Fall kann also fur den Verbraucher sehr nachteilige Auswirkungen haben.
4. Liegt eine Rechtswahl durch die Parteien vor und gleichzeitig einer der drei Fälle des Abs 2, so gilt zwar die Rechtswahl, sie darf aber nicht dazu fuhren, dass dem Verbraucher die zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen seines Heimatlandes entzogen werden.

Im Ergebnis ist der Verbraucher damit im situativen Anwendungsbereich des Abs 2 zumindest durch die zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen seines Heimatlandes geschutzt. Liegt keine Rechtswahl vor, so gilt überhaupt die gesamte Rechtsordnung seines Heimatlandes.

Liegt eine Rechtswahl vor, so findet also ein Günstigkeitsvergleich statt, der sich auf die nach dem ohne Rechtswahl maßgeblichen Recht nicht abdingbaren Verbraucherschutz­vorschriften erstreckt. Es geht also um alle Rechtsnormen, die eine konkret verbraucher- begunstigende Wirkung haben. Denn eine Rechtswahlvereinbarung soll nicht aushebeln kännen, was durch einfache Vereinbarung nach nationalem Recht nicht ausgehebelt wer­den kann. Fur den Unternehmer bedeutet dies, dass er durch eine Rechtswahlverein­barung nur verlieren kann: Ist das gewahlte Recht fur den Verbraucher gunstiger, so gilt dieses; ist es fur den Verbraucher ungunstiger, so gelten die zwingenden Verbrau­cherschutzregeln des Rechts seines Heimatlandes. Der Verbraucher kann also durch die Rechtswahlvereinbarung nur gewinnen[29].

[...]


[1] z.B. Welser, Bürgerliches Recht II13 (2006) 401ff.

[2] BGBl I 2009/66.

[3] BGBl I 2001/48.

[4] eingefügt durch BGBl 1993/247.

[5] Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Ver­braucherschütz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl 1997 L 144/19.

[6] vgl. z.B. die Ausführungen im Grünbüch der Kommission zur VO Rom I: KOM (2002) 654 endg. 23.

[7] BGBl 1963/295.

[8] BGBl 1975/387.

[9] vgl. z.B. Streinz, Europarecht8 (2008) Rz 423ff.

[10] BGBl 1993/89.

[11] eingefügt durch BGBl I 1998/119.

[12] BGBl I 1997/32.

[13] BGBl I 2001/152.

[14] Richtlinie 2000/31/EG des Europüischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über be­stimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl 2000 L 178/1.

[15] siehe hierzu beispielsweise den „Vorschlag vom 17.7.2007 für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr 2201/2003 im Hinblick auf die Zustandigkeit in Ehesachen und zur Einführung von Vorschriften betreffend das anwendbare Recht in diesem Bereich („Rom III“)“: KOM (2006) 399 endg.; weiters das „Grünbuch Erb- und Testamentsrecht vom 1.3.2005“: KOM (2005) 65 endg.; sowie das „Grünbuch zu den Kollisionsnormen im Güterrecht vom 17.7.2006“: KOM (2006) 400 endg.

[16] Die §§ 35 und 48 IPRG idF BGBl I 2009/109 normieren einen ausdrücklichen Vorrang der genannten Verordnungen und enthalten nur noch Regelungen für den Fall, dass diese nicht anwendbar sein sollten.

[17] BGBl 1982/204.

[18] BGBl 1955/49.

[19] z.B. B. Jud/Aspock, Internationales Privatrecht (2009).

[20] vgl. z.B. Ofner in Ofner/Zankl, Bürgerliches Recht Teil IV (2006) 11.

[21] BGBl III 1998/166.

[22] BGBl I 2009/109.

[23] z.B. Posch, Bürgerliches Recht VII: Internationales Privatrecht4 (2008) Rz 15/28ff.

[24] RL 97/7/EG, ABl 1997 L 144/19.

[25] BGBl I 1999/185.

[26] EB RV 1998 BlgNR 20. GP 10f.

[27] EB RV 1998 BlgNR 20. GP 20.

[28] UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 (CISG Con­vention on Contracts for the International Sale of Goods), BGBl 1988/96.

[29] Mankowski in WiR, Internet und Recht (2002) 191 (208).

Excerpt out of 90 pages

Details

Title
Europäischer Verbraucherschutz: Die Verordnung Rom I und Vertragsabschlüsse über Internet
College
Vienna University of Economics and Business  (Institut für Zivil- und Unternehmensrecht)
Grade
1
Author
Year
2010
Pages
90
Catalog Number
V152759
ISBN (eBook)
9783640650873
ISBN (Book)
9783640651122
File size
778 KB
Language
German
Keywords
Verbraucherschutz, Internationales Privatrecht, IPRG, Konsumentenschutz, EVÜ, Rom II, Rom I, Fernabsatz, EuGVVO, Internationales Zivilverfahrensrecht, Brüssel I
Quote paper
BSc Manfred Mann (Author), 2010, Europäischer Verbraucherschutz: Die Verordnung Rom I und Vertragsabschlüsse über Internet, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/152759

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