Das Briefing als rhetorisches Kommunikationsverfahren im Prozess des Redenschreibens


Term Paper (Advanced seminar), 2009

19 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitend

2. Rhetorisches Setting des Kommunikationsverfahren Briefing
2.1. Strategischer Ansatz

3. Hinführend
3.1. Rede als Textgattung
3.2. Charakteristik des Redenschreibers

4. Wortherkunft/Definition
4.1. Varianten

5. Bestandteile des Kommunikationsverfahrens Briefing
5.1. Briefing als intellectio...
5.2. Zu klärende Aspekte des Briefings
5.3. Modell für das Kommunikationsverfahren Briefing
5.4. Verhältnis und Disposition der Akteure
5.4.1. Auftraggeber/Primärorator
5.4.2. Publikum/Adressaten
5.4.3. Redenschreiber/Sekundärorator

6. Abschließend

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitend

„Gut zu briefen ist keine Hexerei.“1 Derart und ähnlich beschreibt die verfügbare Literatur den Arbeitsteil des Redenschreibens, der direkt oder indirekt zwischen dem Orator und dem Se- kundärorator, also dem Redenschreiber stattfindet. Oder auch: „Wir haben dieses Wissen strukturiert und praxistauglich aufbereitet: Fallbeispiele machen die formulierten Regeln an- schaulich, Checklisten und Praxis-Tipps helfen Ihnen bei der täglichen Arbeit - egal ob Sie auf Auftraggeber- oder Auftragnehmerseite stehen. Schließlich ziehen Sie hier wie dort am selben Strang.“2

Die Art und Weise wie die meiste Literatur das Briefing darstellt ist allenfalls praxisnah und getreu dem Arbeitsalltag, aber keineswegs aufgrund dessen systematisch und vor allem nicht wissenschaftlich. Ausgehend von dem Hauptseminar „Redenschreiber“, liegt genau darauf das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit. Neben der Fülle an Ratgeberliteratur sind wis- senschaftliche Untersuchungen und Publikationen zum Thema Briefing bisher selten. Deshalb wird das Briefing, als Teil des Prozess Redenschreiben, in dieser Arbeit in das System der Rhetorik eingebettet, um einen Zugang zum Thema zu ermöglichen, der fern der Ratgeberlite- ratur systemtheoretisch agiert.

Unter diesem Aspekt soll gezeigt werden, dass das Briefing als Kommunikationsverfahren zu verstehen ist. Ergo als ein Prozess, der nach der Sender-Botschaft-Empfänger-Struktur funk- tioniert. Mit diesem Verständnis konnte ein Modell entwickelt werden, das die Akteure des Verfahrens - Redner, Redenschreiber und Adressaten - hinsichtlich ihrer Konstitution und Relation abstrahiert. Zuvor wird dafür mit der Begriffsdefinition und einem Überblick über das Verständnis des Terminus die Basis geschaffen. Systematisch ist das Briefing in die Pro- duktionsstadien der Rede einzugliedern, wie gezeigt werden soll, in der Position der intellectio.

Für das Verfahren immanent ist die Rolle des Redenschreibens, also des Sekundärorators. Den Mittelpunkt der Rhetoriktheorie stellt für gewöhnlich der Orator. Es stellt sich nun die Frage: Wie verhält es sich, wenn zwei Oratoren vorhanden sind - der eigentliche, performie- rende Redner und der Redenschreiber, der die Rede verfasst und konzipiert? Die Relation und Kommunikation der beiden Hauptakteure ist wesentlich für die Untersuchung. Zum einen muss der Redenschreiber die Kompetenz besitzen eine Rede zu schreiben, zum anderen muss sich der Orator aber auch mit dieser identifizieren können. Die dritte Größe des Verfahrens stellt das Publikum dar. Der Adressatenbezug und das zu entwickelnde Adressatenkalkül durch den Sekundärorator gehören zu weiteren wichtigen Untersuchungsfeldern. Der Weg hin zur Persuasion wird im Prozess Redenschreiben in Funktion für einen anderen gegangen. Die Basis dafür schafft das Briefing. Zur Seite steht dabei die Rhetorik, als „kommunikative Möglichkeit des Menschen, einem von ihm als berechtigt angesehen Anliegen, dem oratorischen Telos, soziale Geltung zu verschaffen und sich selbst damit, wenigstens im Moment des kommunikativen Erfolgs, aus sozialer Determination zu befreien“3.

2. Rhetorisches Setting des Kommunikationsverfahrens Briefing

Der Redenschreiber handelt als strategischer Kommunikator mit einem kognitiven Kalkül und ist als textkonstruierende Instanz zu begreifen.4 Da die Rede vom Auftraggeber performiert wird und nicht vom Redenschreiber, ist der Redner als Primärorator, der Redenschreiber als Sekundärorator zu betrachten. Der Redner selbst befindet sich in einem zeitlichen oder sprachlichen Kompetenzdefizit, deshalb braucht es die Sprachkompetenz eines Zweiten. Der Sekundärorator befindet sich in einem dimissiven Setting zum Publikum, also in einer Art Distanzkommunikation. Denn die Rede selbst ist ein Face-to-face-Kommunikationsakt, der letztendlich vom Primärorator mündlich vor Zuhörern vorgetragen wird. Das situative Setting trifft eher auf die Kommunikation zwischen Redenschreiber und Auftraggeber zu. Das Telos der rhetorischen Handlung ist in diesem Fall einerseits hinsichtlich des Publikums die Metabolie sowie die Systase - opinion change / attitude change/behaviour change.5 Ande- rerseits geht es für den Redenschreiber darum, seinen Auftrag zufriedenstellend zu erfüllen. Der Erfolg der Persuasion hängt an der Funktionalisierung aller kommunikativen Mittel.6

Das Zentrum jeglicher rhetorischer Textproduktion bilden Handlungsempfehlungen mit pro- gnostischem Wert in Form von Prinzipien, Maßgaben, Regeln und Strukturierungsvorschlä- gen für die Auswahl persuasionsrelevanter und effektiver Kommunikationsinstrumente.7 Die Auswahl hat im hiesigen Fall der Redenschreiber in beruflicher Funktion für den Auftragge- ber zu fällen. Es gehört auch zur Aufgabe des Redenschreibers Botschaften bewusst zu kon- struieren und zu erzeugen. Er muss die im Text zusammenspielenden Komponenten für die Erzeugung seiner Botschaft funktionalisieren, damit eine Folgehandlung evoziert werden kann.8

2.1. Strategischer Ansatz

Der Prozess des Redenschreibens lässt sich unter dem strategischen Ansatz aufschlussreich erläutern.9 Die Arbeit des Redenschreibers ist dementsprechend als vorausschauendreflektierendes Planen von Handlungen und Formulierungen zu begreifen. Die Strategie ist dabei das Erfolgs- und Effektivitätskalkül, das der Sekundärorator für den Primärorator anstellt.10 Das rhetorisch-strategische Kalkül beim Redenschreiben ist immer ein antizipatorisches; Im Mittelpunkt steht dabei die Analyse der relevanten Ziel-Widerstand-Mittel- Relationen. So beziehen sich die Planungsüberlegungen vor allem auf die Frage, welche Interventionsmittel in Anbetracht der Widerstandsbedingungen überzeugend eingesetzt werden können, um das kommunikative Ziel zu erreichen.11

3. Hinführend

3.1. Rede als Textgattung

Der Redenschreiber befasst sich mit der Produktion eines Textes in Form einer Rede. Diese ist zu definieren als „mündlich, vor einem Publikum vorgetragener, anlassbezogener Prosa- text“12. Sie kennzeichnet sich sowohl als kommunikatives Ereignis als auch als textuelles Phänomen.13 Die Performanz der Rede wird vollzogen durch einen mündlich, vor Zuhörern vorgetragener Face-to-Face-Kommunikationsakt. Die Ziele der Rede beziehen sich haupt- sächlich auf den Versuch einer Veränderung im Denken oder Handeln des Interaktionspart- ners - Metabolie -, was sich in Überzeugungstechniken niederschlägt.14 Die fakultativen Textmerkmale, auf der Stilebene oder den Ornatus betreffend, leiten sich vom Angemessen- heits-Postulat ab.15

Seit der Antike unterscheidet man klassisch zwischen drei großen Funktionalgattungen der Rede: „die Gerichtsrede in der Funktion von Anklage oder Verteidigung (genus iudicale), die Beratungsrede in der Funktion des Zuratens oder Abratens (genus deliberativum) und die Vorzeigerede, insbesondere als Lob oder Tadel (genus demonstrativum oder epideiktisches genus)“16.

3.2. Charakteristik des Redenschreibers

Der Redenschreiber, oftmals auch als Ghostwriter begriffen, lässt sich definieren als „jemand, der Texte im Auftrag eines anderen verfasst, fremdorientiert arbeitet und dabei anonym bleibt oder zumindest seinen Anteil am Werk verschweigt“17. Sein Werk ist an einen Auftraggeber gebunden, unter dessen Namen es publiziert wird. Der Beruf hat seine Ursprünge im Metier des griechischen Logographen, der auch auf professionelle Art und Weise Reden verfasste.18 Die konkrete Aufgabe des Redenschreibers ist die Umsetzung der vom Redner gewünschten Inhalte und Gedanken in einen überzeugenden Redetext. Da die Rede ein zielgerichtetes Vor- tragen ist, fällt dem Redenschreiber zugleich die Rolle eines Strategen und Taktikers zu: Er nimmt beratende Funktion ein und fungiert somit als sprachkompetenter Assistent des Ora- tors.19 Somit wirkt er als beruflicher Rollenhandelnder und ist ebenfalls als Dienstleistungs- anbieter zu verstehen. Sein Arbeitsprozess läuft ähnlich anderer Produktion ab, wie beispielsweise in einer Agentur - statt Kampagnen oder Ähnlichem, die designt werden, ist die Rede das Produkt.20

Der Prozess ist folgendermaßen grob zu umreißen: Der Textproduktion geht das Briefing vor- aus, in diesem wird der Redeschreiber über die sprachlich umzusetzenden Inhalte informiert. Daran anschließend wird, in Abhängigkeit von den Rahmenbedingungen, eine Strategie zur Realisierung des kommunikativen Telos entwickelt.

[...]


1 Back, Louis/Beuttler, Stefan: Handbuch Briefing. Effiziente Kommunikation zwischen Auftraggeber und Dienstleister. Stuttgart² 2006; S. 2. Im Folgenden zitiert als Back/Beuttler.

2 Back/Beuttler; S.3.

3 Knape, Joachim: Was ist Rhetorik? Stuttgart 2000; S. 33. Im Folgenden zitiert als Knape: Was ist Rhetorik.

4 Vgl. Knape: Was ist Rhetorik; S. 38.

5 Vgl. ebd.; S. 34.

6 Vgl. ebd.; S. 34.

7 Vgl. ebd.; S. 107ff.

8 Vgl. Knape: Was ist Rhetorik; S. 108 sowie Knape, Joachim/Becker, N./Böhme, Katie: Strategie. Unveröffentlichter Artikel für HWdR. 2. Satzlauf vom 8. April 2009; Sp. 1675. Im Folgenden zitiert als HWdR: Strategie.

9 Vgl. Definition von rhetorischer Strategie nach Knape/Becker/Böhme: „Eine Strategie ist als Resultat bewusster Planung ein mehr oder weniger abstrakt ausgearbeiteter, hierarchisch und sequentiell organisierter Plan, der all jene mentalen Regulative (Maximen, Normen, Werte, Leitgedanken etc.) enthält, an denen sich ein Handelnder bei der Durchführung einer konkreten Handlungssequenz in der Absicht orientiert, ein Ziel trotz erwartbarer Widerstände auf bestmögliche Weise zu erreichen.“ HWdR: Strategie; Sp. 1684f.

10 Vgl. HWdR: Strategie; Sp. 1676.

11 Vgl. ebd.

12 Knape, Joachim: Rede2, Redegattungen. In: Müller, Jan-Dirk (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Band III: P-Z. Berlin/New York 2003; S. 233-235; S. 233. Im Folgenden zitiert als Knape: Rede.

13 Vgl. Knape: Rede; Sp. 233.

14 Vgl. ebd.

15 Vgl. Knape: Rede; Sp. 233f.

16 Eb.; Sp. 233.

17 Mielke, Ulrike: Ghostwriter. In HWdR, Band 3, Eup-Hör. Tübingen; Sp. 990.

18 Vgl. Mitschele, Stefanie/Baber, Rainer: Das professionelle Verfassen von Reden. In: Fix, Ulla/Gardt, Andreas/Knape, Joachim (Hg.): Rhetorik und Stilistik. Bd. 1, Berlin 2008; S. 84-98; S. 84. Im Folgenden zitiert als Mitschele/Baber.

19 Vgl. Mitschele/Baber; S. 87.

20 Vgl. Roehreke, Imai-Alexandra: Reden schreiben. Konstanz 2002; S. 115. Im Folgenden zitiert als Roehreke. Vgl. ebenso Mitsche- le/Baber; S. 90.

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Details

Title
Das Briefing als rhetorisches Kommunikationsverfahren im Prozess des Redenschreibens
College
University of Tubingen  (Seminar für Allgemeine Rhetorik)
Course
Hauptseminar Redenschreiben
Grade
1,3
Author
Year
2009
Pages
19
Catalog Number
V153400
ISBN (eBook)
9783668198548
File size
641 KB
Language
German
Keywords
Rhetorik, Briefing, Kommunikation, Adressat, Orator, Redenschreiben, Redenschreiber, Produktionsstadien, Strategie, Kommunikationswissenschaft, Prozess
Quote paper
Lena Maier (Author), 2009, Das Briefing als rhetorisches Kommunikationsverfahren im Prozess des Redenschreibens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153400

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