Kriegerische Kampfhandlungen werden nicht ausschließlich zwischen sich feindlich gegenüberstehenden Soldaten ausgetragen, sondern richten sich gezielt gegen die Zivilbevölkerung - gegen Frauen, Kinder und alte Menschen. Die Gewalttaten gegen Frauen in Kriegen nehmen die unterschiedlichsten Formen an, werden aber meist vor der Öffentlichkeit unterschlagen oder von den Opfern selbst aus Gefühlen der Schande verheimlicht. Selbst wenn die Gewaltaten „veröffentlicht“ werden, werden sie oft nicht ernst genommen oder die Opfer werden von der Gesellschaft ausgestoßen, da sie ja nicht mehr unschuldig, im Sinne von jungfräulich, sind. Bis zu den Kriegen in Ex-Jugoslawien wurde nicht systematisch auf die Frage eingegangen, welcher Art die Kampfhandlungen sind, die gegen die weibliche Zivilbevölkerung angewandt werden.
1. VORWORT
Kriegerische Kampfhandlungen werden nicht ausschließlich zwischen sich feindlich gegenüberstehenden Soldaten ausgetragen, sondern richten sich gezielt gegen die Zivilbevölkerung - gegen Frauen, Kinder und alte Menschen. Die Gewalttaten gegen Frauen in Kriegen nehmen die unterschiedlichsten Formen an, werden aber meist vor der Öffentlichkeit unterschlagen oder von den Opfern selbst aus Gefühlen der Schande verheimlicht. Selbst wen die Gewalteten „veröffentlicht“ werden sie oft nicht ernst genommen oder die Opfer werden von der Gesellschaft ausgestoßen, da sie ja nicht mehr unschuldig, im Sinne von jungfräulich, sind. Bis zu den Kriegen in Ex-Jugoslawien wurde nicht systematisch auf die Frage eingegangen, welcher Art die Kampfhandlungen sind, die gegen die weibliche Zivilbevölkerung angewandt werden.1
2. GEWALT AN FRAUEN
„ Gewalt gegen Frauen ist vielleicht die schändlichste aller Menschenrechtsverletzungen. Sie kennt keine Grenzen, weder geographisch, noch kulturell, noch im Hinblick auf materiellen Wohlstand. So lange sie anhält, können wir nicht behaupten, dass wir wirkliche Fortschritte in Richtung Gleichstellung der Geschlechter, Entwicklung und Frieden machen. “ Kofi Annan Die Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen, die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1993 verabschiedet wurde, zeigt, dass man das Problem international anerkannt hat und sich darüber einig ist, dass Gewalt gegen Frauen eine Menschenrechtsverletzung und eine Form der Diskriminierung von Frauen ist. Die auf der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Beijing verabschiedete Aktionsplattform nennt Gewalt gegen Frauen als einen der 12 entschiedenen Problembereiche, die dringende Maßnahmen von Seiten der Regierungen, der internationalen Gemeinschaft und der Zivilgesellschaft erfordern.
Seit der Konferenz von Beijing sind auf internationaler Ebene wichtige Schritte unternommen worden, um die Gewalt gegen Frauen zu beenden:
- Das Fakultativprotokoll zur Konvention über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 06. 10. 1999 verabschiedet wurde, gibt Frauen das Recht, Wiedergutmachung für erlittene Menschenrechtsverletzungen zu verlangen.
- 1997 hat die Generalversammlung „ Modellhafte Strategien und praktische Maßnahmen auf dem Gebiet der Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen“ verabschiedet.
- Das im Juni 1998 verabschiedete Statut des Internationalen Strafgerichtshofes wie auch die Kriegsverbrechertribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda beschäftigen sich speziell mit geschlechtsspezifischen Gewalttaten.
- Der Protokollentwurf für einen neuen Vertrag, das vorgeschlagene internationale Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, beschäftigt sich vor allem mit Menschenhandel, insbesondere von Frauen und Kindern.2
3. DIE „WEIBLICHE FRIEDFERTIGKEIT“
Seitdem Männer gelernt hatten dass man mit Waffen nicht nur Tiere, sondern auch Menschen töten kann, verwenden sie Waffen dazu sich die Arbeitskraft anderer Menschen anzueignen, explizit von Frauen, die neben ihrer Arbeitskraft überdies die Fähigkeit zur „Produktion neuer Menschen“ mitbrachten.
Eine dauerhafte, über Jahrhunderte funktionierende Herrschaft einer Hälfte der Menschheit über die andere kann aber nicht nur durch gewaltsame Unterdrückung gesichert werden. Herrschaft wird stabilisiert, wenn die Beherrschten selbst die Überzeugung teilen, die Ordnung, in der sie unterworfen sind, sei rechtmäßig, naturgewollt, gottgegeben oder zumindest nicht zu ändern. Das trifft exemplarisch auf das Geschlechterverhältnis zu. Schwäche und Friedfertigkeit von Frauen sind kulturelle Muster. Auch manche Frauenbewegte meinen heute, Frauen wären von Natur aus friedlicher oder besser. Mit der Behauptung, Frauen seien friedfertiger als Männer, wird ihnen etwas zugeschrieben, was gesellschaftlich als erstrebenswert gilt: nachgiebig zu sein, sich ruhig zu verhalten, auch wenn Schweres erlebt wird, niemals zu hassen. Friedfertigkeit wird so einem Gewaltverzicht unter allen Umständen gleichgesetzt, was sich ausgezeichnet mit der Opferrolle von Frauen verbindet und den Effekt hat, dass nicht nur Aggressionen gegen Männer, sondern auch Notwehr verhindert werden. In der Logik der besseren, schwächeren Frauen werden sie automatisch zu Opfern, ein für die männlichen Täter äußerst vorteilhafter Effekt.3
4. MILITÄRISCH ANERZOGENE GEWALT GEGEN FRAUEN
Kriege benötigen Feindbilder. Diese werden durch Definition und Propaganda erschaffen. Mit der Erhebung von Menschen (einer Gruppe/Nation) über andere Menschen wird Gewalt und das Morden gerechtfertigt. Die natürlichen Hemmschwellen, das „normale“ Bewerten und Empfinden von Gewalt und Mord werden ausgeschaltet, unterdrückt und verdrängt. Das Militär kann auf die anerzogenen männlichen Verhaltenweisen zurückgreifen und sie weiter verfestigen, da ja Einfühlungsvermögen, Sensibilität und sanfte Umgangsformen beim Militär eher unerwünscht sind. Die militärische Ausbildung schränkt die persönliche Freiheit drastisch ein. Auch die Gefühle werden uniformiert und damit entmenschlicht. Sexualität wird an Dominanz, Aggression und Gewalt geknüpft. Das wird dadurch begünstigt, dass im Kasernenalltag Männer unter sich nicht wehren werden, wenn durch frauenfeindliche Witze, diskriminierende Äußerungen zu Menschen zweiter Klasse entwürdigt werden. Der Soldat wird desensibilisiert hinsichtlich der Konsequenzen des eigenen Handelns und das der anderen. Es gibt keine andere patriachale Institution, die so ausschließlich für die männliche Identität zuständig ist uns so viele Männer erfasst, wie das Militär.
Gewalt im Geschlechterverhältnis gibt es natürlich auch außerhalb des Militärs im zivilen Leben. Der qualitative Unterschied zur militärischen Zurichtung des Mannes ist jedoch, dass die Annahme frauenmißachtender Verhaltensweisen und Einstellungen existentiell für sein Überleben werden. Die Ursache für Vergewaltigungen von Frauen im Krieg liegt nicht in der „männlichen Natur“. Vergewaltigung hat auch nichts mit Sexualität zu tun, sie ist ein extremer Gewaltakt, der sich sexueller Mittel bedient. Die psychischen Vorraussetzungen dafür erwerben Soldaten in ihrer militärischen Ausbildung.
5. GEWALT AN FRAUEN ALS MITTEL DER KRIEGSFÜHRUNG
In Zeiten bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen Staaten, Völkern oder Bevölkerungsgruppen erfahren Frauen eine gesonderte „Behandlung“ durch Männer. Bei diesen praktizierten Mitteln zur Kriegsführung zeigen sich international und historisch gesehen Parallelen.4
[...]
1 Sondertagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, „Frauen 2000: Gleichstellung der Geschlechter, Entwicklung und Frieden im 21. Jahrhundert“, New York, 5.- 9. Juni 2000, Hintergrundinformation Nr. 4;
2 Nach Gerda Lerner, „Die Entstehung des Patriachats“, München 1997 und Margarete Mitscherlich, „Die friedfertige Frau“, Frankfurt/Main 1987.
3 Nach Cora Stephan "Das Handwerk des Krieges", Rowohlt-Verlag; Hilde Schmölzer, "Der Krieg ist männlich. Ist der Friede weiblich?" Verlag für Gesellschaftskritik und Sybil Oldfield „Frauen gegen den Krieg. Alternative zum Militarismus 1900-1990",Fischer Taschenbuchverlag.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in diesem Text?
Dieser Text befasst sich mit Gewalt gegen Frauen, insbesondere in Kriegszeiten, und untersucht, wie diese Gewalt als Mittel der Kriegsführung eingesetzt wird. Er beleuchtet auch die Rolle militärischer Ausbildung bei der Verfestigung gewaltbereiten Verhaltens und die gesellschaftlichen Konstruktionen von Geschlechterrollen.
Was sind einige der Hauptpunkte, die in dem Text angesprochen werden?
Der Text behandelt folgende Punkte: die Verbreitung von Gewalt gegen Frauen, die internationale Anerkennung dieses Problems durch die Vereinten Nationen, die Rolle der "weiblichen Friedfertigkeit" als kulturelles Konstrukt, die militärisch anerzogene Gewalt gegen Frauen und wie Gewalt gegen Frauen als Mittel der Kriegsführung eingesetzt wird.
Warum wird das Thema Gewalt gegen Frauen in Kriegen als besonders relevant betrachtet?
Gewalt gegen Frauen in Kriegen wird oft unterschlagen oder von den Opfern aus Scham verheimlicht. Der Text betont, dass bis zu den Kriegen in Ex-Jugoslawien nicht systematisch untersucht wurde, welche Art von Gewalt gegen die weibliche Zivilbevölkerung angewendet wird.
Welche internationalen Initiativen werden im Text zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen erwähnt?
Der Text erwähnt die Erklärung über die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (1993), die Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz in Beijing (1995), das Fakultativprotokoll zur Konvention über die Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (1999), und die Einbeziehung geschlechtsspezifischer Gewalttaten in das Statut des Internationalen Strafgerichtshofes sowie in die Kriegsverbrechertribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda.
Was bedeutet die Aussage, dass "Schwäche und Friedfertigkeit von Frauen kulturelle Muster sind"?
Dieser Abschnitt des Textes argumentiert, dass die Vorstellung, Frauen seien von Natur aus friedlicher, ein gesellschaftliches Konstrukt ist, das dazu dient, die Unterdrückung von Frauen zu stabilisieren. Friedfertigkeit wird hier oft mit einem Gewaltverzicht unter allen Umständen gleichgesetzt, was Frauen in eine Opferrolle drängt und selbst Notwehr verhindert.
Inwiefern trägt die militärische Ausbildung zur Gewalt gegen Frauen bei?
Die militärische Ausbildung kann dazu beitragen, Gewalt gegen Frauen zu verstärken, indem sie Feindbilder erzeugt, natürliche Hemmschwellen gegenüber Gewalt abbaut, männliche Verhaltensweisen wie Dominanz und Aggression fördert und Einfühlungsvermögen unterdrückt. Frauenfeindliche Witze und diskriminierende Äußerungen im Kasernenalltag tragen ebenfalls zur Desensibilisierung der Soldaten bei.
Welche Rolle spielt Vergewaltigung im Kontext von Krieg und militärischer Gewalt?
Der Text argumentiert, dass Vergewaltigung im Krieg nicht in der "männlichen Natur" begründet liegt und nichts mit Sexualität zu tun hat, sondern ein extremer Gewaltakt ist, der sich sexueller Mittel bedient. Die psychischen Voraussetzungen dafür erwerben Soldaten in ihrer militärischen Ausbildung. Vergewaltigung wird hier als Mittel der Kriegsführung betrachtet.
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- Mag.a Lena Rheindorf (Author), 2003, Gewalt an Frauen im Krieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153882