Die europäische Leitkultur in der vietnamesischen Diaspora?


Dossier / Travail, 2010

15 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Was versteht man unter einer Leitkultur?
Freiheitliche-Deutsche Leitkultur nach Friedrich Merz
Theo Sommer:“ Warum Friedrich Merz sich zu Unrecht auf mich beruft.“
„Europa ohne Identität?“ - Leitkultur nach Bassam Tibi
Zusammenfassung

Die Vietnamesen in Deutschland
„boat people“
Ökonomische Integration
Bildungsaspiration und Bildungserfolg
Sprachliche Integration
Austausch mit der deutschen Bevölkerung
Zusammenfassung

Die vietnamesischen Vertragsarbeiter in der DDR
Ökonomische Integration?
Sprachliche Integration?
Kontakt mit der ostdeutschen Bevölkerung?
Bildungsaspiration und Bildungserfolg
Zusammenfassung

Abschließende Betrachtung und Implikation für die deutsche Migrationspolitik

Literaturverzeichnis

Anmerkung: Zwecks der besseren Lesbarkeit bei allgemeinen Aussagen verwendet der Verfasser größtenteils die männliche Form des Substantives. Selbstverständlich bezieht er sich auf alle Geschlechter.

"Ihr braucht keine Debatte über Leitkulturen, sondern eine über den richtigen Leithammel!"

Gerhard Schröder an die Adresse der CDU (Bild am Sonntag 15.11.2000)

Vorwort

Ein kastriertes Hausschaf, Sauerkraut, Döner-Kebab und Johann Wolfgang von Goethe - wie konträr diese Begriffe für den Leser anfänglich scheinen mögen, so konnte man sie plötzlich im Frühjahr 2000 unter einem gemeinsamen Neologismus zusammen fassen: Leitkultur. Der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz hatte in seinem Leitartikel für die Tages- zeitung „Die Welt“ von einer „deutschen Leitkultur“ zu sprechen gewagt und belebte schneelawinenartig alle politischen, linguistischen, wissenschaftlichen und kulturellen Ge- müter Deutschlands - teilweise oft an ihm vorbei. Doch bleibt bis zum medialen Erlöschen dieser Debatte immer noch die Frage offen: Was ist eigentlich eine „deutsche Leitkultur“ oder im Zuge der europäischen Integration eine „europäische Leitkultur“? Und ist „diese“ Leitkultur notwendig für eine erfolgreiche Integration von Migranten in einem Staat und einem Kontinent? Der Wortschöpfer des Begriffes, der deutsch-syrische Politikwissenschaft- ler Bassam Tibi, fühlt sich in dieser politischen Debatte missverstanden. Warum? Mit seiner Definition von „europäischer Leitkultur“ sieht er etwas anderes, nicht etwa die Debatte um den Genuss von Sauerkraut statt Döner, sondern um europäische Werte und Normen, die von ihm fest definiert sind und hinter dem ein ausgedachtes Integrationskonzept steckt. Aber sieht das Friedrich Merz anders?

Jeder, der sich an dieser Debatte beteiligte, egal ob als Politiker, Wissenschaftler oder Medi- enbeobachter, hat wohl eine subjektive Definition von Leitkultur für sich gefunden und un- terschiedlich verstanden. Von politisch extrem links bis politisch extrem rechts, haben sie für Empörung oder zur Begeisterung gesorgt. Die grüne Fraktionschefin Kerstin Müller fragt: „Deutsche Kultur - was ist das?“ Die Bischöfin Maria Jepsen bekommt sogar Magenschmer- zen und stellt fest: "Dann müssten wir doch anfangen mit den Museen. Wir müssten alles rauswerfen, was aus China, Indien und Ägypten kommt, weil das nicht unsere Kultur ist. Wir müssen unsere Sprache reinigen, weil da Fremdwörter drin sind. Unsere Esskultur, Theater- kultur, Literatur, unsere Expo - das hätte alles nicht sein dürfen. Das müssen wir uns mal klar machen.” (Spiegel Online 2000) Der Bundesvorsitzende der rechtsextremen Partei „Die Re- publikaner“ Rolf Schlierer solidarisiert sich hingegen und erklärt: „Die Republikaner würden Herrn Merz beistehen, wenn er versuche, sich dem Linksrutsch der CDU entgegenzustem- men.“ (Spiegel Online 2000). „Begriffe, die nicht automatisch verstanden werden, sind eher ein Problem“, stellt der CDU-Generalsekretär Lorenz Meyer nüchtern fest.

Die Position Meyers vertritt auch die Pons-Redaktion und hat den Begriff Leitkultur zum „Unwort des Jahres 2000“ gekürt. „Leitkultur“ überholte die Unwörter „Computer-Inder“ (Platz 2) und „Babyklappe“ (Platz 3), und löste das vorjährige Unwort „Kollateralschaden“ ab. Die Jury begründet ihre Entscheidung damit, dass der Begriff unscharf sei und appelliert, Begriffe zu verwenden, die für alle Bürger eines Landes eindeutig seien und die sachliche Auseinandersetzung nicht behindere. „Dieses sollte besonders dann gelten, wenn es sich um politisch sensible Fragen der Einwanderung, zumal vor dem Hintergrund fremdenfeindlicher Gewaltakte, handelt“, heißt es in ihrer Begründung. (Der Tagesspiegel 2000)

Doch wie sieht es hinter den Kulissen aus bzw. was steckt hinter dem Wort „Leitkultur“? Im Zuge dessen, ist die Zielsetzung dieser Hausarbeit, die Gründe für eine solche „Unschärfe“ des Begriffes „Leitkultur“ herauszufinden, sie zu analysieren, zu beurteilen und neu zu defi- nieren. Ihre Tauglichkeit soll anhand einer Migrationsgeschichte einer Exilgemeinschaft in Deutschland empirisch untersucht werden. Hierbei wird der Fokus auf eine nicht- europäische bzw. nicht-abendländische Exilgemeinschaft gelegt, in der eine typisch „deut- sche“ oder „europäische Leitkultur“ - was immer sie auch ist - vorerst nicht vorhanden sein kann. Dafür bietet sich die vietnamesische Diaspora in West- und Ostdeutschland ab 1975 an.

Es lässt sich somit die Frage stellen: Ist eine gemeinsam, definierte europäische Leitkultur, die Grundvoraussetzung für eine Integration der vietnamesischen Diaspora in Deutschland?

Was versteht man unter einer Leitkultur?

Freiheitliche-Deutsche Leitkultur nach Friedrich Merz

Bereits im Vorwort erwähnt, ist der Auslöser für die politische Debatte der damalige Frakti- onsvorsitzende der CDU Friedrich Merz. In seinem selbstverfassten Leitartikel am 25.10.2010 in der Tageszeitung „Die Welt“ leitete Merz eine Diskussion um eine deutsche Leitkultur ein: „Schweinebraten statt Döner, Deutschtümelei, Biedermeier, fünfziger Jahre - Rassismus! Kein Vorwurf aus dem wohlbekannten Arsenal der political correctness und der Gutmen- schen in diesem Land, der nicht erhoben wird. Doch worum geht es wirklich?" (Merz 2000). Er betont weiter, dass die Integration der Migranten bis auf einige Fälle positiv sei. „Doch entstehen auch Probleme dort, wo beispielsweise Deutsche in ihrer Stadt in die Minderheit geraten und um die eigene Identität bangen, oder dort, wo die Rolle der Frau in anderen Kulturen eine ganz andere ist.“

Im Zuge dessen, fordert Merz drei wesentliche Kernbemühungen der Politik, nämlich

1. feste Regeln für Einwanderungen und Integration,
2. Missbrauch von Asylanträgen soll zurückgedrängt werden und
3. Maßstäbe und Grundsätze, an denen sich das Konzept für Einwanderung und Integra- tion orientieren muss.

Eine erfolgreiche Integration ist aber letztendlich nur dann möglich, „wenn sie die breite Zustimmung der Bevölkerung findet. Dazu gehört, dass Integrationsfähigkeit auf beiden Sei- ten besteht: Das Aufnahmeland muss tolerant und offen sein, Zuwanderer, die auf Zeit oder auf Dauer bei uns leben wollen, müssen ihrerseits bereit sein, die Regeln des Zusammenle- bens in Deutschland zu respektieren. Ich habe diese Regeln als die ‚freiheitliche deutsche Leitkultur‘ bezeichnet.“ Diese Diskussion hat „reflexartige Empörung ebenso wie breite Zu- stimmung“ ausgelöst und ist für Merz deshalb ein Indiz dafür, dass es gar keine allgemeine akzeptiere Definition gibt.

Diesem versucht Merz entgegenzuwirken, indem er die „freiheitliche deutsche Leitkultur“ und den „gemeinsamen, werteorientierten gesellschaftlichen Konsens“ wie folgt definiert:

1. Die Verfassungstradition des Grundgesetzes muss beachtet werden,
2. Demokratie und soziale Marktwirtschaft,
3. keine Duldung von Parallelgesellschaften und
4. die deutsche Sprache muss gesprochen und verstanden werden.

Theo Sommer:“ Warum Friedrich Merz sich zu Unrecht auf mich beruft.“

Nachdem die Leitkultur-Debatte ihren Höhepunkt erreicht hatte, verwies der CDU-Politiker Ernst Brenda in einem Leserbrief an die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ darauf, dass der Begriff „Leitkultur“ auf den Redakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, Theo Sommer zurück zuführen sei. Danach verwies auch Friedrich Merz ebenfalls auf ihn.

Sommer macht in seinem Artikel „Der Kopf zählt, nicht das Tuch“ (Sommer, Die Zeit 1998) im Juli 1998 klar, dass Deutschland nicht im gleichen Sinne wie die USA und Australien ein Ein- wanderungsland sei, aber längst zu einem Einwanderungsland geworden sei. Insgesamt le- ben 7.3 Millionen Ausländer bereits in der zweiten und dritten Generation in Deutschland. Deshalb sei es notwendig, eine sachliche, ehrliche und gründliche Debatte über die Migrati- onspolitik in Deutschland zu führen. Erst einmal muss angenommen werden, dass Deutsch- land zu einem Einwanderungsland geworden und die Differenzierung des „Ausländerprob- lems“, welches die Asyl-und Einwanderungspolitik sei und die Integrationspolitik von Aus- ländern, die bereits in Deutschland wohnen.

Eine mögliche Integrationsbemühung findet man laut Sommer etwa in dem neuen amerikanischen Modell der Integration, nämlich der „Salatschlüssel“, in dem die einzelne Bestandteile des Salats gemeinsam im „American Dressing“ schwimmen, sich aber nicht auflösen. Genau dieses Dressing sind die Grundwerte, die für alle verbindlich sind.

Diese definiert Theo Sommer wie folgt:

1. das Bekenntnis zur demokratischen Grundordnung und zum Verfassungsstaat,
2. praktizierte Toleranz und
3. eine gemeinsame Sprache, die das Funktionieren und die Kohäsion der Gesellschaft fördert.

Die einzelnen Migrantengruppen könnten dabei ihre kulturellen Eigenschaften behalten, allerdings dürften daraus keine Ghettos entstehen. Es darf nur eine einzige Rechts- und Verfassungskultur geben und deshalb darf es keine islamische Scharia neben dem Bürgerlichen Gesetzbuch geben. Sommer leitet daraus eindeutig fest: „Integration bedeutet zwangsläufig ein gutes Stück Assimilation an die deutsche Leitkultur und deren Kernwerte.“

Zwei Jahre später veröffentlicht Theo Sommer in der Wochenzeitung „Die Zeit“ in der Aus- gabe 02/2000, nachdem Friedrich Merz den Begriff „Leitkultur“ ihn als Schöpfer des Begrif- fes Leitkultur bezeichnet, den Artikel „Einwanderung ja, Ghettos nein - Warum Friedrich Merz sich zu Unrecht auf mich beruft“ und betont noch einmal, dass Integration zwangsläu- fig ein gutes Stück Assimilierung sei. Dabei beruft er sich auf Bassam Tibi: „Ich weiß nicht mehr, woher ich den Begriff damals hatte. Vielleicht ja von Bassam Tibi, der ihn 1998 in sei- nem Buch Europa ohne Identität formulierte und mit dem ich zu jener Zeit gelegentlich bei öffentlichen Diskussionen auf einem Podium saß.“ (Sommer, Die Zeit 2000). Betont aber ausdrücklich, dass er nicht die Position Tibis vertrete. Tibi ist gegen Assimilation, sondern für Integration. Diese machen es mögliche eine multiple, das heißt kulturell vielfältige Identität zu besitzen.

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Die europäische Leitkultur in der vietnamesischen Diaspora?
Université
University of Göttingen  (Sozialwissenschaften)
Note
1,0
Auteur
Année
2010
Pages
15
N° de catalogue
V153904
ISBN (ebook)
9783640662708
ISBN (Livre)
9783640662647
Taille d'un fichier
461 KB
Langue
allemand
Annotations
Die Hausarbeit wurde im ersten Fachsemester im Bereich der Politikwissenschaft geschrieben.
Mots clés
boat people, DDR-Vertragsarbeiter, Vietnam, vietnamesische Diaspora, vietnamesische Exilgemeinschaft, Leitkultur, europäische Leitkultur, Theo Sommer, Bassam Tibi, Friedrich Merz, Integrationspolitik
Citation du texte
Khoa Ly (Auteur), 2010, Die europäische Leitkultur in der vietnamesischen Diaspora?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/153904

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