Analyse des Gebiets Service Science und deren Bedeutung für KMU


Diploma Thesis, 2010

84 Pages, Grade: 2,0


Excerpt


Gliederung

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Dienstleistungsbereich
2.1. Der tertiäre Sektor
2.2. Die Drei-Sektoren-Modell
2.3. Der Wandel zu einer Dienstleistungsgesellschaft
2.4. Betriebswirtschaftliches Begriffsverständnis
2.4.1. Begriffsabgrenzungen anhand der Merkmale
2.4.2. Begriffsabgrenzungen anhand der Dimensionen
2.4.3. Dienstleistungsdefinitionen
2.5. IT-orientiertes Begriffsverständnis

3. Service Science – Betrachtungsfeld einer Dienstleistungswissenschaft
3.1. Terminologische Abgrenzungen
3.2. Industrielle Dienstleistungen
3.2.1. Treiber für die Erweiterungen des Angebots um Dienstleistungen
3.2.2. Problemfelder im Dienstleistungsbereich
3.2.3. Hybride Wertschöpfung
3.3. Begriffsvielfalt im Dienstleistungsumfeld
3.4. Anforderungen an Dienstleistungsforschung und -lehre
3.4.1. Einheitliche Dienstleistungsdefinition als Basis für die weitere Forschung
3.4.2. Forschungsergebnisse als Produktivitäts- und Innovationstreiber
3.4.3. Dienstleistungsinnovationen
3.4.4. Globalisierung der Märkte
3.4.5. Notwendige Praxisrelevanz
3.4.6. Schnittstellenüberwindung
3.5. Die Rolle der Wirtschaftsinformatik
3.5.1. Die IT-Funktionalitäten
3.5.2. Aufgabe der Wirtschaftsinformatik
3.6. Interdisziplinarität im Dienstleistungsbereich
3.7. Service Science aus der Hochschulperspektive
3.7.1. Gründe für die Einführung neuer Hochschuldisziplin
3.7.2. Struktur einer Dienstleistungsfakultät

4. KMU und Handwerk
4.1. Kleinunternehmen als die Zielgruppe weiterer Betrachtung
4.2. Die Rolle in der Wirtschaftsstruktur
4.3. Die zunehmende Internationalisierung der Märkte
4.4. Die ausländische Konkurrenz
4.5. Dienstleistungsexporte

5. Vorteile des Dienstleistungsstandortes Deutschland
5.1. Know-how
5.2. Dienstleistungsqualität
5.3. Das Marktzeichen „Services made in Germany“
5.4. „Hidden Champions“ – deutsche Weltmarktführer

6. IT-Nutzung als die zentrale Dienstleistungsinternationalisierungsstrategie für KMU
6.1. Standardisierung von Dienstleistungen
6.1.1. Abgrenzungen des Standardisierungsbegriffes
6.1.2. Arten von Dienstleistungsnormen und -standards
6.2. Modularisierung von Dienstleistungen
6.2.1. Zerlegung einer Dienstleistung in Module
6.2.2. Eine Methodik der Modularisierung
6.3. Beispiele für die IT-Nutzung
6.3.1. Teleservice-Lösung
6.3.2. Erschließung ausländischer Märkte per Internet
6.3.3. Mobile Anwendungssysteme für die Kleinbetriebe

7. Kooperationsnetzwerke für Dienstleister
7.1. Gründe für die Kooperationen von Dienstleistern
7.2. Netzwerkstruktur

8. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zeitliche Entwicklung einer Volkswirtschaft

Abbildung 2: Dienstleistungsdimensionen

Abbildung 3: Lebenszyklen-Phasen eines hybriden Produktes

Abbildung 4: Komponentenvielzahl eines Dienstleistungsbegriffes

Abbildung 5: Vernetzungsstruktur durch gemeinsame Projekte

Abbildung 6: Interdisziplinarität im Service Science-Bereich

Abbildung 7: Die Fachbereichsstruktur von Service Science

Abbildung 8: Modularisierung von Beratungsleistungen

Abbildung 9: Schritte bei der Modularisierung einer Dienstleistung

Abbildung 10: Optimierung einer Leistung an einem Beispiel

Abbildung 11: Die Struktur eines Netzwerkes

Abbildung 12: Kreislauf des Wissenstransfers in einem Netzwerk

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Drei Wirtschaftsbereiche

Tabelle 2: Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen

Tabelle 3: Erwerbstätige in Deutschland nach Wirtschaftsbereichen

Tabelle 4: Hochschulstruktur am Beispiel der Universität Siegen

Tabelle 5: Unternehmen des tertiären Sektors nach Größenklassenzuordnung

Tabelle 6: Die Rolle des Internets für Dienst- und Sachleistungen

Tabelle 7: Normenarten

1. Einleitung

Die Dienstleistungen spielen heutzutage im Wirtschaftsleben einer Volkswirtschaft eine sehr bedeutende Rolle und reichen von einem Haarschnitt bis zu komplexen und sehr aufwendigen Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Ungeachtet der Tatsache, dass man täglich mit Dienstleistungen in verschiedenen Ausprägungsformen konfrontiert, befindet sich die wissenschaftliche Untersuchung des Dienstleistungsbereiches noch in ihren Anfängen. Die vorliegende Diplomarbeit beschäftigt sich mit dem Dienstleistungsbereich und behandelt, wie die Überschrift der Arbeit bereits andeutet, im Allgemeinen zwei Untersuchungsschwerpunkte: Zum Einen wird der umfangreiche Service Science-Bereich aufgegriffen und einige solche Teilbereiche wie Forschung und Lehre im Rahmen einer Dienstleistungswissenschaft betrachtet. Zum Anderen werden die kleinen und mittelständischen Dienstleistungsbetriebe als die Zielgruppe der Untersuchung gewählt. Einerseits wird deren Rolle in der Wirtschaftsstruktur und bei der zunehmenden Globalisierung der Märkte verdeutlicht. Andererseits werden konkrete Ansatzpunkte, Konzepte und Instrumente untersucht, die im Rahmen einer Internationalisierungsstrategie von deutschen Dienstleistern für die Bearbeitung des nationalen Marktes und internationaler Ländermärkte eingesetzt bzw. benutzt werden können. Eine inhaltliche Abgrenzung dieser beiden Untersuchungsschwerpunkte ist eher schwer vorzunehmen, weil bei dieser Arbeit behandelte einzelne Teilbereiche, wie direkt als auch indirekt, eine enge Verflechtung aufweisen. Die vorliegende Diplomarbeit ist wie folgt gegliedert.

In diesem Kapitel wird der Leser in die Grundstruktur der Arbeit eingeleitet, indem einzelne, zu untersuchende Teilbereiche detailliert dargestellt werden.

Um die Bedeutung des Dienstleistungssektors zu verdeutlichen, werden im 2. Kapitel die wirtschaftlichen Sektoren einer Volkswirtschaft im Allgemeinen und der Dienstleistungssektor im besonderen Maße in Betracht genommen. Des Weiteren ist erforderlich für die Untersuchung des Begriffes „Dienstleistung“ die verschiedensten existierenden Abgrenzungen, Kriterien und Definitionen einer Dienstleistung zu strukturieren.

Im 3. Kapitel wird der voluminöse Service Science-Bereich aufgegriffen. Die Rolle der Dienstleistungsforschung ist im Rahmen einer Dienstleistungswissenschaft sehr vielseitig und reicht von begrifflichen bzw. terminologischen Aspekten bis zu konkreten Gestaltungskonzepten hin, wie beispielsweise die Gestaltungskonzepte hybrider Leistungsbündel. Bei einer Dienstleistungswissenschaft steht man vor der Aufgabe, inhaltliche und interdisziplinäre Verflechtung und Unübersichtlichkeit von einzelnen Themenbereichen wie bei der Forschung so auch bei der Lehre zu überwinden, bzw. diese Themenbereiche zu strukturieren und sinnvoll zu vernetzen. Im weiteren Schritt werden die Anforderungen an Dienstleistungsforschung und Dienstleistungslehre abgeleitet und die Rolle der Wirtschaftinformatik als Bindeglied verschiedener Themenkomplexe dargestellt. Damit das Wissen zu vermittelt werden kann, das im Rahmen einer Dienstleistungswissenschaft durch die Vernetzung einzelner Themenbereiche „gesammelt“ und durch eine zielorientierte Forschung „gewonnen“ wird, besteht der Bedarf dieses Wissen in Form einer Hochschuldisziplin zu verankern. Dazu werden die Gründe für die Einführung einer Dienstleistungswissenschaft und die mögliche Struktur einer Hochschulintegration untersucht.

Um konkrete Ansatzpunkte für die Dienstleistungsforschung und zielorientierte Methoden zu analysieren, werden im 4. Kapitel die kleinen und mittelständischen Unternehmen als die Zielgruppe für die weitere Forschung herangezogen. Die Internationalisierung der Märkte eröffnet für KMU ein breites Spektrum an Möglichkeiten sich am internationalen Dienstleistungshandel zu beteiligen. Folglich wird auch auf einige Gefahren hingewiesen, die durch eine Öffnung der Märkte bedingt sind und von der ausländischen Konkurrenz ausgehen können.

Um die deutsche Wettbewerbsposition auf den internationalen Märkten zu sichern, müssen die wichtigsten Vorteile des Dienstleistungsstandortes Deutschland einer Internationalisierungsstrategie eingebunden werden. Diese werden im 5. Kapitel identifiziert und im Zusammenhang mit einer Internationalisierungsstrategie behandelt.

Bei den Internationalisierungsbestrebungen deutscher Dienstleister kommt der Informations- und Kommunikationstechnologie ein starkes Gewicht zu. Für eine internationale Ausrichtung des Dienstleistungsangebotes via IKT (Informations- und Kommunikationstechnologien) ist jedoch ein Ansatz nötig, der die Anforderungen an eine IT-Nutzung abdecken kann. Als die geeigneten Mittel für die Entwicklung von Internationalisierungskonzepten via IKT werden im 6. Kapitel die Modularisierungs- und Standardisierungsinstrumente für Dienstleistungen herangezogen. Es werden anhand einiger Beispiele konkrete Einsatzmöglichkeiten betrachtet, um konkreten Nutzen für einen IT-Einsatz bei Dienstleistern zu zeigen.

Im 7. Kapitel werden verschiedene Formen von Kooperationen angeschaut, denn für einen internationalen Auftritt deutscher Dienstleister und vor allem für die kleinen Betriebe stellt die Kooperationsmöglichkeit eine bedeutende Form dar, um auf den internationalen Märkten gemeinsam Komplettlösungen anbieten zu können. In Rahmen einer Dienstleistungswissenschaft im Allgemeinen und der Dienstleistungsforschung im Besonderen ist die Einbindung verschiedenster Interessengruppen zu einem Kooperationsnetzwerk enorm wichtig und kann nur durch eindeutig festgelegte Verbindungsstrukturen gewährleistet werden.

Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein kurzer Ausblick gewagt .

2. Dienstleistungsbereich

Um in das „Service Science“ - Gebiet vordringen zu können, ist es wichtig vorerst zu klären, woraus der Dienstleistungsbereich besteht. Die Wichtigkeit des Dienstleistungssektors für eine Volkswirtschaft kann anhand der statistischen Daten dargestellt werden. Die Bruttowertschöpfung und die Anzahl der Beschäftigten können als verlässige Instrumente dazu genutzt werden, um die Vergleichbarkeit der Daten zu schaffen. Infolgedessen können einzelne Sektoren einer Volkswirtschaft oder die Volkswirtschaften unter sich verglichen werden. Die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors kann aber auch an einem Trend des Wandels von einer Industrie- zu Dienstleistungsgesellschaft bei fortgeschrittenen Volkswirtschaften festgestellt werden. Die Vielfältigkeit an Begriffen, Merkmalen und Charakteristika im Dienstleistungsbereich erschwert erheblich die Orientierung, aus diesem Grund besteht der Bedarf diese zu ordnen und zu strukturieren.

2.1 Der tertiäre Sektor

Die zunehmende Bedeutung von Dienstleistungen ist anhand der statistischen Daten nicht zu übersehen. Der Dienstleistungssektor hat sich in letzten Jahrzehnten zur einem der wichtigsten Wirtschaftsbereichen entwickelt. Heutzutage werden mehr als 72 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland im Dienstleistungsbereich erwirtschaftet [StBA09a] (eigene Berechnungen). Durch die Anzahl der Erwerbstätigen in diesem Bereich kann die Wichtigkeit dieses Sektors nur bestätigt werden. Es sind mittlerweile mehr als 72 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in diesem Bereich tätig [StBA09b]. Heutzutage wird die Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft nicht mehr mit Stahlerzeugung pro Kopf, sondern an Dienstleistungsintensität gemessen [Bruh09]. Dieser Trend kann nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen entwickelten Ländern festgelegt werden. Vorliegend sind in Kanada und in Australien durchschnittlich mehr als 70 Prozent der Beschäftigten im Dienstleistungssektor tätig [Bruh09]. Obwohl der Anteil des Dienstleistungssektors an Bruttowertschöpfung und die Anzahl der Erwerbstätigen in Deutschland sehr aussagekräftig sind, gehört Deutschland nicht zu der Spitzengruppe, sondern steht eher im Mittelfeld der führenden Industrienationen mit einem entwickelten Dienstleistungsbereich [Hal10], [SaGaKien09] In der Europäischen Union wird zum Beispiel durchschnittlich 70 Prozent der Bruttowertschöpfung im Dienstleistungssektor erwirtschaftet [Hal10] [Bruh09] [Bullinger et al.09] Die USA wird oft als ein Vorzeigebeispiel, als ein Land mit einem entwickelten Dienstleistungssektor herangezogen. Bereits im Jahre 1973 waren 60 Prozent der Erwerbstätigen in USA im Dienstleistungsbereich tätig [FähOp03]. Im Jahr 2001 waren es 78 Prozent der Arbeitskräfte, der Bruttowertschöpfungsanteil lag bei 75 Prozent [Bruh09]. In diesem Zusammenhang ist es wichtig auf eine Abgrenzungsproblematik hinzuweisen und einige Gründe dafür aufzulisten, um zu klären warum es im deutschen Dienstleistungssektor im Vergleich zu anderen entwickelten Industriestaaten einen beträchtlichen Rückstand gibt.

Erster wichtiger Grund ist die Industrieorientierung der Wirtschaft. Da die deutschen Industrieprodukte seit längerer Zeit durch hohe Qualität und Zuverlässigkeit sich an der Spitze des internationalen Handels positioniert haben, war deshalb auch die Orientierung der Wirtschaft an den Industriesektor am stärksten. Die Deregulierungswelle, die in Deutschland in den 90-er Jahren des 20. Jahrhunderts eintrat, setzte in den USA bereits seit den 70-er Jahren ein [FähOp03].

Ein weiterer Aspekt ist in der Dienstleistungsproduktion von Industrieunternehmen zu sehen. Statistisch gesehen werden diese Dienstleistungen dem Industriesektor zugerechnet [FähOp03]. Als Beispiel möge hier ein Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes dienen, das parallel zum Kerngeschäft auch Dienstleistungen produziert bzw. anbietet. Bei einer Verbuchung werden diese Dienstleistungen dementsprechend als ein „Produkt“ des verarbeitenden Gewerbes erfasst. Somit werden in diesem Unternehmen beschäftigte Dienstleister zu den Erwerbstätigen des Industriesektors gezählt [Hal10] [FähOp03] [Sti00]. Wenn man dagegen aber die Berufe der Erwerbstätigen als die Basis betrachtet, zeigt diese Einteilung, dass es bereits im Jahre 1996 rund 75 Prozent der Erwerbstätigen als Dienstleister in Deutschland tätig waren [Haisken et al. 96]. Bei dieser Rechnung werden dementsprechend mehr Dienstleister erfasst als wenn man die Klassifikation nach Wirtschaftszweigen vornimmt. Somit gehört Deutschland zu der Spitzengruppe und wird nur von den USA und den Niederlanden übertroffen [SchuWe00] [Sti00] [Haisken et al. 96]. Eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergab, dass es 74 Prozent der Beschäftigten in Westdeutschland und 76 Prozent in den USA im Jahr 1996 im Dienstleistungssektor tätig waren [Haisken et al. 96]. Dieses macht deutlich, dass Deutschland im Vergleich zu den anderen entwickelten Ländern mit starken Dienstleistungssektoren mithält und sich sogar an der Spitze positionieren kann. Daraus ist eine deutliche Schwäche des Dienstleistungssektors der neuen Bundesländer sichtbar [SchuWe00] [Sti00] [Haisken et al. 97] [Haisken et al. 96]. Die statistischen Zahlen müssen dementsprechend nicht unbedingt als eine Schwäche des tertiären Sektors interpretiert werden, weil ein überproportionales Verhältnis in der Stärke des Industriesektors seine Gründe haben kann [Hal10].

2.2 Die Drei-Sektoren-Modell

Nach der Drei-Sektoren-Theorie wird eine Volkswirtschaft in drei Wirtschaftsbereiche aufgeteilt. In folgender Tabelle (Tab.1) wird die Zusammensetzung der einzelnen Sektoren veranschaulicht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab.1: Drei Wirtschaftsbereiche (In Anlehnung an [Hal10] (S.1), [StBA08a] (S.73ff.).)

Besonders berühmt sind, im Zusammenhang mit der Einteilung einer Volkswirtschaft in die Wirtschaftssektoren, die Namen von drei Wissenschaftlern. Es sind: FISHER, CLARK und FOURASTIE [FähOp03].

Nach FISHER sind im primären Sektor solche Produkte vertreten, die zur Befriedigung von Grundbedürfnissen dienen. Der sekundäre Sektor ist vor allem durch industriell hergestellte Produkte vertreten. Zu dem tertiären Sektor gehören solche Produkte und Dienste, die nicht in primären und sekundären Sektoren vertreten sind. Es sind zum Beispiel Unterhaltungsprodukte oder -dienstleistungen wie Musik, Bücher oder Reisen [FähOp03].

CLARK geht einen Schritt weiter und listet einzelne wirtschaftliche Aktivitäten auf. So gehören zum primären Sektor die Land- und Forstwirtschaft. Zum Industriesektor zählen Metallerzeugung, Bergbau und Verkehrsgewerbe. Der tertiäre Sektor bleibt jedoch unscharf definiert und es gehören ihm nach CLARK alle restlichen wirtschaftlichen Aktivitäten an [FähOp03].

CLARK und FOURASTIE kommen bei ihren Untersuchungen zu den ähnlichen Ergebnissen. FOURASTIE wählt aber die Arbeitsproduktivität bzw. den technischen Fortschritt als einen Leitfaden und zählt die Wirtschaftsaktivitäten mit mittlerem Fortschritt dem primären Sektor zu. Aktivitäten mit einem hohen technischen Fortschritt werden dem Industriesektor zugerechnet. Der tertiäre Sektor zeichnet sich durch geringeren technischen Fortschritt aus [FähOp03].

Die Einteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten in die einzelnen Sektoren ist bei FOURASTIE und FISHER aber flexibel und kann im Zeitverlauf variiert werden. Das FOURASTIE-Model wird von WOLFE vervollständigt, indem er die, für die Abgrenzung des Fortschritts verantwortliche Faktoren um die Faktor-Kombinationen ergänzt. Des Weiteren ist im tertiären Sektor der Faktor Mensch für die Begrenzung verantwortlich [FähOp03].

Mit dem Aufbruch des Informationszeitalters und sich rasch entwickelnden Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT oder IT) wird vorgeschlagen das klassische Drei-Sektoren-Modell um einen Informationssektor, den quartären Sektor zu ergänzen [FähOp03] [Bod99].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zeitliche Entwicklung einer Volkswirtschaft (Eigene Darstellung.)

Nach der Sektoren-Theorie kann die Entwicklung einer Volkswirtschaft durch den Übergang von einem Sektor zu dem anderen festgehalten werden. Als die Erfassungsindikatoren mögen dazu die Bruttowertschöpfung und die Anzahl der Erwerbstätigen in einzelnen Sektoren dienen. Die zeitliche Entwicklung kann, wie in der Abbildung (Abb.1) gezeigt, dargestellt werden.

Die meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben sich zu den „postindustriellen“ Gesellschaften entwickelt, sodass der Wandel von der Produktorientierung hin zur Dienstleistungsorientierung vollzogen wurde [Mey08] [FähOp03]. Die postindustriellen Gesellschaften zeichnen sich zum Einen durch die dominante Rolle des Dienstleistungssektors aus, was aus der folgenden Tabelle (Tab. 2) entnommen werden kann:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 2: Erwerbstätige nach Wirtschaftsbereichen (in Prozent) (In Anlehnung an [StBA08b] (S.1).)

Zum Anderen kann eine Tendenz der Abnahme der Erwerbstätigen in primären und sekundären Sektoren und gleichzeitige Zunahme im tertiären Sektor beobachtet werden (Tab. 3) [ZaSta03].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 3: Erwerbstätige in Deutschland nach Wirtschaftsbereichen (in Prozent) (In Anlehnung an [StBA09a] (S.11), [StBA09c].)

Einige Prognosen gehen davon aus, dass dieser Trend des prozentualen Zuwachses von Erwerbstätigen und der Bruttowertschöpfung im Dienstleistungssektor bis zum Jahre 2020 einhalten wird [Hal10] [Her08]. Die Anteilsverringerung des Industriesektors wird bis 2020 bis auf 2 Prozent weltweit prognostiziert [Hal10].

Die Zukunftsrichtung, der in der Abbildung (Abb.1) dargestellten Entwicklung, wird durch die IKT vorgegeben. Wobei es schon seit einiger Zeit der Dienstleistungssektor sehr stark von IKT geprägt wird (z.B.: Internet, etc.), sodass bereits die Anzahl der Beschäftigten im quartären Sektor, deren Anzahl im tertiären Sektor übersteigt [Bod99]. Eine Abgrenzung zwischen dem tertiären und quartären Sektor ist schwierig vorzunehmen, weil der Faktor „Information“ bei der Einteilung in einzelne Wirtschaftsbereiche noch zu wenig bzw. zu allgemein erfasst wird. In meisten Literaturquellen wird die Einteilung einer Volkswirtschaft in einzelne Wirtschaftsbereiche anhand der Drei-Sektoren-Theorie vorgenommen [Hal10] [Bullinger et al.09] [Her08] [StBA08].

2.3 Der Wandel zu einer Dienstleistungsgesellschaft

Wie in Deutschland, so auch in den anderen hochentwickelten Ländern ist der Wandel zu einer Dienstleistungsgesellschaft seit langem keine Neuheit mehr [Sti00] [ReBu03]. Seit den 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts wird dem Dienstleistungssektor im Hinblick auf die Bruttowertschöpfung und im Anteil der Beschäftigten eine dominante Rolle zugeordnet [Her08]. Heutzutage ist der Dienstleistungssektor der größte und der am schnellsten wachsende Wirtschaftsbereich bei den entwickelten Ländern [BuWei09] [RaBil05]. Aus der Literatur lassen sich einige Gründe, bzw. Treiber für die Steigerung der Dienstleistungsnachfrage und dementsprechend auch des Dienstleistungsangebots in Deutschland ableiten [Hal10] (S. 4 ff.), [Satz08] (S. 189 ff.), [HeMeBö08] (S. 95 ff.), [Sti00] (S. 4), [Bod99] (S. 13).

- Die demografischen Entwicklungen und steigende Lebensstandards treiben die Nachfrage nach hochwertigen Dienstleistungen an. Diese Entwicklungen führen dazu, dass es immer mehr Menschen immer länger leben und ökonomisch gesehen, immer mehr und länger Dienstleistungen nachfragen. Der Anteil der Ausgaben von Haushalten für Dienstleistungen steigt im Zeitablauf an. Wenn solche industrielle Güter, wie zum Beispiel Auto, Möbel etc. vorhanden sind, bleibt mehr Geld für Unterhaltungs- und Freizeitaktivitäten übrig. Aufgrund der steigenden Lebensstandards und der hohen Kaufkraft von älterer Bevölkerung wird immer mehr Geld für Reisen, Gesundheitsleistungen, ebenso für Bildung ausgegeben. Die Pflegeleistungen tragen aber auch der Nachfrage nach Dienstleistungen bei.
- Solche gesellschaftliche Entwicklungen, wie die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen, treibt die Nachfrage nach „privaten“ Dienstleistungen rund ums Haus, d.h. die Arbeiten, die früher von Haushalten intern erledigt wurden, werden heutzutage vielmehr von externen Dienstleistern erbracht. Auch kürzere Arbeitszeiten veranlassen immer mehr Menschen dazu mehr Geld und Zeit in Dienstleistungen (z.B.: Tourismus, etc.) zu investieren.
- Die technologischen Entwicklungen tragen einerseits, durch Automatisierung und Produktivitätssteigerungen, zur Stellenabbau im sekundären Sektor bei. Auf der anderen Seite werden durch technologische Entwicklungen neue Dienstleistungsbranchen geschaffen und Prozessinnovationen in der Dienstleistungsproduktion durchgeführt. Durch neue Dienstleistungsbranchen (z.B.: Internet, Mobilfunk, etc.) werden wiederum neue Arbeitsstellen im tertiären Sektor geschaffen.
- Auch die Entwicklungen des Konsumentenverhaltens tragen zu der Erhöhung des Dienstleistungsangebotes bzw. der Dienstleistungsnachfrage bei. Die Konsumenten gewöhnen sich rasch an einen neuen Service (Dienstleistung) und erwarten dann auch das gleiche Maß an Qualität von anderen Dienstleistungsanbietern. Unter dem Konkurrenzdruck sehen sich somit viele Anbieter gezwungen, zumindest gleiches, aber tatsächlich höheres Maß an Service und Qualität anzubieten, um von der Konkurrenz nicht überholt zu werden.
- Das Outsourcing stellt einen weiteren Grund für die Steigerung der Dienstleistungsnachfrage dar. Der Wettbewerbsdruck treibt viele Unternehmen dazu, sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. So werden Unternehmensbereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören, an externe Dienstleister bzw. Dienstleistungsbetriebe übergeben. Als Beispiel kann an dieser Stelle die Buchhaltungs- oder die IT-Abteilung herangezogen werden. In diesem Zusammenhang ist auch die bereits erwähnte Umschichtung der Arbeitskräfte vom Industrie- zum Dienstleistungssektor zu berücksichtigen. So werden auch viele Abteilungen eines Mutterunternehmens ausgegliedert und in eigene neue Gesellschaften überführt. Insgesamt wird aber davon ausgegangen, dass die Übergänge der Erwerbstätigen von einem Sektor zu dem anderen kompensiert werden. Die Auslagerung von Betriebskapazitäten nach außen ist mit einem gewissen Risiko verbunden, sodass sich auch viele Unternehmen gezwungen sehen ein Risikomanagement im eigenen Hause zu betreiben.
- Die ökologischen Aspekte spielen bei der steigenden Dienstleistungsnachfrage auch nicht die letzte Rolle. So wird der Wandel zu einer Dienstleistungsgesellschaft, unter der Einbeziehung des ökologischen Aspekts, von einigen Teilen der Gesellschaft bejubelt. Die Produktion im Dienstleistungssektor wird als umweltfreundlicher bzw. „sauberer“ als die des Industriesektors angesehen. Die sich rasch entwickelnde IT-Branche dient oft als Basis dazu, um in diesem Zusammenhang über den Einsatz von Videokonferenzen statt Dienstreisen zu diskutieren. Wenn im nächsten Schritt der CO2-Ausstoß der Luftverkehrs- und der IT-Branche miteinander verglichen wird, kann die ökologische Vorteilhaftigkeit des Dienstleistungssektors nicht mehr standhalten.

Alle oben genannten Gründe bzw. ökonomische, gesellschaftliche und technologische Entwicklungen tragen diesem Wandel bei. Wobei als zentrale Gründe des Wandels zu einer Dienstleistungsgesellschaft die Produktivitätssteigerungen in primären und sekundären Sektoren genannt werden können. Die Steigerung der Produktivität durch technologische Entwicklungen erlaubt den gleichen bzw. höheren wirtschaftlichen Output bei gleichzeitig viel kleinerem Personaleinsatz zu erwirtschaften [Buhl et al.08].

2.4 Betriebswirtschaftliches Begriffsverständnis

Obwohl die Wissenschaft seit den 60-er Jahren die Dienstleistungen untersucht und insbesondere seit Anfang der 80-er Jahren die Betriebswirtschaftslehre sich intensiv mit dem Dienstleistungsumfeld beschäftigt, besteht nach wie vor der Bedarf an einer klaren Definitionsklärung und Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffes [BullSchre03] [ScheGriKle03]. Aus diesem Grund werden Dienstleistungen oft als „ Problemgüter “ [ReScha03] (S. 173) bezeichnet.

2.4.1 Begriffsabgrenzungen anhand der Merkmale

Von den Wissenschaftlern werden schwerpunktmäßig die Merkmale für die Abgrenzung des immateriellen Leistungsbegriffes von Sachgüter herangezogen und anhand dieser Merkmale eine Einteilung in Gruppen vorgenommen [BullSchre03].

Grob lassen sich die Definitionsansätze, aus betriebswirtschaftlicher Sicht in enumerative, negative, institutionelle und konstitutive Kategorien gliedern [Buhl et al.08] [ScheGriKle03].

- Die enumerative Definition zählt eine Reihe von Dienstleistungsbeispielen bzw. Dienstleistungsbranchen auf und charakterisiert auf der Basis dieser Aufzählung den Dienstleistungsbegriff. Diese Vorgehensweise ist im Besonderen aus einer Unternehmenssicht sinnvoll, weil dadurch die einzelnen Unternehmen grob zu Gruppen klassifiziert werden können. Eine Trennung in verschiedene Wirtschaftsbereiche bleibt jedoch sehr unscharf, denn eine vollständige Auflistung dieser Menge mit enormen Schwierigkeiten verbunden ist [Hal10] [Buhl et al.08] [BullSchre03] [FähOp03] [ScheGriKle03].
- Bei der Negativdefinition findet eine strenge Trennung der Dienstleistung von der Sachleistung statt. Alles was keine Sachleistung darstellt, wird den Dienstleistungen zugeordnet. Dieser Ansatz ist aber eher kritisch anzugehen, weil viele Dienstleistungen eine Kombination von Sach- und Dienstleistung darstellen. Nach dieser Abgrenzung werden immaterielle Güter zu vereinfacht beschrieben und mit Dienstleistungen gleichgesetzt. Ein immaterielles Gut kann in der Regel nicht nur eine Dienstleistung sein, sondern auch so etwas wie Informationen, Rechte, etc. Wegen dieser Abgrenzungsproblematik von Sach- und Dienstleistungen ist die Negativitätsdefinition für die klare Ableitung eines Dienstleistungsbegriffes eher ungeeignet [Hal10] [Buhl et al.08] [BullSchre03] [FähOp03] [ScheGriKle03].
- Die institutionelle Abgrenzung basiert auf der Annahme, dass die Dienstleistungsproduktion nur im tertiären Sektor stattfindet. Aufgrund dessen, dass die Dienstleistungen in primären und sekundären Sektoren produziert und angeboten werden können, stiftet diese Abgrenzung zur Begriffsklärung von Dienstleistungen einen unvollständigen Beitrag [ScheGriKle03].
- Der Ansatz, der anhand der konstruktiven Merkmalen den Dienstleistungsbegriff zu definieren versucht, ist aus der wissenschaftlichen Sicht das bestgeeignete Instrument für eine Abgrenzung. Bei diesem Ansatz wird ein Versuch unternommen die allgemeinen Merkmale herauszufiltern, die spezifisch für Dienstleistungen sind. Zu diesen Merkmalen können Immaterialität, Einbindung eines externen Faktors oder das sogenannte uno-actu - Prinzip (Produktion und Verbrauch einer Dienstleistung finden gleichzeitig statt) gezählt werden [Hal10] [Buhl et al.08] [BullSchre03] [FähOp03] [ScheGriKle03]. Die Problematik der Abgrenzung von Sachgüter und Dienstleistungen besteht zum Teil auch hier weiter, weil es die bereits erwähnten Mischungen aus Sach- und Dienstleistungen existieren [Hal10].

2.4.2 Begriffsabgrenzungen anhand der Dimensionen

Um die Begriffsbestimmung noch zu vervollkommnen, wird im nächsten Schritt noch zwischen den Dienstleistungsphasen bzw. -dimensionen unterschieden (Abb.2).

- Die potentialorientierten Dienstleistungsdefinitionen sind auf die Bereitstellung des Anbieters für die Leistungserbringung fokussiert. Das heißt der Anbieter sollte in der Lage sein die bereitstehende Ressourcen bzw. Potentialfaktoren zu kombinieren, um eine Dienstleistung tatsächlich erbringen zu können. Eine Dienstleistung kann dementsprechend als ein Leistungsversprechen des Anbieters gegenüber dem Nachfrager interpretiert werden. Die immaterielle Eigenschaft der Leistung steht dabei im Vordergrund. Die Dienstleistungen können aufgrund ihrer immateriellen Eigenschaft nicht gelagert oder auf Vorrat produziert werden. Die Tatsache, dass der Kunde vorerst nur die Leistungspotentiale und keine vorproduzierte Leistungen erwirbt, und dabei sich ein konkretes Ergebnis vorstellt, ist mit gewissem Kaufrisiko für ihn verbunden [Hal10] [Zar07] [ScheSchneZa05] [BullSchre03] [FähOp03] [ScheGriKle03].
- Bei den prozessorientierten Dienstleistungsdefinitionen steht der Kunde oder sein Objekt als ein externer Faktor im Mittelpunkt. Eine Dienstleistung kann in meisten Fällen nur durch die Einbeziehung des externen Faktors erbracht werden. Beispiele dafür sind ein Haarschnitt oder Reparatur eines Autos oder PCs. Die Einbeziehung eines externen Faktors ist eines der wichtigsten Unterscheidungskriterien zwischen Sachgüter und Dienstleistungen. Eine weitere spezifische Dienstleistungseigenschaft stellt das uno-actu - Prinzip dar. Die Produktion bzw. die Erbringung einer Dienstleistung findet demnach, gleichzeitig mit dem Verbrauch statt [Hal10] [BuWei09] [Zar07] [ScheSchneZa05] [BullSchre03] [FähOp03] [ScheGriKle03].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Dienstleistungsdimensionen (In Anlehnung an [Laq08] (S.4), [MeyHus08] (S.12), [BullSchre03] (S.55), [ScheGriKle03] (S.25).)

- Die ergebnisorientierten Dienstleistungsdefinitionen sind auf das Endergebnis (Output) des Dienstleistungsprozesses und auf konkrete Wirkungen bei den Kunden fokussiert. Das Ergebnis des Dienstleistungsprozesses ist, wie auch das Dienstleistungsangebot, durch einen immateriellen Charakter gekennzeichnet [BullSchre03] [ScheGriKle03] [FähOp03].

2.4.3 Dienstleistungsdefinitionen

Somit steht man vor der Aufgabe die aufgelisteten Dienstleistungsmerkmale und -Dimensionen in einer Definition zu verbinden. Um die Definitionsvielfalt und unterschiedliche Sichtweisen von Autoren rund um Dienstleistungsbegriff besser beschreiben zu können, wird mit Absicht darauf verzichtet nur eine Dienstleistungsdefinition darzustellen. Die folgenden, oft zitierten Definitionen versuchen die oben gestellte Aufgabe zu lösen, also die einzelnen Dienstleistungskomponenten in einer Definition zu verbinden.

Definition nach MEYER:

„ Die Absatzobjekte von Dienstleistungsanbietern sind Leistungsfähigkeiten von Menschen oder Objektsystemen, insbesondere Maschinen, die auf der Basis gegebener interner Faktoren direkt am Menschen oder deren Objekten (externe Faktoren) mit dem Ziel erbracht werden, an ihnen gewollte Veränderungen zu bewirken oder gewollte Zustände zu erhalten.“ [Hal10] (S.10)

Definition nach DONABEDIAN:

„Objekte können […] dem Servicebereich zugerechnet werden, wenn Fähigkeiten von Dienstleistungsanbietern und –nachfragern (Potentialorientierung) im Rahmen von Interaktionsprozessen (Prozessorientierung) zur Realisierung von Wirkungen am Dienstleistungsnachfragern bzw. an dessen Verfügungsobjekten eingesetzt werden.“ [BullSchre03] (S.54)

Definition nach BACKHAUS et al.:

„ Dienstleistungen sind immaterielle, selbstständige, marktfähige Leistungen, die mit dem Einsatz von Fähigkeiten verbunden sind (Potentialorientierung) und bei deren Erstellungsprozess interne sowie externe Faktoren mit dem Ziel kombiniert werden (Prozessorientierung), bei Kunden nutzenstiftende Wirkungen zu erzielen (Ergebnisorientierung).“ [Laq08] (S.4)

Definition von SATZER nach MEFFERT/ ENGELHARDT:

„Eine auf Engelhardt bzw. Meffert zurückgehende weit verbreitete Definition spezifiziert Dienstleistungen als einen unscharfen Bereich eines Leistungskontinuums entlang der Dimensionen der Immaterialität und der Eibeziehung des externen Faktors, letztere weiter unterteilt in die Dimensionen der Interaktionsgrades und des Individualisierungsgrades. Eine Leistung ist also umso mehr als Dienstleistung anzusehen, je höher die immateriellen Anteile sind, je mehr Interaktion mit dem Kunden im Leistungserstellungsprozess stattfindet und je individueller die Lösungen für den Kunden gestaltet werden.“ [Satz08] (S.189)

Obwohl die dargestellten Definitionen verhältnismäßig gut die oben dargestellten Merkmale und Dimensionen abdecken, besteht jedoch nach wie vor der Bedarf an eine allgemeinanerkannte und allgemeingültige Dienstleistungsdefinition. Ein ähnliches Bild ergibt sich auch bei der Betrachtung des IT-orientierten Dienstleistungsbegriffes, worauf im Folgenden kernig eingegangen wird.

2.5 IT-orientiertes Begriffsverständnis

Bei einer Abgrenzung des technologieorientierten bzw. IT-orientierten Dienstleistungsbegriffes werden andere konstruktive Merkmale berücksichtigt, als bei dem betriebswirtschaftlich orientierten Dienstleistungsbegriff.

Unter einer Dienstleistung bei dem IT-orientierten Begriffsverständnis ist „ ein softwaretechnisch realisiertes Artefakt zum Anbieten einer Funktionalität “ [Buhl et al. 08] (S. 62) zu verstehen. Des Weiteren werden zur Charakterisierung des Dienstleistungsbegriffes von BUHL ET AL. [Buhl et al. 08] in Anlehnung an PAPAZOGLOU [Pap03] und PAPAZOGLOU ET AL. [Papazoglou et al. 06] folgende Merkmale herangezogen:

- Selbstbeschreibend : Eine Annotation der Metadaten erlaubt einem Dienst beschreibende Aspekte zuzuweisen. Dies ermöglicht, ohne weitergehenden Datensuchen, zu identifizieren um welche Parametern und welchen Datentyp es sich bei einem Dienst handelt. Bei einem Webservice kann eine standardisierte Schnittstellenbeschreibung den Ausgangspunkt für automatisierte Kommunikation darstellen.
- Plattformunabhängig: Einem Dienst liegt die Unabhängigkeit von Hardware- und Softwareumgebung zugrunde.
- Komponierbar: Einzelne Komponenten und Anwendungen können zusammengesetzt werden.
- Standard-basiert: Standardisierte Sprachen und Protokolle bieten eine Möglichkeit für die einheitliche Verwendung von Funktionalitäten an.
- Lose Kopplung: Bedarfsorientierte dynamische Anbindung von Service wird durch lose Kopplung mittels bekanten Aufrufmechanismen ermöglicht.
- Ortstransparenz : Die Ortstransparenz ermöglicht dem Servicenachfrager unabhängig vom Standort des Serviceanbieters ein Service zu finden und diesen aufzurufen.

Auf den ersten Blick scheint es nicht kompliziert zu sein so eine Begrifflichkeit zu beschreiben bzw. zu definieren, wie eine Dienstleistung, sei es im betriebswirtschaftlichen oder IT-orientierten Sinne. Bei einer näheren Betrachtung stößt man auf eine beträchtliche Vielfalt von Dimensionen, Eigenschaften und Begriffen des Wesens „Dienstleistung“. Diese Aussage konnte durch bereits dargestellte Dienstleistungsmerkmale und -dimensionen sowie durch verschiedene Dienstleistungsdefinitionen belegt werden.

3. Service Science – Betrachtungsfeld einer Dienstleistungswissenschaft

Die Einführung des Begriffes Service Science im Jahre 2002 wird IBM zugesprochen [Her08]. In letzter Zeit wird zu dem Terminus Service Science auch Service Science Management and Engineering (SSME) synonym verwendet [BuWei09] [Buhl et al.08] [Her08] [Satz08].

Derzeit existiert keine breit anerkannte oder oft zitierte Definition dieses Begriffes [Buhl et al.08]. Aus den bestehenden Definitionsansätzen werden vielmehr die Zielsetzungen, sowie Forschungsthemen bzw. -aufgaben und Charakteristika für Service Science als Disziplin abgeleitet [Buhl et al.08] [Her08].

Die Wichtigkeit von Dienstleistungen und deren Erforschung ist seit einigen Jahren bei weiten Kreisen der Gesellschaft und vor allem in der Wissenschaft angekommen, was durch zahlreiche, in der Literatur beschriebene Forschungsprojekte belegt werden kann [SaGaKien09] (S. 2-3), [Seeg09] (S. 16 ff.), [FähHus08] (S. 1), [HeiStri08] (S.87), [FähOp03] (S. 88 ff.), [BullSti00] (S. V), [Sti00] (S. 1).

Die Dienstleistungsforschung wird seit 1994 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Obwohl im Rahmen von aktuellen Forschungsprojekten inzwischen einige Bereiche erforscht wurden, steht die Dienstleistungsforschung allgemein noch in ihren Anfängen [Buhl et al.08] [FähOp03]. Dazu wird aus den wissenschaftlichen Kreisen noch Kritik verübt, dass die Dienstleistungsforschung, in Bezug auf das Ausmaß des Forschungsgebiets, noch zu wenig gefördert wird [Bien09] [SaGaKien09].

3.1 Terminologische Abgrenzungen

Als Ausgangspunkt für die weitere Betrachtung kann folgende Zielsetzung herangezogen werden. Das Ziel ist:

die Entwicklung innovativer Services durch geeignete Methoden und formale Modelle zu unterstützen und das Management von Service zu verbessern “ [Buhl et al.08] (S.60).

Zu der oben dargestellten Zielsetzung kommt noch die Dringlichkeit solche Probleme zu lösen, die die Dienstleistungen durch ihre spezifische Eigenschaften wie Immaterialität, Gleichzeitigkeit („uno-actu“-Prinzip) und Heterogenität mit sich bringen. Des Weiteren ist es auch erforderlich die Rahmenbedingungen zu erforschen bzw. zu schaffen, um das Entwickeln von Innovationen auf der systematischen Ebene zu ermöglichen [Her08]. Von einigen Autoren wird die systematische Planung des Dienstleistungsangebotes im Rahmen einer (Dienstleistungs-) „Kunst/Wissenschaft“ gefördert, weil diese Planung bzw. das „Engineering“ von Dienstleistungen bislang in der Wissenschaft und Praxis weitgehend vernachlässigt wurde [BullSchre03] [FähOp03].

Eine der wichtigsten Anforderungen, die an eine Dienstleistungswissenschaft gestellt werden, liegt in unmittelbarer Anwendung von Forschungsergebnissen [Buhl et al.08]. Um dieser Anforderung gerecht zu werden, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Unternehmen und Forschungseinrichtungen erforderlich. Eine weitere wichtige Anforderung liegt in der Überwindung großer Interdisziplinarität im Rahmen einer Dienstleistungswissenschaft vor [Buhl et al.08].

Die obengenannten Anforderungen werden im nächsten Schritt zu einer Definition zusammengefasst:

Bei Service Science handelt es sich also um eine eigenständige Disziplin, die systematisch verschiedene spezifische Dienstleistungsmerkmale (Immaterialität, Gleichzeitigkeit etc.) bzw. Dienstleistungsgebiete (produktbegleitende Dienstleistungen, Dienstleistungsmarketing, Dienstleistungsentwicklung, Dienstleistungsgestaltung, etc.) und Dienstleistungsproblemfelder („ad-hoc“-Entwicklung, unzureichende Dienstleistungsstrategie, etc.) erforscht und an das Lehrangebot einbindet. Der Schwerpunkt wird dabei einerseits auf die Entwicklung innovativer Methoden, Modellen und deren praktische Umsetzung durch enge Zusammenarbeit von Unternehmen, Lehr- und Forschungseinrichtungen gelegt und andererseits ist auch eine intelligente Einbindung und Vernetzung verschiedener beteiligten Disziplinen (BWL, VWL, Informatik, etc.) und Forschungsinhalte (Software-Service-Co-Design, hybride Wertschöpfung, Dienstleistungsinnovationen, etc.) zu berücksichtigen, um dienstleistungsspezifisches Wissen zusammenzuführen. Das Ziel ist dabei das Dienstleistungsmanagement und Nachwuchskräfte auszubessern, um mit zunehmenden technologischen (ITK, etc.), internationalen (Globalisierung, Internationalisierung, etc.) und anderen Marktentwicklungen im Dienstleistungsbereich gerecht zu werden.

3.2 Industrielle Dienstleistungen

Die Wichtigkeit der Dienstleistungsforschung für die Unternehmen des tertiären Sektors kann durch die Zugehörigkeit von Dienstleistungen zum Kerngeschäft dieser Gruppe nur bekräftigt werden. Die effektive und effiziente Gestaltung von Dienstleistungen kann somit hier als notwendig angesehen werden. Ein breites Interesse ist auch von der Seite der industriellen Unternehmen zu beobachten und nicht zuletzt, weil industrielle Dienstleistungen einen bedeutenden Zweig der deutschen Wirtschaft darstellen [Bruh09].

3.2.1 Treiber für die Erweiterungen des Angebots um Dienstleistungen

Die Austauschbarkeit der einzelnen Sachgüter untereinander treibt viele industrielle Unternehmen dazu, das reine Sachleistungsangebot um produktbegleitende Dienstleistungen zu erweitern [StuBad08]. Zum Einen können produktbegleitende Dienstleistungen einem Unternehmen verhelfen, durch breite Leistungspalette und hohe Leistungsqualität, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen. Zum Anderen stellen die Dienstleistungen ein sehr vielversprechendes Geschäftsfeld dar, wo hohe Einnahmen erwirtschaftet werden können [HeMeBö08] [Wob08]. Als Beispiel können hier die Anschaffungskosten einer Maschine herangezogen werden. Die Anschaffungskosten stellen im Vergleich zu den über den gesamten Lebenszyklus anfallenden Kosten nur etwa 10 Prozent der Gesamtkosten dar. Dem zur Folge werden die restlichen 90 Prozent durch produktbegleitende Dienstleistungen erwirtschaftet [Seeg09] [KaeKaMat04]. Ein weiteres Beispiel stellen die Hersteller von Nutzfahrzeugen dar, die mit einem Neuverkauf nur wenig an Gewinn erzielen, sodass die Herstellungskosten in einigen Fällen sogar den erzielten Umsatz übersteigen. Die Gewinne werden dabei überwiegend erst durch produktbegleitende Dienstleistungen nach dem Verkauf (After-Sales-Services) erzielt [BaMoSfa06].

3.2.2 Problemfelder im Dienstleistungsbereich

Die Einführung bzw. das Anbieten von produktbegleitenden Dienstleistungen ist mit erheblichen Schwierigkeiten für industrielle Unternehmen verbunden. SEEGY identifiziert und fasst folgende Problemfelder aus einer Reihe von Literatur zusammen:

„- Fehlende Dienstleistungsstrategie,
- Unklare Verantwortlichkeiten
- Fehlende Dienstleistungsmentalität bzw. -kultur,
- Unpassendes Führungsverhalten,
- Unzureichendes Wissen über Kundenwünsche und -bedarfe,
- Unsystematische Vorgehensweise und unzureichende Integration der Kunden bei der
Dienstleistungsentwicklung,
- Unzureichende Abstimmung zwischen Produkt- und Dienstleistungsentwicklung,
- Unzureichende Vermarktung und Kommerzialisierung der Dienstleistungen,
- Unübersichtliches und zu umfangreiches Dienstleistungsangebot,
- Unzureichende Kundenorientierung des Dienstleistungsangebots,
- Schlechte Darstellung des Nutzenpotentials für den Kunden,
- Fehlendes oder unsystematisches Dienstleistungscontrolling bzw. unzureichende
Kosten- und Leistungstransparenz,
- Fehlendes oder schlecht auf die Bedarfe des Dienstleistungsgeschäfts hin

Qualifiziertes Personal“ [Seeg09] (S.6).

Die bislang bei vielen Unternehmen praktizierte ad-hoc - Entwicklung (zu diesem) von Dienstleistungen führte in vielen Fällen dazu, dass relevante Erfolgsfaktoren entweder zu spät oder gar nicht berücksichtigt wurden. Zu solchen Faktoren gehören Anforderungen an Mitarbeiter, Kundenbedürfnisse und -erwartungen, Markt- und Umweltwirkungen. Das Ausmaß der Fehlinvestitionen wegen Nichtberücksichtigung von relevanten Faktoren kann erst nach der Einführung dieser Leistungen auf dem Markt betrachtet werden. Die Beseitigung der Probleme bei bereits eingeführten Dienstleistungen ist in meisten Fällen kosten- und zeitaufwändiger als eine neue Markteinführung [Hal10] [Her08] [MeyBoHus08] [BeHol03].

Diese Betrachtung deutet darauf hin, dass die Entwicklung von Dienstleistungen bei industriellen Unternehmen bisher eher als ein untergeordnetes Geschäft vollzogen wurde, sodass die Durchführung ohne systematisches und methodengestütztes Vorgehen erfolgte [FähOp03]. Dies zeigt wiederum, dass ein großer Forschungsbedarf bei industriellen Dienstleistungen vorhanden ist [Seeg09].

Aus den aufgelisteten Problemfeldern kann ein großer Forschungsbedarf im Dienstleistungsbereich abgeleitet werden.

3.2.3 Hybride Wertschöpfung

Die bisher eher wenigen von insgesamt einer Großanzahl, aufgelisteten Problemfelder bei Unternehmen im Dienstleistungsbereich machen jedoch das Ausmaß des Forschungsdefizits deutlich. Im Folgenden werden noch einige weitere Forschungslücken identifiziert und daraus Forschungsanforderungen abgeleitet. Viele Problemfelder, die bei den industriellen bzw. produktbegleitenden Dienstleistungen entstehen, werden im Rahmen hybrider Wertschöpfung behandelt. Hybride Wertschöpfung stellt einen sehr umfangreichen Bereich von Service Science dar und wird im Rahmen dieser Arbeit nur am Rande tangiert.

Die hybriden Produkte stehen im Mittelpunkt einer hybriden Wertschöpfung dar. Eine dominante Bezeichnung hybrider Produkte hat sich zurzeit noch nicht durchsetzen können. [StuBad08] Im Allgemeinen werden bei hybriden Produkten Sach- und Dienstleistungen in einem Bündel zum Kauf angeboten. Zu der Abgrenzung der hybriden Produkte kann die materielle bzw. immaterielle Eigenschaft herangezogen werden. Dem zur Folge sind hybride Produkte:

[...]


[1] Quelle: Statistisches Bundesamt [StBA09a] (S.11) , eigene Berechnungen für das Jahr 2009.

Excerpt out of 84 pages

Details

Title
Analyse des Gebiets Service Science und deren Bedeutung für KMU
College
University of Siegen
Grade
2,0
Author
Year
2010
Pages
84
Catalog Number
V154163
ISBN (eBook)
9783640669851
ISBN (Book)
9783640669592
File size
816 KB
Language
German
Keywords
Service Science, Der tertiäre Sektor, Drei-Sektoren-Modell, Betriebswirtschaftliches Begriffsverständnis, Dienstleistungsdefinitionen, IT-orientiertes Begriffsverständnis, Industrielle Dienstleistungen, Hybride Wertschöpfung, Anforderungen an Dienstleistungsforschung und -lehre, Die Rolle der Wirtschaftsinformatik, Interdisziplinarität im Dienstleistungsbereich, Service Science aus der Hochschulperspektive, KMU und Handwerk, Vorteile des Dienstleistungsstandortes Deutschland, Das Marktzeichen „Services made in Germany“, Standardisierung von Dienstleistungen, Modularisierung von Dienstleistungen, Netzwerkstruktur, 12 Abbildungen, 7 Tabellen, 85 Seiten, Über 100 Literaturquellen
Quote paper
Roman Schäfer (Author), 2010, Analyse des Gebiets Service Science und deren Bedeutung für KMU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154163

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