Innerhalb der fiktionalen Literatur nimmt der historische Roman eine Sonderstellung ein, da er Realität in Fiktion verwandelt. Eine wahre Darstellung der Geschichte kann es in der Literatur nicht geben, allerdings arbeitet bzw. spielt der historische Roman mit seiner (Un-)Möglichkeit der Realitätsdarstellung. Der postmoderne Geschichtsroman setzt ein entsprechend vorgebildetes Publikum voraus und muss seine Illusionen nicht mehr offen erklären.
Dem postmodernen Geschichtsroman eröffnen sich dadurch viele Möglichkeiten: Er kann selbst eine neue Illusion erzeugen, die Kluft zwischen Illusion und Fiktion weiter thematisieren oder sich neuen Themen zuwenden. Für den Schriftsteller ergibt sich zudem eine größere Freiheit des Erzählens. Unter dem Mantel des historischen Schreibens öffnet sich ein neuer Raum für Schreibexperimente, aber genauso für eine Rückkehr zu klassischen Erzählverfahren. Mittels der Aktualisierung des Genres des Historischen Romans kommt es also zu einer (Wieder-)Aufwertung des Erzählens. Der postmoderne Diskurs ist nicht an sein Ende gelangt, sondern wird in der Narration fortgeführt. Das Wissen über das Ende des Erzählens wird in eine neue Erzählung verpackt.
„Erzählen, das bedeutet einen Bogen spannen, wo zunächst keiner ist [...]“ . Dieser Bogen, der äußere erzählerische Rahmen, sei notwendig um vom Chaos in der Welt überhaupt schreiben zu können. In einer fragmentierten Welt erlangt hier das Erzählen eine neue identitäts- und sinnstiftende Funktion. Die Vermessung der Welt ist zwar ein Roman über die Unmöglichkeit einer vollständigen wissenschaftlichen Erfassung der Welt, zugleich aber auch über die Möglichkeiten des menschlichen Wissensdurstes und sein unermüdliches Bestreben Geschichten, seien sie nun historisch, wissenschaftlich oder literarisch, aus dem Chaos zu generieren.
Der Autor selbst verwahrt sich gegen die Kategorisierung historischer Roman und spricht stattdessen vom „Gegenwartsroman, der in der Vergangenheit spielt“. Die Kriterien des historischen Romans sind formal erfüllt, tatsächlich ist Die Vermessung der Welt aber auf zwei Ebenen lesbar: Als unterhaltsame Doppelbiographie und als anspruchsvolles, möglicherweise postmodernes Werk über die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart, die Unmöglichkeit einer Vermessung der Welt und die Notwendigkeit des Erzählens. Das historische Schreiben wird besonders durch zwei Strategien ergänzt und reflektiert: Ironie und den lateinamerikanischen magischen Realismus.
Inhaltsverzeichnis
- 1.1 Einleitung
- 1.2 Der postmoderne Geschichtsroman - Einführung
- 2 Ironie und Spiel – Jene sehr ernsten Scherze
- 3 Metafiktionalität
- 4 Intertextualität
- 5 Die Sonderstellung des magischen Realismus
- 6 Die Vermessung der Welt als zentrales Thema des Romans
- 7 Schlussteil
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Besonderheiten des historischen Schreibens bei Daniel Kehlmann, insbesondere in seinem Roman „Die Vermessung der Welt“. Sie analysiert, inwiefern der Roman als postmodern und zugleich als historischer Roman klassifiziert werden kann, und beleuchtet die Rolle des magischen Realismus im Werk. Die Arbeit zielt darauf ab, die spezifischen Schreibweisen Kehlmanns zu ergründen und deren Bedeutung im Kontext der Postmoderne zu interpretieren.
- Der postmoderne Geschichtsroman und seine Kriterien
- Die Rolle des magischen Realismus in Kehlmanns Werk
- Ironie und Spiel als narrative Strategien
- Metafiktionalität und Intertextualität im Roman
- Die Verbindung von Geschichte und Gegenwartsliteratur
Zusammenfassung der Kapitel
1.1 Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die zentrale Frage nach der Einordnung von Kehlmanns „Die Vermessung der Welt“ als historischer Roman im Kontext der Postmoderne. Sie verweist auf Kehlmanns eigene Aussagen über sein Schreiben und die Ambivalenz seines Romans, der einerseits historische Stoffe verwendet, andererseits aber auch Elemente des magischen Realismus enthält. Die Arbeit kündigt die Analyse der Sonderstellung des magischen Realismus sowie die Auseinandersetzung mit der Postmodernität des Romans an. Der Fokus liegt auf der Untersuchung der spezifischen Schreibweise Kehlmanns und der Verbindung von historischem Stoff und postmodernen Erzähltechniken.
1.2 Der postmoderne Geschichtsroman - Einführung: Dieses Kapitel erörtert die Entwicklungsstufen des historischen Romans – vom traditionellen, realistischen über den modernen bis hin zum postmodernen. Es beleuchtet das Problem der authentischen Geschichtsdarstellung in der Literatur und hebt die Fiktionalität des historischen Romans hervor. Der Fokus liegt auf dem postmodernen Geschichtsroman und seinen Möglichkeiten: Er bricht mit der Illusion von Geschichtswahrheit, setzt ein vorgebildetes Publikum voraus und nutzt die Geschichte als Inspirationsquelle für neue Erzählungen, was zu größerer erzählerischer Freiheit führt. Der postmodernen Roman wird als Fortführung der Erzählkunst betrachtet, die das Wissen um das Ende des Erzählens in neue Narrative integriert.
Schlüsselwörter
Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Historischer Roman, Postmoderne, Magischer Realismus, Metafiktionalität, Intertextualität, Ironie, Spiel, Geschichtsdarstellung, Erzähltechnik.
Häufig gestellte Fragen zu „Die Vermessung der Welt“ von Daniel Kehlmann
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert Daniel Kehlmanns Roman „Die Vermessung der Welt“ unter dem Aspekt des postmodernen historischen Romans. Sie untersucht, wie der Roman historische Stoffe verwendet und gleichzeitig Elemente des magischen Realismus integriert. Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse der spezifischen Schreibweisen Kehlmanns und deren Bedeutung im Kontext der Postmoderne.
Welche Themen werden im Roman behandelt und in der Arbeit untersucht?
Die Arbeit konzentriert sich auf die folgenden Themen: den postmodernen Geschichtsroman und seine Kriterien, die Rolle des magischen Realismus in Kehlmanns Werk, Ironie und Spiel als narrative Strategien, Metafiktionalität und Intertextualität im Roman sowie die Verbindung von Geschichte und Gegenwartsliteratur.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in ihnen?
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung (1.1), die die Forschungsfrage und den methodischen Ansatz beschreibt. Kapitel 1.2 führt in den postmodernen Geschichtsroman ein und differenziert ihn von traditionellen Formen. Weitere Kapitel befassen sich mit Ironie und Spiel, Metafiktionalität, Intertextualität, der Sonderstellung des magischen Realismus und schließlich der „Vermessung der Welt“ als zentrales Thema. Ein Schlussteil fasst die Ergebnisse zusammen.
Wie wird der Roman „Die Vermessung der Welt“ in dieser Arbeit eingeordnet?
Die Arbeit untersucht, inwiefern „Die Vermessung der Welt“ als postmodern und zugleich als historischer Roman klassifiziert werden kann. Sie analysiert die Ambivalenz des Romans, der historische Stoffe mit Elementen des magischen Realismus verbindet, und interpretiert die spezifischen Schreibweisen Kehlmanns im Kontext der Postmoderne.
Welche Rolle spielt der magische Realismus im Roman?
Die Arbeit analysiert die Sonderstellung des magischen Realismus in Kehlmanns Werk und untersucht, wie dieser zur Erzählweise und der Gesamtinterpretation des Romans beiträgt. Es wird untersucht, wie der magische Realismus die Grenze zwischen Fiktion und Realität verwischt und die erzählerische Freiheit erweitert.
Welche Schlüsselbegriffe sind für das Verständnis der Arbeit relevant?
Die wichtigsten Schlüsselbegriffe sind: Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt, Historischer Roman, Postmoderne, Magischer Realismus, Metafiktionalität, Intertextualität, Ironie, Spiel, Geschichtsdarstellung, Erzähltechnik.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, die spezifischen Schreibweisen Kehlmanns in „Die Vermessung der Welt“ zu ergründen und deren Bedeutung im Kontext der Postmoderne zu interpretieren. Sie möchte die Besonderheiten des historischen Schreibens bei Kehlmann aufzeigen und die Einordnung des Romans in den Kanon des postmodernen historischen Romans ermöglichen.
- Citar trabajo
- Sarah Schmidt (Autor), 2008, Von der Rückkehr des Erzählens - Der historische Roman bei Daniel Kehlmann (am Beispiel von: "Die Vermessung der Welt") und die Postmoderne, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154543