Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I. Massenmedien als Indikator demokratischer Konsolidierung
II. Literaturbericht
III. Die Ukraine nach der Orangen Revolution – Analyse des Status quo
III.1. Zur Problematik von Länderrankings
III.2. Die ukrainische Demokratie in Zahlen und Trends
III.3. Auswertung der Länderrankings
IV. Die Massenmedien in der Gesellschaft
IV.1. Verfassungsrechtliche Grundlagen
IV.2.1. Das Gesetz „Über Information“ und seine Folgen
IV.2.2. Die Lizenzierung als Mittel der Zugangsbeschränkung
IV.2.3.Gesetzliche Regelungen zu den Eigentumsverhältnissen bei Medien
IV.2.4. Bestimmungen zur Werbefinanzierung
IV.4. Die Rolle der Oligarchen im ukrainischen Mediensystem
IV.5. Öffentlich-Rechtliches vs. Staatliches Medienkonzept
V. Zum Zustand des ukrainischen Mediensystems
VI. Die Ukraine nach der Orangen Revolution – Ausblick in eine ungewisse Zukunft
VII. Literaturverzeichnis
I. Massenmedien als Indikator demokratischer Konsolidierung
Im vielschichtigen Gefüge von Staatsgewalt und Zivilgesellschaft nehmen die Massenmedien eine ganz besondere Stellung ein zu. Diese Tatsache ergibt sich aus der Vielzahl der Überschneidungspunkte, welche beide Komplexe miteinander aufweisen. Zur Schnittmenge gehören etwa die der Legislative obliegende Pflicht bzw. das Recht zur Ausgestaltung der Rahmengesetzgebung in Bezug auf das Medienrecht, oder auch das Auftreten des Staates im Hinblick auf das Unternehmensrecht. Renè Marcic weist in dem bereits 1957 erschienenen Standardwerk „Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat“ auf die zweite, wichtige Dimension dieser Beziehung hin. Der basalen Rolle nämlich, welche die Medien in einer demokratischen Gesellschaft zum Funktionieren derselben, übernehmen müssen.[1] Dabei reichen die konkreten Aufgaben von einer Bildungsfunktion bis zur Kontrolle und Kritik der in der Gesellschaft tätigen Akteure.[2] Alleinstellungsmerkmale der Medienkonzeption im demokratischen System sind hierbei die Möglichkeit zur quasi unzensierten Artikulation, sowie die nachhaltige Kritik- und Kontrollfunktion. Dadurch unterscheidet sich ein derart charakterisiertes mediales System letztlich nur durch die fehlende starke Kontrolle bei der Weitergabe von Informationen von dem in autoritären Staaten geprägten Bild der Medien als „Transmissionsriemen“.[3]
Gerade in den osteuropäischen Transformationsstaaten, die auf ihrem Weg in Richtung konsolidierte Demokratie oftmals mit vielfältigen Problemen zeitgleich zu kämpfen hatten und zum Teil bis heute haben, ist ein funktionierendes Mediensystem besonders wichtig. Das Dilemma der Gleichzeitigkeit kann in all seinen Facetten vom Einzelnen nur erfasst und die Gesamtheit der Gesellschaftsmitglieder kann diesen Konfliktfeldern ausschließlich dann in richtiger Art und Weise begegnen, wenn die Medien eine tatsächliche 4. Gewalt im Staat repräsentieren und damit aktiv am politischen Geschehen teilnehmen.
Die reziproke Idee einer Analyse ebendieses Transformationsprozesses unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung auf dem massenmedialen Sektor wurde erstmals in einer Studie von Barbara Thomaß und Michael Tzankoff mit dem Titel „Medienentwicklung und gesellschaftlicher Wandel in Osteuropa“ näher beleuchtet.[4] Da diese Studie jedoch bereits 2003 veröffentlicht wurde, blieben die entscheidenden Entwicklungen, die sich auf diesem Feld in der Ukraine nach der Orange Revolution im Jahr 2004 vollzogen haben, gezwungenermaßen außen vor. In dem Zusammenhang ist auf die besondere Position hinzuweisen, die die Ukraine unter den osteuropäischen Transformationsstaaten einnimmt. Nach dem Zusammenbruch der UDSSR und einer beinahe nahtlos anschließenden Phase autoritärer Herrschaft unter dem Kutscha-Regime konnte das Land seine zuvor attestierte, günstige Ausgangslage in punkto Konsolidierung der Demokratie nicht halten.[5] In der unter Repressionen leidenden Zivilbevölkerung wuchs der Ärger über den autoritären Führungsstil der politischen Eliten und kulminierte schließlich in den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen des Jahres 2004. Die Wechselseitigkeit im Medien-Staat-Verhältnis wird unter anderem aus einer der Hauptforderungen der Demonstranten der auch unter der Bezeichnung „Medienrevolution“ bekannten Ereignisse des Jahres 2004 ersichtlich, welche die Umsetzung der Meinungs- und Pressefreiheit betraf.[6]
Doch wie tief greifend waren die durch die Orange Revolution angestoßenen Entwicklungen in punkto Demokratisierung –gerade auf dem so charakteristischen Feld der Medienfreiheit- tatsächlich? Welche Faktoren sind es, die den nachhaltigen turn-around nach der Phase der quasi-autoritären Herrschaft des Kutscha-Regimes zu verzögern bzw. vollständig zu blockieren drohen?[7] Diese Fragen sollen im Folgenden unter dem Gesichtspunkt der für eine funktionsfähige Demokratie essentiellen Einbettung der „4. Gewalt“ in Staat und Gesellschaft betrachtet werden.
Dabei vertritt der Autor die These, dass das Zusammenwirken aus politischem Reformunwillen bezüglich des staatlichen Rundfunks einerseits und die breite Machtbasis der Oligarchen andererseits in Verbindung mit Lücken in der Gesetzgebung zum Medien- und Unternehmensrecht einen Abschluss der demokratischen Konsolidierung im Land nachhaltig untergraben hat.
Die anschließende Arbeit lässt sich in vier Abschnitte einteilen. Zu Beginn wird die demokratische Konsolidierung unter besonderer Beachtung der Medien anhand der wichtigsten Indizes führender Meinungsforschungsinstitute und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nachgezeichnet. Im zweiten Teil erfolgt eine knappe Analyse des rechtlichen Rahmens, um anschließend auch die wirtschaftlichen Zusammenhänge näher zu beleuchten. In einer Synthese soll sodann der Versuch unternommen werden, diese Ergebnisse zu einem Bild der Lage zu verdichten, welches darüber hinaus Prognosen auf zukünftige Entwicklungen zulässt.
II. Literaturbericht
Die Literatur wurde in mehreren Schritten ausgewählt. Zunächst erfolgte die Betrachtung der grundlegenden Medienfunktionen und der Rolle der Massenmedien in der Gesellschaft anhand von „Die 4. Gewalt – Einführung in die politische“ (Bergsdorf) und „Vom Gesetzesstaat zum Richterstaat“ (Marcic). Bei der Eruierung der Bedingungsfaktoren der Orangen Revolution, sowie deren Folgen stützte sich der Autor auf „Delegitimierung des Autoritarismus durch Demokratisierung“ (DdA) von Gerhard Simon, sowie „Zur Anatomie der Orange Revolution in der Ukraine“ von Ingmar Bredies. Zur Erstellung der Grafiken in Bezug auf die Entwicklung und aktuelle Situation wichtiger demokratischer Kenndaten der Ukraine, wurden die Homepages der entsprechenden Meinungsforschungsinstitute, sowie die Studie „Die Ukraine in politikbezogenen Länderrankings“ von Heiko Pleines verwendet. Der rechtliche Rahmen, der die ukrainischen Medien weitgehend in ihren Handlungen festlegt, sowie die sich daraus ergebenden Problemfelder wurden mit Hilfe von „Medienoligarchen –Chancen und Grenzen für die Pressefreiheit in der Ukraine“ von Marina Sverdal, sowie „Zwischen Propaganda und Kommerz“ von Simone Schlindwein abgesteckt. Diese Quellen kamen auch bei der Analyse der Entwicklung der staatlichen Medien zum Einsatz. Um die Rolle der Oligarchen im ukrainischen System verstehen zu können, hat sich der Autor auf zum einen auf „Ukrainische Seilschaften“ von Heiko Pleines und zum anderen auf die Dokumentation „Die ukrainischen Oligarchen“ im Überblick in den Ukraine-Analysen Nr. 54 gestützt. Darüber hinaus wurden auch mehrere Quellen aus dem Internet herangezogen, welche insbesondere den Zustand der Medien näher beleuchteten.
III. Die Ukraine nach der Orangen Revolution – Analyse des Status quo
Wie in der Einleitung bereits ausgeführt hat die Orange Revolution –nicht zuletzt bei den ukrainischen Journalisten- große Hoffnungen auf einen umfassenden und dauerhaften Wandel, hin zu einer nachhaltigen Konsolidierung der Demokratie im Land geweckt. Ausschlaggebend für die dezidierte Forderung nach einer Stärkung der Meinungs- und Pressefreiheit war unter anderem der Skandal um den ermordeten Journalisten Georgi Gongadse, der sich im Jahr 2000 abgespielte und die schwierige Situation der im medialen Bereich Tätigen nachdrücklich ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit gerückt hat.[8]
Die direkten Folgen der gesellschaftlichen Umbrüche des Jahres 2004, die auf politischer Ebene mit der Wahl des einstigen Oppositionsführers Viktor Juščenko eingeläutet worden sind, haben auch auf dem medialen Sektor ihre Entsprechung gefunden.
Von Seiten des Präsidenten wurde eine Umwandlung der Nationalen Rundfunkgesellschaft (NTKU), „eines vom Staat kontrollierten Fernseh- und Radioveranstalters sowjetischen Typus in einen öffentlich-rechtlichen Sender […] [angekündigt]“.[9] Die privaten Medienunternehmen kündigten ihrerseits die Ausarbeitung von verbindlichen Redaktionsstatuten an, welche mit der Unabhängigen Mediengewerkschaft ausformuliert werden sollten.[10] Besonders erstere Absichtserklärung blieb in der Realität jedoch weitgehend ohne Wirkung oder wurde überhaupt nicht umgesetzt.[11]
Um von einer tatsächlichen, für die weitere Konsolidierung der Demokratie essentiellen 4. Gewalt sprechen zu können, muss der Umbruch der Medien nach der bereits erwähnten Studie von Thomaß und Tzankoff auf vier zentralen Ebenen erfolgen:
- In struktureller Hinsicht wandeln sich die Medien von einem Anhängsel des Staatsapparates zu einem eigenen Subsystem innerhalb der Gesellschaft, mit eigenen Funktionslogiken
- In wirtschaftlicher Hinsicht entstehen kommerzielle Medien und damit neue Wirtschaftsunternehmen bzw. werden die audiovisuellen Medien mitunter in öffentlich-rechtliche Trägerschaften überführt.
- Auf rechtlicher Eben werden neue Gesetzesgrundlagen verabschiedet und die Medien mitunter in öffentlich-rechtliche Trägerschaften überführt
- In funktionaler Hinsicht ändert sich die Rolle der Medien sowie deren Konsumenten: Statt als Propagandasprachrohr der Partei zu agieren, entwickeln Journalisten in diesem Prozess ein neues Selbstverständnis. Sie werden im Idealfall zu Kritikern, Aufklärern und Korrektiven und müssen nun Leser, Zuhörer oder Zuschauer als „Kunden“ bedienen, die neue Ansprüche erheben.[12]
In Analogie zur Konsolidierung auf staatlicher Ebene führt nur das vollständige Durchlaufen bzw. Erfüllen aller Stationen zum Ergebnis einer freiheitlich demokratischen Gesellschaftsordnung bzw. eines unabhängigen Mediensystems.
Um zwischen Absichtserklärungen einzelner Akteure und normativem Anspruch derartiger Studien die tatsächliche Lage der Entwicklungen nach der Revolution des Jahres 2004 herausdestillieren zu können, ist zunächst eine breitere informationelle Basis notwendig. Dazu sollen im nächsten Abschnitt die wichtigsten demokratischen Kennzahlen mit Hilfe sowohl das politische, als auch das mediale System betreffender Rankings führender internationaler NGOs vorgestellt werden.
III.1. Zur Problematik von Länderrankings
Vor einer Betrachtung der konkreten Entwicklungen gilt es jedoch kurz einen Punkt im Zusammenhang mit der Aussagekraft der anschließend präsentierten Rankings anzusprechen. Es handelt sich dabei um ein Thema, über das bereits eine große Bandbreite an einschlägiger Literatur vorhanden ist (vgl. Simone Schlindwein, S. 10 ff.), weshalb hier nur die essentiellsten Aspekte erwähnt werden sollen.
Konkret geht es um die Gefahren, die ein allzu sorgloser Umgang dieser Kenndaten mit sich bringt.
[...]
[1] vgl.: René Marcic, S. 396
[2] vgl.: Wolfgang Bergsdorf, S. 79ff.
[3] vgl.: Bernhard Schreyer, S. 140
[4] vgl.: Simone Schlindwein, S. 8
[5] vgl.: Ingmar Bredis, S. 122 ff.
[6] vgl.: Juri Durkot, S. 1
[7] vgl.: Gerhard Simon, DdA, S. 306 ff.
[8] vgl.: Beate Maeder-Metcalf, S. 59 ff.
[9] Simone Schlindwein, S. 40
[10] vgl.: Juri Durkot, S. 1
[11] ebda.
[12] Simone Schlindwein, S. 9