Darstellung der Klassengesellschaft in Tirso de Molinas 'El burlador de Sevilla' und Molières 'Dom Juan'

Ein Vergleich


Seminararbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Tirso de Molina: El burlador de Sevilla
2.1 Inhalt
2.2 Historischer und politischer Kontext in Spanien
2.3 Darstellung des Feudalsystems
2.3.1 Catalinón - der rechtschaffene Diener
2.3.2 Batricio - der wehrlose Bauer
2.3.3 De la Mota – die Aristokratie

3. Molière: Dom Juan ou Le Festin de pierre
3.1 Inhalt
3.2 Historischer und politischer Kontext in Frankreich
3.3 Darstellung der Klassengesellschaft
3.3.1 Sganarell – der gebildete Hausknecht
3.3.2 Pierrot – der widerspenstige Bauer
3.3.3 Dimanche – das aufstrebende Bürgertum
3.3.4 Die Aristokratie

4. Vergleich

5. Fazit

Bibliographie

1. Einleitung

Und mit wenigen Ausnahmen kann man die Männer in drei Gruppen einteilen: in solche, die glauben, sie seien Don Juane; in solche, die glauben, sie seien welche gewesen; schließlich in solche, die glauben, sie hätten welche sein können, aber hätten es nie gewollt.[1]

Wie obiges Zitat verdeutlicht, gilt die Don-Juan-Figur als das Symbol für das Männerbild des unverbesserlichen Herzensbrechers und die Verfolgung des Lustprinzips gegen jede gesellschaftliche Norm. Dieser Mythos hat sowohl für Männer als auch Frauen über die Jahrhunderte hinweg nichts von seiner Faszination eingebüßt. In den zahlreichen Interpretationen wird zumeist das Thema der Verführung, der skrupellosen Täuschung und der Bestrafung für ein sündhaftes Leben in den Vordergrund gestellt.

Ich möchte der Frage nachgehen, ob man diesen Mythos nicht auch aus einem völlig anderen Blickwinkel betrachten kann, nämlich im Hinblick auf die Darstellung der damaligen Klassengesellschaft. Sind in Tirso de Molinas bzw. Molières Stück gesellschaftsrelevante Aussagen vorhanden und wie werden diese in ihrem jeweiligen historischen und politischen Kontext transportiert?

2. Tirso de Molina: El burlador de Sevilla

2.1 Inhalt

Der Ursprungstext von Tirso de Molina ist in drei Akte unterteilt und spielt an sehr unterschiedlichen Schauplätzen, u. a. am Königshof von Neapel und am kastilischem Königshof, aber auch an so trivialen Schauplätzen wie dem Strand von Tarragona oder auf einer Bauernhochzeit.

Der junge Adlige Don Juan, in ständiger Begleitung seines Dienes Catalinón, verführt im Laufe des Dramas mehrere Frauengestalten, wobei der Leser unmittelbar ins Geschehen eintaucht, da der erste Akt mit der Verführungsszene der Duquesa Isabela beginnt. Nach seiner Flucht und der Verführung seines zweiten Opfers, der Fischerin Tisbea, täuscht er auch die Adlige Doña Ana und ermordet ihren Vater Don Gonzalo, der ihn gestellt hatte. Seine letzte Erorberung wird schließlich das Bauernmädchen Arminta.

Im dritten Akt büßt er mit dem Tod für seine Missetaten, als ihn die steinerne Statue des Don Gonzalo in den Abgrund zieht. Das Stück endet mit dem für alle Beteiligten - abgesehen von Don Juan - obligatorischen glücklichen Ausgang im Königsschloß in Sevilla.

2.2 Historischer und politischer Kontext in Spanien

Das Jahr der Uraufführung des Dramas 1624 wird dem Siglo de Oro und dem Barock zugeordnet, das politisch und gesellschaftlich geprägt war von der Einheit von Monarchie und katholischer Kirche, aber auch vom beginnenden Niedergang Spaniens als Weltmacht.[2] Im übrigen Europa kursiert die später als "leyenda negra" bezeichnete antispanische Haltung, die "…sich mit stereotypen Vorstellungen über die Inquisition, das Jesuitische und den Katholizismus, die Person Philipps III., die Eroberung Amerikas […] befeuert".[3] Spanien hat große wirtschaftliche Probleme und die Korruption ist weitverbreitet.

[…] eine schlechte Finanz- und Wirtschaftspolitik führten schon bald zu einer Verarmung der Volksmassen und trieb den Bauernstand an den Rand des Ruins. Der die Steuern tragende Mittelstand ging unter und das Land trieb unaufhaltsam in die Katastrophe.[4]

Spanien war zu Beginn des 17. Jahrhunderts und darüber hinaus bestimmt von - für die Bevölkerung deutlich spürbaren - schwierigen politischen und wirtschaftlichen Umständen. Im Gegensatz hierzu stand die ausgeprägte barocke Festkultur, mit einer Blütezeit des spanischen Theaters, festlichen religiösen Prozessionen, Konzertaufführungen, Feuerwerken und repräsentativen höfischen Festen.[5] Man kann diese Zeit als Anfang vom Ende des spanischen Weltreiches bezeichnen, was einherging mit einem nach damaligem Dafürhalten langsamen Zerfall von Sitte und Moral.

2.3 Darstellung des Feudalsystems

In Tirsos Text finden sich unterschiedliche Anspielungen auf das damals herrschende Klassensystem, das im Verhältnis Don Juans zu seinem Diener dargestellt wird, aber auch in den verschiedenen Frauenfiguren zum Ausdruck kommt, die aus allen sozialen Schichten stammen.[6] Darüberhinaus werden die sozialen Unterschiede auch mithilfe anderere Figuren des Stückes deutlich gemacht. Man denke nur an die Rolle des Königs von Kastilien als höchste und über jeden Zweifel erhabene Autorität, der über Leben und Tod richtet.

2.3.1 Catalinón - der rechtschaffene Diener

Catalinón wird als gutmütiger "Aunque soy Catalinón, soy, señor, hombre de bien […]"[7] und treu ergebener Diener Don Juans gezeichnet. Er hat einen "sprechenden" Namen, der abgeleitet ist vom andalusischen "catalina", (= Kot auf der Straße)[8], auf den im Text mehrmals Anspielungen gemacht werden: "Catalinón con razón te llaman".[9] Mit seiner Ängstlichkeit und seinen ständigen Ermahnungen bildet er eine Kontrastfigur zum dreisten und furchtlosen Don Juan. Gleichzeitig stellt er das personifizierte schlechte Gewissen dar und wagt es auch, Don Juan zu kritisieren: "No lo apruebo. […] Que el que vive de burlar, burlado habrá de escapar pagando tantos pecados de una vez."[10] Dieser weist ihn aber deutlich in seine Schranken zurück und erinnert ihn mit den Worten "Esta vez quiero avisarte porque otra vez no te avise"[11] an seine untergeordnete Rolle als Diener, woraufhin Catalinón sich regelmässig fügt. Als Mensch "[…] billigt [er] das Verhalten seines Herrn keineswegs, muß aber als Diener gute Miene zum bösen Spiel machen".[12]

Catalinón fungiert auch als eine Art Komplize des Zuschauers. Das wird dadurch deutlich, dass er sehr oft aparte spricht, d. h. zum Publikum gewandt: "CATALINÓN. (Aparte.) Y si importa, gozará en su nombre otra mujer, que tiene buena opinión."[13] Außerdem wird durch ironische Kommentare des Dieners wie z. B. "Señor cuadrado, o señor redondo, adiós"[14] oder auch sein überängstliches Verhalten im dritten Akt ein komisches Element in das Drama gebracht, was ihn als Repräsentanten des gemeinen Volkes für den Zuschauer zum Sympathieträger werden lässt. Er ist vernünftiger und weitsichtiger als sein Herr, da er niemals die unausweichlich drohende Strafe für begangene Sünden aus den Augen verliert. Als guter und rechtschaffener gläubiger Mensch hat er ein Gewissen und die verführten Frauen tun ihm leid.[15]

[...]


[1] José Ortega y Gasset in seinem Essay Para una psicología del hombre interesante (1925), zitiert nach Ulrich Müller, "The Phantom of the Opera" in: Peter Csobádi (Hrsg.), Salzburger Symposion, Europäische Mythen der Neuzeit: Faust und Don Juan, Nr. 18/I ( Universität Salzburg 4: Müller-Speiser 1992), S. 253.

[2] In diesem Absatz folge ich den Ausführungen in: Hans-Jörg Neuschäfer (Hrsg.), Spanische Literaturgeschichte, 3. Aufl. (Stuttgart/Weimar: Metzler, 2006) S. 69 – 102.

[3] Spanische Literaturgeschichte, S. 72.

[4] Sigrid Anemone Lindner, Der Don-Juan-Stoff in Literatur, Musik und bildender Kunst (Bochum: Universität, Dissertation, 1980), S. 21.

[5] Vgl. Spanische Literaturgeschichte, S. 93

[6] Anmerkung: Aus Platzgründen kann ich auf die Darstellung der Frauenfiguren in Bezug auf die Feudalgesellschaft leider nicht weiter eingehen.

[7] Alle spanischsprachigen Originalzitate stammen aus:

Tirso de Molina: El burlador de Sevilla (Madrid: Cátedra, 1995), Version im Reader des Seminars, hier: Z. 880.

[8] Langenscheidts Handwörterbuch Spanisch, (Berlin/München: Langenscheidt, 1988), unter 'catalina'.

[9] de Molina, Z. 906.

[10] de Molina, Z. 1344.

[11] de Molina, Z. 1364.

[12] Sigrid Anemone Lindner, S. 72.

[13] de Molina, Z. 1180.

[14] de Molina, Z. 1283.

[15] Vgl. Sigrid Anemone Lindner, S. 74 – 75.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Darstellung der Klassengesellschaft in Tirso de Molinas 'El burlador de Sevilla' und Molières 'Dom Juan'
Untertitel
Ein Vergleich
Hochschule
Universität Paderborn  (Romanistik)
Veranstaltung
Mythos Don Juan
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V154833
ISBN (eBook)
9783640674497
ISBN (Buch)
9783640674787
Dateigröße
445 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tirso, Sevilla, de Molina, Molière, Don Juan, Dom Juan, El burlador
Arbeit zitieren
Birgit Wilpers (Autor:in), 2008, Darstellung der Klassengesellschaft in Tirso de Molinas 'El burlador de Sevilla' und Molières 'Dom Juan', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154833

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