Historisches Lernen im Geschichtsunterricht der fünften Klasse

Didaktische Hinweise für einen problemorientierten Anfangsunterricht


Essay, 2010

22 Seiten


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Prolog: Historisches Lernen und existenzielle Bezüge

1. Ausgangslage: Historisches Lernen in Sekundarstufe I

2. Der Problemorientierte Geschichtsunterricht

3. Kompetenzen und Kompetenzförderung

Fazit: „Kindheit im Wandel“ - existenzielle Bezüge

A. Abbildungsverzeichnis

B. Quellen- und Literaturverzeichnis

Prolog: Historisches Lernen und existenzielle Bezüge

Historisches Lernen ist nicht als simples Erlernen von einer chronologischen Abfolge zu charakterisieren, sondern als Lernprozess zu verstehen, in dem die SchülerInnen[1] integriert sind. Überall erfolgt unbewusst eine Begegnung mit Geschichte. Ohne diverse Kompetenzen ist es jedoch unmöglich, gezielt historisches Wissen aufzubauen. Die Erzählungen der Großeltern vermitteln die „eine“ historische Wahrheit, Initiatoren von Ausstellungen zeigen selektiv ausgewählte Erinnerungsstücke samt damit verbundener Geschichte und blenden „Randereignisse“ bewusst oder unbewusst aus. Filme sind zwar anschaulich, aber eben eine subjektive Inszenierung durch die Urheber.

Schon in Klasse 5 muss deutlich werden, dass Geschichte eben nicht als „eindeutig“ charakterisiert werden kann und darf.

Fragt man LehrerInnen nach den anzustrebenden Zielen im Geschichtsunterricht[2], wird man stets unterschiedliche Antworten erhalten. Es fehlt der Konsens, was die Jugendlichen eigentlich lernen und welche Kompetenzen sie (weiter-)entwickeln sollen. Die Folge ist, dass die Lernenden kein historisch geprägtes Strukturwissen aufbauen können (vgl. Borries 2004: 275). Bildungsstandards und die damit verbundene Konzeption von Kompetenzmodellen als „potentes Instrument der Schulreform“ (Herzog 2008: 395) sollen die Erarbeitung von Basiskonzepten möglich machen, die letztlich in einem problem- und zielorientierten Unterricht münden können.

Besonders für den historischen Anfangsunterricht scheinen mir Bildungsstandards als unverzichtbare Komponente. Die Fünftklässler werden bereits vor Beginn der Sekundarstufe I mit Geschichte und historischen Sachverhalten konfrontiert. Neben dem Sachkundeunterricht in der Grundschule wirkt sich vor allem die außerschulische Begegnung mit Geschichte auf das Geschichtsbewusstsein der Kinder aus. Geschichte erscheint dabei häufig „als das Insgesamt aller abgeschlossenen Ereignisse und Zustände, die hinter einem Vorhang liegen, der die Gegenwart von der Vergangenheit trennt“ (Beilner 1998: 4).

Historisches Lernen ist jedoch auch keinesfalls als „Lernen über Vergangenes“ zu charakterisieren. Vielmehr hat der Geschichtsunterricht letztlich die Aufgabe, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu integrieren. Der Unterricht sollte somit nicht auf die Akkumulation von Wissen abzielen, sondern einen bestimmten Denkstil ausprägen (vgl. Pandel 2005: 126). Historisches Lernen ist damit als Lernprozess zu verstehen, „in dem bestimmte Zeiterfahrungen deutend angeeignet werden und dabei zugleich die Kompetenz zu dieser Deutung entsteht und sich weiterentwickelt“ (Rüsen 22008: 61). Somit sollen die SchülerInnen in die Lage versetzt werden, die Bedeutung der Vergangenheit für die Gegenwart und Zukunft zu erschließen (vgl. Lange 2007: 103). Dabei kann die natürliche Fragehaltung („Warum ist das so?“) der Lernenden genutzt werden, um sie erfolgreich mit Geschichte zu konfrontieren.

Mit diesem Text werde ich einen Zugang zum Anfangsunterricht in Klasse 5 erarbeiten und didaktische Hinweise formulieren, um den LehrerInnen eine Hilfestellung anzubieten.

Dafür werde ich zunächst die Ausgangslage der Fünftklässler nach der Grundschule charakterisieren (1.), um dann in diesem Zusammenhang das Prinzip der Problemorientierung erklären zu können (2.). In einem dritten Schritt werde ich verdeutlichen, welche Kompetenzen ein „Historiker“ entwickeln muss und wie man diese messen kann (3.). Die Systematisierung soll dann an einem Unterrichtsbeispiel sämtliche Thesen zusammenfassen und verdeutlichen.

1. Ausgangslage: Historisches Lernen in Sekundarstufe I

Die Anforderungen an den historischen Anfangsunterricht sind nicht zu unterschätzen. Gerade der thematische Einstieg beeinflusst die Bereitschaft zum historischen Lernen maßgeblich. Von enormer Bedeutung ist es, die Lernvoraussetzungen der Kinder zu analysieren und entsprechend zu reflektieren. Auf Vor- und Alltagswissen basierende „misconceptions“ (Fehlkonzepte) müssen durch „conceptual change“ (Wissens-veränderung) zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein transformiert werden (vgl. Günther-Arndt 2003a: 27). Erfolgreich ist diese Transformation aber erst, wenn der provozierte Konzeptwechsel realisiert wird (vgl. Wagenschein 91991: 94ff.). Allerdings sollen dabei die „misconceptions“ nicht verdrängt, sondern als Beginn des Lernprozesses begriffen werden (vgl. Griebsch 2009: 52f.). Die Fehlkonzepte beschränken sich jedoch nicht nur auf das Verständnis von zeitlichen Abläufen. Mindestens vier Fehlkonzepte lassen sich differenzieren (vgl. Günther-Arndt 2003a: 31):

Abbildung 1: Fehlkonzepte nach der Grundschule

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wir hatten festgestellt, dass die Konfrontation mit Geschichte in der Grundschule bzw. außerhalb der Schule, in Form der „Geschichtskultur“, zu einem partikularen und alltagsorientierten Geschichtsverständnis beiträgt. Leider werden die dabei entstehenden „misconceptions“ auch oftmals im historischen Anfangsunterricht der Sekundarstufe I nicht in Frage gestellt, da hier das historische Lernen immer noch chronologisch orientiert ist (vgl. Bergmann & Thurn 1998: 19).

Neben der Lebensweltorientierung und dem damit verbundenen Bezug zur Gegenwart muss der Unterricht vor allem „erlebnisorientiert“ (Viereck 1998: 34) ausgerichtet sein, um den SchülerInnen den methodischen Freiraum für die eigene Forschung zu geben und somit eine produktive Ergebnissicherung zu ermöglichen.

„Warum lerne ich Geschichte?“ - diese existenzielle Frage kann weder durch die chronologische Abarbeitung von Ereignissen, noch durch die „Suche“ nach Quellen und Differenzierung von Überlieferungsformen beantwortet werden. „Das Ziel historischen Lernens ist, die Fähigkeit auszubilden, in verschiedenen Lebenslagen zu wissen, wie man sich historischer Erfahrungen vergewissert, wie man historische Ursachen festmachen kann, welche historischen Erfahrungen zu bedenken waren und wie man durch vernünftige Erinnerungen möglicherweise ein anderes Verhältnis zur Lebenslage gewinnen, Orientierungsfähigkeit steigern und Handlungsperspektiven für die Zukunft entwickeln kann“ (Bergmann & Thurn 1998: 20).

Das historische Lernen kann beginnen, wenn die Lernenden vor ein für sie bedeutsames Problem gestellt werden. Diese Problemorientierung resultiert letztlich in einer Recherche, die den Lernprozess initiiert. Die sich anschließende Bearbeitung des Problems sorgt dafür, dass sich die Lernenden mit dem bestimmten „Sachverhalt“ (Weymar 1970: 202) auseinandersetzen. Die nachfolgende Suche nach „Lösungen“ (auch wenn es diese im Prinzip nicht gibt) veranlasst die Fünftklässler, dieses „Problem“ in einem Gesamtzusammenhang einzuordnen und ein historisches „Sachurteil“ (Jeismann 2000: 64) zu formulieren. Daraufhin können auch die Konsequenzen für das Individuum, für bestimmte Gruppen oder die ganze Gesellschaft bestimmt werden.

2. Der Problemorientierte Geschichtsunterricht

Der Problemorientierte Geschichtsunterricht (POGU) war über die Jahre immer wieder Thema heftiger Auseinandersetzungen. Das Konzept wurde in Frage gestellt, überarbeitet, optimiert und ist zweifellos eine Bereicherung für den Geschichtsunterricht.

Als „Unterrichtsstrategie“ ermöglicht er bei den Kindern einen Erfahrungszuwachs durch selbstständiges (forschend-)entdeckendes Lernen. In diesem Zusammenhang ist er als „Arbeitsform“ prädestiniert, sich historisches Wissen durch die Integration von Denkvorgängen und Handlungsweisen anzueignen. Schließlich wird durch die „Erkenntnisweise“ der Denk- und Erkenntnisprozess realisiert (Pandel 1990: 10f.).

[...]


[1] Ich verwende in diesem Text durchgehend das „Binnen-I“, um weibliche Gruppenangehörige zu integrieren. In diesem Zusammenhang werde ich den Personengruppen nur weibliche Artikel zuordnen, um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten.

[2] Mir ist bewusst, dass die Bezeichnung „Geschichtsunterricht“ nicht für alle Bundesländer gilt. Auch der Zeitpunkt der Einführung des Unterrichtsfachs variiert. In diesem Buch konzentriere ich mich auf die Regelung in Sachsen-Anhalt.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Historisches Lernen im Geschichtsunterricht der fünften Klasse
Untertitel
Didaktische Hinweise für einen problemorientierten Anfangsunterricht
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Geschichte)
Autor
Jahr
2010
Seiten
22
Katalognummer
V156145
ISBN (eBook)
9783640698998
ISBN (Buch)
9783640699209
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Geschichtsunterricht, Klasse 5, Anfangsunterricht, Kompetenzorientierung, Historisches Lernen
Arbeit zitieren
Robert Griebsch (Autor:in), 2010, Historisches Lernen im Geschichtsunterricht der fünften Klasse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/156145

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