Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen eines Seminars zum Thema „Da waren es nur noch sechs: Das Bußsakrament am Ende?“ entstanden. Sie behandelt die Form der Einzelbeichte innerhalb der katholischen Kirche. Dabei werden zunächst die Voraussetzungen für den gültigen Empfang des Bußsakramentes benannt und im Anschluss die unterschiedlichen Modelle der Einzelbeichte in der geschichtlichen Entwicklung zusammengetragen. Im weiteren Verlauf folgen eine Übersicht über den klassischen Aufbau einer Einzelbeichte und eine Bewertung dieser Form der Sakramentenspendung. Abgerundet wird die Arbeit durch eine Darstellung weiterer Bußformen innerhalb und außerhalb des Bußsakramentes. Den Schluss bilden Impulsfragen zu der Thematik, wie sich der persönliche Umkehrprozess des Einzelnen sinnvoll in einen ekklesiologischen Kontext einordnen lässt.
Inhaltsverzeichnis
1. Allgemeine Hinführung
2. Voraussetzung zum Empfang des Bußsakraments
3. Verschiedene Modelle der Einzelbeichte in der geschichtlichen Entwicklung:
3.1. Die kanonische Kirchenbuße
3.2. Die Mönchsbeichte (ostkirchlich)
3.3. Die Privatbeichte (iro-schottisch)
3.4. Die Andachtsbeichte (nach Tridentinum)
3.5. Das Beichtgespräch
4. Vollzug der Einzelbeichte
5. Aufbau der Einzelbeichte
6. Bewertung der Einzelbeichte
6.1. Vorteile:
6.2. Nachteile:
7. Abgrenzung zu anderen Formen der Bußpraxis
7.1. Bußformen außerhalb des Bußsakraments
7.2. Weitere Bußformen innerhalb des Bußsakraments
8. Ausblick
Arbeitsfragen zur Diskussion
Literaturverzeichnis
1. Allgemeine Hinführung
Das Bußsakrament ist auf das Sakrament der Taufe bezogen, das die Sünden vergibt und in die Kirche aufnimmt. Ähnliches geschieht bei der Beichte. Durch den Dienst der Kirche erhalten die Sünder die Lossprechung von ihren Sünden und werden ”zugleich (simul) mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt.”[1] Diese Simultaneität ist jedoch nicht so leicht zu verwirklichen. Daher besteht eine Spannung in der Auseinandersetzung um die rechte Form des Bußsakraments zwischen dem Einzelnen, der als Sünder allein vor Gott steht, und der kirchlichen Gemeinschaft, die sich selber als sündige erkennt und mit dem Sünder in der Beichte versöhnt wird. Die zu beantwortende Frage heißt: Wie läßt sich der persönliche Umkehrprozeß des Einzelnen sinnvoll in einen ekklesiologischen Kontext einordnen?
2. Voraussetzung zum Empfang des Bußsakraments
Zum Empfang des Bußsakraments sind folgende drei Voraussetzungen zu erbringen: Reue, Schuldbekenntnis und Genugtuung.
Das Konzil von Trient (1545-1563) definierte: Die Reue”ist der Schmerz der Seele und der Abscheu über die begangene Sünde, verbunden mit dem Vorsatz, fortan nicht mehr zu sündigen.”[2] In der Reue steckt somit die Forderung der Metanoia. Sie ist nicht ein bloßes repressives Gefühl, sondern Impuls zur radikale Umkehr. Durch sie beendet der Sünder sein destruktives Tun und läßt sich von ihrer ”produktive[n] Leidenschaft, als Leidenschaft für den anderen”[3] zum rechten Weg, zum Weg des Guten motivieren. Diese Reue gehört und führt, da es sie ohne ”das Betroffen-vor-Gott-Stehen”[4] nicht gibt, ”innerlich notwendig zur Einzelbeichte”[5]. Denn diese reuige Betroffenheit trifft das Innerste der Person, so daß der Sünder daher auch verlangt, als einzelne Person angesprochen und angenommen zu werden.
Der Pönitent zeigt im Schuldbekenntnis”Ich bekenne” diese Grundbetroffenheit und übersetzt die subjektiv empfundene Reue in einen personalen Rahmen, indem er die Verantwortung übernimmt und damit ”seine Bereitschaft, die Konsequenzen seines schuldhaften Tuns auf sich zu nehmen”[6], bekundet. Der Philosoph Paul Ricoeur sieht das Bekenntnis als die einzige Sprachform, in der Sünde und Schuld[7] ihren adäquaten Ausdruck finden.[8] Denn im Bekenntnis versucht man nicht zu erklären oder zu vertuschen; man macht vielmehr die Erfahrung der Begegnung mit der Wahrheit ”meines Lebens nicht als verurteilende, sondern als heilende und versöhnende Wahrheit.”[9] Das Bekenntnis stellt die Möglichkeit des Neuanfangs, des höchst eigenen, persönlichen Neuanfangs dar.
”Im Eingeständnis der Schuld ist deshalb die Konzentration auf das eigene Ich für einmal nicht nur erlaubt, sondern geradezu unerläßlich: um der Rettung der menschlichen Freiheit selbst willen. Dabei versteht es sich leicht, daß bei der Einzelbeichte die bessere Garantie für ein solches authentisches und persönliches Bekenntnis gegeben ist als bei der gemeinsamen Bußfeier.”[10]
”Das Bußwerk und das Maß der Genugtuung müssen jedem einzelnen so entsprechen, daß er die Ordnung dort wiederherstellt, wo er sie gestört hat, und für seine Krankheit die angemessene Medizin erhält. Die auferlegte Buße soll deshalb wirklich ein Heilmittel für die Sünde sein und zur Erneuerung des Lebens beitragen.”[11]
Die Genugtuung soll so gewählt sein, daß sie Hilfe ist, den alten Weg zu verlassen, daß sie Neuorientierung gibt für die Zukunft, daß sie in die Geheimnisse der göttlichen Barmherzigkeit einführt oder daß sie die Folgen des sündigen Tuns verdeutlicht. Als Buße gilt auch, die Konsequenzen aus dem eigenen Tun auszuleiden und sie ”in bewußter Übernahme der mit der Umkehr verbundenen Läuterung”[12] zu tragen. Dazu gehört entstandenen Schaden wieder gut zu machen, um damit dem Geschädigten den Willen zur Umkehr zu zeigen und so auch Versöhnung mit ihm erlangen zu können. Darüber hinaus wird auch die Beschämung des Eingeständnisses als Sühneleistung betrachtet. Ganz allgemein gilt für den Beichtvater:
”Als Moment der Vollmacht kommt dem Priester Recht u. Pflicht zu, in geistlich kluger Weise eine Genugtuung aufzuerlegen, die in etwa der Schwere der Schuld u. dem geistlichen Vermögen des Pönitenten entspricht ...”[13]
3. Verschiedene Modelle der Einzelbeichte in der geschichtlichen Entwicklung:
3.1. Die kanonische Kirchenbuße
Nachdem die ersten Gemeinden feststellen mußten, daß die Christen auch nach der Taufe in der Gefahr standen, weiterhin zu sündigen, suchten sie einen Weg, diese Sünder wieder mit Gott und mit der Gemeinde zu versöhnen, damit sie das ewige Heil erlangen könnten.
Diese Zurückgewinnung der Taufgnade war möglich durch die Vergebung der Sünden in der frühkirchliche Exkommunikationsbuße, die jedoch nur bei Kapitalsünden (Glaubensabfall, Ehebruch und Mord) angewandt wurde. Sie bestand aus einem geheimen Schuldbekenntnis vor dem Bischof, der Gewährung des Bußverfahrens und der Aufnahme in den Büßerstand unter Festlegung der konkreten Bußverpflichtungen, die Annahme des Bußurteils durch den Büßer und (zeitweiser) Ausschluß vom Kommunionempfang.[14]
Der Sünder hatte sich als Teil der Kirche an ihr versündigt, war also nicht mehr ”eucharistiefähig.”[15] So war es das Interesse der Gemeinde, ihn wieder in den einen Leib einzugliedern. Sie
”wußte sich zu ‘resozialisierender’ Hilfe, zur Unterstützung des Büßenden bei seinem Bußwerk und zum fürbittenden Gebet verpflichtet.”[16]
Solch ein gemeindeöffentliches Verfahren hatte mitunter einschneidende Bußwerke zur Folge, so daß man versuchte, diese Beichte möglichst weit hinauszuschieben, häufig bis zum Sterbebett. Diese Entwicklung wurde durch die theologische Auseinandersetzung im 3. Jh. ”um die grundsätzliche Berechtigung einer ‘zweiten Buße’ (paenitentia secunda) nach der ersten in der Taufe”[17] unterstützt, da in einigen Gemeinden diese Buße nur einmal abgelegt werden konnte.
3.2. Die Mönchsbeichte (ostkirchlich)
Im Osten entwickelte sich eine andere, neue Form der Beichte. In den Klöstern des Pachomius und des Basilius entwickelte sich die private Buße zur Gewissensöffnung.[18] Sie wurde nicht nur von Bischöfen und Priestern, sondern auch von nicht geweihten Mönchen ausgeübt - allerdings dann ohne Absolution im kirchenrechtlichen Sinn.[19] Bei dieser neuen Bußgestalt lag der ”Hauptakzent nicht, wie im Westen, auf der richterlichen Dimension und auf dem Genugtuungsaspekt, sondern auf der geistlichen Führung des einzelnen Sünders und somit auf der therapeutischen Funktion des Beichtgesprächs.”[20] Das Bußsakrament bildete sich immer deutlicher als umfassende révision de vie aus, war also ”nicht im gleichen Maße öffentlichkeitsfähig wie die Bearbeitung öffentlicher Kapitalsünden.”[21] Es verlor mehr und mehr den Gemeindebezug und hatte an ”subjektiv und objektiv bedeutenden Wendepunkten des Lebens”[22] seinen Ort.
[...]
[1] Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert, Kleines Konzilskompendium, Freiburg-Basel-Wien 21967, Lumen Gentium, Nr. 11.
[2] Conc. Trid., Sessio XIV, De sacramento Paenitentiae, cap. 4.
[3] Werbick, Jürgen, Schulderfahrung und Bußsakrament, Mainz 1985, S.148.
[4] Meyer, Hans Bernhard/Steiner, Josef, Einzelbeichte, Generalabsolution, Bußgottesdienst, Innsbruck 1975, S.41.
[5] A.a.O. S.40.
[6] Koch, Kurt, Menschliche Grunderfahrung und Sakrament der Buße, in: Joachim Müller (Hg.), Das ungeliebte Sakrament, Freiburg/Schweiz 1995, S.133.
[7] ”Wo das Reden über Schuld nicht von selbst zum Bekenntnis wird, ist ihre Entdeckung noch nicht wahrhaft vollzogen.” Schneider, Michael, Umkehr zum neuen Leben, Freiburg 1986, S.122.
[8] Vgl. Ricoeur, Paul, Die Fehlbarkeit des Menschen, Freiburg 1971, besonders S.173ff.
[9] Werbick, Jürgen, Schulderfahrung und Bußsakrament, Mainz 1985, S.150.
[10] Koch, Kurt, Menschliche Grunderfahrung und Sakrament der Buße, in: Joachim Müller (Hg.), Das ungeliebte Sakrament, Freiburg/Schweiz 1995, S.133.
[11] Die Feier der Buße, Übersetzung des römischen ordo paenitentiae, Freiburg 1974, Nr.6.
[12] Schneider, Michael, Umkehr zum neuen Leben, Freiburg 1986, S.125.
[13] Rahner, Karl/Vorgrimler, Herbert, Kleines theologisches Wörterbuch, Freiburg 1961, ”Bußsakrament”.
[14] Vgl. Koch, Kurt, Die eine Botschaft von der Versöhnung im vielfältigen Wandel des Bußsakraments, in: Joachim Müller (Hg.), Das ungeliebte Sakrament, Freiburg/Schweiz 1995, S.100.
[15] Bommer, Josef, Befreiung von Schuld, Zürich 1976, S.96.
[16] Werbick, Jürgen, Schulderfahrung und Bußsakrament, Mainz 1985, S.128.
[17] LThK ”Bußsakrament”.
[18] Vgl. LThK ”Buße”.
[19] ”Wenn auch die Sakramentalität der Laienbeichte in der spät-mittelalterlichen Theologie bestritten wurde, stand ihre hohe spirituelle und ekklesiale Bedeutung nie in Zweifel.” LThK ”Bußsakrament”.
[20] Koch, Kurt, Die eine Botschaft von der Versöhnung im vielfältigen Wandel des Bußsakraments, in: Joachim Müller (Hg.), Das ungeliebte Sakrament, Freiburg/Schweiz 1995, S.101.
[21] Werbick, Jürgen, Schulderfahrung und Bußsakrament, Mainz 1985, S.153.
[22] Lutz, Bernd, Umkehr als Prozeß ständigen Neu-Werdens, Würzburg 1989, S.537.
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