Leseprobe
lnhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Text- und überlieferungskritischer Teil
2.1 Zur Überlieferung des Liedes
2.2 Übersetzung Ich vant sie âne huote (MF 93,12 XII ; Text nach B)
2.3 Verskommentar zur Übersetzung
2.4 Formale Analyse
3. Interpretationsansätze – zum inhaltlichen Verständnis von MF 93,12
4. Ein Regiebuch zu Ich vant si âne huote
1. Einleitung
Der Minnesang als älteste deutschsprachige Liebeslyrik wurde an den Höfen des 12. und 13. Jahrhunderts praktiziert. Ein beeindruckender Vertreter dieser Kunstform ist Albrecht von Johansdorf, der von De Boor zu den fünf Großen des Minnesangs gezählt wird.[1] Im Unterschied zu anderen Minnesängern seiner Zeit, wie Hartmann von Morungen oder Walther von der Vogelweide, gibt es über Albrecht von Johansdorf mehr urkundliche Zeugnisse, leider ohne wesentliche Aussagen zum Autor.[2] Es wird angenommen, dass es sich bei dem Sänger um Albertus de Jahensdorff oder Johanstorf handelt, der zum ersten Mal 1180 als Zeuge unter dem Bischof von Bamberg auftaucht; später findet er ebenfalls Erwähnung unter den Bischöfen Diebold von Passau (1172- 1190), sowie 1201 als Ministeralie und 1204 unter Bischof Wolger, zuletzt 1209 unter Bischof Mangold.[3] Seine Lieder könnten somit Ende 12. Jahrhundert bzw. Anfang 13. Jahrhundert entstanden sein.[4] Johansdorf beschäftigte sich besonders mit der Kreuzzugsthematik. Fünf seiner dreizehn überlieferten Lieder gehen auf diese Thematik ein, obwohl ihm die beherrschende Form der Zeit, die Hohe Minne, vertraut ist.[5] Er gehört zu den Vertretern des sogenannten „rheinischen Minnesang“, deren Besonderheiten sich z.B. durch doppelten Aufgesangskursus (MF 87,5), Refrain (MF 87,29) oder dem Dialoglied (MF 93,12) auszeichnen.[6] Seine gattungsgeschichtliche Sonderstellung verdient sich Johansdorf durch sein Konzept, die Minnebeziehung als herzeliebe anzusehen, die auf die Gegenseitigkeit der Liebenden beruht.[7] In diesem Zusammenhang ist das Dialoglied XII Ich vant sie âne huote (MF 93,12- 94,14)[8] zu sehen, dass als Glanzstück seiner Sammlung gilt.
Die vorliegende Arbeit nähert sich einer Auseinandersetzung mit diesem Lied in Übersetzung, Verskommentar, formaler Analyse und Interpretationsansätzen. Als persönliche Auseinandersetzung mit dem Text wird abschließend ein Regiebuch zu dem Lied vorgestellt, dass als Fazit angesehen werden kann.
2. Text- und überlieferungskritischer Teil
2.1 Zur Überlieferung des Liedes
Es gehört zum Charakter mittelalterlicher Texte, dass deren Quellen lückenhaft sind. Als Basis der Kenntnis über mittelhochdeutsche Lyrik dienen erhaltene Handschriften, die zum einen nur fragmentartig erhalten sind und zum anderen nicht einfach zu entschlüsseln sind. Das Lied ich vant sie âne huote ist nur in einer der drei großen Liederhandschriften (ABC), nämlich der der Großen Heidelberger Liederhandschrift C (auch Codex Manesse), enthalten. Zusätzlich ist es auch im Kremsmünsterer Fragment (K) zu finden. Es wird vermutet, dass es einmal den Schluss von Johansdorfs Corpus bildete, da das nachfolgende Kreuzlied XII von einer späteren Hand nachgetragen wurde.[9] Allerdings stand bisweilen in Frage, ob bei diesem Lied tatsächlich Johansdorf der Autor ist, da sich das Lied in Form, Inhalt und Stil deutlich von seinen anderen Liedern unterscheidet.[10] Zudem weist das Lied einige Gemeinsamkeiten zu Liedern Walthers und Reimars auf, deshalb wurde angenommen, dass die Dialoglieder Walthers Johansdorf als Vorbild gedient haben.[11] Inzwischen geht die Forschung davon aus, dass Albrechts Lied „[…] eine Nachbildung der Tenzone eines anonymen Trobadors, PC 296 1a, [ist, das] ein fiktives Gespräch zwischen einer Dame und ihrem als Marques angesprochenenen Galan […]“ darstellt.[12]
2.2 Übersetzung Ich vant sie âne huote (MF 93,12 XII ; Text nach B)
I Ich fand sie ohne Bewachung,
die so liebliche Eine da stehen.
Ja da sprach die Gute:
„Was kommt ihr so allein hierher?“
5 „Herrin, es hat sich so ergeben.“
„Sagt, warum seid ihr hier? Dies sollt ihr mir erzählen.“
II „ Meinen Liebeskummer
klage ich, meine allerliebste Herrin.“
„Weh, was sagt ihr Törichter da?
Lasst eure Klage sein.“
5 „Herrin, ich kann auf sie nicht verzichten.“
„So werde ich euch in tausend Jahren nicht erhören.“
III „Nein, Königin!
Mein Dienst darf doch nicht verloren sein.“
„Ihr seid von Sinnen,
dass ihr mich so zornig macht.“
5 „Herrin, euer Hass bringt mir den Tod.“
„Wer hat euch, lieber Mann, diese Not aufgezwungen?“
IV „ Das war die Schönheit,
die ihr habt, sehr liebreizende Frau.“
„Eure süßen Melodien
wollen meine Standhaftigkeit schwächen.“
5 „Herrin, das verhüte Gott.“
„Wenn ich nachgäbe, davon hättet ihr die Ehre, doch ich den Spott.“
V „So haltet mir doch zugute,
dass ich euch immer von Herzen geliebt habe.“
„ Es wird euch noch reuen,
dass ihr eure Wörtchen auf mich schleudert.“
5 „Scheint euch mein Reden nicht gut?“
„Ja, sie hat mein unerschütterliches Herz sehr betrübt.“
VI „Auch ich bin ganz unerschütterlich,
wenn ihr mir nur die Wahrheit glaubt.“
„Folgt meinem Rate,
lasst die Bitten, die niemals erfüllt werden können.“
5 „Soll ich damit Erhörung finden?“
„Gott gewähre euch anderswo, was ihr von mir verlangt.“
VII „Soll mir also mein Gesang
und mein Dienst an euch keinen Erfolg haben?“
„Ihr sollt sehr wohl Erfolg haben,
ohne Lohn so sollt ihr nicht bleiben.“
5 „Wie meint ihr das, gute Herrin?“
„Dass ihr umso edler werdet und dabei froh seid.“
[...]
[1] Vgl. Schweikle, Günther: Die Mittelhochdeutsche Minnelyrik I. Die Frühe Minnelyrik. Texte und Übertragungen. Einführung und Kommentar (1977), S. 547.
[2] Robert Bergmann: Untersuchungen zu den Liedern Albrechts von Johansdorf. Inaugural- Dissertation zu Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert- Ludwigs- Universität zu Freiburg in Breisgau. (1963), S. 287
[3] Vgl. Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon Bd. 1 (1987), Sp. 191-195, Sp. 191/192.
[4] Vgl. Tervooren, Helmut: Gedichte und Interpretationen des Mittelalters (1993), S. 173.
[5] Vgl. ebd.
[6] Vgl. Schweikle, Günther: Minnesang (1989), S. 83.
[7] Vgl. Tervooren, Helmut: Gedichte und Interpretationen des Mittelalters (1993), S. 173.
[8] Des Minnesangs Frühling. Unter Benutzung der Ausgaben von Karl Lachmann u. a. Hrsg. Hugo Moser u. Helmut Tervooren. Bd. 1: Texte. Stuttgart 38 1988, S. 192 f. : MF 93,12 (zit.); Die mittelhochdeutsche Minnelyrik. I. Die frühe Minnelyrik. Hrsg. Günther Schweikle. WBG Darmstadt 1977, S. 342-345.
[9] Vgl. Robert Bergmann: Untersuchungen zu den Liedern Albrechts von Johansdorf. Inaugural- Dissertation zu Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert- Ludwigs- Universität zu Freiburg in Breisgau. (1963), S. 171.
[10] Vgl. Kasten, Ingrid: Kommentar zu MF 93,12, in: Dieselbe: Deutsche Lyrik des frühen und hohen Mittelalters. Text und Kommentar (Deutsche Klassiker Bibliothek Bd. 6) (2005), S. 696.
[11] Vgl. ebd.
[12] Ranawake, Silvia: Albrecht von Johansdorf, ein Wegbereiter Walthers von der Vogelweide?, in: Boshof, Egon/ Knapp, Fritz- Peter: Wolfger von Erla. Bischof von Passau (1191-1204) und Patriarch von Aquileja (1204- 1218) als Kirchenfürst und Literaturmäzen (1994), S. 260- 261.
- Arbeit zitieren
- Anna Block (Autor), 2009, Analyse "Ich vant si âne huote" von Albrecht von Johansdorf , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/158028
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