Pausen im journalistischen Berufsalltag

Eine quantitative Untersuchung


Research Paper (undergraduate), 2010

190 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

TEIL A: BEDEUTUNG VON PAUSEN IN DER GESELLSCHAFT

1. Der Begriff „Pause“
1.1. Funktionen von Pausen
1.2. GroRenordnungen von Pausen

2. Die Bedeutung von Pausen in der Gesellschaft

3. Die Arten von Pausen
3.1. Wochenende
3.2. Feiertage
3.3. Urlaub
3.4. Die Schulpause
3.5. Arbeitspausen im Berufsalltag
3.5. Zeitliche Einteilung von Arbeitspausen
3.6. Organisatorische Einteilung von Arbeitspausen

4. Die Entwicklung des Zeitverstandnisses im Lauf der Geschichte
4.1. Formen der Zeit, des Zeitbewusstseins und des Zeitverstandnisses
4.2. Historische Entwicklung von Zeit und Zeitbewusstsein
4.3. Zeitverstandnis und -bewusstsein der Gegenwart

5. Die Rahmenbedingung fur Pausen
5.1. Arbeit als Rahmenbedingung fur Pausen (im Gegensatz zur Freizeit)
5.2. Definitionsansatze des Begriffs Arbeit
5.3. Arbeit in der romisch-griechischen Antike
5.4. Ambivalentes Arbeitsverstandnis im Mittelalter
5.5. Beruf als Berufung - Arbeitsverstandnis der Reformation
5.6. Arbeitsbegriff der burgerlichen Gesellschaft
5.7. Arbeitsverstandnis der Neuzeit
5.8. Zwischen Verwirklichung und „Entfremdung“
5.9. Arbeit im Schatten der Stoppuhr
5.10. Grundrecht auf Arbeit
5.11. Bedeutung von Arbeit in der Gegenwart

6. Die Geschichte von Pausen
6.1. Pause und MuRiggang im Mittelalter
6.2. Kritik am MuRiggang - Beispiel Martin Luther
6.3. Pausen im Fokus der Wissenschaft
6.4. Verordnete Pausen im 20. Jahrhundert

TEIL B: CHRONOBIOLOGIE - PAUSEN UND DER BIOLOGISCHE RHYTHMUS

7. Der Ursprung der Chronobiologie
7.1. Die Bunkerexperimente
7.2. Die innere Uhr
7.3. Die verschiedenen Rhythmen des Organismus

8. Der Tagesrhythmus
8.1. Die personliche Leistungskurve
8.2. Phasen des Tagesrhythmus
8.3. Der 90-Minuten-Rhythmus
8.4. Die Bedeutung der Tiefs
8.5. Was den Rhythmus stort

9. Ermudung - wichtiger Indikator fur den Zeitpunkt von Pausen
9.1. Ermudung - eine Begriffsbestimmung
9.2. Ermudungsarten
9.3. Messbarkeit von Ermudung

10. Die Wirkung von Pausen auf den menschlichen Organismus
10.1. Verschiedene Einflussfaktoren
10.2. Pausen im Tagesrhythmus
10.3. Ermudung vorbeugen statt bekampfen
10.4. Pausen zur Regeneration und Erholung
10.5. Pausen zur Steigerung der Leistungsfahigkeit
10.6. Bedingungen fur Erholpausen I - Zeitpunkte und Dauer
10.7. Problematik willkurlicher und maskierter Pausen
10.8. Motivationseffekt durch regelmaRige Pausen
10.9. Grundhaltung auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite
10.10. Soziale Funktion von Pausen
10.11. Einfluss der Kenntnis von Pausenwirkung

11. Die Gestaltung von Pausen
11.1. Pausenkultur
11.2. Pauseninfrastruktur
11.3. Pausenraume
11.4. Pausenernahrung

12. Die Zielrichtung von Pausen
12.1. Pausenziele „Energie tanken“ und „Zur Ruhe kommen“
12.2. Pausenziele - „Etwas Anregendes machen“
12.3. Pausenziel - „Dampf ablassen“
12.4. Pausenziel „Etwas Sinnvolles tun“

13. Einstellung zu Pausen

TEIL C: IM ZENTRUM DER BETRACHTUNG: DER JOURNALIST

14. Definition „Journalist“

15. Tatigkeitsfelder: Wandel Rollen und Arbeitsweisen
15.1. Entwicklung des Journalismus im Radio
15.2. Studie Journalismus in Deutschland II“

16. Rollenselbstverstandnis des Journalistenberufs
16.1. Image von Journalisten in der Gesellschaft
16.2. Berufsmotivation und Rollenbilder
16.3. Aufgabenfelder von Journalisten
16.4. Idealistische Vorstellungen des Berufsbildes
16.5. Idealtypische, empirische und normative Rollenbilder
16.6. Das Selbstverstandnis Deutscher Journalisten
16.7. Gesellschaftliche Einflusse auf das Berufsbild

17. Zeit und Journalismus

18. Einfluss der Arbeitszeit auf Pausen
18.1. Tariflich geregelte Arbeits- und Pausenzeiten
18.2. Reelle Auspragungen von Arbeitszeit
18.2. Zeitstrukturen von festen Redakteuren und freien Journalisten

19. Zeitmanagement von Journalisten
19.1. Exkurs: Links- und rechtshirniges Denken
19.2. Zeitdiebe im Journalismus - und wie man ihnen entkommt

20. Arbeitszufriedenheit von Journalisten

21. Motivationsstrategien und Arbeiten im Flow
21.1. Intrinsische Motivation
21.2. Motivation und Arbeit
21.3. Berufsarbeit und Flow
21.4. Zeitempfinden und Flow
21.5. Flow und Pausen

22. Stress und Burnout bei Journalisten
22.1. Wenn Stress krank macht - Burnout
22.2. Pravention

TEIL D: EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

23. Untersuchung: Pausenverhalten von Journalisten
23.1. Methodik
23.2. Fragebogen
23.3. Fragestellung und Hypothesen
23.4. Untersuchungsgruppe

24. Datenerhebung und Datenanalyse
24.1. Soziodemografie
24.2. Besonderheiten der Stichprobe
24.3. Assoziationen in Bezug auf Pausen
24.4. Pausenverhalten der Befragten
24.5. Soziale Kontakte
24.6. Pausenorte
24.7. Pausenaktivitaten
24.8. Ernahrung
24.9. Bedeutung von Pausen
24.10. Pausen beeinflussende Faktoren

25. Auswertung und Diskussion

F1: Wie, wo und mit wem machen Journalisten Pause?

F2: Gibt es einen Unterschied im Pausenverhalten zwischen Frauen und Mannern?

F3: Haben altere Journalisten ein anderes Pausenverhalten als jungere?
F4: Hat das Arbeiten in einer bestimmten Redaktion oder einem bestimmten Medium Einfluss auf das Pausenverhalten?

F6: Wie wirkt sich die Arbeitsweise von Journalisten auf deren Pausenverhalten aus?

F7: Wirkt sich das Selbstverstandnis von Journalisten auf deren Pausenverhalten aus?

26. Zusammenfassung

27. Ausblick

TEIL E: ANHANG

28. Literaturverzeichnis

29. Fragebogen

Vorwort „Zeit sparen“, „keine Zeit haben“ und „keine Zeit verlieren zu wollen“ - das sind geflugelte Worter unserer Zeit. Einer Zeit, in der man pausenlos von einem Termin zum nachsten hetzt und sich nicht die Zeit nimmt, sie auch mal zu genieBen, sich selten eine Auszeit gonnt. Doch gerade die Auszeiten sind es, die das Leben lebenswert machen. Daher stehen sie im Zentrum der Betrachtungen dieser Studienarbeit. „Fur Proust beispielsweise sind Auszeiten jene Momente, die unerwartet fur die Dauer eines Blitzes ein kleines Quantum Zeit freizusetzen vermogen [...]. Indem das Subjekt fur einen Augenblick die Identitat zwischen Gegenwart und Vergangenheit erfahrt, steht es auBerhalb der Zeit“ (Muri 2010, S. 65) - man konnte auch sagen, dass Subjekt macht dann eine Pause.

Zu Beginn der Auseinandersetzung mit dieser Arbeit haben wir Pausen in erster Linie als einen von vielen Aspekten im Zusammenhang mit Zeitmanagement betrachtet. Wer in der Lage ist, regelmaBig Pausen zu machen, kann sich seine Zeit gut einteilen und effizient arbeiten, so war unsere Vermutung - auch wir sind Kinder unserer Zeit. Doch „Pausen" sind weit mehr als ein „notwendiges Ubel“ im Sinne des Zeitmanagements. Pause hat eine Geschichte und ist eng verbunden mit dem menschlichen Individuum und mit der Zeit. Wer denkt, keine Zeit fur eine Pause zu haben, sollte dringend eine einlegen.

Doch wie sehen Journalisten das in einer Zeit, in der selbst die Sendepause abgeschafft wurde? Inzwischen ist das Burnout-Syndrom zur Volkskrankheit unserer pausenlosen Arbeitsgesellschaft geworden. Betroffen sind davon vor allem Menschen die unter groBem Zeitdruck und Stress arbeiten, aber auch Menschen, die sich mit ihrem Beruf so sehr identifizieren, dass sie aufgrund von Ubereifer, Verausgabung und enttauschten Erwartungen irgendwann „ausbrennen“. Journalisten und Redakteure gehoren an vorderster Arbeitsfront zu denen, die immer haufiger von diesem Krankheitsbild betroffen sind - und unter Umstanden dadurch berufsunfahig werden. Diese Studienarbeit bietet die Moglichkeit, im Rahmen der journalistischen Ausbildung die Ursachen und Hintergrunde dafur zu erforschen.

Eine der Ursachen ist der Anspruch, Teil einer pausenlosen Gesellschaft sein zu wollen in der wichtig erscheint, wer seine Zeit nicht mit Nichtstun vergeudet und zu jeder Zeit fur alles bereit ist. Doch: „Pausen sind nicht nichts“ (GeiBler, Karlheinz, A. (2010), S. 92) sagt der Zeitforscher Karlheinz GeiBler. Und er hat Recht.

Einleitung

Nachdem in den ersten drei Teilen dieser Arbeit ein grundlegendes Verstandnis fur die Bedeutung von Pausen in der Gesellschaft, ihre Rolle in der Chronobiologie des Menschen und fur das Berufsbild und die Arbeitswirklichkeit von Journalisten geschaffen wird, soll im vierten Teil dieser Studienarbeit empirisch untersucht werden, wie Journalisten Pause machen. Im Fokus des Erkenntnisinteresses standen Fragen nach der Einstellung von Journalisten zu Pausen aber auch die Frage, ob Journalisten uberhaupt Pausen einlegen.

Um zu dieser Untersuchung hinzuleiten, war es notwendig, offenzulegen, auf welchen Forschungsstand die Literatur bis dato ist. Die zusammengetragene Literatur umfasst unter anderem die geschichtliche Entwicklung der Pause, die Entwicklung des Zeitverstandnisses im Allgemeinen und die ideengeschichtliche Entwicklung des Arbeitsbegriffs als Rahmenbedingung von Pause, aber auch die verschiedenen Arten von Pause. Daruber hinaus wird der Zusammenhang zwischen Pause und Chronobiologie veranschaulicht - beispielsweise die Bedurfnisse des menschlichen Organismus und die Wirkung von Pausen auf selbigen. Weiterhin werden arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse vorgestellt, sowie Bedingungen, Einflussfaktoren und Ziele von Pausen. Im dritten Teil dieser Arbeit steht der Journalist im Zentrum der Betrachtungen, denn das Berufsbild von Journalisten und ihre Arbeitswirklichkeit sind Ausgangspunkt der spateren empirischen Untersuchung.

Aufgrund des Umfangs, der der Thematik geschuldet ist, erachteten wir es fur sinnvoll, diese Studienarbeit zu zweit zu erstellen. Durch die intensive Auseinandersetzung im Zweierteam war es moglich, die Fehlerquote bei der Auswertung der erhobenen Daten zu verringern, sowie bei der Interpretation der Ergebnisse der Versuchung allzu schneller Schlusse - gerade in Bezug auf Kausalitaten zu vermeiden. Doch trotz aller Sorgfalt und der interdisziplinaren Vorgehensweise im Theorieteil, wird es uns im Rahmen dieser Studienarbeit dennoch nur moglich sein, einen kleinen Ausschnitt des Themenkomplexes Pause dazustellen. Denn Pausen sind - um es mit Fontanes Effi Briest zu sagen - ein weites Feld.

Teil A: Bedeutung von Pausen in der Gesellschaft

1. Der Begriff „Pause“

Die Wurzeln des heutigen Wortes Pause gehen zuruck auf das griechische Verb pauein, das soviel bedeutete wie „aufhoren machen; aufhoren, ablassen“ (Duden 2006). Die lateinische Sprache kannte bereits das Wort pausa, was fur „das Innehalten, die Pause“ stand (vgl. Duden 2006). In den romanischen Sprachen wurde daraus das italienische Wort posa sowie das altfranzosische pose. Beide Worter standen fur „Ruhe“. Im 13. Jahrhundert kam das Substantiv puse als Lehnwort in den mittelhochdeutschen Sprachgebrauch (vgl. Duden 2006). Auf die historische Bedeutung von Pausen in der Gesellschaft wird in Kapitel 6 dieser Arbeit spater noch eingegangen. Denn zunachst einmal stellt sich die Frage, was genau Pausen eigentlich sind?

Pausen unterbrechen Tatigkeiten. Sie liegen zwischen zwei Aktivitaten und bilden zeitliche Zwischenraume. Karlheinz GeiRler, Mitbegrunder der Deutschen Gesellschaft fur Zeitpolitik, beschreibt Pausen so: „Pausen setzen ein Geschehen voraus und verweisen zugleich auf ein Geschehen, das ihnen folgt. Sie unterbrechen das Handeln durch ein Unterlassungshandeln und machen das, was sie unterbrechen, zur Vergangenheit und das, was ihnen folgt, zur Zukunft. Sie sorgen dafur, dass etwas Neues eintritt, weil zuvor etwas aufhort. Pausen sind [...] wirkungs- und sinnvolle Leerstellen, in denen mehr oder weniger Bedeutsames geschieht“ (GeiRler 2010, S. 87ff).

Der Duden definiert das Wort „Pause“ etwas knapper, namlich als „(unbeabsichtigte) kurze Unterbrechung [und] vorubergehendes Aufhoren von etwas“ (Duden 2007). GeiRler sieht das grundlegend anders: „Pausen sind nicht nichts, sind kein zeitliches Refugium fur Faulenzer und Druckeberger" (GeiRler 2010, S. 92). Dem fugt der Duden hinzu, dass sie vor allem „der Erholung, Regenerierung oder Ahnlichem“ dienen (Duden 2007).

1.1. Funktionen von Pausen

Fur den Menschen sind Pausen eine physiologische und psychologische Notwendigkeit. „Mit zunehmender Arbeitsermudung entsteht, wenn keine anderen Erholungsmoglichkeiten bestehen, die Notwendigkeit von Erholungspausen. Mit Erholungspausen sind hier alle Unterbrechungen der Arbeitszeit gemeint. Solche Unterbrechungen konnen abfallende Leistung verhindern oder verzogern (physiologische Pausenwirkung), sie konnen aber auch die Leistungsmotivation fur die nachfolgende Arbeitsphase erhohen (psychologische Pausenwirkung)“ (Refa Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V. 1984, S. 206).

Pausen haben die Funktion „[...] die arbeitsbedingte Ermudung so zu beschranken, dass Beeintrachtigungen oder gar Schadigungen der Gesundheit ausgeschlossen sind und das soziale Wohlbefinden soweit wie moglich gefordert wird. Bedurfniszeiten sind schon allein aus biologischen und sozialen Grunden unverzichtbar“(Pornschlegel et al. 1984, S. 176).

1.2. Groftenordnungen von Pausen

Die Namen von Pausen beschreiben entweder das, was sie unterbrechen - zum Beispiel: Arbeitspause, Sendepause oder Spielpause - oder sie deuten daraufhin, was in der jeweiligen Pause getan wird, wie zum Beispiel Erziehungspause, Zigarettenpause oder Fruhstuckspause. Allein an der Auswahl dieser sechs unterschiedlichen Pausen wird erkennbar, dass es verschiedene Arten von Pausen gibt. „Pausen [...] gibt es in allen GroRen. Einige dauern nur Sekunden, andere ein paar Stunden und wiederum andere gleich mehrere Tage“ (GeiRler 2010, S. 86). In der Literatur findet sich zudem eine Vielzahl von Pausen unterschiedlichster GroRenordnungen: einige dauern nur wenige Sekunden, andere mehrere Tage. Die verschiedenen Pausen stehen in Wechselwirkung zueinander. In Kapitel 3 soll darauf noch genauer eingegangen werden.

Welche Bedeutung die Pausen fur den journalistischen Arbeitsalltag haben und ob es ahnliche Tendenzen uber die Art und Weise gibt, wie Pausen gestaltet werden, gilt es im empirischen Teil dieser Untersuchung herauszufinden.

2. Die Bedeutung von Pausen in der Gesellschaft

Charakteristisch fur die heutige Lebenswelt ist die so genannte Nonstop- Gesellschaft. Permanent etwas zu tun zu haben, aktiv zu sein und keine Zeit zu verschwenden scheint das primare Ziel des Menschen geworden zu sein. Jeden Tag justiert er sich neu. Er plant, er organisiert, er spricht ab statt den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen. Einer der renommiertesten, aber auch popularsten Zeitexperten ist Karlheinz GeiBler. In seinem Buch „Das Lob der Pause“ nennt er unter anderem Beispiele, die dazu beigetragen haben, dass dem Menschen heute keine Pause mehr verkundet „wann etwas losgeht und wann etwas aufhort“ (GeiBler 2010, S. 96): die „Erfindung des elektrischen Lichts hat die Nacht zum Tag gemacht [...], Freizeitindustrie und der Computer haben die sonntagliche Wochenpause fast zum Verschwinden gebracht.“ (GeiBler 2010, S. 96). Vor allem die Technisierung, die doch zunachst als groBe Zeitersparnis angesehen wurde, hat genau das Gegenteil zutage gebracht. Der Zeitdruck ist, nach Scheppach, vor allem wegen der innovativen Technik gestiegen. „Ein Architekt, der heutzutage seine Entwurfe mit Hilfe eines Computer-Programms anfertigt, muss in der gleichen Zeit 19 Mal so viele Entscheidungen fallen, wie ein Kollege, der mit der Hand arbeitet. Der Computer erhoht den Entscheidungsbedarf dramatisch und damit das Gefuhl des Zeitdrucks“ (Scheppach 1996, S. 160). Diese und andere Entwicklungen haben dazu beigetragen, dass der Mensch in seinem alltaglichen Tun weder einen Anfangs- noch einen Endpunkt hat und es demzufolge auch keine Pause mehr dazwischen gibt (vgl. GeiBler 2010, S. 96). Nach GeiBler sind es allerdings Pausen, die es dem Menschen erst ermoglichen, „zwischen Vergangenem und Zukunftigem, Diesseits und Jenseits, Altem und Neuem unterscheiden zu konnen. Zwischenzeiten gliedern die Zeit, organisieren Zeiterfahrungen, konturieren Unterschiede, anders gesagt: sie sorgen fur den Rhythmus im Leben“ (GeiBler 2010, S. 29). Rhythmen, vor allem biologische oder naturgegebene Rhythmen, sind indes von existenzieller Bedeutung. Denn der Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung, sprich zwischen Arbeit und Pause wird vor allem durch den personlichen biologischen Rhythmus gesteuert. Grandjean beschreibt diesen Wechsel daher als „conditio sine qua non“ und schlussfolgert, dass die Arbeitspause deshalb ein „unentbehrliches, physiologisches Erfordernis im Interesse der Erhaltung der Leistungsfahigkeit“ ist (Grandjean 1991, S. 199).

In der allgemeinen Erklarung der Menschenrechte heiRt es in Artikel 24: „Jeder hat das Recht auf Erholung und Freizeit und insbesondere auf eine vernunftige Begrenzung der Arbeitszeit und regelmaRigen bezahlten Urlaub" (United Nations 1948, S. 5). Wie zu Beginn dieses Kapitels kurz beschrieben, sind Pausen in der Gesellschaft des 21. Jahrhunderts allerdings etwas, was es zu vermeiden gilt. Diese Denkhaltung konnte ihren Ursprung in dem Ausspruch von Benjamin Franklin haben: „Zeit ist Geld.“ Wer keine Zeit hat, hat dafur Geld. Wer Geld hat, hat die Chance auf gewisse Statussymbole. Und wer Statussymbole besitzt ist bei seinen Mitmenschen auRerst beliebt oder erhalt von ihnen Anerkennung fur seine Leistung. Von seinen Mitmenschen anerkannt zu werden bedeutet wiederum, in die Gemeinschaft aufgenommen worden zu sein, was das Selbstwertgefuhl eines Menschen erheblich steigert.

„Die herrschende Diktatur des Zeitsparens hat in enger Abstimmung mit der Rastlosigkeit die Pause zum Feindbild erkoren. Aus Pausen wurden Storungen. Pausen sollen, ja mussen ,gefullt‘ werden - so wollen es Politik, Wirtschaft, Freizeitindustrie, Fernsehen und Internet in seltener Einigkeit. Gefullt jedoch nicht mit Ruhe, Stille und MuRe, sondern ausschlieRlich mit Tun - meist geldwertem Tun“ (GeiRler 2010, S. 85). Und so nimmt die so genannte Beschleunigungsgesellschaft (oder auch Nonstop-Gesellschaft) stets an pausenloser Geschwindigkeit zu. Der Mensch als soziales Wesen passt sich diesen auReren Zwangen, geschaffen durch die Gesellschaft, eher an als sich kontrar zu verhalten. Denn nach GeiRler „fallen nicht diejenigen auf, die immer nur rumwuseln, die stets aktiv sind, etwas machen, und sei dies noch so sinnlos; nein, auffallig werden die, die nichts tun, die innehalten, um eine Pause zu machen“ (GeiRler 2010, S. 84). Was im Hinblick auf die Beschleunigungsgesellschaft nach GeiRler stets ausgeklammert wird, ist die Tatsache, dass „Beschleunigung nur dann kalkulierbar und beherrschbar ist, wenn intakte Systeme zum Abbremsen und Stabilisieren vorhanden sind“ (GeiRler 2010, S. 22 ff). Und eben diese Systeme stellen Pausen dar, die GeiRler „Zeitnischen“ oder „Zeiten des Dazwischen“ nennt. Eine Gesellschaft beziehungsweise ein gesellschaftliches System, dass keinen Raum fur diese Nischen und fur Regeneration lasst, „steuert zwangslaufig auf seinen Zusammenbruch zu“ (GeiBler 2010, S. 23). Beobachten kann man das, wenn man einen Blick auf die nahezu zur Volkskrankheit gewordene Depression oder dem Burnout-Syndrom wirft. In Kapitel 22 soll naher auf die letztgenannte psychische Storung, deren Ursachen und Auswirkungen eingegangen werden. Grundsatzlich, und das ist weitgehend bekannt, fordert die Nonstop-Gesellschaft einen hohen Preis. So ist nach Lopfe Schlaflosigkeit weit verbreitet und auch „die zunehmende Fettsucht [...] hat auf verschiedene Weise mit Stress und Uberforderung zu tun“ (Lopfe, Vontobel 2008, S. 30). Werden dem Menschen, vor allem wahrend seines Arbeitstages, keine Erholzeiten, Zeitnischen oder Regenerationsphasen gewahrt, erhoht sich das Risiko gesundheitlicher Schaden. Pornschlegel kommt zu dem Schluss, dass Pausen „daher zum Abbau beziehungsweise zur Milderung der Belastungen unverzichtbar“ sind (Pornschlegel et al. 1984, S. 169). Pornschlegel macht weiterhin deutlich, dass fehlende oder zu wenige Pausen im Arbeitsalltag nicht nur fur das Individuum schadlich sind, sondern auch fur die Volkswirtschaft. Denn ist der Arbeitnehmer ist durch fehlende Pausenzeiten in seiner Leistungsbereitschaft eingeschrankt und das verursacht unter Umstanden erhebliche Ausfalle im Betriebsablauf. Diese wiederum gehen mit erheblichem Kosten fur den Betrieb einher, wenn der Arbeitnehmer fur eine gewisse Zeit aus dem Erwerbsprozess ausscheiden muss (vgl. Pornschlegel, Birkwald 1973, S. 92).

Was die Gesellschaft, aber auch der einzelne Mensch laut GeiBler braucht, ist sowohl Schnelligkeit als auch Langsamkeit. Denn was die Schnelligkeit erst erfolgreich und sinnvoll macht, ist ein gewisses MaB an Langsamkeit zu gegebener Zeit (vgl. GeiBler 2010, S. 37). Dass eine beschleunigte Gesellschaft nicht bis ins Unendliche beschleunigt werden oder gar ihre uberhohte Geschwindigkeit auf Dauer halten kann, wurde bereits in einem Realexperiment im Jahr 1914 nachgewiesen. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde in England der arbeitsfreie Sonntag abgeschafft, um die Kriegswirtschaft anzukurbeln. Doch das erwartete Wachstum der Wirtschaftsleistung blieb aus. Vielmehr ging die Leistung zuruck und mit ihr die Zahl der produzierten Guter sowie die Motivation der Arbeitnehmer. Nach dieser drastischen Fehleinschatzung menschlicher Leistungsfahigkeit wurde das Experiment abgebrochen und der arbeitsfreie Sonntag wieder eingefuhrt (vgl. GeiBler 2010, S. 94).

Das Experiment hat bewiesen, dass eine „angemessene Zeit zur Erholung [...] bei alien Tatigkeiten und fur alle Arten von Arbeitsbedingungen, bei alien Entlohnungsgrundsatzen und fur alle Beschaftigungsgruppen sichergestellt sein“ muss (Pornschlegel et al. 1984, S. 168).

Nachdem nun ein generelles Verstandnis fur das Phanomen Pause geschaffen wurde, soll im folgenden Kapitel zunachst eine Unterscheidung der unterschiedlichen Pausenarten naher erlautert werden.

3. Die Arten von Pausen

In den folgenden Abschnitten sollen zunachst allgemein bekannte Pausenarten beschrieben werden und im Anschluss daran die Pausenarten im Berufsalltag erlautert werden. Hierbei wird nicht nur auf die zeitliche GroGenordnung von Pausen eingegangen, sondern auch auf strukturelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Arten von Pausen.

3.1. Wochenende

Im weitesten Sinne kann das Wochenende auch als Pause verstanden werden: „Seit Einfuhrung der 5-Tage-Woche umfasst die regelmaGige wochentliche Freizeit fur etwa 2/3 aller Beschaftigten 2 volle Tage, wobei die nachmittagliche bzw. abendliche Freizeit des vorangehenden Arbeitstages (Freitag) schon zum sog. Wochenende zugehorig empfunden wird“ (Hildebrandt 1983, S. 385). Ursprunglich war jedoch nur ein Tag in der Woche als „Pause“ vorgesehen: „Die bekannteste und erfolgreichste von Menschen institutionalisierte ,Zwischenzeit’ ist jener Tag, der die Woche erst zur Woche macht: Fur Christen ist es der Sonntag, fur Juden der Samstag, fur Muslime der Freitag. Alle sieben Tage eine Zwischenzeit, ein Tag, an dem sogar - glaubt man der Bibel - Gott ruhte und dabei nachsah, ob das, was er in den sechs Werktagen zuvor getan hatte, auch gelungen war“ (GeiGler 2010, S. 27).

3.2. Feiertage

Auch Feiertage unterbrechen den „normalen“ Arbeitsrhythmus und stellen somit auch Pausen dar, Pausen, die in Anspruch genommen werden konnen, ohne gesellschaftliche Sanktionen befurchten zu mussen, weil sie gesetzlich geregelt sind. Dem Arbeitnehmer wird als per Gesetz eine Pause „verordnet“. Hildebrand, der sich in diesem Zusammenhang mit Freizeit beschaftigt hat, sieht in Feiertagen Ausdehnungspotential: „Durch gesetzliche Feiertage konnen auch innerhalb der Woche langere zusammenhangende Freizeiten entstehen oder die Wochenenden ausgedehnt werden“ (Hildebrandt 1983, S. 385).

3.3. Urlaub

Bei Pausen, die langer als nur ein paar Tage dauern, handelt es sich meist um Urlaub. „Jeder Arbeiter, Angestellte und Beamte hat einen gesetzlichen Anspruch auf eine tariflich festgelegte Urlaubszeit im Jahr unter Fortzahlung seiner Bezuge. Die Dauer richtet nach Alter, Grad der Verantwortung, Schwere und Gesundheitsschadlichkeit der Arbeit u.a. und betragt unter Einschluss der Wochenenden in der Regel mindestens 3 hochstens 6-7 Wochen. [...] Es wird erwartet, dass die jahrlich gewahrte Freizeit nach Moglichkeit als zusammenhangende Urlaubszeit genutzt wird. Auch die Angehorigen der freien Berufe pflegen eine jahrliche Urlaubszeit von langerer Dauer einzuhalten“ (Hildebrandt 1983, S. 385). Erwahnenswert sind Untersuchungen zur Wirksamkeit von Urlaub im Zusammenhang mit Regeneration und Leistungssteigerung, wobei sich Urlaub nicht immer positiv auf die Leistung auswirkt, bzw. die Regeneration in einer ersten Phase des Urlaubs sogar negative Auswirkungen haben kann (vgl. hierzu Hildebrandt 1983, S. 381).

Der Urlaub unterscheidet sich maRgeblich von der Pause am Arbeitsplatz, auf die spater noch eingegangen werden wird. Denn Urlaub kann im Gegensatz zur Pause frei gestaltet werden. Die raumliche Bindung ist geringer, ein Ortswechsel ist moglich und auch zeitlich ist der Urlaub nicht so stark begrenzt wie die Pause.

3.4. Die Schulpause

Bevor es in den folgenden Abschnitten vor allem um Arbeitspausen im Berufsalltag gehen soll, sei an dieser Stelle zuvor auf die Schulpause als eine der bekanntesten Pausen uberhaupt verwiesen. Meist nach einer 45-minutigen Unterrichtsstunde wird an Schulen eine Pause eingelegt, die je nach Tageszeit unterschiedlich lang ist. Schulpausen halten sich gewissermaBen in Ansatzen an den naturlichen Tagesrhythmus des Menschen (mehr dazu siehe Kapitel 8). Pausen sollen im Schulalltag nicht nur dazu dienen, die Aufnahmefahigkeit der Schuler zu steigern, sondern sie tragen auch dazu bei, dass die Schuler das Gelernte verarbeiten und aufnehmen konnen. Daruber hinaus, dient die Pause auch der Vermittlung kultureller Werte: „Auch Pausen und der Pausenplatz sind damit Teile jenes Disziplinarraumes, der Kinder im Laufe des Zivilisationsprozesses im Sinne einer Kultur fur Kinder zu Tragern verinnerlichter Zeitdisziplin erzieht" (Muri 2004, S. 124). Und diese Zeitdisziplin gilt es kontinuierlich einzuhalten, was bedeutet, dass sie sich „auch in gegenwartigem Pausenverhalten nachweisen" lasst (Muri 2004, S. 122).

3.5. Arbeitspausen im Berufsalltag

Im Arbeitszusammenhang dienen Pausen vor allem dazu, kurzfristige Erholungsmoglichkeiten zu bieten und somit die Leistung des Arbeitenden dauerhaft auf einem hohen Niveau zu halten. „Mit zunehmender Arbeitsermudung entsteht, wenn keine anderen Erholungsmoglichkeiten bestehen, die Notwendigkeit von Erholungspausen. Mit Erholungspausen sind hier alle Unterbrechungen der Arbeitszeit gemeint. Solche Unterbrechungen konnen abfallende Leistung verhindern oder verzogern (physiologische Pausenwirkung), sie konnen aber auch die Leistungsmotivation fur die nachfolgende Arbeitsphase erhohen (psychologische Pausenwirkung)“ (Refa Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V. 1984, S. 206).

Laut Pornschlegel sind „Pausen [...] zeitlich meBbare und sichtbare

Arbeitsunterbrechungen, bei denen der Arbeitende keine Tatigkeit im Rahmen der Arbeitsaufgabe ausfuhrt“ (Pornschlegel, Birkwald 1973, S. 96). Auf die erwahnte zeitliche Messbarkeit stutzen sich auch verschiedene Autoren, die Pausen anhand ihrer Lange kategorisieren, einteilen und ordnen. In den folgenden Abschnitten sollen die gangigen Pausenkategorien genannt und naher beschrieben werden.

3.5. Zeitliche Einteilung von Arbeitspausen

3.5.I. Kurzestpausen

Kurzestpausen sind schwer messbar. Sie haben eine Lange von weniger als einer Minute (vgl. Refa Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V. 1984, S. 209). In der Literatur werden diese Art Pause auch als „Blitzpause“ bezeichnet(Amon-Glassl 2003, S. 82). Fraglich ist, ob Arbeitende diese Mini- Unterbrechungen als Pause empfinden. Diese Kategorie mag anwendbar sein auf Berufe, bei denen im Akkord gearbeitet wird, durfte aber in frei organisierten Berufen, wie sie in der Journalismus-Branche vorkommen kaum von Bedeutung sein.

3.5.2. Kurzpausen

Uber die Lange von Kurzpausen gibt es unterschiedliche Auffassungen: Kurzpausen werden vom REFA Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation auf eine Lange von einer bis acht Minuten Pause festgelegt (vgl. Refa Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V. 1984, S. 209). Amon-Glassl, die eine tabellarische Zusammenfassung mehrerer Autoren fur die Klassifizierung von Pausen vorgenommen hat, legt die Lange der Kurzpause jedoch auf eine Lange von drei bis funf Minuten fest (vgl. Amon-Glassl 2003, S. 82).

Einig sind sich die Autoren uber die Wirkung von Kurzpausen: „Kurzpausen werden im Zusammenhange der Ermudungsvorbeugung - nicht der Erholung - dargestellt, um hervorzuheben, dass ihre Wirkung wesentlich mit ihrem vorbeugenden Charakter zusammenhangt. Kurzpausensysteme sollen der Ermudungsentstehung vorbeugen“

(Hacker, Richter 1984, S. 189). Pornschlegel merkt an: „Diese Art der Pausen ist am wirksamsten, wenn es sich um korperlich schwere Arbeit handelt“ (Pornschlegel, Birkwald 1973, S. 293). Werden Kurzpausen regelmaGig eingehalten, steigern sie die Leistungsfahigkeit (vgl. Amon-Glassl 2003, S. 84). Dies nur zur besseren Einordnung. Eine ausfuhrliche Auseinandersetzung mit der Wirksamkeit von Pausen erfolgt in Kapitel 10.

3.5.3. Pausen

Als richtige Pausen werden im arbeitswissenschaftlichen Zusammenhang Arbeitsunterbrechungen mit einer Lange von mehr als acht Minuten bezeichnet (vgl. Refa Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V. 1984, S. 209).

3.6. Organisatorische Einteilung von Arbeitspausen

Neben der zeitlichen Kategorisierung von Pausen wird in der Literatur auch eine organisatorische Einteilung vorgenommen. Ein Uberblick daruber soll in den folgenden Abschnitten gegeben werden.

3.6.1. Organisierte bzw. gesetzliche Pausen

Organisierte Pausen sind solche, die fester Bestandteil der Arbeitszeit in den jeweiligen Betrieben sind, bzw. zudem gesetzlich vorgeschrieben sind. „Dazu konnen gerechnet werden: die Mittagspause, die Verpflegungspausen und allfallige Kurzpausen“ (Grandjean 1991, S. 199 f). Bei gesetzlichen Pausen handelt es sich um „festgelegte Ruhepausen mit einer festgesetzten Mindestdauer und einem vorgegebenen Zeitpunkt. Sie dienen vorwiegend der Nahrungsaufnahme“ (Amon- Glassl 2003, S. 82).

Der vorgegebene Zeitpunkt wird branchenspezifisch vermutlich unterschiedlich gehandhabt. So liegt die Vermutung nahe, dass es bei Journalisten eher keine starr organisierten Pausen gibt. Im Gegensatz fur die von Pornschlegel beschriebenen Branchen: „Die Zeiten zur Unterbrechung der Tatigkeit zum Zwecke der Erholung werden fur Arbeitsgruppen, Werkstatten oder Buros angezeigt (optisch oder akustisch). Diese Form der Pause kommt uberall da in Frage, wo eine verhaltnismaBig starke Bindung des Menschen an Maschinen oder Arbeitsverfahren gegeben ist, zugleich aber ein etwa gleicher Erholungsbedarf fur die Arbeitenden vorliegt. Typisch hierfur ist die FlieBfertigung oder mengenteilige Werkstattfertigung; dies gilt aber auch z.B. fur zentrale Schreibburos oder Tatigkeiten von Datatypistinnen“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 195).

3.6.2. Bezahlte und unbezahlte Pausen und Erholzeiten

In der Praxis gibt es verschiedenste Regelungen daruber, in welcher Form Pausen und Erholzeiten in Anspruch genommen werden konnen. Ein vollstandiger Uberblick daruber kann an dieser Stelle nicht gegeben werden, lediglich die Unterscheidung zwischen bezahlter und unbezahlter Erholzeit wird exemplarisch angefuhrt: „Die Erholzeit ist die bezahlte Zeit innerhalb der Arbeitszeit, wahrend der der Arbeitende keine Tatigkeit im Rahmen seiner Arbeitsaufgabe zu verrichten hat, und die zum Ausgleich fur die arbeitsbedingten Belastungen dienen soll“ (Pornschlegel, Birkwald 1973, S. 93).

Im Gegensatz dazu sind AZO-Pausen insofern anders, als dass sie zwar gewahrt werden, mitunter sogar vom Arbeitgeber verlangt werden, dabei jedoch unbezahlt sind. AZO ist die Abkurzung fur Arbeitszeitverordnung und entsprechend dieser und anderer gesetzlicher Vorschriften, wie beispielsweise einem Tarifvertrag werden AZO-Pausen oder Ruhepausen bei Pornschlegel wie folgt beschrieben: „Hierbei handelt es sich nach der AZO (§§12,14, 18) um unbezahlte Arbeitsunterbrechungen von mindestens einer Viertelstunde Dauer, in denen keine Beschaftigung im Betrieb bzw. keine Verrichtung von Arbeitstatigkeiten erfolgt“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 172). Bei der Berufsgruppe der Journalisten ist diese Phanomen haufig zu beobachten, wie im Weiteren ausgefuhrt wird.

Als freie, selbst gewahlte Pause bezeichnet Pornschlegel die „individuelle Unterbrechung der Tatigkeit auf Grund eigener Entscheidungen des Arbeitenden, im Allgemeinen im Rahmen der vorgegebenen Erholungszeiten, bei Zeitlohn auch ohne solche Vorkehrungen“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 195). Diese Art von Pausen ist dort moglich, wo die arbeitsorganisatorischen Zwange nicht sehr starr sind. Der Arbeitende kann sich die Pause je nach Bedurfnis und Gegebenheiten des Arbeitsablaufes einteilen. „Fur den Betrieb sind keine besonderen organisatorischen MaBnahmen erforderlich, andererseits gibt es auch keine Gewahr fur die Inanspruchnahme vorgegebener Erholungszeiten zum Erholungszweck“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 195). Doch auch wenn diese Art flexibler und selbstbestimmter Pausen auf dem ersten Blick vorteilhaft erscheint, ergibt sich hier dennoch eine Problematik: „Hauptproblem ist, dass der einzelne Arbeitende seine Pauseneinteilung sehr willkurlich wahlen kann und mithin eine optimale Erholungswirksamkeit keineswegs gewahrleistet ist“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 195). Das bestatigt auch Amon-Glassl: „Selbst gewahlte Pausen erfolgen namlich meist zu spat, seltener und langer als gunstig“ (Amon-Glassl 2003, S. 83).

3.6.4. Nicht organisierte Pausen II: Arbeitsablaufbedingte Wartezeiten

Arbeitsauflaufbedingte Wartezeiten sind „nicht vorhersehbare Arbeitsunterbrechungen, z. B. durch schlechte Abstimmungen oder Storungen von Maschinen. Wichtig ist hier die Abschatzung, wann wieder mit einer Aktivitat gerechnet werden kann“ (Amon-Glassl 2003, S. 82). Es ist moglich, diese Wartezeiten als Erholungszeit zu nutzen. „Vorraussetzung ist [...], dass die Dauer der Wartezeiten und ihre zeitliche Lage innerhalb der Schicht einer sinnvollen Pausengestaltung entsprechen. Dabei muss die Mindestdauer so sein, dass der Arbeitsplatz zur Inanspruchnahme von Erholung verlassen werden kann. Dies schlieBt sehr kurze Arbeitsunterbrechungen aus. Wartezeiten vor Beginn der regelmaBigen Tatigkeit konnen hierzu nicht herangezogen werden, weil Ermudung nicht im Vorwege ausgeglichen werden kann“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 196).

„Unter maskierten Pausen verstehen wir Nebenbeschaftigungen, die im betreffenden Zeitpunkt fur solche Erledigung des Arbeitsauftrages nicht notwendig sind. Mit solchen Nebenbeschaftigungen versucht der Mensch, eine Pause, die er zur Erholung braucht, zu verschleiern“ (Grandjean 1991, S. 199 f). Diese Art von Pausen legt der Arbeitnehmer willkurlich ein. Sie „[...] haben jedoch einen geringen Erholungswert“ (Refa Verband fur Arbeitsstudien und Betriebsorganisation e.V. 1984, S. 209). Kaschierte Pausen sind verschiedenster Art. Es ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer diese Art von Pausen unter Umstanden gar nicht als Pausen wahrnimmt. Zu den kaschierten Pausen zahlt beispielsweise aus dem Fenster zu gucken, den Schreibtisch aufzuraumen, die Sitzposition zu andern, den Arbeitsplatz kurz unter einem Vorwand zu verlassen (um die Nase zu putzen, einen Kollegen etwas zu fragen oder ein Glas Wasser zu holen). „An den meisten Arbeitsplatzen gibt es zahlreiche Moglichkeiten, maskierte Pausen einzuschalten. [...] Vom physiologischen Standpunkt aus sind diese maskierten Pausen oder Nebenarbeiten gerechtfertigt: niemand ist zu einer fortgesetzten korperlichen oder geistigen Leistung ohne jegliche Unterbrechung fahig“ (Grandjean 1991, S. 199 f).

4. Die Entwicklung des Zeitverstandnisses im Lauf der Geschichte

Wenn Pausen untersucht und verstanden werden sollen, dann ist es wichtig das Verstandnis von Zeit in einer Gesellschaft zu beleuchten. Daruber hinaus ist ein Blick in die Historie notwendig, um die heutzutage durchaus kritische Sichtweise auf Zeit zu verstehen. Aus diesem Grund widmet sich das folgende Kapitel der Entwicklung des Zeitverstandnisses vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Zunachst werden jedoch zahlreiche Unterscheidungen und Formen der Zeit, des Zeitbewusstseins sowie des Zeitverstandnisses erortert.

4.1. Formen der Zeit, des Zeitbewusstseins und des Zeitverstandnisses

Nach Durkheim lasst sich die Zeit in zwei Formen unterscheiden: Representation und Objektivierung. Dabei stellen Reprasentationen von Zeit subjektive Zeitvorstellungen, „die sich die Akteure in der Lebenswelt von Zeitformen machen (z. B. Metaphern wie Fluss der Zeit [...]), dar. Uhren und Kalender, die der Bestimmung von Zeitverhaltnissen dienen, sind hingegen Objektivierungen von Zeit“ (Muri 2004, S. 27). Nach Muri umschreibt die objektive Zeit demnach „sozio-kulturell festgelegte Zeitstrukturen, wie sie beispielsweise in der gemessenen Zeit formalisiert werden“ (Muri 2004, S. 28). Subjektive Zeit umfasst „das vom Einzelnen wahrgenommene Zeitgefuhl und Zeitbewusstsein“ (Muri 2004, S. 28).

Desweiteren kann Zeit in individuelle und kollektive Zeit unterschieden werden. Dabei steht die individuelle Zeit „fur personliche Strategien in der Zeiteinteilung und des Zeitvertreibs“ (Muri 2004, S. 29). Die kollektive Zeit beschreibt Muri dagegen als einen „Sammelbegriff der sozialen Zeit sowie kultureller Zeitvorstellungen und Normen fur Umgangsformen mit der Zeit. Sie steht fur Reglementierungen des individuellen und gruppenspezifischen Erlebens und Handelns in der Zeit“ (Muri 2004, S. 29).

Muri unterscheidet auch drei Formen von Zeitbewusstsein: das aktuelle, das zyklische und das lineare Zeitbewusstsein: „Gegenuber dem aktuellen Zeitbewusstsein, das eine intersubjektive Verstandigung uber eine aktuelle Zeitnorm enthalt, liegt dem zyklischen Zeitbewusstsein die Annahme zugrunde, dass sich Verhaltensweisen zu bestimmten Zeitpunkten oder in bestimmten Zeitspannen wiederholen. Sie bewirken in besonderem MaRe die Stabilisierung von Erwartungshorizonten“ (Muri 2004, S. 35). Charakteristisch fur das lineare Zeitbewusstsein ist, dass es sich dabei um eine ziel- und entwicklungsorientierte zeitliche Abfolge handelt (Muri 2004, S. 35). Zeit wird demnach als gleichformige „Bewegung“ gesehen, bei der die Gegenwart und Zukunft stets im Fokus steht. Nach GeiRler geht das lineare Zeitbewusstsein davon aus, „dass das Subjekt etwas mit der Zeit macht“ (GeiRler 1997, S. 25). Menschliches Handeln basiert dabei immer mit Blick auf die objektive Zeit (also mit „Blick auf die Uhr“) (vgl. GeiRler 1997, S. 25). Das lineare Zeitbewusstsein dominiert die heutzutage vorherrschende Lebensauffassung, Zeit planen und kontrollieren zu konnen. Zumindest ist Zeit „das bestimmende soziale Ordnungsprinzip der Industriegesellschaften in Ost und West (GeiBler 1997, S. 29).

4.2. Historische Entwicklung von Zeit und Zeitbewusstsein

Die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung des Messens von Zeit - also die Entwicklung der (mechanischen) Uhr - trug maBgeblich zu unserem heutigen Zeitverstandnis bei, in dem stets von „zu wenig Zeit“ die Rede ist (vgl. GeiBler 1997, S. 47). Baeriswyl schrieb einmal sehr eindrucklich: „Einst hatte der Mensch genugend Zeit. Er stand auf, wenn die Sonne am Horizont erschien. Ging auf die Jagd, wenn er Hunger verspurte. Horte auf, sich anzustrengen, wenn er gesattigt war. Nichts in der Welt trieb ihn zur Eile an" (Baeriswyl 2000, S. 51).

Im Fruhmittelalter - einer Zeit, in der es noch keine Uhren gab - wurde das Zeitverstandnis der Menschen und der Gesellschaft durch die Rhythmen der Natur, beispielsweise Tag und Nacht oder die Jahreszeiten, bestimmt. Denn fur die Menschen der durch Agrarwirtschaft gepragten Gesellschaft bestand keine Notwendigkeit, die Zeit anders zu messen (vgl. GeiBler 1997, S. 30 f.). Dieses Zeitverstandnis anderte sich jedoch im Spatmittelalter. Mit dem Wachsen der Kommunen und dem zunehmenden Einfluss der Stadte in der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Heranwachsen handwerklicher Produktionsformen wurde es notwendiger, die Zeit anders zu messen, als durch die Rhythmen der Natur. Auch entwickelte sich der Geldverkehr stetig weiter. Der homo oeconomicus pragte das stadtische Leben. Man kann also sagen, dass die Veranderung des Zeitbewusstseins durch wirtschaftliche Notwendigkeiten herbeigefuhrt wurde (vgl. GeiBler 1997, S. 30 f.). Die Zeit als solches wurde also immer wertvoller, „die Turmuhren wurden zur Orientierungsmarke bei der Arbeit, die Kaufleute wurden zu Kalkulatoren und zu Buchhaltern der Zeit“ (GeiBler 1997, S. 32). Wann genau die erste mechanische Uhr erfunden wurde, kann, nach Muri, bis heute nicht eindeutig nachvollzogen werden. Man nimmt jedoch an, dass sie zwischen dem 13. und 14. Jahrhundert erfunden wurde (vgl. Muri 2004, S. 70). Die ersten mechanischen Uhren sind mit denen, die unsere Gesellschaft heute kennt, nicht zu vergleichen. Minuten- oder gar Sekundenzeiger gab es nicht. Die „Stadtuhren“ zahlten lediglich die Stunden. Auch war die (gemessene) Zeit zunachst ein „stadtisches Privileg“ Bauern orientierten sich nach wie vor an den Zyklen der Natur (vgl. GeiBler 1997, S. 34). „Der Besitz einer offentlichen Uhr gehorte zum Bestandteil urbanen Dekors, die eine Stadt als Stadt auszeichnete und sie vom Land unterschied" (Muri 2004, S. 72). Desweiteren war ihr Besitz Ausdruck fur die „Aufgeschlossenheit gegenuber Neuerungen, die Wohlhabenheit und die Tatkraft der Verwaltung einer Stadt“ (Muri 2004, S. 72). Fur Handwerker bestimmte die „Stadtuhr“ fortan ihre Tageseinteilung: Der Tag teilt sich in 24 gleiche Stunden, Arbeitsbeginn und Arbeitsende, Arbeitspausen und Tageszeiten wurden durch die Uhr vorgegeben. Kaufleute und Handwerker richteten ihr Leben zunehmend am linearen Zeitverstandnis aus (vgl. GeiBler 1997, S. 34).

„Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelte sich das Uhrmacherhandwerk, ein Handwerk, das zunachst maBgeblich auf die Wunsche der Furstenhofe (und deren Bedurfnisse nach Zeit-'Vertreib') ausgerichtet war“ (GeiBler 1997, S. 52). Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hatte jede Stadt ihre „eigene Zeit“. Jedoch machte es die starke Entwicklung der Wirtschaft, wie beispielsweise der regelmaBige Verkehr der Postkutschen, zunehmend notwendiger die verschiedenen Ortszeiten zu koordinieren (vgl. GeiBler 1997, S. 53). Seit 1906 werden schlieBlich uber Funk Zeitsignale ausgesendet, die die Uhren weltweit aufeinander abstimmen (vgl. GeiBler 1997, S. 55).

4.3. Zeitverstandnis und -bewusstsein der Gegenwart

Nach GeiBler waren es drei Formen des gesellschaftliches Wandels, die den linearen Zeitbegriff dominant werden lieBen: die Urbanisierung, die Industrialisierung und die Burokratisierung (vgl. GeiBler 1997, S. 43). „In vorindustriellen Epochen war Zeit im Handeln selbst enthalten und durch ein soziales Verhalten in der Zeit gekennzeichnet, wahrend in der Gegenwart soziales Verhalten uber die Zeit bestimmt wird und zeitorientiertes Handeln vor aufgabenorientiertem kommt“ (Muri 2004, S. 35). Das lineare Zeitverstandnis ist in der gegenwartigen Gesellschaft „der wichtigste Ordnungsfaktor der Koordination gesellschaftlicher Subsysteme“ und das „notwendige strukturierende Prinzip sozialen Handelns in und zwischen diesen“ (GeiBler 1997, S. 57). Das Individuum ist heute unabhangiger von der Natur und deren Zyklen. „Die Natur wurde von der Zweckrationalitat der Okonomie als Bezugspunkt fur Zeitorganisation abgelost“ (GeiBler 1997, S. 85).

Was der Mensch zunachst als Freiheit ansah - namlich die Freiheit sich nicht mehr von den Zyklen der Natur diktieren zu lassen - erscheint heute als Gefangenschaft. Gefangen in der Zeit, die das menschliche Handeln mehr diktiert als Naturrhythmen es je taten. GeiBler beschreibt dies als Unabhangigkeit auBerer und „Knebelung innerer Natur“ (GeiBler 1997, S. 58). Die mechanische Uhr ist zur wichtigsten Orientierungsmarke im Leben des Menschen geworden. Dies zeigt sich schon allein an der Vielzahl (offentlicher) Uhren. Dabei wird dem Menschen bei jedem Anblick auf den Zeitmesser die Verganglichkeit der Zeit geradezu aufgedrangt: die Zeit verrinnt, von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute, von Sekunde zu Sekunde. Jeder einzelne Moment will deshalb ganz bewusst gelebt, organisiert und geplant sein. Alles andere ware auch Zeit-Verschwendung. In einem Leben mit diesem Bewusstsein heiBt das groBe Ziel: Zeitersparnis. Nach ihr - der Zeitersparnis - richten sich physische, psychische und soziale Ressourcen aus (vgl. GeiBler 1997, S. 97). Jedoch spuren viele Menschen, „dass der kalkulatorische Umgang mit der Zeit eben ein kalkulatorischer Umgang mit dem Menschen ist, mit sich und mit anderen gleichermaBen“ (GeiBler 1997, S. 59). Und selbst Karl Marx sagte seinerzeit: „Die Zeit ist alles, der Mensch ist nichts mehr, er ist hochstens noch die Verkorperung der Zeit“ (Marx 1969, S. 93).

Allerdings gibt es Lebensbereiche und auch Phasen im Lebensprozess des Menschen, in denen das lineare Zeitverstandnis und die Diktatur durch die Zeit ihn nicht zu beherrschen scheint. GeiBler zahlt dazu den bauerlichen Arbeitsbereich sowie die Lebensbereiche Haushalt und Familie (vgl. GeiBler 1997, S. 67). Ferner zahlen dazu Kinder und alte Menschen, da sie „dem okonomischen Verwertungsprozess noch nicht oder nicht mehr als Produzierende angehoren“ (GeiBler 1997, S. 77). Bei den genannten Lebensbereichen oder Personengruppen erscheint die Zeit als Subjekt. Das Zeiterleben ist dabei an naturliche psycho- physische sowie soziale Bedingungen und Prozesse geknupft (vgl. GeiBler 1997, S. 63). Zeit wird im subjektiven Zeitempfinden nicht beherrscht, sondern „intensiv erlebt“ (GeiBler 1997, S. 63). „Im Extrem wird Zeit als 'Schicksal' erlebt, als von einer transzendenten Macht gesteuerter Naturprozess, in dem die Menschen leben und dessen Teil sie sind“ (GeiBler 1997).

Letztlich lebt der Mensch weder nur im zyklischen noch nur im linearen Zeitbewusstsein. Die Wirklichkeiten eines jeden Individuums sind stets sowohl erlebnisorientiert, als auch erlebnisdistanziert. Allerdings ist „die Dominanz des linearen Modells in den Industriegesellschaften [...] nicht zu leugnen“ (GeiRler 1997, S. 87).

5. Die Rahmenbedingung fur Pausen

5.1. Arbeit als Rahmenbedingung fur Pausen (im Gegensatz zur Freizeit)

Arbeit bildet den Rahmen, in dem Arbeitspausen stattfinden. Daher ist es notwendig, sich innerhalb dieser Untersuchung zum Thema Pausen etwas ausfuhrlicher mit dem Begriff Arbeit auseinander zu setzen - konnen doch Pausen nicht losgelost von ihrem Umfeld betrachtet werden. Wir vermuten, dass der Stellenwert, den Arbeit in einer Gesellschaft hat, auch die Haltung der Menschen zu Pausen beeinflusst. In den folgenden Abschnitten soll daher nachgezeichnet werden, wie sich der Arbeitsbegriff im Laufe der Geschichte von der Antike bis heute verandert hat. Lopfe und Vontobel bringen das auf den Punkt: „Die Adelung der Arbeit war ein muhsamer, langwieriger und widerspruchlicher Prozess“ (Lopfe, Vontobel 2008, S. 37). Denn Arbeit wurde uber viele Jahrhunderte der westlichen Kulturgeschichte negativ bewertet, bevor sie sich zur Legitimation fur die erfolgreiche Teilhabe an der Gesellschaft entwickelte. Verschiedenste wissenschaftliche Disziplinen haben sich damit befasst, was Arbeit fur den Menschen bedeutet. So konnte man neben der historischen Entwicklung auch auf okonomische, psychologische und ergonomische Theorien eingehen. Eine ausfuhrlichere Bearbeitung des Arbeitsbegriffes mit all seinen Facetten wurde jedoch den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

5.2. Definitionsansatze des Begriffs Arbeit

Arbeit wird ausgehend von der mittelhochdeutschen Wortbedeutung von ar(e)bei‘ bzw. des althochdeutschen ar(a)beit definiert als „schwere korperliche Anstrengung, Muhsal, Plage“ (vgl. F.A. Brockhaus 2006, S. 290). Hans Frambach, der sich innerhalb der politischen Ideengeschichte mit dem Bedeutungswandel von Arbeit auseinandergesetzt hat, verweist jedoch darauf, dass Definitionsversuche fur den Begriff Arbeit aufgrund seiner Vielfalt nie ganz die Wirklichkeit treffen konnen und widerspricht der Brockhaus-Definition: „gegen die Bestimmung von Arbeit nach dem AusmaR der aufgewendeten Anstrengung spricht der Umstand, dass viele Arbeiten mit Freude bzw. als Freude empfundener Form der Anstrengung ausgeubt werden“ (Frambach, S. 239). Zudem merkt er an, „dass es vollig gleichgeartete Tatigkeiten gibt, die einmal als Arbeit und ein anderes Mal als Nicht-Arbeit auftreten.“ (Frambach, S. 239). Diese Besonderheit wird uns noch spater beschaftigen, wenn es beispielsweise im Kapitel 21 um Motivation geht.

Eine Funktion „der Arbeit [ist] die Ermoglichung einer regelmaRigen Tatigkeit, soziale Kontakte, Zeitstrukturierung sowie Statusvermittlung zur Starkung personlicher Identitat" (F.A. Brockhaus 2006, S. 290). Ferner verstehen die Autoren der Enzyklopadie unter Arbeit „de[n] bewusste[n] und zweckgerichtete[n] Einsatz der korperlichen, geistigen und seelischen Krafte des Menschen zur Befriedigung seiner materiellen und ideellen Bedurfnisse“ (F.A. Brockhaus 2006, S. 290). Die neoklassischen Theorie betrachtet Arbeit im Zusammenhang mit Zeit: „Arbeit [ist] die innerhalb eines Herstellungsprozesses aufgewendete Zeit, sie ist ein ,Opfer’, das der Mensch erbringen muss, um Einkommen zu erzielen“ (Frambach, S. 234).

Weitere Definitionsansatze stammen aus dem Bereich der Wirtschaft, der Psychologie, den Arbeitswissenschaften und Kulturwissenschaften oder der Physik. Ferner kann mit Arbeit auch ein sportliches Training oder ein literarisches Werk bezeichnet werden. An dieser Stelle sollen die vorliegenden Ansatze jedoch zunachst einmal genugen.

5.3. Arbeit in der romisch-griechischen Antike

Gilt Arbeit heute als etwas Erstrebenswertes und ein Arbeitsloser als Problemfall, der von der Gesellschaft gewissermaRen ausgeschlossen ist, war dies in der Antike genau umgekehrt: Wer arbeitete wurde verachtet. „Fur die Antike begrundet die Teilnahme am Arbeitsprozess keinerlei soziale Rechte. Im Gegenteil: Zahlreiche Gesetze und moralphilosophische Erorterungen weisen darauf hin, dass Arbeit vielmehr den Ausschluss aus der Gemeinschaft der burgerlichen Gesellschaft zur Folge haben konnte“ (ABlander 2005, S. 275).

Vor allem die korperliche Arbeit, die dazu diente, den Lebensunterhalt zu bestreiten, wurde im antiken Verstandnis mit dem Begriff Arbeit in Verbindung gebracht. Tatigkeiten wie das Regieren eines Staates wurden hingegen - anders als heute - nicht als Arbeit verstanden, sondern als Kunst. Diese unterschiedliche Art der Arbeit wird in der Literatur als vita activa - das tatige Leben und als vita contemplativa bezeichnet. Letzteres besagt: „der Mensch gilt als umso vollkommener, je starker er sich dem Geistigen zuwendet, und je weniger er sich korperlich betatigt“ (Frambach, S. 228). Der freie Polis-Burger war also von Arbeit befreit und konnte diese an unfreie Sklaven oder Tagelohner delegieren. Dadurch konnte er meist eine politische Funktion erfullen (vgl. Frambach).

Fur Aristoteles konnte niemand ein freier Burger sein, der darauf angewiesen war, sich seinen Lebensunterhalt selbst durch Arbeit zu verdienen. Denn Sklaven verrichteten Tatigkeiten, die mit der „Notdurft des Lebens“ im Zusammenhang standen und schufen nichts von Bestand als Nachlass fur die Welt, sondern befriedigten nur die Grundbedurfnisse ihrer Herren (vgl. Arendt 1960, S. 78).

5.4. Ambivalentes Arbeitsverstandnis im Mittelalter

Im Gegensatz zur Antike wurde Arbeit im vom Christentum gepragten Mittelalter nicht mehr verachtet, sondern aufgewertet. Nach der Lehre des Alten Testaments galt Arbeit nun als Teil des gottlichen Schopfungswerkes. Der theologischen Auffassung zufolge hatte Gott „bei der Schopfung [...] handwerklich arbeitend gedacht und [weil] die Schopfung ,sein Werk’ ist, wird [...] die Abwertung korperlicher Arbeit ausgeschlossen“ (Nieschmidt o.J., S. 4). Thomas von Aquin verstand Arbeit als „Dienst am Nachsten“. Sie sollte „als dankbares Dienen im Sinne der Nachstenliebe begriffen werden“ (Nieschmidt o.J., S. 4). Augustinus empfahl die Arbeit, um nicht den Versuchungen des MuBigganges zu unterliegen. Doch im Mittelalter bedeutete Arbeit vor allem Muhe und Last. Denn trotz Schopfungsauftrag wurde die Bibel uber lange Jahrhunderte hinweg so gedeutet, dass Arbeit als Strafe fur den Sundenfall muhsam fur den Menschen sein muss: „GemaB der Bibel ist Arbeit die Strafe dafur, dass Adam und Eva in den Apfel der Weisheit gebissen haben. Seit der Vertreibung aus dem Paradies mussen die Menschen ihren Unterhalt deshalb im SchweiBe ihres Angesichts verdienen“ (Lopfe, Vontobel 2008, S. 33). Daher bezeichnet Frambach das Arbeitsverstandnis im Christentum als ambivalent: Es wurde „einerseits als gottlicher Auftrag, andererseits aber auch als Fluch und gottliche Strafe fur eine selbstverschuldete ursprungliche Entzweiung des Menschen von seiner gottlichen Transzendenz gesehen“ (Frambach, S. 227).

Mit der Stadtentwicklung erfolgte eine starkere Arbeitsteilung. Konnte sich vorher jeder autark versorgen, so begannen sich die Handwerker und Arbeiter allmahlich zu spezialisieren. Es bildeten sich Zunfte in denen alle Bereiche geregelt waren, die mit dem jeweiligen Handwerk zu tun hatten. Unter anderem auch die Arbeitszeiten (vgl. ABlander 2005, S. 129). Wie der Arbeitstag im Mittelalter geregelt war, ist ABlander zu entnehmen: „Ein Arbeitstag beginnt im Extremfall um drei Uhr morgens und dauert bis in den spaten Nachmittag. [...] Die Folge der Arbeitstage wird unterbrochen durch zahlreiche kirchliche Feiertage, die mit dem fruheren Arbeitsende am Vortage einhergehen. Insgesamt belauft sich die Anzahl der Arbeitstage im Mittelalter auf ca. 260 Tage“ (ABlander 2005, S. 130-131). Wobei sich Arbeit zu dieser Zeit hauptsachlich noch im familiaren Umfeld abspielte.

5.5. Beruf als Berufung - Arbeitsverstandnis der Reformation

Zentrales Merkmal fur den Arbeitsbegriff unter Luther und Calvin war, dass nicht aus der Motivation heraus gearbeitet wurde, Reichtum zu erlangen, sondern Arbeit als „Ausdruck einer zutiefst empfundenen Religiositat“ gesehen wurde (ABlander 2005, S. 155). Der Arbeitsbegriff stutzte sich noch voll und ganz auf das Fundament der christlichen Lehre. Doch nun wurde Arbeit im Gegensatz zu vorherigen Zeiten „endgultig von dem auf ihr lastenden ,Fluch befreit’, einzig und allein Strafe Gottes fur die Sunden zu sein. Zwar hat der Sundenfall Einfluss auf die Bedingungen unter denen gearbeitet wird, doch wird die Arbeit selbst keiner negativen Wertung unterzogen“ (Frambach 1999, S. 61). Bei Luther (1483-1546) taucht erstmals der Begriff der „Arbeitsfreude“ auf: „Aus dem Wissen heraus, dass Gott die geringe

Arbeit anerkennt, dass er keine Standesunterschiede kennt, resultiert eine wahre Ursache der Arbeitsfreude“ (zit. nach Luthers Vorlesung uber den Prediger Salomo. 1526 in: Frambach 1999, S. 65). In diesem Sinne wurde Arbeit, da sie im Auftrag Gottes verrichtet wurde zur „Berufung“ (vgl. Frambach, S. 228). Luther war es, der den Begriff „Beruf“ in die deutsche Sprache einfuhrte (vgl. Lopfe, Vontobel 2008, S. 35).

Doch trotz des positiven Zuordnung des Begriffs, meinte Luther mit Beruf nicht etwa Selbstverwirklichung. Berufung bedeutete zu seiner Zeit, von Gott zu einer bestimmten Arbeit in einem bestimmten Stand, an den dieser Beruf gebunden ist, berufen zu sein.

Unter Calvin (1509 - 1564) ging Arbeit uber diese bloRe Pflichterfullung hinaus. Sie wurde zum Statussymbol: „Wer nicht arbeitete, war nunmehr der Gnade Gottes nicht wurdig. [...] Wer viel arbeitete und wenig konsumierte, wurde reich. Dieser Reichtum wiederum, der nicht demonstrativ zur Schau getragen werden durfte, wurde seinerseits zum Zeichen der Auserwahltheit vor Gott“ (Lopfe, Vontobel 2008, S. 35). Gewinnorientiertes Arbeiten erhielt dadurch gottliche Legitimation (vgl. Nieschmidt o.J., S. 4-5) „Im streng calvinistischen Denken ist ein entspannter Mensch ein verlorener Mensch. [...] Im ausgehenden Mittelalter entstand daher ein neuer Charaktertyp: Der getriebene Mensch, der gezwungen ist, seinen moralischen Wert durch seine Arbeit zu beweisen“ (Lopfe, Vontobel 2008, S. 36).

5.6. Arbeitsbegriff der burgerlichen Gesellschaft

Von Religion im Arbeitsverstandnis der beginnenden Industrialisierung war langst keine Rede mehr. Sie war weder Strafe, noch gottgewollt, sondern ermoglichte ein Leben in Freiheit. Arbeit sollte dazu dienen, den Lebensunterhalt zu decken sowie Bedarfsartikel und sonstige Annehmlichkeiten erschwinglich zu machen (vgl. United Nations 1948). Frambach spricht zur Wende des 18. Jahrhunderts von einer Sakularisierung des Arbeitsbegriffs, der „seiner religiosen Inhalte entkleidet und vom neuzeitlichen Prinzip der Selbsterhaltung bestimmt [wurde]“ (Frambach, S. 228). Mit Erfindungen wie der Dampfmaschine oder dem mechanischen Webstuhl veranderte sich die bestehende Gesellschaftsordnung in Europa. Statt Standesdenken und Zunftzugehorigkeit entstand eine Gesellschaft die vom Ideal freier Arbeit bestimmt war. Die Leibeigenen entledigten sich ihrer Fronherren und fuhrten gewissermaBen ein freies Leben. Mit zunehmender Entwicklung der Stadte wurde geleistete Arbeit „erstmals zur Begrundung politischer und sozialer Rechte gesehen“ (ABlander 2005, S. 156). Zudem entwickelten Vertreter der politischen Okonomie von nun an Konzepte von Arbeit, die sie systematisch auf okonomische Gesichtspunkte hin untersuchten. Der englische Okonom David Ricardo befasste sich in seinen Untersuchungen uber Lohne mit dem Marktpreis der Arbeit. Der Okonom Adam Smith legte in seinem Werk „Der Wohlstand der Nationen", worin er sich mit dem Thema Arbeitsteilung auseinandersetzte, den Grundstein fur die noch heute existierende „Zeit-ist-Geld-Mentalitat“. Smith war davon uberzeugt, dass „die Arbeitsteilung [...] die produktiven Krafte der Arbeit mehr als alles andere fordern und verbessern durfte“ (Smith 1974, S. 9-10). Die Erklarung war fur Smith folgende: „Gewohnlich trodelt man ein wenig beim Ubergang von einer Arbeit zur anderen, zudem beginnt man eine neue Tatigkeit kaum mit groBer Lust und Hingabe, ist noch nicht ganz bei der Sache, wie man zu sagen pflegt und vertut einige Zeit mit Nebensachlichkeiten, anstatt ernsthaft zu Arbeiten“ (Smith 1974, S. 13).

Doch Arbeitsteilung sollte nicht nur Zeit sparen, sondern zu allgemeinem Wohlstand fuhren, „der selbst in den untersten Schichten der Bevolkerung spurbar wird“ (Smith 1974, S. 14). Die Folge war das Entstehen einer breiten Schicht von Industriearbeitern. Sie glaubten an „die im Industriesystem liegende Chance der arbeitenden Bevolkerung auf Selbstverwirklichung [und] auf ein materiell gesichertes Leben“ (Frambach, S. 229).

5.7. Arbeitsverstandnis der Neuzeit

Die Arbeit selbst spielt bei den individuellen Lebensentwurfen der burgerlichen Gesellschaft der Neuzeit eine immer groBere Rolle: „Nicht die Sicherung der eigenen Lebensgrundlage oder die Anhaufung von Reichtumern wird zum Motiv vor rastlose Berufsarbeit, sondern Arbeit und Erwerb selbst werden zunehmend zum Selbstzweck, zum eigentlichen Inhalt beruflicher Tatigkeit“ (ABlander 2005, S. 186). Im Zuge dieser Entwicklung entstanden neue Berufe und alte wiederum verschwanden, Arbeit verlagerte sich vom eigenen Haus auf externe GroBbetriebe. Dies erforderte neue Werte: „Eigenschaften wie Punktlichkeit, Zuverlassigkeit oder Schnelligkeit werden in einem nie gekannten AusmaB notwendig und selbstverstandlich - die Menschen mussen sich darauf einstellen“ (Frambach, S. 233).

Der soziale Rang war nicht mehr nur von der Schicht abhangig, in die man hineingeboren wurde, sondern auch von der spateren Erwerbsarbeit. An die Stelle von Herkunft und Stand als Aufstiegskriterien in einen anderen Stand traten Fachkenntnisse und -qualifikationen. „Okonomischer Erfolg wird zum Ausweis des gelungenen Lebens, der Zwang zur Erwerbsarbeit zum Bestandteil des menschlichen Seelenhaushalts“ (ABlander 2005, S. 196-197). Die Folge dieser Veranderung war die Auflosung des zunftisch organisierten Handwerks (vgl. ABlander 2005, S. 204). „Letztlich im Laufe von nur zwei Jahrhunderten, von der Aufklarung bis zur Jahrhundertwende gelang es dem Burgertum jene Erwerbsmentalitat zu etablieren, die bis heute unsere ,Arbeitsgesellschaft’ pragen“ (ABlander 2005, S. 260). Die burgerliche Elite zeichnete sich besonders durch „ArbeitsfleiB und Sparsamkeit“ aus (ABlander 2005, S. 211).

5.8. Zwischen Verwirklichung und „Entfremdung“

Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) und Karl Marx (1818-1883) entwickelten die Ideen von Smith und Ricardo weiter und setzten sich im okonomischen Kontext mit dem Wesen von Arbeit auseinander. Da an dieser Stelle nicht auf das Gesamtwerk der beiden Autoren eingegangen werden kann, soll hier die Einschatzung Nieschmidts helfen, die Bedeutung von Marx und Hegel fur die Weiterentwicklung des Arbeitsverstandnisses einzuordnen. „Marx und Hegel hatten gezeigt - und das ist ihr Verdienst-, dass Arbeit fur den Menschen nicht etwas AuBerliches, Beliebiges ist, das auch wegfallen kann ohne Verlust, sondern dass die Arbeit die eigentliche Grundbestimmung und Verfasstheit es Menschen ist, ohne die er nicht werden kann, was er wirklich ist. Zu der so verstandenen Arbeit gehort dann wesentlich hinzu, dass der Mensch sie immer in irgendwelchen sozialen Bezugen leistet: miteinander oder fureinander, so dass auch die sozialen Beziehungen nichts der Arbeit AuBerliches sind“(Nieschmidt o.J., S. 8). Nach Nieschmidt beziehe sich der Begriff der Arbeit bei Hegel auf „die gesamte Wirklichkeit des Menschen; sie ist die allgemeine Weise seiner Entwicklung und Entfaltung uberhaupt“ (Nieschmidt o.J., S. 8). Marx, dessen fruhe Schriften auf Hegel aufbauen, widerspricht diesem Grundgedanken jedoch: „Der Industriearbeiter verwirklicht sich [...] nicht in seiner Arbeit, sondern ,entwirklicht' sich nach Marx nur, um den Lohn zu verdienen, dessen er bedarf, um sich zu reproduzieren fur die Arbeit des nachsten Tages“ (Nieschmidt o.J., S. 8). Damit kritisiere Marx die Arbeitsinhalte und -verfahren der fruhindustriellen Arbeitswelt (vgl. Nieschmidt o.J., S. 8).

Es zeichnete sich also eine Ambivalenz ab, bei der ,Arbeit’ einerseits Mittel der Selbstbefreiung war und andererseits fur die Entwurdigung des Arbeiters und dessen Ausbeutung stand. Letztere wird fur Marx in der Verlangerung des Arbeitstages sichtbar: „Wir haben bis jetzt die Grenzen des Arbeitstages als gegeben unterstellt. An sich hat aber der Arbeitstag keine konstanten Grenzen. Die Tendenz des Kapitals geht standig dahin, ihn bis auf die auGerste physisch mogliche Lange auszudehnen, weil in gleichem MaGe die Mehrarbeit und folglich der daraus resultierende Profit vermehrt wird. [...] Wahrend des 17. und selbst in den ersten beiden Dritteln des 18. Jahrhunderts war ein zehnstundiger Arbeitstag Normalarbeitstag in ganz England. Wahrend des Antijacobinerkriegs [...] feierte das Kapital Orgien und verlangerte den Arbeitstag von 10 auf 12, 14, 18 Stunden“ (Marx, S. 210). Die Arbeiterklasse, von Marx als Proletariat bezeichnet, ging im Kampf gegen diese kapitalistischen MaGgaben in Konfrontation zu den Kapitalisten.

5.9. Arbeit im Schatten der Stoppuhr

„Im 19. Jahrhundert stand die Frage der Arbeitszeitregelung im Mittelpunkt der wissenschaftlichen und politischen Interessen. Die wesentliche Errungenschaft dieser Epoche war die Arbeitszeitverkurzung. Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise gewann die Okonomisierung der Zeit zusehends an Bedeutung, was sich erst in Diskussionen um die Dauer, in weiterer Folge aber um die Dichte der Arbeitszeit ausdruckte“ (Amon-Glassl 2003, S. 21). Ein Arbeiter, der das Gefuhlt hat, ausgebeutet zu werden, arbeitet „nicht mehr als ein 1/3 oder hochstens die Halfte einer ehrlichen Tagesleistung." (Taylor 1922, S. 7), stellte Frederick Winslow Taylor (1856 -1915) fest. Er brachte die Weiterentwicklung des Arbeitsverstandnisses durch seine Untersuchungen zur wissenschaftlichen Betriebsfuhrung auf die nachste Stufe. „Taylor hat mit Stoppuhr und Notizblock in der Hand die Ablaufe in einer Fabrik minutios festgehalten und ausgewertet. Er ermittelte auf das Gramm genau, wie viel Kohle ein Arbeiter pro Tag schaufeln musste, um die hochste Effizienz zu erreichen, ohne dabei seine Gesundheit zu ruinieren. Auf der Suche nach dem optimalen Produktionsprozess kummerte er sich um die Anordnung von Maschinen genauso wie um die Aufteilung einzelner Arbeitsschritte“ (Lopfe, Vontobel 2008, S. 39). Kritiker Taylors bemangelten, dass bei ihm der Mensch zum bloRen Arbeitsobjekt wird. Neben der Profitsteigerung ging es ihm jedoch auch darum, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaRen von einer wissenschaftlichen Betriebsfuhrung profitieren. Taylor ging davon aus, dass sich die Produktivitat durch Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern steigern lieRe. Doch auch Arbeitszeiten gewannen mit der einsetzenden Industrialisierung im 19. Jahrhundert an Bedeutung: „Die Uhr wurde zum wichtigsten Instrument einer regulier- und kontrollierbaren Zeitdisziplin. Die Arbeitszeit wurde mit Stechuhren und Aufsehern kontrolliert und erhohte sich auch fur Kinder und Frauen auf funfzehn bis sechzehn Stunden am Tag. Unternehmer und burgerliche Kreise begrundeten die langen Arbeitszeiten oft damit, dass Arbeiter mit Freizeit nicht umzugehen wussten“ (Muri 2004, S. 85).

Erst 1877 setzte sich allmahlich die Einsicht durch, dass „Leistung dauerhaft nur moglich ist, wenn sie mit Phasen der Ruhe abwechselt. 1877 wurde im eidgenossischen Fabrikgesetz Sonntagsarbeit verboten. Am 23. Marz wurde der 11- Stunden-Tag fur Erwachsene festgelegt, am 18. Juni 1914 der 10-Stunden-Tag und am 1. Januar 1920 der 8-Stunden-Tag in Kraft gesetzt“ (Muri 2004, S. 96).

5.10. Grundrecht auf Arbeit

Im 20. Jahrhundert, einem Zeitalter in dem Arbeit mehr und mehr zum Ausdruck der Selbstverwirklichung wird, bekommt die Arbeit auch einen anderen Stellenwert in der Gesellschaft. „Wenn Arbeit die Quelle individuellen wie gesamtgesellschaftlichen Wohlstands ist, dann erfordert es der Grundsatz der sozialen Gerechtigkeit, dass niemand hiervon ausgeschlossen werden darf“ (ARlander 2005, S. 248). Seit 1948 gilt Arbeit als Grundrecht des Menschen. In der Allgemeinen Erklarung der Menschenrechte wurde es im Artikel 23 verankert: „Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit“ (United Nations 1948, S. 5). Soziale Kontakte, die Moglichkeit, sich selbst zu verwirklichen und am eigenen Arbeitsprozess mitzubestimmen wurden im zwanzigsten Jahrhundert immer wichtiger.

Bewusst ausgeklammert wird an dieser Stelle die Aufarbeitung des Arbeitsbegriffs unter den Nationalsozialisten, wo Juden in Konzentrations- und Arbeitslagern unter dem Vorwand „Arbeit macht frei“ zu hunderttausenden zur Arbeit gezwungen und umgebracht wurden. Dieses traurige Kapitel des Arbeitsbegriffes gehort in andere Untersuchungszusammenhange und soll fur die Untersuchung von Arbeitspausen an dieser Stelle nicht einbezogen werden.

In der Nachkriegsgesellschaft wurde Arbeit zum zentralen Faktor der Wiederaufbaugesellschaft. Zunachst stand der materielle Wohlstand im Vordergrund. Allmahlich, auch durch die Etablierung des Sozialstaates, verlor Arbeit ihre materielle Bedeutung, da die soziale Absicherung ab einen bestimmten Zeitpunkt gewissermaBen vorausgesetzt werden konnte. Fortan galt: „Arbeit macht nicht nur Wohlstand moglich. Arbeit ist ein zentraler Faktor menschlichen Glucks. Sie bindet Menschen ein oder grenzt sie aus und schafft auf diese Weise Identitat.

5.11. Bedeutung von Arbeit in der Gegenwart

„,Ich habe Stress’ ist in vielen Unternehmen nur ein geflugeltes Wort und bedeutet so viel wie ,Ich tue was und bin wichtig.’ In vielen Firmen werden Uberstunden mit Leistung verwechselt und wer wirklich sagt: ,Das schaffe ich nicht’ gilt als unwillig oder unfahig" (Unger, Kleinschmidt 2006, S. 30). Diese Mentalitat wird von einigen Autoren kritisiert: „Arbeit ist zum Gotzen geworden, den wir anbeten und der unserem Leben Sinn verleiht. Sie kann eine Droge sein. Dann lauft man und lauft wie der Hamster im Rad“ (Lopfe, Vontobel 2008, S. 43). In der Literatur wird Arbeit daher als grundlegende Kategorie menschlichen Daseins beschrieben (vgl. Frambach, S. 228). „Neben der Ermoglichung materieller und sozialer Chancen bildet die Berufsarbeit fur den einzelnen neben der Familie den wohl wichtigsten Bereich sozialer Identifikation“ (ABlander 2005, S. 9).

Die produzierende Arbeit hat sich seitdem weiterentwickelt in Richtung Dienstleistung und Informationsverarbeitung. Mobilitat, Flexibilitat und Konsum sind die Tugenden des 21. Jahrhunderts. Heute steht langst nicht mehr die Produktion im Vordergrund, sondern vielmehr die Kommunikation. Zugenommen hat auch eine Pluralisierung der Arbeitsverhaltnisse. Teilzeitarbeit, flexible Arbeitszeiten und eine Vielzahl von Beschaftigungsmodellen pragen heute den Arbeitsmarkt. Ganztagsarbeit und lebenslange Beschaftigung in einem Unternehmen ist heute nicht mehr die Norm, sondern eher die Ausnahme. Naturlich gibt es auch weiterhin Berufe im industriellen Bereich, aber andere Formen der Erwerbstatigkeit - besonders im Dienstleistungssektor haben die Erwerbsarbeit pluralisiert. Hinzu kommen die unterschiedlichsten Formen von Selbststandigkeit oder freiberuflicher Tatigkeit.

Die Frage stellt sich nun, wie Menschen unter solchermaBen entwickelten Arbeitsverstandnis Pausen und Freizeitblocke in ihre Arbeit einbauen? Werden Pausen vor dem Hintergrund, dass Arbeit Selbstverwirklichung bedeuten kann, uberhaupt als notwendig und sinnvoll erachtet? Oder konnte es sein, dass Pausen im allgemeinen Verstandnis der immerbereiten „Stand-by-Arbeitsgesellschaft“ in Verruf geraten sind? Auf diese Fragen kann vorerst noch nicht eindeutig geantwortet werden. Es ist aber anzunehmen, dass der Bedeutungswandel von Arbeit auch einen Bedeutungswandel von Pausen nach sich gezogen hat, worauf im folgenden Kapitel naher einzugehen sein wird.

6. Die Geschichte von Pausen

Auf die etymologische Geschichte des Wortes Pause wurde im Vorfeld bereits in Kapitel 1 eingegangen. Schon im antiken Griechenland war die Pause bekannt. Doch obwohl der Begriff Pause immer schon soviel wie „Ruhe“ bedeutete, hat die Pause und all das, was mit ihr verbunden wird, einen politischen, okonomischen und sozio-kulturellen Wandel vollzogen. (vgl. Muri 2004, S. 81)

Der Bedeutungswandel - gerade auch in Bezug auf MuBe im Allgemeinen - lasst sich aus dem vorangegangenen Abschnitt zum Zeitverstandnis sowie dem Kapitel zur Arbeit bereits erahnen. „Pausen zahlten noch im alten Griechenland zu den notwendigen, unverzichtbaren Zeitqualitaten individuellen und sozialen Daseins. Sie waren ein zentraler Bestandteil dessen, was wir heute ,Lebensqualitat’ nennen. [...]

Dass auch die Romer dem Pausieren viel abgewinnen konnten, wissen wir von Cicero, der in seiner Schrift uber den Redner (de oratore) einen engen Zusammenhang zwischen Pause und burgerlicher Freiheit herstellte“ (GeiBler 2010, S. 85 ff).

6.1. Pause und MuBiggang im Mittelalter

Wie bereits beschrieben, wandelte sich im Christentum die Einstellung der Gesellschaft zur Arbeit und damit auch zur Pause. „Allein am Bedeutungswandel des Begriffs der MuBe kann man jenen gewaltigen Umbruch der Mentalitat ablesen, den das Christentum dadurch bewirkt, dass es die Arbeit zu einem hohen sittlichen Wert und umgekehrt die Mu Be als Gefahr fur die Seele problematisiert: Otiositas (der MuBiggang), abgeleitet vom heidnisch-antiken Begriff otium (die Mu Be), wird durchweg negativ besetzt, also ein Kontrast zur MuBe als jenem positiven Zustand der freien Verfugung uber die Zeit, der allein dem antiken Vollburger zustand“ (Frambach 1999, S. 53 ff).

Doch selbst das Christentum hat zumindest der Pause eine Bedeutung zugemessen: „So schuf Gott die Welt bekanntlich in sechs Tagen. Am siebten Tag machte er eine Pause - nebenbei, nicht aus Grunden der Erschopfung, sondern aus Grunden der Schopfung“ (GeiBler 2010, S. 94). Es gab also im Christentum des fruhen Mittelalters durchaus ein ambivalentes Verhaltnis zu Ruhezeiten, MuBe und somit - so konnte man daraus ableiten - eben auch zu Pause. Die Vergeudung der Zeit wurde als Sunde betrachtet. Unter Augustinus bekommt Arbeit plotzlich Wurde und einen tieferen Sinn. Wie im vorangegangen Kapitel beschrieben, empfiehlt er sie sogar, um nicht den Versuchungen des MuBigganges zu unterliegen. Hier deutet sich bereits an, dass MuBiggang zur Zeit von Augustinus nicht hoch angesehen war. Inwiefern sich diese Geringschatzung des MuBiggangs auch auf die Wertschatzung der Pausen ausgewirkt haben konnte ist fraglich.

Da Arbeit einerseits aufgrund des Sundenfalls als gottliche Strafe verstanden wurde, die es zu buBen galt, kann vermutet werden, dass Pausen zu dieser Zeit nicht gerade hoch angesehen waren. Unklar ist jedoch, da geeignete Quellen dazu fehlen, inwiefern die Lebensverhaltnisse der Menschen uberhaupt Pausen zulieBen oder nicht. Die Arbeit und somit die sich ergebenen Pausen waren stark von der anfallenden Arbeit - meist landwirtschaftlicher Art - abhangig. Zudem durften Jahres- und Tageszeiten einen groBen Einfluss auf das Pausenverhalten der Menschen gehabt haben. Unter Thomas von Aquin gewann die MuBe, bzw. die geistige Arbeit wieder an Bedeutung - und zwar in Form der Contemplation der Monche und deren Motto „Ora et Labora“ (Bete und Arbeite). Es ist zu vermuten, dass sich durch die stille Meditation der Monche die Einstellung zur Pause wieder zum Positiven veranderte. Ein Indiz dafur konnte die Tatsache sein, dass mit dem Aufkommen der mechanischen Uhr zum Ende des 13. Jahrhunderts bereits 1374 fur Tagelohner und Werkleute eine einstundige Pause geregelt gewesen sein soll. (vgl. Muri 2004, S. 75).

Im Mittelalter gab es vorerst keine zeitliche Bemessung des Arbeitstages. Gearbeitet wurde, wie bereits erwahnt, je nach dem, wie viel Arbeit anfiel. „Der Arbeitstag war eine vergleichsweise elastische GroBe“ (Muri 2004, S. 77). Das bedeutet, dass die Arbeitenden selbst fur die Konsequenzen ihres Arbeits- und Pausenverhaltens verantwortlich waren. Wenn Pausen beispielsweise zu lang ausgedehnt wurden, konnten sich Probleme dadurch ergeben, dass nur so lange gearbeitet werden konnte, wie es hell war. Das Arbeitsende war also an das Ende des ,Lichttages’ gebunden. „Vom 14. bis Mitte des 19. Jahrhunderts lassen sich zudem zahlreiche Beispiele fur andere Arbeitsunterbrechungen finden, wie spazieren gehen, andere Handwerker besuchen, mit zu- oder abwandernden Gesellen etwas trinken usw.“ (Muri 2004, S. 82).

Mit dem Aufkommen der Uhr bestimmten zunehmend - vor allem in den Stadten - Glocken das Arbeitsende (vgl. Muri 2004, S. 77). Und sie bestimmten ebenso feste Pausenzeiten: „Pausen wurden ein bis dreimal taglich in der GroBenordnung von einer halben (z.B. Vesper), einer (Mittagspause an kurzen Tagen) bis zwei Stunden (Mittagspause an langen Tagen) angeordnet“ (Muri 2004, S. 77f)). Hierbei muss jedoch angemerkt werden, dass die effektive Arbeitszeit in diesem Kontext zwischen 11 und 14 Stunden betrug (vgl. (Muri 2004, S. 83).

6.2. Kritik am Muftiggang - Beispiel Martin Luther

Durch die Aufwertung der Arbeit durch Luther wurde MuBiggang im Zuge der Reformation verurteilt. Denn MuBiggang verletzte die Pflicht zur Arbeit (vgl. Frambach, S. 228). Inwieweit sich die Verurteilung des MuBiggangs auf das Pausenverhalten auswirkte ist nicht bekannt.

Wolfgang Nahrstedt, der sich mit der Entstehung der Freizeit beschaftigt hat, stellte dennoch eine Ausdehnung der Pausen in spateren Jahrhunderten fest: „Im 15. und 16. Jahrhundert wurden in europaischen Stadten (z. B. in Wien, Hamburg) Pausenzeiten von maximal drei Stunden ermittelt, die je nach Jahreszeit in eine bis drei Pauseneinheiten aufgeteilt wurden. (vgl. Nahrstedt, Wolfgang: Die Entstehung der Freizeit. Dargestellt am Beispiel Hamburg. Bielefeld, 1989, S. 129-138. In: Muri 2004, S. 83). Jedoch schien die Lange und der Zeitpunkt, wann man die Pause einlegt im Mittelalter nicht sehr festgelegt: „Arbeitspausen treten im Beschrieb fruhindustrieller Arbeitsunterbrechungen nicht als normierte Zeitintervalle auf: Gemeinsame Zeiterfahrung, die zwischen Menschen, die unter ahnlichen Umstanden leben, auf handlungspraktischer wie auf symbolsicher Ebene geteilt wird, wird als abhangig von Jahreszeiten, vom AusmaB der anstehenden Arbeiten und den Anweisungen des Hausvorstandes nachgezeichnet. Der Charakter der Arbeit war also bis ins 19. Jahrhundert von einem nicht-rationalen Habitus bestimmt“ (Muri 2004, S. 82).

Die Entwicklung in Richtung Industrialisierung und Kapitalismus lieB jedoch den Stellenwert der Pause wieder abnehmen. „Der Ubergang zum modernen industriellen Kapitalismus zeichnete sich in der Erhohung der Arbeitsintensitat ab [...] [Zum Beispiel] sollten Pausenverkurzungen Leerzeiten und willkurliche Pausen verringern“ (Amon-Glassl 2003, S. 22).

Doch mit zunehmender Erforschung der Arbeit gewann die Pause dann doch wieder allmahlich wieder an Stellenwert - nicht zuletzt deshalb, weil sie Arbeitsintensitat und Leistungsfahigkeit steigerte. Ernst Bernhard erforschte zu Beginn des 20. Jahrhunderts, welche Vorraussetzungen notig sind, um die Arbeitsintensitat zu erhohen. Er forderte fur Industriearbeiter mindestens 20 Minuten Pause und wies auch darauf hin, dass Frauen den ganzlichen Pausenentzug schlechter vertragen (vgl. Amon-Glassl 2003, S. 22). Karl Marx wiederum kritisierte den Versuch, die Arbeiter zu disziplinieren, indem die Betriebspausen abgeschafft wurden. Er bezeichnete die Abschaffung der Betriebspausen als "Diebstahls des Kapitals auf Kosten der Arbeiter" (vgl. Amon-Glassl 2003, S. 22). Marx warnte davor, dass ein Mensch ohne Pausen verroht: „Ein Mensch, der nicht uber freie Zeit verfugt, dessen ganze Lebenszeit - abgesehen von rein physischen Unterbrechungen durch Schlaf, Mahlzeiten usw. - von seiner Arbeit fur den Kapitalisten verschlungen wird, ist weniger als ein Lasttier. Er ist eine bloRe Maschine zur Produktion von fremden Reichtum, korperlich gebrochen und geistig verroht“ (Marx, S. 221-212).

Vielleicht auch deshalb stand im 19. Jahrhundert mit der zunehmenden kapitalistischen Produktionsweise vor allem die „Frage der Arbeitszeitregelung im Mittelpunkt der wissenschaftlichen und politischen Interessen“ (Amon-Glassl 2003, S. 21). Dies hatte jedoch zur Folge, dass die Arbeiter jenen vorgeschriebenen Ruhezeiten, die nicht bezahlt wurden (vgl. AZO-Pause im Kapitel 3) nicht gerade aufgeschlossen gegenuberstanden.

6.3. Pausen im Fokus der Wissenschaft

Taylor war sich der leistungssteigernden Wirkung von Pausen durch seine Untersuchungen bewusst und plante sie deshalb in den Arbeitsprozess ein.

„Durch Beobachtung und Zerlegung von Arbeitsablaufen, deren Zeitstudien und Eliminierung von unnutzen Bewegungen entwickelte Taylor fur jeden Arbeitsablauf die "one-best-way"-Methode, den besten Weg jedes Arbeitsvorganges. Als Resultat sollten moglichst zeit-okonomische Ablaufe hervorgehen, ohne Uberforderung des Arbeiters durch Ubermudung, Uberlastung oder zu hohes Arbeitstempo. Um eine ausreichende Erholung zu gewahrleisten, wurden deshalb auch Erholungspausen in den Arbeitsprozess einkalkuliert“ (Amon-Glassl 2003, S. 22).

Die Wissenschaftler der Arbeitsphysiologie des 20. Jahrhunderts untersuchten Pausen uberwiegend mit medizinischen HilfsgroRen: „Durch Untersuchungen der Veranderungen von Urin, Blutbild, Temperatur, Gewicht, Blutdruck, Pulsfrequenz, Sinnesorganen wie Haut, Augen, Gehor, uvm. wurde auch die physiologische Notwendigkeit der Arbeitspause zur Regeneration des menschlichen Organismus wissenschaftlich diskutiert“ (Amon-Glassl 2003, S. 23). Diese arbeitswissenschaftlichen Pausenkonzepte vernachlassigten allerdings „soziale und kommunikative Aspekte“ (Muri 2004, S. 100).

Der Stellenwert der Freizeit nahm im 19. Jahrhundert in der Gesellschaft zu: „Noch im vorigen Jahrhundert war bei taglichen Arbeitszeiten von 12-16 Std. kein Raum fur eine tagliche Freizeit; die Sonn- und Feiertage waren, soweit sie arbeitsfrei waren, durch Sitten und Gebrauche sozial gebunden, und jahrliche Urlaubszeiten waren weitgehend unbekannt. Frei verfugbare Zeit galt fur die unteren Bevolkerungsschichten als Gefahrdung, niedrigen Neigungen Raum zu lassen“ (Hildebrandt 1983, S. 381). Allgemein verfugbare und gesetzlich verankerte Freizeiten sind erst Errungenschaften der sozialen Neuorientierung, vor allem nach dem 1. Weltkrieg.

6.4. Verordnete Pausen im 20. Jahrhundert

Seit der Zeit nach dem ersten Weltkrieg gibt es durch die Einfuhrung des Acht- Stunden-Tages, den arbeitsfreien Wochenenden sowie den Anspruch auf Urlaub, gesetzlich frei verfugbare Freizeit. Gefordert wurde sie von Gewerkschaften um die Belastungen der Arbeitnehmer zu verringern, gleichzeitig aber die Moglichkeiten zur Entspannung vergroRern. Die Arbeitenden sollten mehr Zeit fur Familie, Kultur und politische Tatigkeiten bekommen (vgl. Amon-Glassl 2003, S. 26).

Im Jahr 1923 wurden in Deutschland betriebliche Kurzpausen eingefuhrt. Die Gewerkschaften bekampften zu dieser Zeit vor allem die pausenlose Akkordarbeit: „Arbeitstatigkeiten waren hauptsachlich von Technik- und Produktionsstandpunkt aus rationalisiert worden und hatten zur Ausbeutung von Arbeitern gefuhrt. Deshalb wurde die Forderung nach Einfuhrung von Kurzpausen bei der FlieRbandarbeit immer massiver“ (Amon-Glassl 2003, S. 25 ff). Am 21.12.1923 wurde dann durch eine neue Arbeitszeitverordnung, die eine Verlangerung der Arbeitszeit nach sich zog, erlassen. Danach waren Kurzpausen auch innerhalb der Arbeitszeit moglich. Das war jedoch nicht ganz unproblematisch: „Wahrend Arbeitgeber und Gewerkschaften fur die Einhaltung langerer und oftmaliger Pausen pladierten, traten Betriebsrate und Arbeiterschaft fur kurzere ein, um die auRerbetriebliche Freizeit zu verlangern. Die Streitfrage verlor aber unter den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise [1929] an Bedeutung“ (Amon-Glassl 2003, S. 25 ff).

Unter den Nationalsozialisten ruckten Arbeitszeitbedingungen wieder in den Fokus des Interesses. Schlick, Luczak und Bruder fuhren aus, dass das nationalsozialistische Regime 1934 Bestimmungen aus den 20er Jahren uber die werktagliche Arbeitszeit in einer Arbeitszeitordnung zusammenfasste und „damit alle Mitwirkungsrechte der Betriebsvertretungen beseitigt“ hat (Schlick et al. 2010,S. 716). Der wesentliche Inhalt der Arbeitszeitverordnung war der Acht-Stunden-Tag sowie die Sechs-Tage-Woche. Doch neben der Begrenzung der wochentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden, enthielt die AZO auch spezielle Regelungen zu Pausen: „Nach der Arbeitszeitordnung (AZO) sind den Beschaftigten je nach Lange der Arbeitszeit unterschiedlich lange Ruhepausen von jeweils mindestens einer Viertelstunde Dauer zu gewahren, die nicht Bestandteil der Arbeitszeit sind [...] vorgeschrieben (sog. AZO-Pausen)“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 171). Die Arbeitszeitverordnung AZO wurde im Jahre 1938 im Reichsgesetzblatt I festgeschrieben (vgl. Schlick et al. 2010,S. 716).

Auch wenn diese Regelungen noch bis Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts Bestand hatten und erst 1994 vom Arbeitszeitgesetz (ArbZG) abgelost wurden (vgl. Schlick et al. 2010,S. 765), so darf nicht unerwahnt bleiben, dass die AZO einem Regime entsprungen ist, in dem es das System der Zwangsarbeiter gab und in dem ein grower Teil der Menschen ausgebeutet wurde.

Ohnehin waren wahrend des zweiten Weltkriegs zunachst die meisten Arbeitszeitregelungen auRer Kraft gesetzt. Doch wurden sie nach Kriegsende „auf Anordnung der Besatzermachte der Vorkriegszustand wieder hergestellt“ (Schlick et al. 2010,S. 761.)

Dies brachte bedeutete Vorteile fur die Arbeitgeber: „[Die AZO] fuhrt dazu, dass der Arbeitgeber, also der Verursacher von Belastungen und Arbeitsermudung, solche Zeiten weder zu bezahlen noch auf die Arbeitszeit anzurechnen braucht. Die AZO­Pause hat fur den Arbeitnehmer eine langere Verweildauer im Betrieb zur Folge, fur die er nicht bezahlt wird. Daraus ergibt sich, dass solche Ruhepausen auf die im Schichtverlauf erforderlichen Erholzeiten nicht angerechnet werden konnen bzw.

entsprechende Anspruche von Unternehmen abzulehnen sind“ (Pornschlegel et al. 1984, S. 171).

Doch Ruhezeiten an sich - gleich ob bezahlt oder unbezahlt - wurden notwendiger. In der arbeitsorientierten Nachkriegsgesellschaft des Wirtschaftswunders musste dafur allerdings erst noch Verstandnis in der Bevolkerung und bei den Arbeitgebern geschaffen werden. „Pausen behinderten die Beschleunigung. Sie wurden zu Storungen. Der Nonstop-Betrieb wurde zum erstrebten und erwunschten Ideal. SchlieBlich mussten der wachsenden Tendenz zur Geringschatzung der Pausen und des menschliches Pausenbedarfes staatliche Arbeitsschutzgesetze und tarifliche Regelungen Einhalt gebieten, um die Arbeitenden vor gesundheitlichen Schaden und vorschnellen Arbeitskraftverlusten zu bewahren“ (GeiBler 2010, S. 95ff).

Im Hinblick auf den zunehmenden Leistungsdruck in den Betrieben und GroBunternehmen waren es die Gewerkschaften, die schlieBlich die Forderung nach bezahlten Pausen in die Diskussion brachten. Dabei stellte fur Pornschlegel der Tarifvertrag „das wichtigste Instrument fur die Regelung zur Sicherung ausreichender Erholungsmoglichkeiten wahrend der Arbeit“ dar (Pornschlegel et al. 1984, S. 201). Allen voran schaffte es die IG Metall 1973 mit dem „Lohnrahmentarifvertrag II/Manteltarifvertrag (LRTV II) fur die gewerblichen Arbeitnehmer der Metallindustrie Nordwurttemberg/Nordbaden“ Pausen vertraglich zu regeln. So konnten, nach einem neuntagigen Arbeitskampf Erholzeiten von mindestens funf Minuten pro Stunde (§3.14.2) sowie Bedurfniszeiten von mindestens drei Minuten pro Stunde (§3.1.4.5) durchgesetzt werden (Pornschlegel et al. 1984, S. 166). In den nachfolgenden Jahren konnten weitere Tarifvertrage geschlossen werden, in denen die Pausenzeiten fur die Arbeitnehmer genau geregelt waren: So wurden beispielsweise in der Bekleidungsindustrie „angemessene Zuschlage“ von mindestens zehn Prozent fur Erholzeiten und funf Prozent fur „personliche Verteilzeiten“ vorgeschrieben (Manteltarifvertrag vom 17.05.1979; § 17 Nr.8). Ferner erhielten alle Arbeitnehmer der Nahrmittelindustrie in Hamburg und Schleswig-Holstein funf Minuten „bezahlte Kurzpausen zum Zweck personlicher Bedurfnisse“ pro Stunde (Manteltarifvertrag § 3 Abs. 3). 15 Minuten bezahlte Pause pro Stunde erhielten alle diejenigen, die an Bildschirmgeraten arbeiteten.

Desweiteren sind im „Tarifvertrag uber die Einfuhrung und Anwendung rechnergesteuerter Textsysteme“ fur die Druckindustrie, Zeitungs- und Zeitschriftenverlage funf Minuten pro Stunde bzw. 15 Minuten pro zwei Stunden fur Pausen vorgesehen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Arbeitnehmer uber einen Zeitraum von mehr als vier Stunden ununterbrochenen Blickkontakt zum Bildschirm hat (§13). Leider sah es in der Praxis so aus, dass sich viele Arbeitnehmer aus Angst vor Image- oder Arbeitsplatzverlust nicht trauten, sich ihre frei wahlbaren Pausen zu nehmen. AuBerdem erwies sich eine funfminutige Pause als zu kurz. Es begannen Diskussionen um die optimale Pausenlange, die mit mindestens 10 Minuten angesetzt wurde (vgl. Amon-Glassl 2003, S. 26).

Dieser punktuelle Abriss aus der tarifpolitischen Praxis und die praktische Entwicklung menschlichen Pausenverhaltens in der Geschichte zeigt und dokumentiert, wie weit das Spektrum an Regelungen zu Pausenzeiten wahrend der Arbeitszeit gespannt ist.

Doch warum diese ausfuhrliche Betrachtung im Zusammenhang mit dieser Studienarbeit uber das Pausenverhalten von Journalisten? Pausen scheinen generell notwendig zu sein, nicht nur fur eine Gesellschaft, sondern auch fur jedes Individuum. Wohl kaum hatten Arbeitnehmer und Gewerkschaften sonst die Unannehmlichkeiten und Risiken von Streiks fur eine Anderung der Arbeitszeitregelungen auf sich genommen.

Pausen wurden in der Sekundar-Literatur bislang vor allem aus gesellschaftlicher Sicht betrachtet. Im Folgenden mochten wir uns mehr mit der korperlichen und psychischen Notwendigkeit von Pausen fur den Menschen befassen.

[...]

Excerpt out of 190 pages

Details

Title
Pausen im journalistischen Berufsalltag
Subtitle
Eine quantitative Untersuchung
College
TU Dortmund  (Institut für Journalistik)
Grade
1,7
Authors
Year
2010
Pages
190
Catalog Number
V159767
ISBN (eBook)
9783640765348
ISBN (Book)
9783640765379
File size
4878 KB
Language
German
Keywords
Zeitmanagement, Pausen, Bournout, Redaktion, Journalismus, Arbeitsbedingungen, Flow, Zeit, Zeitnot, Arbeitsgesundheit, Berufsalltag, quantitativ
Quote paper
Katalin Valeš (Author)Ulrike Sommerfeld (Author), 2010, Pausen im journalistischen Berufsalltag, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159767

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Title: Pausen im journalistischen Berufsalltag



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