Aus der bundesverfassungsrechtlichen Garantie der kommunalen Selbstverwaltung folgt, dass sich eine Gemeinde im Interesse einer wirksamen Wahrnehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nicht ihrer gemeinwohlorientierten Handlungsspielräume begeben darf. Eine materielle Privatisierung eines kulturell, sozial und traditionsmäßig bedeutsamen Weihnachtsmarktes, der bisher in alleiniger kommunaler Verantwortung betrieben wurde, widerspricht dem. Eine Gemeinde kann sich nicht ihrer hierfür bestehenden Aufgabenverantwortung entziehen. Ihr obliegt vielmehr auch die Sicherung und Wahrung ihres Aufgabenbereichs, um eine wirkungsvolle Selbstverwaltung und Wahrnehmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu gewährleisten. Die kommunale Selbstverwaltung hat in Deutschland eine lange Tradition. Schon in der Steinschen Städteordnung von 1808, der Paulskirchenverfassung 1848 und der württembergischen Verfassung von 1819 wurde die Bedeutung der Gemeinen für das Staatswesen erkannt. Die kommunale Selbstverwaltung ist zu einem festen Bestandteil des staatlichen Organisationsgefüges geworden und ein tragfähiges Fundament unseres Staatswesens. Ihrem Wesen und ihrer Intension nach kann man die kommunale Selbstverwaltung als Aktivierung der Bürger für ihre eigenen Angelegenheiten durch Einräumung der Möglichkeit zu aktiv gestalterischer Mitwirkung in einem für sie überschaubaren Gemeinwesen umschreiben, vgl. Schwab, Neubestimmung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, S. 11. Sie macht Demokratie für die Bürger erlebbar und ist durch Einräumung bürgerlicher Mitverantwortung und Mitentscheidung Garant gegen einen Untertanengeist. Kommunale Selbstverwaltung darf daher nicht zur bloß polit-professionellen Verwaltungstätigkeit denaturieren, sondern muss eine Selbstverwaltung der Bürger durch und für den Bürger bleiben. In Art. 28 Abs. 2 GG ist eine subjektive Rechtsstellungsgarantie der Gemeinden enthalten, Schmidt-Aßmann, FS 50 Jahre BVerfG II, 2001, S. 812 ff.; Maurer, FS für Christian Starck, 2007, S. 339 mit FN 21. Sie hat zur Folge, dass Gemeinden nur solche Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht hinnehmen müssen, die im Einklang mit Art. 28 Abs. 2 GG stehen, und notfalls eine Beschwerdemöglichkeit daraus herleiten können. Zwar ist mit Art. 28 Abs. 2 GG kein Recht auf Bestandsschutz verbunden ist, doch erwächst der einzelnen kommunalen Gebietskörperschaft aus Art. 28 Abs. 2 GG verfassungsunmittelbar ein verfassungsmäßiges subjektives Recht.
Inhaltsverzeichnis
- Privatisierung eines Weihnachtsmarktes*1
- Kommunale Selbstverwaltung
- Die Bedeutung der Gemeinen
- Aktivierung der Bürger
- Rechtsstellungsgarantie der Gemeinden
- Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft
- Materielle Privatisierung
- Aufgabenverantwortung
- Zum Sachverhalt
- Feststellungsklage
- Zulässigkeit der Klage
- Klagebefugnis
- Rechtliche Grundlagen
- Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG
- Eigenverantwortung
- Finanzhoheit
- Personalhoheit
- Raum- und Planungshoheit
- Organisations- bzw. Kooperationshoheit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Privatisierung eines Weihnachtsmarktes im Kontext der kommunalen Selbstverwaltung. Er analysiert die rechtliche Grundlage des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden in Deutschland, insbesondere im Hinblick auf Art. 28 Abs. 2 GG.
- Kommunale Selbstverwaltung und ihre Rechtsstellung
- Die Bedeutung des Selbstverwaltungsrechts für Gemeinden
- Die Grenzen des Selbstverwaltungsrechts bei der Privatisierung von Aufgaben
- Rechtliche Aspekte der Übertragung von Aufgaben an Dritte
- Die Rolle der Gerichte bei der Beurteilung von Privatisierungsvorhaben
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beginnt mit einer Einleitung, die die Bedeutung der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland hervorhebt. Anschließend wird der konkrete Fall einer Privatisierung eines Weihnachtsmarktes vorgestellt. Der Kläger, ein Imbissstandbetreiber, sieht seine Rechte verletzt, da die Gemeinde den Weihnachtsmarkt an einen Dritten übertragen hat. Der Text analysiert die rechtlichen Grundlagen des Selbstverwaltungsrechts, insbesondere Art. 28 Abs. 2 GG, um zu klären, ob eine solche Privatisierung zulässig ist. Die Kapitel behandeln die institutionelle Rechtssubjektsgarantie, die objektive Rechtsinstitutionsgarantie und die subjektive Rechtsstellungsgarantie der Gemeinden.
Der Text geht auf die Anforderungen der kommunalen Selbstverwaltung ein, die insbesondere auf das Prinzip der Eigenverantwortung und die Gewährleistung der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft abzielen. Die Bedeutung des Gesetzesvorbehalts und der Kernbereichsgarantie im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung werden erläutert. Des Weiteren werden die Finanzhoheit, die Personalhoheit, die Raum- und Planungshoheit sowie die Organisations- bzw. Kooperationshoheit der Gemeinden beleuchtet.
Die Kapitel behandeln auch die Zulässigkeit der Feststellungsklage, die Klagebefugnis des Klägers und die juristischen Aspekte des Falles im Zusammenhang mit der Übertragung des Weihnachtsmarktes an einen Dritten.
Schlüsselwörter
Kommunale Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 GG, Rechtsstellungsgarantie, Gemeinden, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, Eigenverantwortung, Privatisierung, Weihnachtsmarkt, Feststellungsklage, Klagebefugnis, Gesetzgebung, Jurisdiktionsgrenze, Aufgabenübertragung, Vertragsgestaltung, öffentliche Interessen, Gemeinwohlorientierung, Kulturelle Bedeutung, Traditionen.
- Quote paper
- Prof. Dr. Dr. Assessor jur., Mag. rer. publ. Siegfried Schwab (Author), 2010, Privatisierung eines Weihnachtsmarktes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/160812