Leseprobe
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Erste Fragen zu diesem Thema
2.1. Was bedeutet der Begriff Didaktik?
2.2. Was bedeutet geschlechtergerechte Didaktik in der Erwachsenenbildung?
2.3. Warum ist geschlechtergerechte Didaktik in der Erwachsenenbildung von Bedeutung?
3. Allgemeine geschlechtertypische Zuschreibungen
4. Horst Siebertüber Geschlechterdifferenzen in der Erwachsenenbildung
5. Frauen als Teilnehmerinnen von Erwachsenenbildungsveranstaltungen - Statistiken und Zahlen
5.1. Werden Weiterbildungsseminare öfters von Frauen oder von Männern besucht?
5.2. Gibt es Unterschiede bei der Wahl von Seminarangeboten zwischen Männern und Frauen?
5.3. Welche Verhaltensauffälligkeiten gibt es bei Frauen und Männer in gemischtgeschlechtlichen Veranstaltungen?
6. „ Lernen Frauen anders? Empirische Befunde zur Inszenierung des Geschlechterverhältnisses in Lernsituationen “
7. Handlungsmöglichkeiten zur Umsetzung von Geschlechterdemokratie in der Erwachsenenbildung
8. Geschlechterdifferenzen als Inhalt von Seminaren
9. Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Anhang: Leitfaden zur Selbstreflexion
1. Einleitung
Diese Arbeit wird im Rahmen des Seminars „Didaktisches Handeln in der Aus- und Weiterbildung“, geleitet von Dr. Alfred Hödl, geschrieben.
In dieser Arbeit werde ich mich mit dem Thema geschlechtergerechte Didaktik in der Erwachsenenbildung auseinandersetzen. Ich konzentriere mich dabei auf bestimmte Themenbereiche, da diese Arbeit sonst den vorgegebenen Rahmen sprengen würde. Zusätzlich werde ich die Sichtweise Horst Sieberts, sowie empirische Untersuchungen unter anderem von Karin Derichs-Kunstmann zu diesem Thema heranziehen.
Weitere soziale Ausgangsbedingungen wie beispielsweise der Migrationshintergrund, das soziale Milieu, sowie Lebensformen oder -stile werde ich in dieser Arbeit nicht berücksichtigen, da diese Kategorien das von mir gewählte Thema überschreiten würden. Zuerst möchte ich den Begriff der geschlechtergerechten Didaktik in der Erwachsenenbildung klären, um dann die Frage zu erörtern warum sie von Bedeutung für diesen Bereich ist.
Danach werde ich einige Statistiken, Zahlen und empirische Untersuchungen zum Thema Frauen in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung aufzeigen.
Ein weiterer Teil meiner Arbeit beschäftigt sich auch mit Handlungsmöglichkeiten zur Verbesserung einer geschlechterneutralen Didaktik. Die Einbeziehung von Geschlechterdifferenzen als Inhalt von Seminaren ist dabei ein zentraler Punkt, welcher genauer behandelt wird.
Zum Abschluss werde ich meine Ergebnisse noch einmal kurz zusammenfassen und meine, daraus gezogenen, Schlussfolgerungen, kurz darstellen. Im Anhang befindet sich ein von mir erstellter Selbstreflexionsbogen, welcher für die Veranstaltungsleiter als Checkliste verwendet werden kann.
2. Erste Fragen zu diesem Thema
2.1. Was bedeutet der Begriff Didaktik?
„Das Wort Didaktik stammt aus dem Griechischen und wird meist mit Lehre übersetzt. Didaktik als die Theorie des Unterricht ist - neben Erziehung - ein Schlüsselbegriff der Pädagogik.“1 Eine einheitliche Definition ist jedoch nicht vorhanden, da es verschiedene Auffassungen von diesem Begriff gibt. Der Begriff der Didaktik bezieht sich nicht nur auf schulische oder berufliche Lehre, sondern auch auf die alltägliche Lehre. „Didaktisch gehandelt wird überall im Alltag.“2 Die Frage nach der Didaktik betrifft in der Erwachsenenbildung im Gegensatz zur Schulbildung jedoch hauptsächlich das intentionale, fremdbestimmte Lernen Erwachsener. Deshalb wird der Begriff der Didaktik auf das organisierte Lehren und Lernen eingegrenzt.
2.2. Was bedeutet geschlechtergerechte Didaktik in der Erwachsenenbildung?
In Seminaren für Frauen und Männer kann man immer wieder beobachten, dass die Teilnehmer sich des Öfteren aufeinander als Geschlechtspersonen beziehen. Durch diese Handlung werden Geschlechterunterschiede manifestiert und weiters auch Geschlechterhierarchien verfestigt. Wenn in dieser Arbeit der Begriff Geschlecht erwähnt wird, dann ist damit das soziale Geschlecht oder auch „gender“ genannt, gemeint und nicht das biologische Geschlecht.
Geschlechtergerechte Didaktik bedeutet, dass „weder Frauen noch Männer in der Entfaltung der Lernbedürfnisse beeinträchtigt werden und die damit einen Beitrag zur Demokratisierung des Geschlechterverhältnisses leistet.“3 Sie muss sich mit diversen Bereichen der Bildungsarbeit auseinandersetzen: die Vorbereitung und Zielsetzung der Veranstaltung, die Realisierung und Gestaltung dieser, sowie die Reflexion und Evaluation. Geschlechtergerechte Didaktik ist somit eine Forderung der Gleichstellungspolitik an die Erwachsenenbildung.
2.3 Warum ist geschlechtergerechte Didaktik in der Erwachsenenbildung von Bedeutung?
Auch heute noch ist die Realisierung der Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen eine wesentliche Herausforderung unserer Gesellschaft. Die geschlechtsbewusste Arbeit ist in der Erwachsenenbildung, sowie auch in anderen Bereichen noch immer keine Selbstverständlichkeit.
Da es immer mehr Diskussionen über die Geschlechtergleichstellung in der Erwachsenenbildung gibt, ist es an der Zeit, dass sich diese als Ort versteht, an welchem konstruktiv über eine Weiterentwicklung einer geschlechtergerechteren Gesellschaft gearbeitet wird. In der Frauenbildung wird dieser Ansatz schon seit einigen Jahrzehnten behandelt. Es ist jedoch nicht ausreichend, wenn sich nicht auch Männer mit diesem Thema auseinandersetzen.
Ziel einer geschlechtergerechten Erwachsenenbildung ist ein Lernklima zu schaffen, in welchem sich Frauen, sowie Männer wohl in den Seminaren fühlen. Es ist wichtig, dass es allen Teilnehmern gelingt, ihre Lernbedürfnisse einzubringen. Weiters ist eine geschlechtergerechte Didaktik jedoch nur realisierbar, wenn bei der Gestaltung und Planung von Seminaren auch Geschlechterdifferenzen berücksichtigt werden. Durch die Sensibilisierung für geschlechterbezogene Zuschreibungen sowie eine kritische Urteilsfähigkeit über Geschlechterverhältnisse wird ein geschlechterneutrales Umfeld erst möglich.
Ziele sind somit das Erkennen, sowie auch der Abbau von Vorurteilen und Klischees. Erst dadurch wird die Vielfalt und Heterogenität akzeptiert. Das Zitat von Comenius „Omnia omnibus omnino.“4 - Die Kunst alles allen zu lehren sollte der Grundgedanke einer geschlechtergerechten Didaktik sein.
3. Allgemeine geschlechtertypische Zuschreibungen
Frauen und Männer unterscheiden sich sehr oft hinsichtlich ihrer Berufswahl, ihren Interessen, sowie unter anderem auch der Körpersprache voneinander. Ordnet man jedoch jedem Geschlecht bestimmte Eigenschaften zu, so sind diese mit Vorsicht zu genießen. Diese Verallgemeinerungen führen schnell zu Überzeugungen, die nicht immer und überall anzuwenden sind.
Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen zwischen Männern und Frauen lässt die Frage aufkommen, ob dieses Verhalten angeboren oder erlernt ist. In unserer Gesellschaft ist es eine Tatsache, dass bestimmte Geschlechterrollen noch immer eher unflexibel sind. Dieser Umstand wird immer reproduziert durch die Sozialisation des Individuums. Das bedeutet, man lernt wie man sich in bestimmten Situationen und vor bestimmten Leuten zu verhalten hat. Hält man sich an die vorgegebenen Normen, so wird man weitgehend als Teil der Gesellschaft akzeptiert. Gerade in der frühen Kindheit ist der Mensch sehr formbar und empfänglich für Umwelteinflüsse. Inwieweit der Mensch biologisch determiniert ist, wurde bisher noch nicht ausreichend geklärt.
Geschlechtertypische Zuschreibungen sind in diesem Fall solche, wenn bestimmte Verhaltensweisen innerhalb eines Geschlechts mehr Ähnlichkeiten aufweisen, als zwischen zwei Geschlechtern. Mädchen schreibt man zum Beispiel bessere soziale Fähigkeiten zu, während Burschen ein höheres Aggressionspotential mit sich tragen. Diese Werte werden von Generation zu Generation weitergegeben. Wertvorstellungen und Normen, die einer Gesellschaft zugrunde liegen, werden nur schwach wahrgenommen und sehr selten kritisiert, da sie bereits verinnerlicht sind.
Jeder Mensch erwartet geschlechtsspezifische Eigenschaften von seinem Gegenüber, da es eine Denkgewohnheit ist. Geschlechtertypische Zuschreibungen sind in unserem Alltag fest verwurzelt.
4. Horst Siebert über Geschlechterdifferenzen in der Erwachsenenbildung
In dem Buch „Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung“ von Horst Siebert gibt es ein eher kurzes Kapitel über „Geschlechterdifferenzen des Lernens und Lehrens“5, auf welches ich mich im Folgenden beziehen werde.
Für Prof. Dr. Horst Siebert, Erziehungswissenschaftler und seit 1970 Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Hannover, sind die Wahrnehmung und die Einbeziehung von Geschlechterdifferenzen in der Erwachsenenbildung noch sehr neu. Es gibt nur wenige empirische Untersuchungen und Studien zu diesem Thema, da sich die Variable Geschlecht nicht exakt mit Zahlen messen lässt. Ein weiterer Grund laut Siebert ist, dass es zwar einige Erkenntnisse aus der Geschlechterforschung gibt, diese sich aber lediglich auf Frauen konzentrieren. Somit fehlt der Vergleich mit männlichen Kontaktgruppen und die beobachteten Merkmale können nicht als geschlechtstypisch geltend gemacht werden.6 Dieser Ansicht von Siebert ist nur teilweise zuzustimmen. Anhand meiner Literaturrecherche komme ich zu dem Ergebnis, dass einige Veröffentlichungen mit geschlechterbezogenen Themen existieren, auch wenn dies ein eher neueres Forschungsgebiet darstellt. Einige davon werden später noch erwähnt. Für Horst Siebert sind Geschlechterdifferenzen vor allem in der Sprache und der Kommunikation von Bedeutung. Frauen und Männer verwenden unterschiedliche Sprachstile, ein anderes Sprachverhalten, ebenso wie ein ungleiches Kommunikationsmuster. „Die Unterschiede beziehen sich auf die linguistischen Codes (Wortschatz, Syntax), aber auch auf die bevorzugten Gesprächsthemen und den Kommunikationsstil.“7
Sprache hat weiters auch die Macht, Rollen zuzuweisen und Hierarchien aufzubauen. Diese Hierarchiebildung ist auch immer wieder in Seminaren sichtbar, denn wenn jemand etwas zu sagen hat, besitzt er auch mehr Macht als andere. Dieses Verhalten wird in Seminaren leider zu wenig thematisiert, es wird als selbstverständlich gesehen.
Ein weiterer Punkt den Siebert auch aufgreift, ist das unterschiedliche Gesprächsverhalten bei Frauen und Männern. Frauen verwenden kein typisch männliches Gesprächsverhalten und umgekehrt ist dies auch nicht der Fall. So ein Verhalten würde als unangemessen von der Gesellschaft bewertet werden. Ein Beispiel dafür wäre der Sprachgebrauch. Bei Männern werden Schimpfwörter eher toleriert als bei Frauen, da sie meist eine aggressivere Sprache verwenden. Hier werden Aggressionen, sowie auch die Lautstärke als Wettbewerbs- oder Konkurrenzfähigkeit, sowie als Durchsetzungsvermögen positiv bewertet. Gesprächsthemen der Männer sind eher Beruf, Karriere, Sport und ihre Hobbys. Frauen sind emotionaler und sprechen auch häufiger über ihre sozialen Beziehungen und Gefühle. Siebert formuliert diese nachweisbaren Erkenntnisse folgendermaßen: „Für die Frauensprache ist der Subjektbezug, für die Männersprache der Sachbezug charakteristisch.“8 Männer lenken ihre Aufmerksamkeit den sachlichen Dingen zu. Sie kommunizieren und formulieren eher sachbezogen und distanzierter, während Frauen öfters emotionale Wörter benutzen und einen persönlicheren Zugang für ihre Wahrnehmung bevorzugen.
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1 Siebert, Horst: Didaktik - mehr als die Kunst des Lehrens? In: Report. Heft 3, 2005, S. 9
2 Siebert, Horst: Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht; 6. überarbeitete Auflage, Ziel- Zentrum F. Interdis, 2009, S. 9
3 Derichs-Kunstmann, Karin/ Auszra, Susanne/ Müthing, Brigitte: Von der Inszenierung des Geschlechterverhältnisses zur geschlechtsgerechten Didaktik. Konstitution und Reproduktion des Geschlechterverhältnisses in der Erwachsenenbildung, Bielefeld, 1999, S.185
4 Siebert, Horst: Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht; 6. überarbeitete Auflage, Ziel- Zentrum F. Interdis, 2009, S. 9
5 Siebert, Horst: Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht; 6. überarbeitete Auflage, Ziel- Zentrum F. Interdis, 2009, S. 48-54
6 Siebert, Horst: Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Didaktik aus konstruktivistischer Sicht; 6. überarbeitete Auflage, Ziel- Zentrum F. Interdis, 2009, S. 52
7 Ebd. S. 52
8 Ebd. S. 53