Der Feminismus erscheint häufig in zwei Lager gespalten: die
Verfechterinnen der Gleichheit einerseits und die Verfechterinnen der
Differenz andererseits. Erstere werden in der Regel so verstanden,
daß sie die identische Behandlung von Frauen und Männern fordern
und letztere so, daß sie unterschiedliche Charakteristika und
Lebensumstände von Frauen besonders berücksichtigt wissen
wollen. Die Position der beiden Seiten erscheint oberflächlich oftmals
unvereinbar. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß der
Feminismus tatsächlich sehr viel vielschichtiger und verwobener ist
als es die Polarisierung von Differenz und Gleichheit nahelegt.
Auch was die Debatte um Staatsbürgerrechte anbelangt, scheinen
die feministischen Positionen auf den erstem Blick im Dilemma von
Differenz und Gleichheit verfangen. Bei genauerer Betrachtung ergibt
sich jedoch ein komplexeres Bild. So untersucht Ruth Lister die
Mechanismen, die dazu beigetragen haben, daß Frauen und
Minderheiten von vollständiger Staatsbürgerschaft ausgeschlossen
sind. Sie kommt zu dem Schluß, daß die Differenz in den
Gleichheitsgedanken des Staatsbürgerrechts einbezogen werden
muß und plädiert für einen “differenzierten Universalismus” als Basis
des Staatsbürgerrechts.1
Carole Pateman geht der Frage nach, wie Mutterschaft - das
“Differenzmerkmal” schlechthin - als Argument diente, Frauen
einerseits aus dem Recht auf Staatsbürgerschaft auszuklammern,
andererseits aber auch als politischer Status konzipiert wurde, der
Frauen auf besondere Weise in die politische Ordnung einbezog. Sie
stellt fest, daß unter dem Postulat der Gleichheit Differenz durchaus
eingeschlossen war, ohne daß daraus jedoch Freiheit für die Frau
resultiert hätte. Daraus schließt sie, daß die Debatte nicht um
Differenz und Gleichheit zu führen ist, sondern um Unterordnung
oder Freiheit der Frau.2 [...]
1 vgl. Lister 1997
2 vgl. Pateman 1992
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Ruth Lister: "Argumente für einen 'differenzierten Universalismus'"
- Ausschlußmechanismen von Staatsbürgerschaft
- Vielfalt und Differenz als Herausforderung für Staatsbürgerschaft
- Neuordnung des Öffentlichen und des Privaten
- Carole Pateman: "Der springende Punkt beim Problem der 'Differenz' ist die Freiheit der Frauen"
- Die Struktur des Wohlfahrtsstaates
- Die politischen Verpflichtungen aus dem Staatsbürgerrecht
- Die politische Pflicht von Soldaten und Müttern im Vergleich
- Das scheinbare Dilemma von Gleichheit und Differenz
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Debatte um Staatsbürgerrechte im Kontext des Feminismus, insbesondere die scheinbare Unvereinbarkeit von Differenz und Gleichheit.
- Ausschlußmechanismen von Frauen und Minderheiten aus dem Staatsbürgerrecht
- Das Konzept des "differenzierten Universalismus" als Grundlage für ein inklusives Staatsbürgerrecht
- Die Rolle der Mutterschaft als "Differenzmerkmal" und ihre Auswirkungen auf die Staatsbürgerschaft
- Die Herausforderungen von Vielfalt und Differenz für den Nationalstaat und die Konzepte der Staatsbürgerschaft
- Die Suche nach einer politischen Stimme in einer postmodernen Welt, geprägt von Anderssein und Differenz
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Arbeit stellt das scheinbare Dilemma zwischen Gleichheits- und Differenzfeminismus im Kontext der Staatsbürgerrechtsdebatte vor und führt die zentralen Thesen der Autorin ein.
- Ruth Lister: "Argumente für einen 'differenzierten Universalismus'": Listers Analyse der Ausschlußmechanismen von Frauen und Minderheiten aus dem Staatsbürgerrecht wird vorgestellt. Sie plädiert für einen "differenzierten Universalismus" als Grundlage für ein inklusives Staatsbürgerrecht, das die Differenz in den Gleichheitsgedanken einbezieht.
- Carole Pateman: "Der springende Punkt beim Problem der 'Differenz' ist die Freiheit der Frauen": Patemans Analyse des "Differenzmerkmals" Mutterschaft und seiner Auswirkungen auf die Staatsbürgerschaft wird beleuchtet. Sie argumentiert, dass die Debatte nicht um Differenz und Gleichheit, sondern um Unterordnung oder Freiheit der Frau geführt werden sollte.
Schlüsselwörter
Staatsbürgerschaft, Feminismus, Differenz, Gleichheit, "differenzierter Universalismus", Mutterschaft, Ausschlußmechanismen, Vielfalt, Nationalstaat, Postmoderne, politische Stimme, Koalitionsbildung.
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- Ramona Lenz (Autor), 2001, Staatsbürgerrechte und das Dilemma von Differenz und Gleichheit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16277