Faszination Rathenau: kaum ein deutscher Politiker des 20. Jahrhunderts beflügelt Zeitgenossen wie Nachgeborene zu einer diffuseren Deutung zwischen mystischer „Megaperson“ und „universaler Zweitrangigkeit“ als der deutsch-jüdische Außenminister der Weimarer Republik zwischen 1921 und 1922, der am 24. Juni 1922 in Berlin auf dem Weg ins Auswärtige Amt von reaktionären Mördern niedergeschossen wurde. (...)
Walther Rathenau ist, wie Martin Sabrow, einer der aktuellen Experten in der Rathenauforschung, ihn nennt, „ein Mann vieler Biographien“. Dieser Umstand rührt daher, dass seine Person und ebenso sein gewaltsamer Tod im 20. Jahrhundert und bis heute zu mannigfaltigen Diensten herangezogen wurde und wird: Die Demokraten der Weimarer Republik – vorausgesetzt es gab diese in der „Republik ohne Republikaner“ – formten nach seinem Tot ein „messianisches Rathenaubild“, dem Nazi-Regime diente der jüdische Großindustrielle, Intellektuelle und als Erfüllungspolitiker verhöhnte Rathenau als „Inkarnation des Feindes“ aber auch als gern zitierter „Jude, der (bspw. in seinem literarischem Erstlingswerk „Höre Israel!“) seinen Rassengenossen mit rücksichtsloser Offenheit den Spiegel vorgehalten habe“. Nach 1945 deklarieren beide deutschen Staaten Rathenau gleichermaßen für sich und stilisieren ihn zur universal-legitimatorischen „Megaperson“, deren Abglanz sich zwar in unsere Zeit des wiedervereinigten Deutschlands gerettet hat aber der ein kontinuierliches Verblassen nicht abzusprechen ist, und dennoch gegenwärtig möglicherweise eine Renaissance erfährt.
In dieser Arbeit wird nun die Darstellung und Deutung Rathenaus und seiner Ermordung in den beiden Phasen deutscher Nachkriegszeit - also einerseits zu seinen Lebzeiten bzw. während der Weimarer Republik und andererseits nach 1945 - differenziert untersucht und der Frage nachgegangen, wie und zu welchem Nutzen der "Erinnerungsort Rathenau" herangezogen wurde und wird.
Inhaltsverzeichnis
- Weimarer Republik
- Das Rathenaubild zu Lebzeiten
- Das posthume Rathenaubild
- Das Rathenaubild seiner Mörder
- Nachkriegsdeutschland: DDR und Bundesrepublik
- Das Rathenaubild des Bauern- und Arbeiterstaates
- Der Rathenau der Bundesrepublik
- Rathenau heute
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht das vielschichtige Bild von Walther Rathenau, einem prominenten deutschen Politiker des 20. Jahrhunderts, das in der öffentlichen Wahrnehmung durch sein Leben und seinen gewaltsamen Tod geprägt wurde. Die Arbeit analysiert, wie Rathenau in verschiedenen Epochen der deutschen Geschichte dargestellt und zu welchen Zwecken seine Person instrumentalisiert wurde.
- Das Rathenaubild in der Weimarer Republik, sowohl zu seinen Lebzeiten als auch posthum
- Die verschiedenen Interpretationen von Rathenau in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland nach 1945
- Die Rezeption Rathenaus in der Gegenwart und die Frage, wie sein Vermächtnis gegenwärtig gewürdigt wird
- Die Rolle von Rathenaus Mord als ein prägendes Ereignis der deutschen Geschichte
- Der Wandel des Rathenau-Bildes im Laufe des 20. Jahrhunderts
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem Rathenaubild in der Weimarer Republik. Es wird untersucht, wie er von seinen Zeitgenossen wahrgenommen wurde, welche Widersprüchlichkeiten ihn prägten und wie sein Tod von verschiedenen politischen Lagern interpretiert wurde.
Der zweite Teil befasst sich mit der Rezeption Rathenaus in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland nach 1945. Hier werden die unterschiedlichen Darstellungen von Rathenau in den beiden deutschen Staaten gegenübergestellt und die jeweiligen Interpretationen seines Lebens und Werkes analysiert.
Schlüsselwörter
Walther Rathenau, Weimarer Republik, Nachkriegsdeutschland, DDR, Bundesrepublik, Ermordung, öffentliches Gedächtnis, politische Instrumentalisierung, „Megaperson“, „Erinnerungsort“, sozialistische Geschichtsschreibung, westliche Geschichtsschreibung, Walther-Rathenau-Preis, Rathenau-Forschung.
- Citation du texte
- Constantin Beck (Auteur), 2010, Walther Rathenau und das Attentat vom 24. Juni 1922, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/163818