Die vorliegende Diplomarbeit hat die Aufgabe, das Problem der Phraseologismen in mehreren Aspekten zu betrachten, ihre spezifischen Besonderheiten festzustellen und ihre nicht die letzte Rolle in der Gestaltung des sprachlichen Weltbildes zu beweisen.
Im theoretischen Teil werden Grundfragen der Phraseologie betrachtet, und zwar Wesen und Gegenstand der Phraseologie, die wichtigsten Merkmale der Phraseologismen, die Einteilung der Phraseologismen.
Von grosser Bedeutung ist für diese Arbeit das Problem des sprachlichen Bildes der Welt, das in der Sprachwissenschaft ziemlich neu und dadurch auch sehr aktuel ist. Mit dem Ziel der Erforschung des sprachlichen Bildes der Welt wurde die Vergleichanalyse der deutschen, russischen und englischen Sprache durchgeführt. Als Objekt der Vergleichanalyse treten die Einheiten der phraseosemantische Felder “Reichtum” und “Armut” auf. Sie sind sehr zahlreich in der Phraseologie jeder Sprache
Im dritten Kapitel werden die Fragen der Widerspiegelung der Konzepte „Reichtum“ und „Armut“ im Deutschen, Englischen und Russischen behandelt. Daran schliesst die Analyse der Einheiten der phraseosemantische Felder “Reichtum” und “Armut” nach der Basiskomponente, Expressivitat und Aquivalenz an.
Inhalt
Einleitung
Kapitel I. Wesen und Gegenstand der Phraseologie
1.1. Begriffsdefinition
1.2. Die wichtigsten Merkmale von Phraseologismen
1.3. Probleme der Klassifikation der Phraseologismen
Kapitel II. Weltbild in der Sprache
2.1. Ansätze zur Beschreibung kollektiver Wissenssysteme
2.2. Phraseologie und Weltbild
2.2.1. Universales und Nаtionales im рhrаsеоlоgisсhen Weltbild
2.2.3. Die vergleichenden Methoden der Untеrsuсhung der phraseologischen Weltbilder in verschiedenen Sprachen
2.3.Äquivalenzbeziehungen in der Phraseologie
2.3.1. Definition des Terminus Äquivalenz
2.3.2.Die intralinguale Dimension bei der Äquivalenzgewinnung
2.3.3. Äquivalenzfaktoren
2.3.4. Gliederung der Äquivalenztypen
Kapitel III. Die phraseosemantischen Felder "Reichtum" und "Armut"
3.1. Die sozialwissenschaftliche Sicht von Reichtum und Armut
3.2. Die Konzepte „Reichtum“ und „Armut“
3.3. Die semantische Analyse der phraseosemantischen Felder "Reichtum" und "Armut"
3.4. Die Analyse der phraseosemantischen Felder "Reichtum" und "Armut" nach der Expressivität
3.5. Äquivalenzbeziehungen zwischen den Einheiten der phraseosemantischen Felder „Reichtum“ und „Armut“
Schlussfolgerung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Sprache stellt eines der interessantesten Gebilde der menschlichen Kultur dar. „Es spiegeln sich in ihr nicht nur physische Lebensbedingungen der Träger, die Natur, das Klima und nicht wiederholbare Entwicklung eines Volkes und dessen Lebensstil wider, sondern auch die Moral, das Wertsystem, die Mentalität, der Nationalcharakter, das Denken, die Phantasie, die Weisheit, Beziehungen zwischen den Menschen usw. – alles, was die Kultur im weiteren ethnographischen Sinne darstellt. Phraseologie, als ein nicht wegzudenkender Bestandteil der menschlichen Sprache, ist durch ihre Fähigkeit gekennzeichnet, kurz und bündig die menschlichen Ideen wiederzugeben, "die emotional betonte Einstellung des Senders zu dem mitgeteilten Sachverhalt zu indizieren und emotionale Wertungen (positive wie negative) auf den Empfänger indirekt überzutragen" und nationalen Humor zu benutzen [Fleischer 1982: 221].
Das Anliegen dieser Diplomarbeit besteht darin, das Thema in eine Reihe anderer Arbeiten einzuordnen, die sich mit der Untersuchung phraseologischer Einheiten befassen.
Die Phraseologie ist eine sehr junge Teildisziplin der Linguistik. Als selbständige linguistische Disziplin trat sie erst Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hervor. Dies ist auch der Grund dafür, dass es in der Phraseologie viele Gebiete gibt, die noch nicht ausreichend erforscht und tiefgründig untersucht wurden.
Phraseologisches Material jeder Nationalsprache kann man nach verschiedenen Kriterien aufteilen so z. B. nach Vorhandensein von Komponenten, Schlüsselwörtern verschiedener semantischer Felder in den Phraseologismen.
Gegenstand dieser Untersuchung sind die phraseosemantischen Felder „Reichtum“ und „Armut“ im Deutschen, Englischen und Russischen. Solche Phraseologismen stellen einen sehr spezifischen Teil des phraseologischen Schatzes jeder Nationalsprache dar.
Für die folgende Diplomarbeit waren Lehr- und Wörterbücher von grosser Bedeutung. Dabei wurden die Arbeiten solcher Sprachforscher wie Burger H., Drescher, M.D. Stepanova, I.Z. Čеrnyšеvа, А. Iskos, А. Lenkowa, Gataullin R.G, Safina R.A., Malzeva D.G., W.I. Dal', Bernhard Schäfers Wolfgang Zapf, Zwilling M.J., Bayer Ch., Bayer А., Binovitč L.E., Kveselevič D.I. und andere in Betracht gezogen.
Primäres Ziel der Arbeit, wie schon der Titel "Die phraseosemantischen Felder „Reichtum“ und „Armut“ im Deutschen, Englischen und Russischen“ lautet, ist das Zusammentragen und die vergleichende Analyse deutscher, englischer und russischer Phraseologismen der erwähnten. Felder.
Die Aufgaben der Arbeit sind auf das Erreichen des festgelegten Zieles gerichtet, darunter:
1. Grundfragen der Phraseologieforschung zu betrachten.
2. Das Problem des sprachlichen Bildes, darunter auch des phraseologischen Weltbildes und seine Merkmale zu betrachten .
3. Verschiedene Typen der Äquivalenzbeziehungen zwischen den phraseologischen Wendungen zu bestimmenund sie auf dem konkreten sprachlichen Material der Phrasseologismen zu zeigen.
4. Die phraseosemantischen Felder „Reichtum“ und „Armut“ im Deutschen, Englischen und Russischen nach Semantik und Expressivität zu analysieren.
5. Beispiele der Existenz von parallelen und unterschiedlichen phraseologischen Wendungen mit der Bedeutung „Reichtum“ und „Armut“ in diesen Sprachen zu erforschen.
Die theoretische Leistung der Arbeit liegt in der Analyse der wissenschaftlichen Literatur. Es werden die Grundlagen der Phrasseologie untersucht, u.z.: Begriff und Gegenstand der Phraseologie; ihre Stellung innerhalb der anderen linguistischen Disziplinen; Merkmale der Phraseologismen; Klassifikation von Phraseologismen.
Die praktische Leistung der Arbeit besteht darin, dass in ihr die Analyse der Phraseologismen der phraseosemantischen Felder „Reichtum“ und „Armut“ nach Semantik und Expressivität auf der Grundlage von den gesammelten Materialien durchgeführt wurde. Es wurden auch die Vergleiche mit Einheiten der betreffenden Felder verarbeitet.
Die Diplomarbeit besteht aus der Einleitung, drei Kapiteln, der Sclussfolgerung und dem Literaturverzeichnis. Der Gesamtumfang der Arbeit beträgt 101 Seiten.
Kapitel I. Wesen und Gegenstand der Phraseologie
1.1. Begriffsdefinition
Die Erweiterung des Wortschatzes einer Sprache erfolgt nicht nur durch die Bildung neuer Wörter (durch die Wortbildung), durch Entlehnung aus andern Sprachen und durch die semantische Derivation in Bezug auf Einzelwörter, sondern auch dadurch, dass freie syntaktische Wortverbindungen, Wortgruppen, in spezifischen Bedeutungen fest und damit zu Bestandteilen des Wortschatzes werden können. Die Bereicherung des Wortschatzes durch neue phraseologische Einheiten wird auch als phraseologische Derivation verstanden.
Der Fachausdruck “Phraseologie ist zweideutig, er bedeutet die Gesamtheit aller stehenden Wortverbindungen (Phraseologismen) und den Zweig der Sprachwissenschaft, der sich mit der Erforschung stehender Wortverbindungen befasst.
Harald Burger gibt in seinem „Handdbuch der Phraseologie“ folgende Definition der Phraseologie: „Die Menge derjenigen Phraseologismen, die die folgenden zwei Eigenschaften aufweisen, bildet den Bereich der Phraseologie im weiteren Sinne: (1) Polylexikalität – der Phraseologismus besteht aus mehr als einem Wort. (2) Festigkeit – wir kennen den Phraseologismus in genau dieser Kombination von Wörtern, und er ist in der Sprachgemeinschaft – ähnlich wie ein Wort – gebräuchlich. Von Phraseologie im engeren Sinne sprechen wir, wenn zu den beiden (...) Eigenschaften noch eine dritte hinzukommt: (3) Idiomatizität. Damit ist gemeint, dass die Komponenten eine durch die syntaktischen und semantischen Regularitäten der Verknüpfung nicht voll erklärbare Einheit bilden“ [Burger 1998].
Christine Palm äußert sich in ihrer Forschung „Phraseologie“: „Als zentrale Gruppe der phraseologischen Einheiten, Phraseme oder Idiome, definieren wir hier für unsere Zwecke nicht-satzwertige Wortgruppen mit unterschiedlicher syntaktischer Struktur und mehr oder weniger ausgeprägter Umdeutung der Komponenten. Ein Phrasem hat die Minimalstruktur einer Wortgruppe, d. h. es besteht aus mindestens zwei Einheiten des lexikalischen Systems, Lexemen (Wörtern). (...) Ausgehend von den Kriterien der Festigkeit (...), Satzwertigkeit, teilweise auch Idiomatizität, zählt man noch folgende Phänomene zur Phraseologie im weiteren Sinne: (...) Sprichwörter, (...) Geflügelte Worte (...)“ [Palm 1997]
Mit dem Problem der Phraseologie als Gesamtheit aller stehenden Wortverbindungen befassen sich viele russische und deutsche Wissenschaftler.
Den Phraseologismen wurde in den ersten zwei Dritteln des 20. Jahrhunderts wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie als unsystematische Erscheinungen galten und auch dem Postulat der kreativen Sprache, die mit finiten Mitteln unendlich neue Formen schafft, entgegen liefen. Phraseologismen sind sprachliche Versatzstücke, sie bestehen aus selbständigen Lexemen, bilden aber selbst wieder eine lexematische Einheit. Das macht sie zu komplexen Einheiten, die in Kontexten vielfältige Funktionen übernehmen können. Zudem spiegeln sich in Phraseologismen kollektives Wissen und kollektive Wertungen.
Der Gegenstand der Phraseologie ruft sehr viele Meinungsverschiedenheiten hervor, weil unter dem Begriff Phraseologismen Wortverbindungen zusammengefasst werden, die unterschiedliche Züge sowohl in ihrer Struktur als auch in der Semantik aufweisen. Der Terminus „Phraseologismus “ steht als Sammelbegriff, unter dem lexikalische Einheiten ganz unterschiedlicher Art zusammengefasst werden:
a) Idiome im engeren Sinne, zu denen metaphorische Wendungen, geflügelte Worte und feststehende Ausdrücke verschiedener Sachgebiete gehören;
b) Sprichwörtliche Redewendungen. Sie unterscheiden sich von Sprichwörtern in struktureller Hinsicht, da sie keine vollständigen Sätze sind;
c) Sentenzen und Zitate. Ihr Sprung ist in den meisten Fällen bekannt. Eine ergiebige Quelle sind die klassische Literatur, die Bibel, das klassische Altertum, ferner Aussprüche von bekannten Persönlichkeiten wie Staatsmännern und Politikern, Philosophen und Künstlern, Dichtern und Schriftstellern;
d) Sprichwörter. In epigrammatischer, didaktischer und oft metaphorischer Form sprechen sie allgemeine Wahrheit aus, können aber auch nicht veraltet sein. Sie sind stets Sätze.
e) Rhetorische Formeln und Floskeln, die als bedeutungsarme oder bedeutungsleere Fügungen und Satzteile einer Rede oder als Formulierungen der Vorbereitung oder der Hervorhebung einer Aussage dienen; stereotype Wendungen, die für die Konferenzsprache charakteristisch sind;
f) Phraseologische Verben;
g) Phraseologische Verbindungen, die als konventionale Formeln auftreten;
h) Terminologische Wortverbindungen, geographische Bezeichnungen usw.
In diesen genannten Gruppen treffen verschiedene Klassifizierungsprinzipien aufeinander, deswegen sind Überschneidungen offensichtlich. In einzelnen Gruppen zeigen sich Übergänge zwischen dem Phraseologismus und Syntagma. Auf solche Weise werden unter der Phraseologie einer Sprache in der Regel drei grossen Gruppen von Wendungen verstanden:
a) idiomatische Wendungen. Sie sind semantisch unteilbare Einheiten; ihre Bedeutung kann nicht aus den Bedeutungen der Komponenten ermittelt werden;
b) stabile Wendungen, die zwischen den idiomatischen Wendungen und den freien Wortfügungen stehen und deshalb eine periphere Stellung innerhalb der Phraseologie nehmen. Sie sind nichtidiomatisch, ihre Komponenten weisen einen bedeutenden Grad semantischer Selbständigkeit auf, die Verknüpfbarkeit der Komponenten ist durch das Sprachsystem ein und verfestigt. Sie verfügen über gewisse Stabilität. Zu ihnen zählen phraseologische Ausdrücke nominativischen Charakters;
c) kommunikative Phraseologismen, die sich durch ihre autonome Funktion im Text unterscheiden. Im Text treten sie als in sich geschlossene Einheiten auf, die Satzcharakter haben. Zu ihnen rechnet man Sprichwörter, die nicht wörtlich verstanden werden, sondern einen verallgemeinerten Sinn haben, und geflügelte Worte, deren phraseologischer Charakter durch traditionelles Reproduzieren fremder Redestücke bedingt ist. Auch ihre Bedeutung ergibt sich nicht einfach aus der Bedeutung ihrer Komponenten.
Viele Forscher beziehen kommunikative Wendungen nicht in den Gegenstand der Phraseologie ein. Ihre periphere Stellung gegenüber den Idiomen steht außer Zweifel. Dennoch werden sie von anderen Linguisten zur Phraseologie gehörend verstanden, weil ihnen eine Reihe wichtiger Merkmale von Phraseologismen (Reproduzierbarkeit, semantische Eigenart) eigen ist. Zu der dritten Gruppe werden auch feste Verbindungen von Wörtern und so genannte feste Einheiten der Rede gezahlt, wobei die letzteren neben den Sprichwörtern und geflügelten Worten auch die stereotypen Wendungen umfassen. Somit werden sie als Einheiten der Rede den idiomatisierten Wendungen gegenübergestellt
1.2. Die wichtigsten Merkmale von Phraseologismen
Einzelsprachliche Untersuchungen haben eine erstaunliche Übereinstimmung der wesentlichen Merkmale von Phraseologismen festgestellt. Als Gegenstand der Phraseologie gelten die Wendungen, die über die folgenden (obligatorischen oder/ und fakultativen) Merkmale verfügen: Idiomatizität oder Phraseologizität,Reproduzierbarkeit, komplizierte Struktur, Stabilität des grammatischen Aufbaues, feste Wortfolge, Lexikalisierung, Anomalie oder transformationelle Defektivität (Terminus von Fleischer),Sondergestalltung, Unübersetzbarkeit, funktional-stilistische und emotional- expressive Markiertheit, Bildhaftigkeit, semantische Transformiertheit (Desemantisierung), Nicht-Modellierbarkeit, Besonderheit der inneren Form, nicht festgeprägte Sätze u.a., die unterschiedlich im Bestand von Phraseologismen zum Ausdruck kommen.
Polylexikalität/Mehrgliedrigkeit
Die untere Grenze der Wortmenge eines Phraseologismus sind zwei Wörter, wobei keine Einigkeit besteht, ob diese Wörter Autosemantika und/oder Synsemantika sein müssen. Burger zählt jede feste Kombination von zwei Wörtern zur Phraseologie, so dass auch minimale Phraseologismen, die keine Autosemantika enthalten, mit eingeschlossen werden.
(Idiomatische) Komposita und Derivata werden nicht zum Bestand der Phraseologie gezählt allerdings werden Einwortphraseme hin und wieder thematisiert.
Die obere Grenze eines Phraseologismus ist der Satz. Ob "formelhafte Texte" (Sprüche, Gedichte, Gebete), wie Stein (1995) vorschlägt, als "komplexe Routineformeln" in den Bereich der Phraseologie einzuschließen sind, ist fraglich und wäre allenfalls an der äußersten Grenze anzusiedeln. Burger bezeichnet auch die so genannten 'Sagwörter' oder 'Wellerismen' als Grenzfälle, dort werden sprichwortartige Ausdrücke - meist witzig - erweitert (Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, sagte der Ochse, als er gebraten wurde).
Die lexikalischen Bestandteile werden als Komponenten oder Konstituenten bezeichnet, es gibt so genannte 'unikale Komponenten', die keine isolierbare Bedeutung haben, weil sie außerhalb des Phraseologismus im deutschen Wortschatz nicht vorkommen (Fersengeld geben).
Polylexikalität ist zum einen ein formales Erkennungsmerkmal, das lexikographische Probleme aufwirft, zum anderen wirkt sich die strukturelle Mehrgliedrigkeit auf die Semantik der Phraseologismen aus.
Festigkeit/Stabilität
Grundsätzlich bedeutet Festigkeit, dass ein Phraseologismus in einer bestimmten Kombination bekannt ist, die phraseologische Bedeutung kommt dann zustande, wenn die Wortverbindung in einer bestimmten morphosyntaktischen Ausprägung und einer bestimmten lexikalischen Besetzung formuliert wird. Im Gegensatz zu freien Wortverbindungen lassen sich die Elemente eines Phraseologismus "auf der syntagmatischen Ebene nicht frei kombinieren und auf der paradigmatischen Ebene nicht frei substituieren".
Um die Festigkeit über die Gebräuchlichkeit eines Phraseologismus zu definieren, bräuchte es empirische Untersuchungen, die Gebräuchlichkeit intersubjektiv feststellen würden. Wörterbücher bieten keine Hilfe, weil sie oft ältere Sprachzustände konservieren und selten z.B. situative oder areale Beschränkungen dokumentieren. Bei Studien müsste zudem zwischen aktivem Gebrauchen und passivem Kennen unterschieden werden.
Die Festigkeit eines Phraseologismus lässt sich zwar auf psycholinguistischer Ebene beobachten und mit psycholinguistischen Tests ist nachweisbar, dass ein Phraseologismus ähnlich wie ein Wort mental als Einheit gespeichert ist, aber "psycholinguistische Kriterien eignen sich nicht für die Abgrenzung eines linguistischen Gebiets auf der System-Ebene".
Das Merkmal der Festigkeit lässt sich schließlich auf der strukturellen Ebene in Bezug auf das sprachliche System beobachten und beschreiben. Dies ist jedoch nicht bei allen Typen von Phraseologismen gleich ergiebig, denn die strukturelle Festigkeit von Phraseologismen weist unterschiedliche Grade auf, die meisten Ausdrücke sind von ihrer Struktur und ihrer lexikalischen Besetzung her eigentlich unauffällig. Die Kollokation “sich die Zähne putzen“ beispielsweise, ist nur insofern "fest", als dass es im Deutschen offenbar eine Präferenz für genau diese syntagmatische Verknüpfung gibt, synonyme Verben könnten gebraucht werden, wären aber ungewöhnlich.
Die Festigkeit von Routineformeln und gesprächsspezifischen Phraseologismen lässt sich nur mit pragmatischen Kriterien erfassen. Routineformeln sind in bestimmten Situationstypen verankert und sind insofern "fest", dass sie an funktional definierten Stellen auftreten. „Ich eröffne die Verhandlung“ gehört primär in den Rahmen einer Gerichtsverhandlung. Gesprächsspezifische Phraseologismen“ nicht wahr?“, “hör mal“ haben vorwiegend ihre Funktion (Gesprächssteuerung, Partnerbezug) in der mündlichen Kommunikation und die Bedeutung tritt hinter ihre Funktion zurück. Ihre Festigkeit besteht darin, dass diese Phraseologismen "den Sprechern als abrufbare Einheiten zur Bewältigung wiederkehrender kommunikativer Aufgaben zur Verfügung stehen", ihre strukturelle Festigkeit ist oft gering.
Bei den Idiomen ergibt sich die strukturelle Festigkeit aus dem Kontrast zwischen wörtlicher und phraseologischer Bedeutung und wird später auch unter dem Begriff 'Idiomatizität' näher beleuchtet.
Auf struktureller Ebene werden phraseologische Verbindungen im Vergleich zu freien Verbindungen beschrieben. Außer den normalen morphosyntaktischen und semantischen Regeln der deutschen Sprache weisen phraseologische Verbindungen teilweise noch zusätzliche Einschränkungen auf, die als Irregularitäten und Restriktionen beschrieben werden. Morphosyntaktische Irregularitäten sind zum Beispiel flexionslose Adjektive in attributivischer Stellung (auf gut Glück), die sich als Spuren von älteren Sprachverhältnissen im Phraseologismus erhalten haben, oder von der freien Verwendung abweichende Verbvalenz(en) (in Emma hat an Nora einen Narren gefressen, verlangt 'fressen' eigentlich ein Subjekt und ein Akkusativobjekt, kein Präpositionalobjekt). Die meisten Phraseologismen sind an der syntaktischen Oberfläche allerdings wohlgeformt.
Mit dem Begriff 'Restriktionen' wird ausgedrückt, dass nicht alle morphologischen und syntaktischen Operationen durchgeführt werden können. Bei Phraseologismen kann z.B. die Pluralisierung der Nomen blockiert sein, des Weiteren gibt es Tempusrestriktionen, Modusrestriktionen u.ä. Die lexikalisch-semantischen Restriktionen, oder anders gesagt, die relativ feste lexikalische Besetzung ist für Phraseologismen konstituierend.
Die verschiedenen Arten von Anomalien sind miteinander verknüpft, die morphosyntaktischen Anomalien sind meist an die lexikalischen Beschränkungen gekoppelt. Im gleichen Atemzug muss die strukturelle Festigkeit relativiert werden, denn es gibt Varianten und Modifikationen von Phraseologismen. Varianten sind usuelle Erscheinungen von Phraseologismen, die auch lexikographisch erfasst sind. Die Variation weist fließende Grenzen zur Synonymie auf, es gibt grammatische Varianten (seine Hand/seine Hände im Spiel haben), lexikalische Varianten (ein Gesicht wie drei/sieben/zehn/vierzehn Tage Regenwetter machen), kürzere oder längerer Varianten (sich etw. (rot) im Kalender anstreichen), Varianten der externen Valenz (sich die Schuhsohlen nach etw. ablaufen/um etw. zu bekommen) oder die Reihenfolge ist variabel (nach jmdm., etw. kräht kein Hahn/kein Hahn kräht nach jmdm., etw.). Auch die Antonymie als Strukturprinzip bei Phraseologismen relativiert die Festigkeit (auf der richtigen/falschen Fährte sein). Die okkasionellen Abwandlungen von Phraseologismen werden 'Modifikationen' genannt. Es sind kreative Veränderungen von Phraseologismen, die von der im Lexikon fixierten Form abweichen und für jeweilige Zwecke eines Textes hergestellt werden. In konkreten Textzusammenhängen können so gut wie alle Anomalien aufgehoben werden.
Modifikationen erfolgen durch lexikalische Substitution, Hinzufügung eines Adjektivs oder Genitivattributs, durch Abtrennung oder Verkürzung u.a.m. Abgesehen davon, dass es Restriktionen gibt, bei deren Nichteinhaltung ein Phraseologismus aufgelöst wird, lassen alle Klassen von Phraseologismen sinnvolle Modifikationen zu. Die Art der Abweichung gibt keine Auskunft darüber, ob die Modifikation in einem gegebenen Kontext akzeptiert wird oder nicht.
Dobrovol'skji hat drei Bedingungen für ein gelungenes kreatives Sprachspiel formuliert; der Rezipient muss wissen, dass ein solcher Phraseologismus existiert, er muss die Bereitschaft haben, die "Spielregeln" zu akzeptieren und der Phraseologismus muss trotz Abweichung noch erkennbar sein.
Nebst den bewusst eingesetzten Modifikationen gibt es auch fehlerhafte Realisierungen von Phraseologismen, sowohl im mündlichen als auch im schriftlichen Sprachgebrauch. Die Frage der Intentionalität, ob ein modifizierter Phraseologismus beabsichtigt oder unbeabsichtigt ist, ist nicht einfach zu klären. Sie wirft die Frage der Norm auf, von der entsprechend abgewichen werden kann oder die Sprachbenutzer als Ausgangslage nehmen, um Auffälligkeiten zu bewerten.
Idiomatizität/Figuriertheit
Die Begriffe 'Idiomatizität' und 'Figuriertheit' bezeichnen die semantischen Anomalien der Phraseologismen. Idiomatizität ist das besondere Merkmal einer Subklasse von Phraseologismen, den Idiomen; es handelt sich wiederum um eine graduelle Eigenschaft.
Ein Ausdruck ist idiomatisch, wenn zwischen der wörtlichen und der phraseologischen Bedeutung eine Diskrepanz besteht, d.h. die "wörtliche Bedeutung der Konstituenten neutralisiert" wird und eine "abstrakte (sekundäre) Nomination" an deren Stelle tritt oder - anders gesagt - eine "obligatorische Demotivation" der Konstituenten stattfindet, die deren ursprüngliche Bedeutung aufhebt und die Idiomen zu einem abstrakten, meist prädikativen Zeichen macht. Es sind komplexe Zeichen, die aus einer Kombination anderer Zeichen bestehen.
Zwar hebt die idiomatische Bedeutung die lexikalische Bedeutung der Formative auf, dennoch "zeugt der Grossteil aller idiomatischen Okkurrenzen von Anspielungen, Hinweisen und Andeutungen auf wörtlich Mitgemeintes". Im Sprachgebrauch ist zu beobachten, dass die drei Definitionsmerkmale der Idiome häufig verletzt werden. "Die Polylexikalität wird reduziert, die Festigkeit delexikalisiert, die Opakheit remetaphorisiert". Letztere versteht Gréciano als "fakultative Remotivation, die mit der 'obligatorischen Demotivation' einhergeht, d.h. dass die im phraseologischen Sprachzeichen teilweise eingebüßte Autonomie der Formative im phraseologischen Sprachgebrauch unter bestimmten Bedingungen und mit gewissen Funktionen wiederhergestellt wird.
Motiviertheit
Der Begriff 'Motiviertheit' verhält sich umgekehrt proportional zur Idiomatizität. Je idiomatischer ein Phraseologismus ist, desto weniger ist er motiviert. "Zeichentheoretisch entspricht er in etwa dem Begriff der "sekundären Motivation" bei F. de Saussure und steht damit im Kontrast zur "Arbitrarität". Die Praktikabilität des Begriffs wurde teilweise in Frage gestellt, er scheint aber nötig und brauchbar, um die Möglichkeit zu beschreiben, wenn von den Sprachbenutzern ein Zusammenhang zwischen der phraseologischen und der wörtlichen Bedeutung erkannt wird, d.h. die sekundären Einheiten auf die primären zurückgeführt werden (synchrone Motiviertheit). In der Regel "leuchtet" die Bildlichkeit des Phraseologismus ein, aber "der metaphorische Zusammenhang ist nur dann evident, wenn man die Bedeutung des Phraseologismus bereits kennt". Die subjektiv empfundene Motiviertheit kann von der diachron etymologisch nachgewiesenen Entwicklung abweichen. Motiviertheit ist auch ein wichtiger Begriff bei der Frage nach der Ontogenese eines Phraseologismus. Ein Phraseologismus kann auch durch den Kontext "verstehbar" gemacht werden, und damit motiviert erscheinen. Wichtig ist:
Für die aktuelle (phraseologische) Bedeutung der Phraseme und folglich ihren Gebrauch in der Gegenwartssprache ist es völlig gleichgültig, ob ihre geschichtliche Herausbildung bekannt ist oder nicht bzw. welche Etymologie diesem oder jenem Phrasem zugeschrieben wird.
Burger will die Begriffe 'bildlich' und 'bildhaft' auseinander halten. 'Bildhaft' sind "Wörter und Wendungen, die zwangsläufig mit einer konkreten, klaren Situation, mit einem leicht erfassbaren Wirklichkeitszusammenhang assoziiert werden". 'Bildlich' sind Wörter und Wendungen, die auf einem "Vergleich, Tropen oder metaphorischen und metonymischen Periphrasen beruhen"
1.3. Probleme der Klassifikation der Phraseologismen
Da Phraseologismen sehr heterogen sind, ist eine Klassifikation grundsätzlich nicht einfach. Phraseologie im weiteren Sinne umfasst Formen von zweiteiligen Konjunktionen und Präpositionen bis zu Satzphraseologismen. Eigentlich sollten Klassifikationen nach einem Kriterium erfolgen, das wurde aber für das phraseologische Material als wenig brauchbar eingestuft. Deshalb wurden Mischklassifikationen vorgeschlagen, die sowohl auf morphosyntaktischen als auch semantischen Kriterien beruhen. Ziel der Klassifikationen soll sein, einen Überblick über die Formen der Phraseologismen zu schaffen.
1. Semantische Klassifikation von Vinogradov
Das Kriterium der semantischen Klassifikation ist die Motiviertheit respektive die Idiomatizität.
1. Phraseologische Zusammenbildungen. Hierher gehören viele deutsche Phraseologismen mit unmotivierten Gesamtbedeutungen, bei voller Umdeutungen des ganzen Ausdrucks: durch die Lappen gehen (entwischen); an jemandem, an etwas einen Narren gefressen haben (für jemanden, für etwas stark eingenommen sein).
Ja, der Minister hatte sogar einen Narren an dem Harteisen gefressen
(H. Fallada).
2. Phraseologische Einheiten. Diese Gruppe umfasst viele deutsche Phraseologismen mit motivierter Gesamtbedeutung, ebenfalls mit voller Umdeutung : grosse Augen machen (staunen), auf die Beine kommen (genesen oder in bessere Verhältnisse kommen).
3. Phraseologische Verbindungen. Diese Phraseologismen werden im Gegensatz zu den ersten zwei Gruppen der Phraseologismen durch teilweise Umdeutung und völlige Motiviertheit gekennzeichnet, es sind meist verbale Verbindungen, bei denen in der Regel nur das Verb metaphorisch gebraucht wird, wahrend der nominale Teil gewöhnlich seine dingliche Bedeutung behalt, z.B. zum Ausdruck bringen. In dieser Wortverbindung ist das Verb bringen metaphorisch umgedeutet, das Substantiv Ausdruck bewahrt seine eigentliche Bedeutung, das Ganze aber bedeutet “ausdrücken “. Hierher gehören auch nicht in Frage kommen (nicht wichtig sein), in Gefahr schweben (in Gefahr sein) usw.
Für Emanuel kam das nicht in Frage, er musste sich nur den Tagesstempel holen (R. Braune).
Was zuerst die Gefahr anlangt, in die Sie mich bringen, so habe ich mein Lebtag, seit ich im Beruf stehe, in Gefahr geschwebt (H. Fallada).
2. Die strukturell-semantische Klassifikation.
Sie ist sowohl in der sowjetischen als auch in der ausländischen Fachliteratur bekannt. Laut dieser Klassifikation werden die Phraseologismen in folgende Gruppen eingeteilt: Wortpaare, Idiome, geflügelte Worte, Sprichwörter.
Wortpaare (Zwillingsformeln) sind stehende Verbindungen von zwei Wörtern, die einer und derselben grammatischen Wortart angehören, z.B. Mann und Maus, schalten und walten, fix und fertig, hin und her usw. Der Struktur nach unterscheiden sie sich von anderen phraseologischen Gruppen sehr deutlich. Am häufigsten tritt als Verbindungsmittel die Konjunktion und auf: Haus und Hof, hoffen und harren u.a. Manchmal werden sie auch durch Präpositionen verbunden: Schritt für Schritt, Stunde um Stunde u.a. außerdem werden sie oft durch euphonische Mittel gestaltet und bekommen dadurch eine besondere lautliche Form. Sie werden charakterisiert:
a) durch die Alliteration – Zweck und Ziel, Kisten und Kasten, bei Nacht und Nebel u.a.;
b) auch durch den Reim – mit Sack und Pack, weit und breit, mit Ach und Krach, außer Rand und Band u.a. Diese euphonischen Mittel können aber auch fehlen: alt und jung, Tag und Nacht u.a.
Das Wortpaar besitzt eine einheitliche Bedeutung und bezeichnet einen einheitlichen Begriff.
Was die Bedeutung der Komponenten des Wortpaares anbetrifft, so sind es häufig zwei Synonyme: auf Schritt und Tritt (auf jedem Schritt, überall), Art und Weis e (die Art), nach Brauch und Sitte (nach Sitten), Hab und Gut (das ganze Gut ), an Ort und Stelle (an einem bestimmten Ort) ohne Sinn und Verstand (sinnlos), los und ledig( frei), lugen und trugen (betrügen), hoffen und harren ( stark hoffen), Feuer und Flamm e (begeistert sein), kreuz und quer (nach allen Seiten, überall)
Wortpaare können auch aus zwei Antonymen bestehen: auf Leben und Tod (auf immer), alt und jung(alle), durch dick und dünn (mit allen Mitteln), Freud und Leid (alles, alle Erlebnisse), Freund und Feind(alle).
Andere Wortpaare bestehen auch aus Wörtern mit verschiedenen Bedeutungen, die meist einander ergänzen und dadurch eine Einheit bilden: mit Muhe und Not (mit grosser Muhe), gang und gäbe (wie es üblich ist), Rat und Tat (mit allem), leben und weben (schaffen), kurz und gut (kurz) mit Mann und Maus (mit allem ), weit und breit (überall), in Reih und Glied (eingereiht).
Elf Stunden später ging der Optimist noch im Kanal, im Nebel mit Mann und Maus unter (B.Brecht).
Gleichen kauerte vier Stunden in seiner Klause und wagte sich erst wieder heraus, nachdem weit und breit nichts mehr zu sehen war (B.Kellermann).
Unabhängig davon, ob die Wortpaare aus Synonymen, Antonymen oder aus der Bedeutung nach verschiedenen Wörtern bestehen, drücken sie immer einen einheitlichen Begriff aus, besitzen eine einheitliche Gesamtbedeutung und nähern sich inhaltlich einem Worte, was an den oben angeführten Beispielen deutlich zu sehen ist.
Idiome bilden die nächste Gruppe stehender Wortverbindungen (der Fachausdruck Idiom stammt aus dem griechischen idios „eigentümlich“, „originell“.)
Unter Idiomen versteht man Wortgruppen, die in ihrem Gebrauch erstarrt sind. Sie entstehen auf Grund bildhafter Vorstellungen von der Wirklichkeit, entwickeln sich aus freien syntaktischen Wortgruppen,bekommen infolge der Umdeutung einen allgemeinen umgedeuteten Sinn, der der Summe der Bedeutungen der Komponenten nicht entspricht. Die deutsche Sprache ist sehr reich an Idiomen: die Augen in die Hand nehmen „genau zusehen“, sich die Beine in den Leib stehen „lange warten“, einen in Harnisch bringen „zö rnig machen“, unter die Haube bringen „verheiraten“, jemandem die Cour(den Hof) machen „flirten“, einem etwas aufbinden „weismachen“ usw.
Das Idiom Pech haben bedeutet „Unglück haben“. Diese Wendung stammt aus der Berufslexik der Vogelsteller. Der an der Leimrute klebende Vogel hat Pech (an den Federn) und wird gefangen. So entwickelte sich der mit der Summe der Bedeutungen der Komponenten nicht übereinstimmende umgedeutete Sinn.
Mit ihren Besorgungen aber hatte Frau Hete an diesem Tag Pech (H.Fallada).
Das Idiom Hand und Fuss haben bedeutet „vernünftig, begründet sein, gut durchgedacht“; die übertragene Bedeutung des Ganzen entspricht nicht der Summe der Bedeutungen der Komponenten.
Was diese Leute über den Stuttgarter Irrsinn schreiben, hat Hand und Fuss und kommt auf dasselbe heraus, was ich darüber denke (L.Frank).
Dieselbe Erscheinung tritt in folgenden Fallen auf: auf die Beine bringen „aufstellen, aushelfen, heilen“ und auf den Hund bringen „in schlechte Verhältnisse, ins Unglück bringen“.
Aber das kann ich mir jetzt ausrechnen, dass Deutschland nicht auf die Beine gebracht werden kann mit den Mitteln, durch die es auf den Hund gebracht wurde (L.Frank).
Das Idiom drückt einen einheitlichen Begriff aus und ist inhaltlich einem Einzelwort äquivalent: zu Kreuz kriechen heißt „sich demütigen“, die Hand für jemanden ins Feuer legen – „für jemandem bürgen“, auf der Bärenhaut liegen – „faulenzen“, Sand in die Augen streuen – „belügen, betrügen“, durch die Lappen gehen – „entwischen“.
Der Wachsoldat sagte:“Der wär mir noch beinahe durch die Lappen gegangen.“ Der Hauptmann sagte:“ Verstaut ihn nur rasch“ (A.Seghers).
Die Gesamtbedeutung des Idioms kann sowohl motiviert als auch nicht mehr motiviert sein. Motiviert sind solche Idiome, deren Sinn aus den Bedeutungen ihrer Komponenten zu schließen ist : ins Auge fallen “bemerkbar sein ”, sich den Kopf zerbrechen “ angestrengt nachdenken”, den Kopf verlieren “die Geistesgegenwart verlieren”, die Nase in etwas stecken “sich für fremde Angelegenheiten interessieren“, die Finger von etwas lassen „sich nicht mit etwas abgeben “, nicht auf den Kopf gefallen sein „kein Dummkopf sein“.
Ich habe schon längst den betreffenden Herren offen und deutlich erklärt, dass ich meine Finger von ihrem Geputsche lassen werde (A.Seghers).
Ja, lieber Junge, wir sind eben nicht auf den Kopf gefallen, wir riechen alles (R.Braune).
Unmotiviert sind solche Idiome, deren Sinn aus den Bedeutungen ihrer Komponenten nicht zu schließen ist: etwas ist nicht hü und nicht hott „unbestimmt, unklar“, eine Sache übers Knie brechen “eine Sache rasch abtun“, jemanden aus den Lumpen schütteln „jemanden kräftig zurechtweisen“, auf etwas Gift nehmen „ sich auf etwas verlassen“, jemandem einen Strick aus etwas drehen „jemandem eine Falle legen, um ihm zu schaden“.
Sie können Gift darauf nehmen, Professor“, sagte er (B.Kellermann).
Die Scheidung habe ich besorgen helfen, da dreht sie mir einen Strick draus; darum hat sie wahrscheinlich Angst vor meiner Aufsicht (A.Seghers).
Unmotivierte Idiome können manchmal mit Hilfe der etymologisch-historischen Analyse erklärt werden. Es muss betont werden, dass das Kriterium der Motiviertheit sehr subjektiv ist. Es hängt oft von dem Niveau der Kultur und der Bildung des sprechenden Subjekts ab. So ist das Idiom auf der Bärenhaut liegen für diejenigen, die die Quelle dieses Idioms kennen, motiviert, für die anderen aber unmotiviert. Es ist auch strittig, ob folgende Idiome zu den motivierten oder unmotivierten gehören : jemandem auf die Finger sehen „genau beobachten“, etwas aus den Fingern saugen „ sich etwas ausdenken“, durch die Finger sehen „milde urteilen“ usw.
Strukturell sind Idiome meist verbale Wortverbindungen und werden in folgende Gruppen eingeteilt:
a) Verb +Substantiv:
Purzelbäume schlagen „sich überschlagen“
Das Häslein schlug drei Purzelbaume und blieb dann auf der Nase liegen (H.Sudermann).
Scheibe sein „verloren gehen“
Gestern Nachmittag hätte ich beinahe eine Stellung bekommen“, sagte er, „bei Fritsche & Blumberg als Chauffeur. Aber er ist nun Scheibe“ (R.Braune).
b) Verb +Präporsitionalgruppe:
Um den Kopf gehen „um das Leben gehen“.
Sie flüsterte: „Vater, es geht um deinen Kopf. Wie ich können dich andere beobachtet haben… Tust du es öfters?“ (H. Fallada)
c) Verb + Präpositionalgruppe mit Adjektiv:
für bare Münze nehmen „für Wahrheit halten“.
Diese ganze Verfolgung durch die Gestapo, die nimmt sie seit seiner Erzahlung am Abend für bare Münze (H. Fallada).
d) Verb +Substantiv mit Adjektiv:
Lange Beine haben „lange dauern “
Das hat aber noch lange Beine, Gustav, da reichen meine Ersparnisse weder hin noch her (W. Bredel).
e) Verb +Substantiv +Präpositionalgruppe:
Schuppen fallen jemandem von den Augen „man sieht alles im richtigen Licht“
Mir sind nämlich so etliche Schuppen von den Augen gefallen (W. Bredel)
f) Verb +Adjektiv:
Jemanden kalt lassen „jemanden gleichgültig lassen “
Martin war beinahe betrübt, dass seine Abreise den Jungen kalt ließ (A. Seghers)
g) Verb+ Adverb:
etwas dick haben „ etwas satt haben“.
Er hatte das Ganze dick; das Bitten und Betteln, das Humpeln und Pumpen, das Schwitzen und Schwatzen (A. Seghers).
h) Verb+ Infinitiv:
Flöten gehen „verloren gehen“
Wenn uns jetzt alles flöten geht mit dem Friedens-Diktat, dann brauchen wir deinesgleichen erst recht (A. Seghers).
Es gibt manchmal Idiome nur mit nominalen Bestandteilen: unter vier Augen “zu zweien“, wie aus dem Ei gepellt „ äußerst sauber“, „ganz neu“; bittere Pille „eine Unannehmlichkeit“.
Eine einzige Schande! Heute in der Auswirkung wie damals, als er diese bittere
Pille hat schlucken müssen (H. Hermann).
Strukturell unterscheiden sich also die Idiome von den Wortpaaren.
In der Regel sind Idiome bildlich und stark expressiv, so ist das Idiom etwas ausgefressen haben viel expressiver als etwas begangen haben.
Gott weiß, was der ausgefressen hat, warum der ins besetzte Gebiet verduftet ist (A. Seghers).
Das Idiom an den Bettelstab kommen ist viel bildlicher als das Verb betteln gehen, verarmen.
Ich muss jetzt Ordnung auf dem Hof haben, sonst kommen mir noch die Kinder an den Bettelstab (A. Seghers).
Dasselbe lässt sich von dem Idiom zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen statt einen doppelten Zweck durch ein Mittel erreichen sagen
In Deutschland bildet das Kleinbürgertum die eigentliche gesellschaftliche Grundlage der bestehenden Zustände… Der „wahre“ Sozialismus schien ihm beide Fliegen mit einer Klappe zu schlagen (K. Marx und Fr. Engels).
Geflügelte Worte ist eine besondere Art stehender Wortverbindungen. Dieser Fachausdruck stammt aus dem Griechischen, ist eigentlich selbst ein geflügeltes Wort. Man weist auf seine Abstammung von Homer hin. Man findet in der „Ilias“ und in der „Odyssee“ folgende Äußerungen: Geflügelte Worte warf er auf, mit geflügelten Worten wendete er sich an, richtete die Göttin geflügelte Reden, die Göttin warf ein geflügeltes Wort und viele ähnliche Verbindungen mit dem Wort geflügelt. Damit unterstrich Homer die Fähigkeit des menschlichen Wortes, von Mund zu Mund zu fliegen.
Unter dem Fachausdruck „geflügelte Worte“ versteht man nicht nur einzelne Wörter, sondern auch Wortverbindungen. Hierher gehören sowohl der rote Faden (Goethe) als Bezeichnung der Idee, die sich durch alle Ausführungen hindurchzieht, wie auch Sisyphusarbeit (Homer) - ein schweres und vergebliches Bemühen. Diese zu weite Deutung des Fachausdrucks „geflügelte Worte“ führt zur Verschwommenheit der Grenzen zwischen den geflügelten Wortverbindungen und Einzelwörtern. Man betrachtet geflügelte Worte als eine Art stehender Wortverbindungen, deswegen schenken wir unsere Aufmerksamkeit selbstverständlich nicht den Wörtern, sondern Worten, d.h. geflügelten Wortverbindungen.
Geflügelte Worte fallen ihrer Struktur nach in verschiedenen Sprachen nicht immer zusammen, ihre Struktur hängt von der Eigentümlichkeit jeder Sprache ab. Da für die deutsche Sprache die Entwicklung der Zusammensetzung als eine der inneren Gesetzmassigkeiten gilt, gibt es im Deutschen viele geflügelte Worte in der Form eines zusammengesetzten Wortes, z.B. der Apfel der Zwietracht, daneben aber auch der Erisapfel.
So fiel mitten in das Parlament der Erisapfel,…( K. Marx)
Den deutschen Zusammensetzungen entsprechen deswegen oft russische Wortverbindungen: dt. Vaterunser – russ. Отче наш, Sündenbock – козел отпущения, Straußenparlament – страусовый парламент.
Sündenböcke mit eigener Hand auf dem Altar des Vaterlandes geopfert (K.Marx).
Manche Linguisten gebrauchen auch den Fachausdruck „Schlagwörter“. Unter Schlagwörtern versteht man solche Wörter und Wortverbindungen, die zu einer bestimmten Zeitperiode eine grosse Bedeutung erhalten und dank ihrer besonders aktuellen Semantik im Volksmunde üblich werden. Solche Schlagwörter, durch ihren treffenden Sinn charakterisiert, werden im Volke beliebt und verbreiten sich sehr schnell. Der Unterschied zwischen den Schlagwörtern und geflügelten Worten bezieht sich auf den internationalen Charakter der letzteren. Schlagwörter, die für verschiedene Länder aktuell sind und durch andere Länder ziehen, heißen geflügelte Worte. Sie entstehen aus verschiedenen Quellen. Geflügelte Worte sind vor allem Aphorismen, Losungen, Sentenzen, Zitate, dabei handelt es sich oft um Aussprüche einzelner Personen – Schriftsteller, Wissenschaftler, Politiker. Zuweilen kann auch die Autorschaft vergessen werden. Geflügelte Worte bilden feste, stabile Elemente des Wortbestandes und bereichern ihn.
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