Versuch über die wahre Art Violine zu spielen

Die Sonaten und Partiten für Violine solo BWV 1001–1006 von Johann Sebastian Bach als ein Lehrbuch der Violintechnik


Diploma Thesis, 2010

103 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhalt

Vorrede

Teil I. HISTORISCHER HINTERGRUND
1 Bachs Werdegang zum Musiker und die ersten Anstellungen
1.1 Bach als Schüler
1.2 Lüneburg
1.3 Arnstadt
1.4 Mühlhausen
1.5 Weimar
1.6 Köthen
2 Bachs Bildung und musikalische Fertigkeiten im Spiegel der Zeit
2.1 Gelehrsamkeit des ,rechten Capellmeisters’
2.2 Septem arte liberales
2.3 Bach als Geiger und Organist

Teil II. AUFFÜHRUNGSPRAKTISCHE GESICHTSPUNKTE EINER INTERPRETATION
3 Glaubwürdige Quellen als Grundlage zur verständnisvollen Wiedergabe
3.1 Was ist Aufführungspraxis?
3.2 Probleme der Notation
3.3 Bachs Autograph und andere Manuskripte
3.4 Erst- und Neudrucke
4 Wichtige Merkmale der Musizierpraxis im 17. und 18. Jahrhundert
4.1 Musik als Fremdsprache
4.2 Takthierarchie
4.3 Zur Tongebung
4.4 Zur Artikulation
4.5 Instrumentarium
4.6 Abstrichregel

III. PRAKTISCHE ANWEISUNGEN UND EMPFEHLUNGEN ZU AUSGEWÄHLTEN PASSAGEN
5 Partita E-Dur als Beispiel pars pro toto
6 Beschreibung der Tanzcharaktere und daraus resultierende Hilfe zur Interpretation
6.1 Tempo, Stil und Charakter
6.2 Tanzcharaktere im Einzelnen
7 Detaillierte Betrachtung einiger wichtiger Prinzipien und Klangeffekte für die Musizierpraxis
7.1 Das inegal-Spiel
7.2 Bindebögen
7.3 Arpeggio
7.4 Besonderheiten und Klangeffekte
7.5 Vibrato

Postskriptum

ANHANG

Bibliographie: Historische Quellen

Moderne Quellen

Abbildungen:

Danksagung

Ut probus et doctus reddar

„dass ich fromm und gelehrt werde“.

Vorrede

Seit der Komposition der Sonaten und Partiten für Violine solo lassen sich beinahe 300 Jahre zählen. Das Werk weist außer den hohen künstlerischen Qualitäten auch praktischmethodische Inhalte vor. Als solches brachte es in der Geschichte einige Kontroversen hervor und wurde zum Thema in mehreren theoretischen und wissenschaftlichen Analysen und Diskussionen. Heutzutage ist das Werk aus dem Konzertleben nicht mehr wegzudenken. Wegen seiner hohen geigerischen Ansprüche wird es aber auch als Bestandteil verschiedener Prüfungen, Probespiele und Violin-Wettbewerbe genutzt. Leider setzen sich viele Studenten mit der Komposition nur in diesem Zusammenhang auseinander.

Es ist nicht direkt nachzuweisen, warum Johann Sebastian seinen großen Violinzyklus schrieb. Es wurde von ihm kein Vorwort, keine „Gebrauchsanweisung“ hinterlassen. Wenn man Bachs Persönlichkeit so betrachtet, wie sie viele seiner Zeitgenossen beschrieben, erscheint die Theorie einer autodidaktischen Schaffensarbeit als sehr wahrscheinlich.

In den ersten Kapiteln meiner Arbeit versuche ich Bachs Leben bis hin zur Köthener Zeit zu schildern. Daraus ergibt sich, dass Bach in den Lehrjahren ein scharfsinniger Schüler und später ein fleißiger Autodidakt war. Es ist also denkbar, dass Bach seine Sonaten und Partiten schrieb, um damit die geschmackvolle Umsetzung des Kontrapunkts auf einem Melodieinstrument auszuloten.

Was ist das Besondere an diesem Werk? Warum sind die Violinisten der vielen zurück greifenden Generationen begierig das Werk immer wieder zur Aufführung zu bringen? Mit den Sonaten und Partiten übergibt Bach jedem Geiger ein Werk von überzeugender Geschlossenheit, dessen Aufführung eine technische Voraussetzung auf professionellem Niveau erfordert. Ebenso wichtig ist aber auch eine gründliche musiktheoretische und musikgeschichtliche Grundlage zu besitzen, die das Werk im Kontext der Entstehungszeit zeigt.

Nach dem Vorbild von Carl Philipp Emanuel Bach fasse ich in der vorliegenden Diplomarbeit diese erforderliche Zusammenwirkung vom geigerischen Können auf möglicht höchstem Niveau mit theoretischen und geschichtlichen Kenntnissen unter dem Begriff „die wahre Art Violine zu spielen“ zusammen.

Teil I. HISTORISCHER HINTERGRUND

1 Bachs Werdegang zum Musiker und die ersten Anstellungen

1.1 Bach als Schüler

Im Laufe des 18. Jahrhunderts verschafft sich das städtische Bürgertum allmählich ein mehr eigenständiges, von Adelshöfen und Leibeigenschaft unabhängiges Leben und entwickelt sogar eigene kulturelle Formen. So fanden in den größeren Städten die ersten bürgerlichen Konzerte statt. Es gab interessierte Bürger, die davon begeistert waren, möglichst häufig und vielfältig Musik öffentlich aufzuführen. Ebenso waren auch die Musikgelehrten, die so genannten „Magistri und Doctores Musici,“[1] bei der Gestaltung solcher Konzerte mit eingebunden.

Seit Jahrhunderten gab es auch die Stadtpfeifer. Sie wurden in eine Zunft organisiert, so wie alle anderen Handwerke. Ein Kunstpfeifer zu sein war ein harter Beruf. Aus mehreren Berichten ist bekannt, wie sich die Stadtpfeifer-Lehrlinge mit Nachtdiensten oder Botenarbeiten durchschlugen. Um den eigenen Lebensunterhalt zu erwerben waren sie gezwungen, mehrere Instrumente zu erlernen, damit sie möglichst oft und variabel dienstlich sein konnten. Solche „Gebrauchsmusiken“ der Stadtmusici waren zu Taufen, Hochzeiten, Begräbnissen, allen offiziellen Stadt- und auch Familienfeiern üblich. Diese Situation des Musikgebrauchs in Deutschland wird von Charles Burney beschrieben: „Die schönen Künste sind Kinder des Überflusses und des Wohllebens (...) Wer also in Deutschland Musik suchen will, sollte darnach an die verschiedenen Höfe gehen, nicht an die freyen Reichsstädten, deren Einwohner mehrentheils aus unbegüterten, arbeitsamen Leuten bestehen, welcher Genie von Sorgen der Nahrung niedergedrückt wird, (...) Die Residenz einer souveränen Prinzen hingegen, wimmelt, außer den bestallten Musikern bei Hofe, an den Kirchen und in den Theatern, von den Expectanten, welche bey alle dem oft Mühe haben, zum Gehör zu kommen. (Die Expectanten sind Musiker und auswärtige Virtuosen, die auf eine Stelle oder eine Belohnung warten.)“[2]

Genau in dieses Umfeld hinein wurde Johann Sebastian Bach als der achte und jüngste Sohn des Eisenacher Stadtpfeifers und Hoftrompeters Johann Ambrosius Bach geboren. Aus den entsprechenden Rechnungen geht folgende Tatsache hervor; das Amt des Vaters sorgte eher für Ehre, als für ein ausreichendes Gehalt, um eine große Familie zu ernähren. So wurde Johann Sebastian schon von seiner Kindheit an in die Sorgen ums tägliche Brot einbezogen. Weil er eine sehr wohl klingende Stimme und obendrein auch Musikverstand besaß, wurde er Mitglied des Chorus musicus. Dieser Chor, oder „Cantorey“, bestand aus Schülern der Eisenacher Lateinschule, die aufgrund ihrer besonderen musikalischen Fähigkeiten ausgewählt und mit einem Stipendium ausgestattet wurden. Während des ganzen Kirchenjahres begleitete der Chor nicht nur die Sonntagsgottesdienste mit mehrstimmigem Gesang, sondern er wurde auch zu besonderen Anlässen (Beerdigungen oder Hochzeiten) eingesetzt. Auch zu den verschiedenen städtischen Festen kam man nicht ohne die Schulkantorei aus.

Die Anwesenheit in der Schule war für alle Jungen und Mädchen im Alter von fünf bis zwölf Jahren Pflicht und Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schickten, machten sich strafbar. Der gute Ruf der Schule zog Kinder von weit her an. Der Vater Johann Ambrosius kannte sicherlich dieses Niveau der Eisenacher Lateinschule und trotzdem wurde ein häufiges Fernbleiben von dem Schulunterricht wegen Musik geduldet. Wie aus den Klasseneintragungen hervor geht, war Johann Sebastian dennoch über die Jahre hinweg einer der besten Schülern. Dies wird mit der Tatsache bestätigt, dass Johann Sebastian als Achtjähriger gleich in die Quinta aufgenommen wurde.

Die Lateinschule bestand aus sechs Klassenstufen. Die Schüler verbrachten in der Regel zwei Jahre in jeder Stufe und nur wenige erreichten die höchste Klasse, die Prima. Wer die Prima abgeschlossen hatte, konnte das Universitätsstudium aufnehmen. Im Mittelpunkt des Schulunterrichts stand Latein und Religion mit den Lehrbüchern Katechismus von Martin Luther, Gesangsbuch und Bibel. Der Lehrplan in diesem Fach wurde nach dem dreißigjährigen Krieg im Sinne der Reformgedanken von Jan Amos Comenius, Lehrer und Bischof der Böhmischen Brüder, und von Andreas Reyher, Rektor des Gothaer Gymnasiums, überarbeitet. Für sie waren Religion und Naturwissenschaften nicht unvereinbar und obwohl der Glaube an den Gott der Schöpfung und ihre Vollkommenheit unangetastet blieb, wurde ein großer Wert auf Realien und Sachunterricht gelegt. Die übrigen Lehrfächer der Lateinschule waren Sprachen (Deutsch und Latein; von der vierten Klasse an wurde Latein zur vorherrschenden Unterrichtssprache), Grammatik, Logik, Arithmetik und Rhetorik.

Als Johann Sebastian neun Jahre alt war, griff das Schicksal vehement in sein Leben ein. Er ver]lor seine Mutter und „mit ihr Starb die Seele des Hauses. Der Haushalt kam ohne Hausfrau nicht aus, nach einem halben Trauerjahr heiratete der Vater die brave zweifache Witwe Keul aus Arnstadt; doch sein geliebter Zwillingsbruder starb im Herbst des gleichen Jahres, und im darauf folgenden Februar legte sich Johann Ambrosius zu beiden ins Grab. Er war erst fünfzig Jahre alt.“[3]

Das musste für den jungen Johann Sebastian eine große Erschütterung gewesen sein. Von seiner Kindheit blieb plötzlich nichts zurück. Der Haushalt der großen Familie Bach wurde nach dem Entschluss des Stadtrates aufgelöst und das Haus für einen neuen Direktor der Stadtmusik vorbereitet. Die Stadt brauchte bald einen neuen Stadtpfeifer. Johann Sebastian und sein älterer Bruder Jacob verloren als Vollwaisen das Vaterhaus, Freunde und die liebevolle Umgebung. Fürsorge fanden sie bei dem ältesten Bruder Johann Christoph. Der war zu der Zeit vierundzwanzig Jahre alt.

So kamen die zwei Jüngsten nach Ohrdruf. Es war eine sehr kleine Stadt; beinahe um die Hälfte kleiner als Eisenach. Doch auch an der dortigen Schule bekam Johann Sebastian einen ordentlichen Unterricht und von dem Bruder Johann Christoph, der selbst Schüler Johann Pachelbels war, wurde er auf dem Cembalo unterwiesen. Darunter verstand man nicht nur das bloße Spiel auf dem Instrument, sondern auch die Fertigkeit, den Generalbass vollstimmig von Blatt auszusetzen. Über die Art dieses Unterrichtes ist nichts bekannt. Nur der Nekrolog berichtet über die nächtliche Arbeit Johann Sebastians, als er aus dem ihm versagtem Notenbuch des Bruders heimlich die Stücke der bewunderten Meister Froberger, Kerl und Pachelbel abschrieb. Der Bruder nahm ihm jedoch seine mit viel Mühe verfasste Abschrift ohne Barmherzigkeit weg[4]. Trotz alledem war die Beziehung der beiden Brüder sehr freundschaftlich und auch nach dem Johann Sebastian das Haus des Bruders verlassen hatte, blieben sie einander eng verbunden.

Bach wurde in der Schule zum besten Schüler, weshalb er die Secunda überspringen konnte. So lernte er in der Prima mit zwei und mehr Jahre älteren Schülern. Nach dem Abschluss wäre der Weg zu einem Studium der Universität offen gewesen. Doch entschied Johann Sebastian anders. Im März 1700 brach er die Schule in Ohrdruf ab und begab sich auf den Weg nach Lüneburg. Dort trat er in die Prima noch einmal ein, um die Ausbildung einer Lateinschule abzuschließen.

1.2 Lüneburg

Lüneburg bot unzählige Vorteile für den jungen wissbegierigen Bach. Die Stadt war viermal so groß wie Ohrdruf. Außerdem lag sie in unmittelbarer Nähe zu Hamburg - der größten Stadt des damaligen Deutschlands. Diese war nicht nur eine Welt- und Handelsstadt. Sie lebte in einer langen musikalischen Tradition, besaß außerordentliche Orgelbauten und genoss insbesondere unter den Organisten und den Freunden der Orgelkunst einen legendären Ruf. Die Michaelischule in Lüneburg versuchte damals einige Freistellen mit möglichst erfahrenen Sängern zu besetzen. Solch eine Freistelle brachte mehrere Vorteile mit sich, z. B. ein jährliches Stipendium und Brennholz für den Winter. Auf Empfehlung des Ohrdrufer Kantors Elias Herda wurden Johann Sebastian und sein Ohrdrufer Mitschüler Georg Erdmann auf diese Freistellen an der Michaelischule aufgenommen.

Bach und Erdmann kamen direkt nach ihrer Ankunft in den so genannten Mettenchor. Dies war ein Ensemble von fünfzehn ausgewählten, mit Stipendium ausgestatteten Internatsschülern. Sie waren ausdrücklich für die Gestaltung der täglichen Metten zuständig. Der Mettenchor bildete gleichzeitig den Kern des Schulchors, des Chorus symphoniacus. Genauso wie die Schulkantorei zu Eisenach trat auch der Lüneburger Chorus häufig auf. Zu den Pflichten gehörte das Singen zu den Metten an jedem Morgen und die Aufführungen der Motetten an den Samstagen, Sonntagen und Festtagen. An den hohen Feiertagen waren vokalinstrumental besetzte Werke aufzuführen und der Gesamtchor übernahm Auftritte zu Hochzeiten, Beerdigungen und das Straßensingen, die sogenannte Kurrende.

Es gab also vieles, was praktische musikalische Erfahrungen mit sich brachte und deswegen spielten diese zwei Lüneburger Jahre in der Entwicklung der musikalischen Persönlichkeit Johann Sebastians eine sehr wichtige Rolle. Zu allen Fest-Gottesdiensten gelangte die mehrstimmige, kontrapunktisch gesetzte Figuralmusik zur Aufführung. Jede ihrer Stimmen führte ihre eigene selbständige Melodie und doch befolgte das Gesamte die Regeln des harmonischen Satzes. So ein Musiklabyrinth mit eigener Stimme zu gestalten und den Aufbau solch eines Werkes von den jeweiligen Stimmen aus zu beobachten war eine unersetzbare Ausbildung für das Gehör der angehenden Musiker. Schon hier liegen die Wurzeln der Bachschen Setzkunst: die polyphonen Stimmen außergewöhnlich zu führen, ohne die Grenzen einer machbaren Aufführung zu überschreiten.

Leider verlor Johann Sebastian bald nach der Ankunft in Lüneburg seine wohlklingende Sopranstimme. Der Nekrolog erwähnt: „... einsmals, als er im Chore sang, wider sein Wissen und Willen, bey den Soprantönen, die er auszuführen hatte, auch zu gleicher Zeit die Oktave tiefer mit hören. Diese neue Art zu singen behielt er acht Tage lang: binnen welcher Zeit er nicht anders als in Octaven singen und reden konnte. Hierauf verlor er die Töne des Soprans, und zugleich auch seine schöne Stimme.“[5] Ungeachtet dieser unvermeidlichen Veränderung in seinem Jugendalter blieb er Mitglied des Mettenchores, denn es mangelte auch an Bassisten. Er wurde also in dieser Stimmgruppe aufgenommen[6].

Von dem religiösen und musikalischen Umfeld und hohen Anforderungen der Michaelischule zu Lüneburg, die weit über die Grenzen des Herzogtums ein Begriff war, gewann Bach sehr viel. Der Unterricht basierte auf Religion und Musikübungen, denn der richtige Glauben und das Singen waren wichtige Fundamente des Lebens einer Gemeinde. Da einige Lehrbücher nur auf Latein geschrieben wurden, ist es verständlich, dass Latein als drittes Hauptfach der Schule galt. Diese Fächer unterrichtete der Rektor der Schule, Magister Johannes Büsche selbst. Das Alte Testament wurde auf Griechisch gelesen; Briefe, Reden und Schriften Ciceros und Lyrik vom Horaz in Latein. Die Prima war mit den Fächern Geschichte, Geographie, Genealogie, Wappenkunde, deutsche Dichtung, Mathematik und Physik abzuschließen.

Nicht nur die praktischen Aufführungen regten den lernbegierigen Geist des jungen Johann Sebastian an. Die Schule bot einen großen Reichtum an Notensammlungen in einer seit mehreren Jahren systematisch angelegten Bibliothek. Es waren Meisterwerke von über zweihundert Komponisten der letzten hundertfünfzig Jahre. Was nicht das Repertoire des Chores umfassen konnte, fand Johann Sebastian in der Bibliothek. Das machte er sich zu Nutze und verschaffte sich Abschriften von Kompositionen aller Gattungen und Herkunft. Aus dieser Zeit sind uns keine seiner eigenen Werke bekannt. Er schrieb eher im Stillen ab und lernte von den Meisterwerken selbst.

In dieser Lüneburger Zeit lernte Bach auch den feinen französischen Geschmack kennen. Neben der Michaelischule gab es in Lüneburg noch die Ritterakademie für die jungen Adelsherren. Dort wurde die Ausbildung im Sinne des modischen französischen Umgangsstils durchgeführt. Georg Wilhelm, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, wollte seinen Hof gänzlich im feinfühligen französischen Stil ausrichten. Er heiratete auch eine französische Adelige, Eleonore d'Olbreuse. Seine Hofkapelle, die er auf seiner Residenz in Celle unterhielt, bestand größtenteils aus Franzosen, um den französischen Geschmack, „welcher, in dasigen Landen, zu der Zeit ganz Neues war, fest zu setzen.“[7] Ein von den Hofmusikern der Celler Hofkapelle wirkte gleichzeitig als Tanzmeister an der Ritterakademie. Der Thomas de la Selle. Mit großer Wahrscheinlichkeit durfte Bach von ihm die französischen Tanzformen authentisch abhören. Es lässt sich vermuten, dass eben er dem jungen neugierigen Schüler der Lateinschule auch den Zugang zum Schloss in Celle verschaffte. So konnte Bach die französischen Aufführungsmanieren aus unmittelbarer Nähe kennen lernen.

1.3 Arnstadt

Im Frühjahr 1702, nach dem Abschluss in Lüneburg, hatte der fleißige Schüler Johann Sebastian nun keinen Anspruch mehr auf jegliche finanzielle Unterstützung und musste sich nach einer Stelle umsehen. Taktisch überlegte er nach Thüringen zurück zu kehren, denn dort war der Name Bach, dank der breit verzweigten Familie, sehr wohl bekannt und genoss ein gewisses Ansehen. An dieser Stelle der Bachschen Biographie gibt es trotzdem eine Lücke. Es ist ungewiss, wie Bach die Zeit von seinem Abschluss in Lüneburg (Ostern 1702) bis zum Stellenantritt als Lakai in Weimar im Januar 1703 verbrachte. Die Bach-Biographen vermuten, er besuchte seinen Bruder, ehemaligen Fürsorger und Lehrer Johann Christoph, dessen Familie inzwischen größer geworden und auf einen kleinen Bauernhof gezogen war. Bach mag vielleicht auch andere seiner Verwandten besucht haben, die er eine Zeit lang nicht sehen konnte. Auch wenn nicht sicher belegbar ist, wo er sich in diesem Zeitraum befand, ist es doch sicher, dass er jede Gelegenheit nutzte, etwas Neues zu sehen und in Erfahrung zu bringen.

Erst Anfang des Jahres 1703 finden sich wieder die Spuren Johann Sebastians. Am Hof des Herzogs Wilhelm Ernst in Weimar wurde er als „Laquey Bach“[8] angestellt. Er wurde also gleichzeitig als Geiger der Hofkapelle und als Kammerdiener beauftragt. So eine Stelle war, besonders an den kleineren Höfen, nicht ungewöhnlich. Bach erhielt für seine Dienste keine schlechte Besoldung und damit war sein Auskommen gesichert. Außerdem gab es einige wichtige und interessante Persönlichkeiten unter den Mitgliedern der Hofkapelle. Vermutlich durfte Johann Sebastian auf diesem Wege den angesehen und geschätzten Geiger und Cammer-Secretarius[9] Johann Paul Westhoff kennen lernen, Autor der Suiten für Violine Solo, einer bisher kaum bekannten musikalischen Gattung.

Nach 6 Monaten schied Bach aus den herzoglichen Diensten aus. Mehr als die Stelle des Lakaien weckte sein Interesse das Amt des Organisten in Arnstadt. Schon im Juni 1703 erfreute ihn die Einladung des Arnstädter Bürgermeisters, die von dem Mühlhäuser Orgelbauer Johann Friedrich Wendel neu fertig gestellte Orgel vor der Abnahme zu prüfen. Bach war zwar erst neunzehn, vom Orgelbau verstand er jedoch erstaunlich viel. Er brachte die Orgel so atemberaubend zum Klingen, dass er sofort die Anstellung als Organist angeboten bekam. Diese Stelle nahm Bach auch an. Somit hatte er gleichzeitig eine neue, ausgezeichnete Orgel zur Verfügung. Zudem wurde er als Instrumentalist in der Kapelle desArnstädter Reichsgrafen aufgenommen und, was das Wichtigste war; er konnte selbstständig arbeiten. Arnstadt, eine kleine Residenz des kulturliebenden Reichsgrafen, mit fast viertausend Einwohnern, drei Kirchen und einem Gymnasium, schien für den Aufbau einer Figuralmusik offen zu sein.

Dennoch schätzte Bach die Situation in Arnstadt nicht richtig ein. Sein Arbeitgeber, das kirchliche Konsistorium, erwartete, dass er mit dem Ensemble des Lyzeums zusammenarbeiten und in der Neukirche einiges zur Aufführung bringen würde. Die Schüler des Lyzeums waren teilweise älter als Bach, weil sie durchschnittlich für jede Klassenstufe zwei Jahre Schulbesuch benötigten. Bach stellte Qualitätsansprüche, und es waren hohe Ansprüche, denn Leichtfertigkeit in der Musik duldete er nicht. Er war ein ehrgeiziger und hochbegabter Musiker. Dies wurde den Mitgliedern des Schulchores zur Last und etwa zwei Jahre nach Bachs Amtsantritt kulminierten die Auseinandersetzungen. In den Protokollen des Konsistoriums wurden einige Vorfälle verzeichnet.

Aufgrund dessen erbat sich Bach eine Beurlaubung von vier Wochen, in denen er sich zu Fuß auf eine Studienreise nach Lübeck zu Dietrich Buxtehude begab. Bei dem mit großem Ruhm gepriesenem Organisten der Marien Kirche blieb er jedoch viermal so lange. Bei ihm konnte er nämlich seine eigene Lernbegierde stillen. Die überzogene Urlaubszeit nahm die Arnstädter Kirchenbehörde selbstverständlich mit großem Unwillen auf und brachte weitere Klagen gegen Bach zur Sprache. Unter anderem die über seine „wunderliche variationes“[10] und „frembde Thone“[11] in den Vorspielen, mit denen er die Gemeinde irritierte.

Bachs musikalische Kunst wurde in Arnstadt nicht verstanden. Trotzdem spann er seine Gedanken über Musik unermüdlich weiter und auch die neu gewonnenen Erkenntnisse aus Lübeck machte er in seinem Spiel hörbar. Dafür wurde er, im wahrsten Sinne des Wortes, geprügelt[12]. Es wurde ihm vorgeworfen, mit seinen zu langen Vorspielen störe er nur den Gottesdienst. Aus diesen Vorfällen leiten Bachs Biographen einige Vermutungen ab und urteilen mutig über Bachs Charaktereigenschaften. Aus den Protokollen des Konsistoriums sind jedoch andere wichtige und weniger hypothetische Erkenntnisse sichtbar.

Bach versuchte eine menschliche Lösung der Situation zu finden. Gegen die musikalische Kompetenz der Schüler hatte er weniger einzuwenden, als gegen die mangelnde Disziplin. Sie sorgte für die Streitigkeiten. Da Bach erkannte, dass er schon seines Alters wegen nie die nötige Autorität besitzen würde, um den Chor der Lyzeumsschüler zu leiten, forderte er eine unbefangene Person, einen „Director musices“[13], dessen respektvolles Ansehen die Zusammenarbeit Bachs mit dem Chor ermöglicht hätte. Die Vorwürfe und Beschwerden zogen sich so lange weiter, bis Johann Sebastian beschloss, sich nach seiner dreijährigen Amtszeit von Arnstadt zu verabschieden.

Trotz dieser vielen belastenden Schwierigkeiten komponierte Johann Sebastian seine ersten Stücke, die es ihm wert waren sie aufzuheben und beschäftigte sich mit Gedanken über bisher ungelöste musikalische Probleme: über eine neue Temperatur der Orgel, die die Setzkunst um Anwendung der unüblichen Tonarten erweitert hätte.

1.4 Mühlhausen

Die schwierige Situation der Arnstädter Jahre löste sich am Ende des Jahres 1706. Im etwa sechzig Kilometer entfernten Mühlhausen starb im Dezember des Jahres der Organist der Kirche Divi Blasii. Johann Sebastian Bach - damals zweiundzwanzig Jahre alt - bewarb sich um diese Stelle und Ende Februar 1707 wurde er zum Vorspiel eingeladen. Er beeindruckte mit seinem kunstvollen Orgelspiel den Mühlhäuser Rat genauso stark, wie einige Jahr zuvor die Kommission zu Arnstadt. Bach wurde also angenommen und mit der Bestallung [Anstellung] unterschrieb Bach auch ein Honorar, das viel höher als das seiner Vorgänger und auch das seiner Nachfolger war. Dies bezeugt, wie sehr in Mühlhausen die außerordentliche Begabung Johann Sebastians begeisterte.

Hier in Mühlhausen wurde Bach in einem völlig anderen Dienstverhältnis angestellt. Sein Vorgesetzter war nicht die kirchliche Behörde, sondern der Stadtrat. Und der wusste ihn zu schätzen, denn weder in Weimar, Köthen noch in Leipzig wurde ihm so eine große Ehre erwiesen wie hier. Die zu dem Ratswechsel komponierte Kantate wurde in Kupfer gestochen.

Mühlhausen war eine Freie Reichsstadt, also unterstand sie unmittelbar dem Kaiser in Wien. Dies verschaffte ihr bestimmte Privilegien und auch einen hohen geschichtlichen und politischen Rang. Leider verlor sie nach dem Dreißigjährigen Krieg und dem katastrophalen Brand im Mai 1707 viel von ihrer Pracht und Bedeutung. Die beiden städtischen Kirchen blieben vom Brand verschont.

Da Mühlhausen in einer langen musikalischen Tradition lebte, wurde hier Bach mit seinen hohen Anforderungen dankbar aufgenommen. Er freute sich wahrscheinlich nicht über den erbärmlichen Zustand der Orgel zu Sankt Blasius. Es boten sich jedoch andere Möglichkeiten zu einem regen Musikleben. Die „Musicalische Societät“ vereinte Sänger und Instrumentalisten von Mühlhausen und Umgebung. So wurde Bach nicht nur in die Kirche Divi Blasii als Musikdirektor tätig. Er sorgte zusätzlich in den umliegenden Dörfern für Kirchenmusik. Anscheinend fühlte er sich geschätzt und anerkannt, was möglicherweise zur Entscheidung für die Eheschließung beitrug. Am 17. Oktober 1707 heiratete er seine entfernte Cousine Maria Barbara Bach.

Dennoch blieb Johann Sebastian auch hier nicht lange. Nach 14 Monaten entschloss er sein Amt in Mühlhausen aufzugeben. Der Grund dafür ist nicht eindeutig zu belegen. Er genoss große Hochachtung und hier hatte er auch viele Gelegenheiten Vokalwerke und Kantaten zu komponieren. Auch das neue Orgelwerk der Sankt-Blasius-Kirche wurde nach einem von ihm durchdachten und ökonomisch angelegten Entwurf gebaut. Einige Bach- Forscher behaupten, Bach sei den besseren Aussichten auf ein höheres Gehalt und besseren Arbeitsbedingungen gefolgt. Es sind jedoch auch noch andere Gründe in Betracht zu ziehen.

Der Hauptpastor der Kirche Divi Blasii gehörte zu den Pietisten. Diese vertraten den „wahren Glauben“, den sie in ihrer Frömmigkeit viel ernster nahmen als die bestehende lutherisch-orthodoxe Kirche. Das kehrte sie wiederum ab von der Welt. Tätigkeiten aller Art und Anstrengung an Sonntagen wurden untersagt, sowie generell alle irdische Vergnügungen und Zerstreuungen. Sogar das Lachen wurde als sündhaft gesehen. Bach war aber in lutherisch-orthodoxer Tradition erzogen und diese pietistischen Regelungen verhinderten seine besten Absichten „eine regulirte kirchen music zu Gottes Ehren und Ihrem Willen“[14] zu betreiben. Dem Entlassungsgesuch an den Stadtrat sei schließlich entnommen: „Wenn auch ich (...) sonst aller Orth meiner Bestallung mit Lust nachgekommen währe, so hat sichs doch ohne Widrigkeit nicht fügen wollen, und zur Zeit auch der wenigste apparence [Anschein] ist, daß es sich anders (...) künftig fügen mögte“[15]. Seine neue Stellung begründet er mit „Erhaltung meines endzweckes wegen der wohlzufassenden Kirchenmusic ohne die Verdrießlichkeit anderer (...)“[16]

1.5 Weimar

Im Jahre 1708 sollte die neu renovierte Orgel in der Schlosskirche zu Weimar eingeweiht werden. Für das Einweihungskonzert erbat sich der hiesige Hoforganist Johann Effler - wahrscheinlich aus Altersgründen - einen Ersatz. Der Name des jungen Orgelvirtuosen Bach war ihm nicht unbekannt, sodass Johann Sebastian nach Weimar zu dieser Orgelabnahme eingeladen wurde. Wie das Jahr zuvor in Mühlhausen war offenbar auch hier das Erstaunen groß als er sich auf die Orgelbank setzte. Er erhielt wieder eine Gehaltserhöhung, verglichen mit den Gehältern seiner Vorgänger.

Weimar, die Residenzstadt des Herzogtums Sachsen-Weimar, war mit ihren 5000 Einwohnern am Anfang des 18. Jahrhunderts viel kleiner als Mühlhausen. Zur Zeit des Hoforganisten und Cammermusicus, später auch Konzertmeisters Johann Sebastian Bach, regierten das Herzogtum die beiden Söhne des 1683 verstorbenen Herzogs Johann Ernst II. Bach hatte also zwei Dienstherren. Im „kleinen“ Roten Schloss residierte der Johann Ernst III. mit seiner Frau und zwei Söhnen, in der Wilhelmsburg sein älterer Bruder Wilhelm Ernst, der seit mehreren Jahren von seiner Frau getrennt und kinderlos lebte. Dieser war der dominierende der beiden Brüder. Der andere jedoch war Bach viel mehr geneigt. Er kannte ihn schon aus der Zeit der ersten Anstellung Bachs in Weimar. Damals war der beeindruckende junge Mann Johann Sebastian als Musiklakai in seine Dienste eingetreten. Leider starb Johann Ernst III. im Jahre 1707.

Zwei Jahre später erreichte sein ältester Sohn Ernst August die Volljährigkeit und wurde zum Mitregenten. Sein sechsundzwanzig Jahre älterer Onkel Wilhelm Ernst erzwang sich jedoch eine Vorherrschaft. Die zwei starken und unvereinbaren Persönlichkeiten der beiden Herzöge standen einer konstruktiven Regierung im Wege.

Der Hoforganist Bach hatte in den Weimarer Jahren gute Voraussetzungen zum komponieren von Werken unterschiedlicher musikalischer Gattungen. Er genoss sowohl auf der Wilhelmsburg als auch auf dem Roten Schloss eine große Hochachtung. Der Jüngere, Ernst August, spielte selber die Violine und Trompete, erwarb Musikinstrumente auch für seine Hofkapelle und legte eine eigene Notenbibliothek an. Der eigentlich herrschende Herzog Wilhelm Ernst dagegen bestand darauf, dass die Kirchenmusik die ihr zugehörige Feierlichkeit ausstrahlt. Als frommer Mensch führte er zwar ein sehr sparsames Leben. Seine Leidenschaft - die Liebe zum Jagd - genoss er mit besonderer Hingabe. Das verband ihn übrigens auch mit dem Herzog von Sachsen-Weißenfels. Die vom Bach komponierte Jagdkantate BWV 208 wuchs diesem Weimarer Herzog sehr ans Herz.

Der Hoforganist Bach leistete seit seinem Amtsantritt auch die Arbeit eines Kapellmeisters. Er hatte einmal im Monat ein neu komponiertes Kirchenstück aufzuführen, also musste er zahlreiche geistliche Kantaten geschaffen haben. Es ist dennoch ungewiss, wieviel Bach für die Schlosskirche komponierte. Es ist anzunehmen, dass er nicht für alle kirchlichen Festen eine Kantate schrieb. Möglicherweise ist aber auch vieles von seinem Kantatenrepertoir der Weimarer Jahre verschollen, denn auch von dem Kapellmeister Johann Samuel Drese, oder dessen Sohn Johann Wilhelm Drese, der als Vizekapellmeister tätig war, wurden keine Kantaten überliefert. Die Aufteilung der Kirchenmusik war fest geregelt: Bach hatte einmal im Monat ein neues Kirchenstück aufzuführen, der Kapellmeister war für Musik an drei Sonntagen im Monat verantwortlich, der Vizekapellmeister für den vierten Sonntag.

Im Jahr 1713 bewarb sich Bach für den Posten des Organisten an der Liebfrauenkirche in Halle/Saale. Der Grund dafür war nicht nur die neue große Orgel in dieser Kirche. Möglicherweise beabsichtigte Bach tatsächlich einen Stellenwechsel, denn in Weimar hatte er die Posten des Hoforganisten und Kapellmusikers inne und übernahm auch die Aufgaben für den alten Kapellmeister Johann Samuel Drese. Dies jedoch ohne ein Ernennungsschreiben, also ohne das entsprechende Gehalt.

In Halle wurde Bach angenommen, in Weimar wollten sie ihn aber nicht verlieren. Herzog Wilhelm Ernst beeilte sich mit der offiziellen Ernennung zum Konzertmeister. Daraufhin sagte Bach in Halle ab. Sein Lohn stieg, ohne dass seine Verpflichtungen zunahmen. Aber er blieb damit in dem undurchsichtigen Machtkampf der beiden Regenten. Sicherlich war es für ihn eine Genugtuung, als dreißig Jahre später sein Sohn Wilhelm Friedemann die Stelle des Organisten an der Liebfrauenkirche in Halle antrat.

Die Weimarer Hofkapelle bestand offenbar aus gut ausgebildeten und erfahrenen Instrumentalisten, denn Bachs Weimarer Werke stellen an die Spieler hohe Anforderungen. Bachs eigene Spielfertigkeiten auf der Violine müssen von einer überaus guten Qualität gewesen sein. Die Fuge in g-moll für Violine und Basso Continuo, BWV 1026 ist ein Zeugnis seines außergewöhnlichen Stils des Komponierens für Violine. Sie kann auch ein Indiz dafür sein, dass sich Bach schon in dieser Zeit mit der Arbeit am Werkzyklus für Solovioline beschäftigte: „Darüber hinaus lässt die Komposition die Annahme glaubwürdig erscheinen, Bach habe bereits in Weimar die Arbeit an den Sonaten und Partiten für Violine ohne Baß, BWV 1001 -1006 aufgenommen. Konzeptionell nahm sich Bach offenbar Johann Paul von Westhoffs1696 veröffentlichte Partiten für Solovioline als die ersten ihrer Art zum Vorbild. Und da Westhoff, einer der bedeutendsten Violinisten seiner Zeit, bis zu seinem Tod 1705 in der Weimarer Hofkapelle spielte, wird Bach ihn 1703 kennengelernt haben.“[17]

Die neue Orgel der Schlosskirche regte auch Bachs Phantasie beim Improvisieren an. Als Hoforganist nutzte er sicherlich jede Gelegenheit an der Orgel zu improvisieren und, wie Nikolaus Forkel schreibt:„(...) alles mögliche darin zu versuchen; und dieß ist eigentlich die Zeitperiode, in welcher er sich nicht nur zu einem so starken Orgelspieler gebildet, sondern auch den Grund zu seiner so großen Orgelcomposition gelegt hat.“[18]

Mit diesen großen Orgelcompositionen arbeitete Bach an der eigenen Vervollkommnung. Er komponierte jedoch auch für seine Schüler. Schon in dieser Zeit suchten etliche Wissbegierige Johann Sebastian auf, um sich durch seine Meisterschaft auf dem Klavier, Orgel oder in der Komposition belehren zu lassen. Aus einem jeden Werk Bachs lässt sich etwas Neues lernen. „Wunderbar aber ist, dass jene Werke, die Bach vorzugsweise für instruktive Zwecke schrieb, an musikalischer Kraft so viele andere überragen.“[19]

Bach unterrichtete nicht nur seine Schüler. Auch bei sich selbst strebte er nach ständiger Verbesserung. Deswegen unternahm er in seiner Jugendzeit mehrfach die weiten Reisen, um den geschätzten Meistern des Orgelspiels und der Komposition nachzueifern. So gelang er in diesen Weimarer Konzertmeisterjahren auch zu den, wie Nikolaus Forkel schreibt „damahls neu herausgekommenen Violinconcerte von Vivaldi. Er hörte sie häufig als vortreffliche Musikstücke zu rühmen, daß er dadurch auf den glücklichen Einfall kam, sie sämtlich für sein Clavier einzurichten. Er studirte die Führung der Gedanken, das Verhältnis derselben unter einander, die Abwechselung der Modulation und mancherley andere Dinge mehr.“[20]

Die Musik Vivaldis und den Brüder Marcello sprach eine sehr originelle Musiksprache, die durch eine Reihe völlig neuer kompositorischer Möglichkeiten zum Ausdruck kam. Ebenso bewunderte er die Kunst der französischen Komponisten Nicolas de Grigny und Charles Dieuparts. Als Reaktion auf ihre Werke schrieb Bach das Piece d'Orgue in G-Dur BWV 572, in welchem er seinen souveränen Umgang mit dem französischen Stil bewies.

Die prekäre Situation zwischen den beiden Weimarer Regenten ließ sich für Bach schon seit Beginn seiner Amtszeit nur schwer durchschauen. Sein Leben zwischen den Machtkämpfen war nicht ohne Plagen und die Situation verschärfte sich allmählich. Die endlosen Streitigkeiten wirkten sich auf die Arbeit der Hofkapelle aus und verbitterten ihren Konzertmeister. Es war nicht klar, wem die Bediensteten eigentlich verpflichtet waren. Schon im Jahr 1707 unterband Wilhelm Ernst das freie Musizieren im Roten Schloss, obwohl das Geschehen dort dem jüngeren Herzog Ernst August unterlag. Die Mitglieder der Hofkapelle durften im Roten Schloss nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Herzogs Wilhelm Ernst musizieren.

Doch Bach bewahrte seine engen persönlichen Kontakte und seine Zuneigung zum musikpflegenden Herzog Ernst August. Das empfand der Herzog in der Wilhelmburg als Kränkung. Vielleicht auch aus diesem Grund bot er die Kapellmeisterstelle nicht dem Konzertmeister Bach, sondern dem in Frankfurt am Main tätigen Georg Philipp Telemann an. Telemann schrieb aber zurück, „im Bach besäße er ja den besten Musiker, den er sich als Hofkapellmeister wünschen könne.“[21]

Im Frühjahr 1717 erfuhr der musikliebende Kurfürst von Anhalt-Köthen, dass Bach in Weimar bei der Besetzung der Kapellmeisterstelle übergangen werden sollte. Umgehend entschied er sich ihn für den Hofkapellmeisterposten in Köthen zu gewinnen. Mit einer Zusage zögerte Bach anscheinend nicht. Zum 1. Mai 1717 stellte er das Entlassungsgesuch. Über Monate hinweg bekam er jedoch keine Antwort Zu diesem Zeitpunkt kam vom damaligen Dresdner Konzertmeister Jean-Baptiste Volumier eine Einladung „ohne Verzug nach Dresden zu kommen, um mit dem hochmüthigen Marchand einen musikalischen Wettstreit, um den Vorzug, zu wagen.“[22] Dem Hof der Wettiner wollte sich Wilhelm Ernst nicht widersetzen und deswegen wurde Johann Sebastian diese Reise nach Dresden ermöglicht. Der Wettkampf mit Louis Marchand kam aber nicht zustande, weil der “Monsieur Marchand an eben demselben Tage, in aller Frühe, mit Extrapost aus Dreßden abgereiset sey.“[23] Bach stand also der ganze Abend für seine Kunst allein zur Verfügung. Er „hatte folglich Gelegenheit genug, die Stärke, mit welcher er wider seinen Gegner bewaffnet war, zu zeigen. Er that es auch, zur Verwunderung aller Anwesenden.“[24]

Nach der Rückkehr nach Weimar veränderte sich Johann Sebastians trostlose Lage keineswegs. Möglicherweise mahnte er seine Entlassung an, denn in den Weimarer Akten ist zu lesen: „6. Nov. [1717] ist der bisherige Concert-Meister v. [und] Hof-Organist, Bach, wegen seiner Halßstarrigen Bezeugung v. zu erzwingenden dimission (Entlassung), auf der LandRichter-Stube arretieret [verhaftet] v. endlich d. 2. Dec. darauf mit angezeigter Ungnade, Ihme die dimission durch den HofSecr: [Hofsekretär] angedeütet, v. zugleich des arrests befreyet worden.“[25]

Nach der Entlassung zog Johann Sebastian mit seiner Frau und vier Kindern nach Köthen.

1.6 Köthen

Nach der Entlassung aus dem Weimarer Arrest zog Johann Sebastian Bach mit seiner sechsköpfigen Familie in die kleine fürstliche Residenzstadt Köthen. Der Fürst von Anhlat- Köthen berief ihn als Hofkapellmeister an seinen Hof. In seine Dienste zu treten, war für Bach offensichtlich eine Entlastung gegenüber der unsicheren und unruhigen Atmosphäre der Weimarer Jahre, zudem waren die erstrangigen Musiker der fürstlichen Kapelle ihm eine große Inspiration für seine umfangreichen Instrumentalwerke.

Als Bach die Kapelle am Ende des Jahres 1717 übernahm, umfasste sie sechzehn Mitglieder. Einige von ihnen engagierte Fürst Leopold von Anhalt-Köthen, als sie nach dem Tod des Königs von Preußen, Friedrich I., sein Nachfolge entließ. Mit diesen sechs Berliner Virtuosen wurde die Köthener Kapelle zu einem erstklassigen Orchester. Das dürfte dem kompositorischen Geist Johann Sebastians eine inspirierende Anregung gewesen sein, wie es auch die meisterhaften Partien der Brandenburgischen Konzerte und anderer Werke dieser Schaffensperiode bezeugen.

Rasch entwickelte sich zwischen dem Kapellmeister Bach und einigen seiner Kollegen eine enge persönliche Bindung. Nicht nur mit den Musikern seiner Kapelle pflegte Bach vertraute Kontakte. Selbst die Beziehung zwischen ihm und seinem Dienstherren, dem Fürsten Leopold, hatte eindeutig Züge einer guten Freundschaft. Im November 1718 stand der Fürst dem neugeborenen Sohn der Eheleute Bach Pate. Dieser Knabe wurde mit den Namen Leopold Augustus getauft, starb jedoch noch vor seinem ersten Geburtstag. Ein derart großer Beweis an Vertrautheit zwischen dem Dienstherren und seinem Bediensteten war keinesfalls üblich. Zeugt im Falle Bach und Leopold jedoch von einem achtungsvollen Verhältnis. Für die große Zuneigung Leopolds spricht auch die Tatsache, dass Bach noch fünf Jahre nach seinem Amtsantritt in Leipzig den Titel des „Titular-Kapellmeisters“ innehatte.

Bisher ist nicht genau nachweisbar, wie die Bekanntschaft zwischen Bach und Leopold von Anhalt-Köthen zustande kam. Es wird angenommen, dass Bach 1716 bei der Hochzeitsfeier Leopolds Schwester Eleonore Wilhelmine mit dem Herzog Ernst August von Weimar dem Fürsten Leopold vorgestellt worden ist. Sehr wahrscheinlich ist, dass Bach von Weimar aus berufen wurde, mit seiner Kapelle während dieser Feierlichkeit für die Festmusik zuständig zu sein. Leopold, der gerade von seiner erkenntnisreichen Kavalierstour zurückgekehrt war, erkannte sofort die einzigartigen Begabungen des Weimarer Kammermusikus und traf sofort die glückliche Entscheidung, ihn für seine Hofkapelle zu engagieren.

Bach bezeichnete Leopold in einem Brief von 1730 als einen „Music so wohl liebenden als kennenden Fürsten.“[26] Leopold war tatsächlich ein außergewöhnlich kunstbegeisterter Herrscher. Sein Interesse gehörte überdies der Architektur und Literatur; Musik pflegte er jedoch mit einer besonderen Vorliebe. Dies belegt ein Bericht von Johann Adam Hiller, der ihn als „einen großen Kenner und Beförderer der Musik“[27] bezeichnet. „Er spielte die Violin nicht schlecht, und sang einen guten Baß.“[28] Schon Leopolds Vater, Fürst Emanuel Leberecht, pflegte das musikalische Leben auf seiner kleinen Residenz. Seine Gattin, Leopolds Mutter, Gisela-Agnes, entstammte dem Landadel von Rath und wurde lutherisch erzogen. Sie bestand fest auf ihrem Glauben und setzte in Köthen, dank der Toleranz ihres Ehemannes, für die unterdrückten Lutheraner die freie Ausübung ihres Glaubens durch. Sie ließ für die lutherische Gemeinde eine neue Kirche bauen und richtete eine Schule und das Gisela-Agnes-Stift für adlige lutherische Mädchen und Frauen ein. Dieser Kirche gehörte auch die Familie Bach an, deren Kinder die lutherische Schule besuchten.

Leopold selbst bekannte sich zu den Calvinisten, der Religion des Vaters. Nach dessen Tod wurde Leopold zum Erbprinzen ernannt, da er aber erst 10 Jahre alt war, unterstand er der Vormundschaft seiner Mutter. Von 1707 bis 1710 besuchte er die Berliner Ritterakademie, anschließend unternahm er eine dreijährige Kavaliersreise über Den Haag, Amsterdam, London, Venedig und Rom, wo er sich mit dem Komponisten Johann David Heinichen bekannt machte. Dieser war ihm ein guter Begleiter auf dem Weg in das Musikleben Italiens. Nicht nur dort, sondern auch auf der Rückkehr in seine Heimat über Florenz, Wien, Prag, Dresden und Leipzig, sammelte er eine beträchtliche Menge an gedrucktem Notenmaterial. Am 14. Mai 1716 übernahm er von seiner Mutter die Regierung in Anhalt-Köthen.

Leider liegen bis heute nur wenige genauere Informationen über die Auftritte der Köthener Hofkapelle vor. Selbst das Notenmaterial der für den Köthener Hof entstandenen und dort aufgeführten Bachschen Werke wurde nur in einer bescheidenen Menge erhalten. Es ist vielmehr die Buchführung, die von dem höfischen Musikleben zeugt. Sie belegt die musikalischen Feierlichkeiten und regelmäßigen Auftritte der Hofkapelle, wie zu den Geburtstagen des Fürsten und zu den Neujahrstagen.

Im Jahre 1721 heiratete der Fürst Leopold die neunzehnjährige Prinzessin von AnhaltBernburg, Friederica Henrietta. Nach dem sich die neue Fürstin dem Hof anschloss, war es für die Hofkapelle zu bemerken, dass Leopolds Interesse für das musikalisches Leben „in etwas laulicht werden wollte, zumahln da die neue Fürstin schiene eine amusa zu sein.“[29] Offenbar hatte also die Braut des Fürsten andere Vorlieben, als die Musik. Aus den Rechnungen der fürstlichen Buchführung geht hervor, dass das prunkvolle höfische Leben den Fürsten in eine enge finanzielle Lage führte. Er schränkte deswegen die Finanzierung der Hofkapelle ein. Bach durfte einige Posten, die in seiner Kapelle frei wurden, nie wieder besetzen.

Leopolds Gesundheit zeigte sich schon seit seiner Kindheit als schwach, und so folgte er dem Ratschlag seines Arztes, sich im westböhmischen Kurort Karlsbad einer Kur durch die salzhaltigen Mineralquellen zu unterziehen. Karlsbad war ein Kurort von einem hohen Rang und gutem Ruf. Die Bäder wurden rasch für ihre heilenden Kräfte berühmt, so dass sie ausschließlich die wohlhabenden und einflussreichen Kreise der Gesellschaft aufsuchten. Kurfürst Leopold wusste, dass er im böhmischen Kurbad dank seiner Virtuosen ein großes Ansehen erhält, deswegen war für ihn diese Karlsbader Reise ohne seine geschätzte Kapelle undenkbar.

Von der zweiten Reise nach Karlsbad zwei Jahr später wurde bisher nur die Tatsache bestätigt, dass sich Leopold wieder von dem Beliebtesten seiner Künstler begleiten ließ, von dem Kapellmeister Bach selbst. Als Bach nach der Rückkehr vom mehrwöchigen Aufenthalt im etwa zweihundert Kilometer entfernten Karlsbad sein Haus wieder betrat, erhielt er die tragische Nachricht vom plötzlichen Tod seiner geliebten Frau. Maria Barbara, mit der er dreizehn Jahre eine „vergnügte Ehe“[30] führte, starb unerwartet einige Tage vor der Rückkehr Johann Sebastians.

Noch im September desgleichen Jahres begab sich Johann Sebastian Bach auf eine weitere Reise. Diese führte ihn nach Hamburg, wo die Organistenstelle an der Jacobikirche frei wurde. Wenn man seine betrübten Lebensumstände bedenkt, erscheint es ziemlich wahrscheinlich, dass er den Weggang aus Köthen in Betracht zog. Hamburg war eine prachtvolle und reiche Hansestadt, sie war weit entfernt von den Erinnerungen an seine Frau und bot gute Schulen für seine Kinder an. Möglicherweise zog ihn auch das Amt eines Organisten und Kirchenmusikers wieder an. Nekrolog berichtet von einem Ereignis, das sich in der Hamburgischen Katharinenkirche abspielte. Bach ließ sich „ (...) vor dem Magistrate, und vielen anderen der Stadt, auf der schönen Catharinenkirchen Orgel, mit allgemeiner Verwunderung mehr als 2 Stunden lang, hören. Der alte Organist an dieser Kirche, Johann Adam Reinken, der damals bey nahe hundert Jahre alt war, hörete ihm mit besonderem Vergnügen zu, und machte ihm, absonderlich über den Choral: An Wasserflüssen Babylon, welchen unser Bach, auf Verlangen der Anwesenden, aus dem Stegreife, sehr weitläufig fast eine halbe Stunde lang, auf verschiedene Art, so wie es ehedem die braven unter den Hamburgischen Organisten in den Sonnabends Vespern gewohnt gewesen waren, ausführete, folgendes Compliment: Ich dachte, diese Kunst wäre gestorben, ich sehe aber, daß sie in Ihnen noch lebet.“[31]

Dieses verwunderliche Orgelkonzert des Kapellmeisters zu Köthen war jedoch nicht die Bewerbung selbst. Obwohl sich Bach sicher dessen bewusst war, dass er im Hamburg als ein Spitzenkandidat galt, reiste er noch vor der Bewerbung von Hamburg ab. Möglicherweise erfuhr er, dass sich jeder, der in ein Amt gewählt wird, dafür auch erkenntlich erweisen musste. Dazu reichten jedoch seine Mittel nicht. Etwa fünf seine Jahresgehälter in Köthen müsste er ausgeben, um sich dem Hamburger Kirchenvorstand für die Organistenstelle zu bedanken. Scheinbar war selbst Johann Mattheson diesen Vorfällen anwesend. Wenige Jahre später äußert er sich zwar undirekt, jedoch mit einer für ihn charakteristischen Offenheit: „(...) ein gewisser grosser Virtuose, der seitdem, nach Verdienst, zu einem ansehnlichen Cantorat befördert worden, sich in einer nicht kleinen Stadt zum Organisten angab, auf den meisten und schönsten Wercken tapffer hören ließ, und eines jeden Bewunderung, seiner Fertigkeit halber, an sich zog; es meldete sich aber auch zugleich, nebst anderen untüchtigen Gesellen, eines wohlhabenden Handwercks-Mannes Sohn, der besser mit Thalern, als mit Fingern, präludieren kunnte, und demselben fiel der Dienst zu, wie man leicht erachten kann: unangesehen sich fast jedermann darüber ärgerte.“[32]

Im Sommer des darauf folgenden Jahres durfte Bach eine Änderung in der Besetzung seiner Hofkapelle vornehmen. Eine neue Sopranistin wurde angestellt und so gewann die Hofkapelle die „Cammer-Musicantin, (...) Jungfer Magdalena Wilkens“[33]. Wo genau Bach Anna Magdalena kennen lernte, ist nicht genau nachweisbar. Dass sie sich aber der Hofkapelle anschließen durfte, erfolgte wohl aufgrund einer Empfehlung des Hofkapellmeisters selbst. Am 3. Dezember 1721 wurde im Bachs Haus ein Hochzeitsfest gefeiert in dem der sechsunddreißigjährige Witwer mit der fast sechzehn Jahre jüngeren Anna Magdalena „aus fürstl. Befehl in Hause copuliret worden“[34] Die Köthener Lebensperiode ist für Bach-Forscher eine der am schwierigsten erforschbaren in Bachs Biographie. Die Meinungen über die Köthener Verhältnisse, in denen Bach seine Werke komponierte, sind sehr unterschiedlich. Das liegt daran, dass nur wenige Werke mit der Datierung, die sich unmittelbar mit der Anstellung in Köthen überdecken, erhalten blieben. Allgemeingültig werden dieser Schaffensperiode hauptsächlich die Instrumentalwerke zugeschrieben; so unter anderem die Brandenburgischen Konzerte (BWV 1046-1051), Sonaten und Partiten für Violine solo (BWV 1001-1006), Suiten für Violoncello solo (BWV 1007-1012), Inventionen und Sinfonien (BWV 772-801) und das Clavier-Büchlein für Anna Magdalena Bach (BWV 812-812). Zu dieser Auszählung führt uns die Datierung der überlieferten Manuskripte. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Kompositionen, wenn auch nur in Skizzen, in den früheren Jahren entstanden.

Bachs Köthener Zeit wird als die „angenehmste“ seiner ganzen Laufbahn betrachtet. Er hatte Zeit zum Komponieren und keinerlei Widerwärtigkeiten des Dienstherren oder der Hofmusiker trübten seine „Schaffensfreude“.[35] Das trifft insofern zu, weil die Beziehung zwischen dem Dienstherren und seinem Hofkapellmeister sehr freundschaftlich und von einem großen Verständnis geprägt war. Das persönliche Leben wurde jedoch von mehreren wehmütigen Ereignissen betroffen, wie der Tod seiner Frau. Da Bach aber weniger an wöchentlicher Pflichten eines Kirchenmusikers hatte, blieb offensichtlich doch mehr Zeit für die Komposition und für die musikalische Wissenschafft, wie er sein Schaffen nannte.

Ohne dass er über die Arbeit seiner Kollegen hinwegsah, oder das Interesse an ihren neusten Werken verlor, schlug er definitiv seinen eigenen Weg auf. Bei sorgfältiger Beschäftigung mit konkreten Werken, die in Köthen entstanden oder vollbracht wurden, kommen wir zu der Erkenntnis, dass jedes einzelne Werk auf eigene Art bahnbrechend ist. Bach übernahm nicht die üblichen Methoden und Mittel der Komposition; er verschaffte sich eigene Wege. So nutzte er z.B. die Virtuosität auf einem Melodieinstrument dazu, es zu einem Harmonieinstrument werden zu lassen. Dagegen viele seiner Zeitgenossen nutzten die Virtuosität, um eigene Spielfertigkeit und möglichst alle Möglichkeiten ihres Instrumentes aufzuzeigen. Bachs introvertierte Musiksprache legte großen Wert auf ein genau und klar durchdachtes System der polyphonen Stimmen.

2 Bachs Bildung und musikalische Fertigkeiten im Spiegel der Zeit

2.1 Gelehrsamkeit des ,rechten Capellmeisters’

In den ersten Kapiteln dieser Arbeit habe ich versucht die Lehrjahre Johann Sebastians im Hinblick auf seine Ausbildung ausführlich zu schildern. Er war einer der besten Schüler und Dank seiner analytischen Beobachtungen ein ausdauernde Autodidakt. Sein Lerneifer war außergewöhnlich. Während seiner Arnstädter Zeit ist zu beobachten, dass seine hohe Anforderungen, die er als Kapellmeister und als „Musik-Vorsteher“[36] stellte, nicht verstanden und akzeptiert wurden. Und das noch umso weniger, da die unter seiner Leitung wirkenden Musiker teilweise älter waren als er selbst.

Folgende Ausschnitte der theoretischen Schrift „Der vollkommene Kappelmeister“ von Johann Mattheson[37] lassen uns die Situation unter den damaligen Musikern besser verstehen. Mattheson stellt die grundlegende Frage auf:

„Ob ein rechter Capellmeister (...) nothwendig müsse studiert haben?“[38] Den Begriff ,Studieren’ versteht er als „einen Fleiß auf hohn Schulen, und was demselben in Erlernung guter Wissenschaften gemäß ist.“[39] Zur Rechtfertigung dieser Frage zitiert Mattheson seinen Zeitgenosse Johann Beer: „(... ) es sey diese Frage manchem ein Dorn, der sich mit den Studien nicht rechtfertigen könne.(...)es sey die Kunst, ohne juditio, ein feiner Strumpf über ein krummes Bein, überzogene Pillen, die da sehen wie Zucker, aber schmecken wie Galle; oder auch gar gleich einem mit der Löwenhaut bedeckten Müller-Pferd.“[40]

Mattheson fährt weiter fort: „(...) ein Componist werde nimmer seiner Kunst hervorragen, falls er keine Gelehrsamkeit besitze.“ Ein Vergleich zu einem Maler nimmt er sich zur Hilfe. Ein Maler ohne Kenntnis der Geschichte erzielt mit seinem kunstvollen Bild bei dem Zuschauer keine „(... ) Gemüts-Bewegungen. Ein gleiches verstehe man von einem Componisten; seine Arbeit kann endlich ein Stück eines fleißigen Meisters heissen; weil es ihm aber an der Gelehrsamkeit mangelt, hat er die Natur des Textes, wie der Mahler die Leidenschafften seines Bildes, nicht in Acht nehmen können.“[41]

Nicht nur die Gelehrsamkeit wird von einem Komponisten und Kapellmeister verlangt, sondern auch die musikalische Vielseitigkeit. Das Singen und die Kunstfertigkeit auf mehreren Instrumenten gehört ebenso zur Notwendigkeit. „Es gibt viele Componisten, die entweder aus Nachlässigkeit ihrer Anführer, oder aus Abgang der Stimme, nicht zum Singen gehalten worden sind. (...) Gemeiniglich, wenn sie es am besten machen wollen, fallen solche Setzer, aus Mangel guter Melodie, auf vollstimmige Sachen, auf künstliche Contrapunkte und auf allerhand Fugen-Arbeit: weil sie theils durch das Geräusch der Instrumente, theils durch ihren sauren Schweiß ersetzen wollen, was der Lieblichkeit ihres Gesanges fehlet. Die tägliche Erfahrung aber bezeugt, dass auf solche Art kein gescheuter Zuhörer zu etwas anders bewegt werde, als zu sagen, es klingt ganz gut, lasse sich wol hören, und stimme fein zusammen. Wenn nun gleichwohl die Bewegung der Gemüther und Leidenschafften der Seele von ganz was anders, nemlich von der geschickten Einrichtung einer verständlichen, deutlichen und nachdrücklichen Melodie abhänget; so kann diesen Zweck niemand erreichen, der nicht mit der Singe-Kunst wol erfahren ist. (...) Kann aber ein Setzer gut singen, und weiß seiner etwa mittelmässigen Stimme mit angenehmen Manieren zu Hülffe zu kommen; so ist er desto glücklicher, und wird seine Zuhörer weit besser vergnügen. “[42] Mangelt es in Bachs Kompositionen an Singbarkeit der Melodie- und Singstimmen?

Johann Mattheson stellt auch die notwendigsten Eigenschaften eines rechten Capellmeisters auf. Unter anderen spricht er über die Pflicht eines jeden Komponisten, alle Instrumente zu beherrschen, für welche er komponiert. „Ein Componist muss sich auch des Spielens befleißigen, und so viel möglich, nicht nur sein Clavier, oder anders HauptInstrument, sondern auch andre gebräuchlichste Kling-Zeuge in der Macht haben, oder wenigstens ihre Stärcke und Schwäche vollenkommens zu kennen. Man siehe es gleich, wenn iemand ein Solo für die Violine setzet, der die Beschaffenheit der Geige nicht inne hat, und solche Dinge hinschreibt, die sich gar nicht beqvemlich darauf spielen lassen.“[43] Diese Fähigkeit bezeugen nicht nur die außergewöhnliche solistisch besetzte Werke, sondern auch alle seine Kompositionen, die Bachs absolut eigensinnige und einzigartige Sprache aufweisen. Da auch viele zeitgenössische Quellen davon berichten, dass Bach außer Tasten- auch mehrere andere Musikinstrumente beherrschte, können wir diese Zitate berücksichtigen und Bachs Persönlichkeit noch klarer definieren, als in den vorherigen Kapiteln.

2.2 Septem arte liberales

Die Schulbildung Bachs an der Lateinschule erfolgte im Sinne der sieben freien Künste - Septem arte liberales. Sie bildeten schon seit der Antike traditionell die Ausbildung eines freien Mannes und zur Bachs Zeit war solche Bildung unter anderem die Grundvoraussetzung für ein Studium an der Universität. Sie standen im Gegensatz zu den praktischen Künsten, der so genannten Artes mechanicae. Die sieben freie Künste werden in zwei Gruppen unterschieden; die drei sprachlich und logisch-argumentativ ausgerichteten Fächer[44], das Trivium, bilden die Basis für die Auseinandersetzung mit den vier mathematisch wissenschaftlichen Fächern, dem Quadrivium.

Wie schon der Name der Lateinschule verrät, erfolgte der Unterricht dort, im Vergleich zu den Deutschen Schulen, auf Latein. Diese Sprache war über Jahrhunderte hinweg die Sprache der Gelehrten und zu Bachs Zeit galt sie auch als Verkehrssprache für die Geschäfte von Kirche und Staat.

In der Muttersprache wurde nur in den unteren Schulklassen geredet. In den höheren Klassen entwickelte sich Latein zur Hauptunterrichtssprache, da die Lehrbücher überwiegend nur auf Latein vorhanden waren. Bachs Lehrzeit fällt in den Zeitraum, in dem das Schulsystem im Sinne des pädagogischen Realismus modernisiert wurde. Diese Reform wurde auf den Sachunterricht, also die gründliche Kenntnis der Realien und den Sprachunterricht ausgerichtet. Friedrich Paulsen fasst diese Reform triftig zusammen:

„1. Nicht bloß die Sprachen, sondern auch die Sachen! Die Schule soll nicht bloß Latein lehren, sondern zum Sachwissen führen, in Mathematik und Naturwissenschaft, in Geschichte und Erdkunde.
2. Die Sprache recht lehren! Nicht die Sprache aus der Grammatik, sondern die Grammatik an und aus der Sprache.
3. Die deutsche Sprache treiben! Sie ist die Sprache, welche die Kinder mitbringen, also die erste Unterrichtssprache, und die Sprache, in der Besinnung auf die grammatischen Kategorien zuerst stattfinden kann. Auch ist sie die Sprache, die der Theolog und Jurist im praktischen Leben als Redner und Schriftsteller braucht; daher ist Übung in der deutschen Rede notwendig.
4. Des Zwangs und Prügelns ledig werden! Der Weg dazu ist: durch vernünftige Wahl der Unterrichtsgegenstände und durch vernünftige Methode das Lernen erleichtern und das Interesse gewinnen.“[45]

Während die sprachlichen Fähigkeiten im Unterricht einen hohen Stellenwert einnahmen, wurden die Wissenschaften der Naturkunde, wie Arithmetik, Geometrie, Physik und Geschichte, augenscheinlich eher inkonsequent und schwach betrieben. Es geht aus einigen Erwähnungen hervor, dass eben in diesen Fächern von den qualifizierten Lehrern ein privater Unterricht angeboten und von den lernbegierigen Schülern angenommen wurde.[46]

Im Folgenden möchte ich versuchen eine Vorstellung davon zu verschaffen, wie umfangreich die Wissenschaften in den Schulen behandelt wurden und in wieweit sie als grundlegende Bausteine der allgemeinen Bildung galten. Dazu nehme ich die wissenschaftlichen und musiktheoretischen Schriften des 17. und 18. Jahrhunderts zur Hand.

Mit den ausgewählten Zitaten möchte ich ein Verständnis der Denkart und des Zeitgeistes ermöglichen. Außerdem wird es aus den Beispielen deutlich klar, dass Latein ein unabdingbarer Bestandteil der damaligen Ausdrucksweise war. Wie im Originaltext, werden auch hier die Lateinischen Worte durch die Schriftart hervorgehoben. Zitiert wird aus mehreren umfangreichen musiktheoretischen Schriften von Andreas Werckmeister[47], Johann Mattheson[48] und Johann Adolph Scheibe[49].

Die Schulfächer im Einzelnen werden in nächsten Kapiteln näher behandelt.

[...]


[1] Eberhard Preußner, Die musikalische Reisen des Herrn von Uffenbach, Kassel und Basel 1949

[2] Charles Burney, Tagebuch einer musikalischen Reise, Hamburg 1773

[3] Eidam, Klaus: Das wahre Leben des Johann Sebastian Bach, Piper Zürich 1999

[4] Dok III, Nr. 666; Nekrolog

[5] Dok III, Nr. 666; Nekrolog

[6] Christoph Wolff, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 2000, S. 63

[7] Dok III., Nr. 666; Nekrolog

[8] Dok II, Nr. 6;

[9] Johann Gottlieb Walther, Musikalisches Lexikon, oder musikalische Bibliothek, Leipzig 1732

[10] Dok II, Nr. 16

[11] Ebd.

[12] Arnstädter Dokumente berichten über die Auseinandersetzung zwischen Bach und dem Schüler und Fagottspieler Geirsbach. Als Johann Sebastian an einem Abend nach Hause ging, Geirsbach sei ihm „(...) unter die augen getreten, sagend, warumb er seinen Fagott geschimpffet hätte und wer seine sachen schimpffte der schimpffte ihn, und (...) druf Geirsbach Bachen ins Gesicht geschlagen (...)“ Vgl. Dazu Dok. II, Nr. 14

[13] Christoph Wolff, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 2000, S. 98

[14] Dok I, Nr. 1; Entlassungsgesuch an den Rat der Stadt Mühlhausen, /Mühlhausen 25. 6. 1708/

[15] Klaus Eidam, Das wahre Leben des J.S. Bach, München 1999, s. 81

[16] Ebd., s. 82

[17] Christoph Wolff, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 2000

[18] Johann Nikolaus Forkel, Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke, Leipzig 1802; J. N. Forkel - zu seiner Zeit sehr geschätzter Musikhistoriker, Musiktheoretiker, Musikwissenschaftler, Musikkritiker und Bibliograph. Nach seinem Verständnis hatte sich die Musik in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts „in ihrer schönsten und männlichsten Reife“ (Musikalisch-kritische Bibliothek, Bd. I, 1778, S. V) befunden und im Werk J. S. Bachs kulminiert. Dadurch erhob er Bachs Musik zu einer dogmatischen Norm. Als ein leidenschaftlicher Bewunderer Johann Sebastian Bachs gab er das Buch Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke heraus. Diese Bach-Biographie fasst das damals erreichbare Wissen über J. S. Bach systematisch zusammen. Aufgrund der engen Kontakte und dem regen Briefwechsel Forkels mit den Bachsöhnen Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann hat sie einen hohen dokumentarischen Wert. Sie galt als Grundlage fast aller späteren Bach-Biographien. Forkels Nachlass wies mehr als 100 handschriftliche und gedruckte Werke Bachs aus. (entnommen aus MGG, Stuttgart 2001)

[19] Klaus Eidam, Das wahre Leben des J.S. Bach, München 1999

[20] Johann Nikolaus Forkel, Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerke, Leipzig 1802

[21] Klaus Eidam, Das wahre Leben des J.S. Bach, München 1999, s. 108

[22] Christoph Wolff, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 2000, S. 199, zitiert aus dem Nekrolog, Dok. III,

Nr. 666

[23] Ebd.

[24] Ebd.

[25] Dok II, Nr. 84

[26] Dok I, Nr. 23; Brief an Georg Erdmann, Danzig /Leipzig, 28. 10. 1730/

[27] Johann Adam Hiller, Lebensbeschreibungen berühmter Musikgelehrten und Tonkünstler neuer Zeit, Leipzig 1784, S. 135-136

[28] Ebd.

[29] Dok I, Nr. 23; Brief an Georg Erdmann, Danzig /Leipzig, 28. 10. 1730/

[30] Nekrolog; Dok. III, Nr. 666

[31] Nekrolog; Dok. III, Nr. 666

[32] Christoph Wolff, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 2000, S. 235; zitiert aus der Musikzeitschrift von Johann Mattheson Der musikalischer Patriot, 1728

[33] Dok. II., Nr. 108,

[34] Dok II, Nr. 110

[35] Albert Schweitzer, Johann Sebastian Bach, Leipzig 1977

[36] Begriff für einen Kapellmeister Im Matthesons Buch Der vollkomener Capellmeister, Hamburg 1739

[37] „Johann Mattheson brachte seine Schul-Jahre theils in dem Hamburgischen Johanneo, theils bey besonderen Lehrer zu, wurde dabey seit dem siebenden Jahre seines Alters, in der Singe-Kunst, im Spielen auf 5 Instrumenten, im Componieren, Tanzen, Reissen, Rechnen, und mit zunehmenden Kräften, im Fechten, Reiten und anderen Leibes-Ubungen mit grossem Fleiß unterwiesen (...) legte sich auf Sprachen, und vor allem auf die Staats-Wissenschaft. Im achtzehnten Jahr verfertigte sich erste Opera und stellte selbst die Hauptperson vor (...)“ entnommen von Johann Gottlieb Walther, Musikalisches Lexikon, oder musikalische Bibliothek, Leipzig 1732

[38] Johann Mattheson, Der vollkomener Capellmeister, Hamburg 1739, S. 99

[39] Ebd.

[40] Johann Mattheson, Der vollkomener Capellmeister, 1739 Hamburg; dort enthaltenes Zitat aus Johann Beer (Bähr) Musikalische Discurse, Nürnberg 1719, Kapitel XLI

[41] Johann Mattheson, Der vollkomener Capellmeister, Hamburg 1739, S. 100

[42] Ebd., S. 105

[43] Ebd.

[44] Entnommen von http://de.wikipedia.org/wiki/Sieben_Freie_Künste

[45] Friedrich Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart, Bd. 2, Berlin und Leipzig 1919 und 1921, Reprint Berlin 1965 (Entnommen aus Ulrich Leisinger und Christoph Wolff, Musik, Kunst und Wissenschaft im Zeitalter J. S. Bachs, Leipzig und Hildesheim 2005)

[46] Gustav Fock, Der junge Bach in Lüneburg, Hamburg 1950. S. 65; (Entnommen aus Ulrich Leisinger und Christoph Wolff, Musik, Kunst und Wissenschaft im Zeitalter J. S. Bachs, Leipzig und Hildesheim 2005)

[47] Andreas Werckmeister wurde als Komponist, Theoretiker und Organist gleichermaßen angesehen. Besondere Freundschaft hielt er mit Dietrich Buxtehude und Johann Gottfried Walther. Dieser begab sich zu Fuß auf den Weg nach Halberstadt um den „berühmten Musicum, Herrn Werkmeister“ aufzusuchen. Besonderen Verdienst erlangte Werckmeister im Bereich der musikalischen Stimmungen. Er beschrieb Musik als mathematische Wissenschaft - geht dabei aus der antiken und mittelalterlichen Tradition heraus. Es liegen Beweise vor, dass sich Bach mit dem umfangreichen theoretischen Schaffen Werckmeisters vertraut machte. (Vgl. dazu Christoph Wolff, Johann Sebastian Bach, Frankfurt am Main 2000, S. 77)

[48] Johann Mattheson - Bachs Zeitgenosse, Schriftsteller, Komponist und Theoretiker, (S. Anm. 2 in Gelehrsamkeit des rechten ‚Capellmeisters’)

[49] Johann Adolf Scheibe - Sohn des von Bach geschätzten Leipziger Orgelbauers Johann Scheibe. Studierte Jura an der Leipziger Universität, nach dem Bankrott seines Vaters musste er das Studium aufgeben und versuchte als Musiker sein Auskommen zu finden. An die Öffentlichkeit trat er als Musiktheoretiker, ab 1740 hatte er die Stelle des Kapellmeisters am dänischen Hof im Köpenhagen inne. Zwischen 1737-1740 war er in Hamburg tätig, wo er die Zeitschrift Critischer Musicus publizierte, nach Johann Matthesons Critica musica war das die zweite deutschsprachige Musikzeitschrift.

[50] Johann Mattheson, Der vollkomener Capellmeister, Hamburg 1739, S. 100

Excerpt out of 103 pages

Details

Title
Versuch über die wahre Art Violine zu spielen
Subtitle
Die Sonaten und Partiten für Violine solo BWV 1001–1006 von Johann Sebastian Bach als ein Lehrbuch der Violintechnik
College
Dresden University of Music
Grade
1,0
Author
Year
2010
Pages
103
Catalog Number
V164204
ISBN (eBook)
9783640789986
ISBN (Book)
9783640789498
File size
4142 KB
Language
German
Keywords
Versuch, Violine, Sonaten, Partiten, Johann, Sebastian, Bach, Lehrbuch, Violintechnik
Quote paper
Adela Misonova (Author), 2010, Versuch über die wahre Art Violine zu spielen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/164204

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