Der Einfluß immaterieller Arbeit auf die tätige Gesellschaft und die Frage nach dem Widerstand


Dossier / Travail de Séminaire, 2003

19 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Begriff der immateriellen Arbeit

2. Mehrwertgenerierung

3. Wandel der Arbeit und Anforderungen

4. Auswirkungen von immaterieller Arbeit

5. Wandel der Klassenverhältnisse und Bedingungen für einen Widerstand

Fazit

Literaturliste

Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, was immaterielle Arbeit meint, wie groß ihr Einfluß auf die jetzige und künftige Gesellschaft ist und ob sie über ein emanzipatorisches Potenzial verfügt, welches in Widerstand mündet.

Der erste Teil entspricht einer begrifflichen Annäherung. Hier soll mit Hilfe einiger Autoren dargestellt werden, welche Rolle neue Informations- und Kommunikationsformen im Kontext immaterieller Arbeit spielen, welche Tätigkeitsfelder betroffen sind und welche Zusammenhänge zwischen immaterieller Arbeit, Kultur, Gesellschaft und Ökonomie zu betrachten sind. Affektive Arbeit als Komponente der immateriellen Arbeit wird hier beschrieben.

Der zweite Teil befasst sich mit dem Moment der Mehrwertgenerierung. Welche Werte werden geschaffen und wie werden sie in den Akkumulationsprozess integriert? Warum realisiert immaterielle Arbeit überhaupt einen Mehrwert?

Im dritten Teil wird noch einmal der Wandel der postfordistischen Arbeit thematisiert. Hauptaugenmerk liegt hierbei auf die geforderten Arbeitsqualifikationen. Welche Anforderungen in den verschiedenen Tätigkeitsbereichen gestellt werden, wird an dieser Stelle dargelegt. Das Verhältnis von Arbeit und Leben steht dabei im Vordergrund.

Auswirkungen, die sich daraus ergeben, werden im vierten Teil beschrieben. Wichtig ist hierbei die Differenzierung zwischen Auswirkungen auf Arbeitnehmer, Unternehmen und auf die Gesellschaft als solche. Der These der Selbstverwertung und ihrer Folgen soll hier nachgegangen werden.

Ausgehend davon geht es im letzen Teil um das emanzipatorische Potenzial der immateriellen Arbeit. Möglichkeiten des Widerstandes stehen hier im Mittelpunkt. Kann man noch von einem Klassenverhältnis sprechen? Muß man aus dem Verwertungsprozeß austreten, um sich als immaterieller Arbeiter zu befreien oder bietet er auf seiner jetzigen Stufe schon genug Boden für den Widerstand?

1. Der Begriff der immateriellen Arbeit

In Zeiten der Globalisierung erfahren vor allem Ökonomie und Arbeit einen fortwährenden Wandel. Ein neuer Aspekt tritt hierbei immer mehr in den Vordergrund, eine neue Dominante im Wertschöpfungprozess, die man immaterielle Arbeit nennt. Was sich genau hinter diesem Begriff verbirgt, soll im folgendem geklärt werden. Der Fokus liegt überwiegend auf Tätigkeitsfelder, Arbeitsorganisation, Qualifikationen und Auswirkungen auf das Leben und auf ein kollektives Selbstverständnis sowie Formen eines Widerstandes.[1]

Wolfgang Fritz Haug beschreibt immaterielle Arbeit als Symbol für die postfordistische Arbeit. Diverse kommunikative und intellektuelle Tätigkeitsaspekte seien hier anzusiedeln. Der Begriff als solcher sei zwar bereits bei Marx aufgetaucht und man könne dort ansetzen, doch die Dimensionen haben sich deutlich verschoben. So habe Marx zwar ansatzweise die materielle Arbeit der immateriellen gegenübergestellt, sprach aber von ideologischen Klassen, die immaterielle Waren produzieren würden. Gemeint seien z.B. Dienstleistungen bei denen der Ausdruck immateriell meint, dass es sich nicht um ein fassbares Ding handele. Doch im Grunde sei bei Marx das Ideelle, das im Menschenkopf umgesetzte und übersetzte Materielle, der Wert als solcher habe hingegen etwas Immaterielles inne. Übersetzt man immateriell also mit nicht-stofflich, wird das Problem des Begriffes deutlich, er meint geistige und intellektuelle Arbeit im Gegensatz zur körperlichen.[2]

Der Ausdruck immateriell kennzeichnet einerseits den Aspekt der informationellen Seite, sie hat gerade durch neue Kommunikationsformen enorme Veränderungen erfahren, andererseits wird die kulturelle Seite der Arbeit in den Vordergrund gerückt, Tätigkeiten aus den Bereichen Kultur und Kunst die früher nicht als Arbeit anerkannt wurden, sondern einst Privilegien waren und nun als Errungenschaften der sozialen Kämpfe in der Tradition der Massenintellektualität stehen. Seit den 70er Jahren werden intellektuelle Tätigkeiten zunehmend der Arbeit zugeordnet, diese Tätigkeiten konstituieren sich überwiegend durch ihre Selbstverwertung und nicht etwa nur durch die kapitalistische Produktion. Die Diskrepanz zwischen manueller und intellektueller oder materieller und immaterieller Arbeit muß überwunden werden, um neue produktive Tätigkeiten zu integrieren.[3]

Weiterhin kann man den Begriff der immateriellen Arbeit verdeutlichen, wenn man den enormen Anteil der affektschaffenden Arbeit betrachtet. Die affektive Arbeit bezieht sich auf die Herstellung von zwischenmenschlichen Kontakten und Interaktionen, sie produziert den sozialen Kitt. Gesundheitsdienste beispielsweise bauen auf fürsorgliche und affektive Arbeit, aber auch die Unterhaltungsindustrie und die verschiedenen anderen Kulturindustrien sind in ähnlicher Weise auf die Erzeugung und Handhabung von Affekten angewiesen. Die affektive Arbeit ist so Teil der immateriellen Arbeit. Sie spielt auch eine Rolle bei allen Dienstleistungsindustrien, ist immateriell, auch wenn sie körperlich und affektiv ist, wenn ihre Produkte unkörperlich und nicht greifbar sind: ein Gefühl des Behagens, des Wohlergehens, der Befriedigung, der Erregung oder der Leidenschaft, auch der Sinn für Verbundenheit oder Gemeinschaft. Es geht um Kontakt, aber dieser muß nicht tatsächlich hergestellt werden, er kann vielmehr auch virtuell sein. In der Unterhaltungsindustrie beispielsweise ist bei der Produktion von Affekten der menschliche Kontakt, die Präsenz der anderen in aller Regel virtuell, aber deshalb nicht weniger real.

Die affektive Seite der immateriellen Arbeit reicht über das Modell von Intelligenz und Kommunikation weit hinaus. Affektive Arbeit produziert soziale Netzwerke, Formen der Gemeinschaftlichkeit und ist so gesellschaftliche Arbeit.

Wir sahen, dass sich das Handeln in der ökonomischen Produktion mit dem kommunikativen Handeln in den zwischenmenschlichen Beziehungen verschmolzen hat. Aber im Fall der affektiven immateriellen Arbeit verarmt die Kommunikation nicht, sondern die Produktion wird vielmehr um die Komplexität der menschlichen Interaktion bereichert. Doch muss sogleich hinzugefügt werden, dass auch wenn die Produktion kommunikativ, affektiv und auf das Niveau der zwischenmenschlichen Beziehungen gehoben wird, diese Beziehungen dennoch immer vom Kapital dominiert werden, sie sind dem Kapitalverhältnis inhärent. Die traditionelle Trennung von Ökonomie und Kultur wird also abgebaut. In der Produktion und Reproduktion von Affekten, in den Netzwerken von Kultur und Kommunikation werden kollektive Subjektivitäten und eine Sozialität hergestellt, die direkt verwertbar für das Kapital sind. An diesem Punkt lässt sich das außerordentliche Potenzial erkennen, das in der affektiven Arbeit steckt und welches hinsichtlich einer Mehrwertgenerierung höchst interessant ist, denn tatsächlich ist die affektive Arbeit als eine Komponente der immateriellen Arbeit in eine dominante Position mit höchster Wertschöpfung innerhalb der gegenwärtigen informationellen Ökonomie eingerückt.[4]

Die immaterielle Arbeit ist nicht auf einen bestimmten Teil der Arbeiterschaft beschränkt. Sie tendiert in ihren verschiedenen Gestalten als informationelle, affektive, kommunikative und kulturelle Arbeit vielmehr dazu, sich auf das gesamte Arbeitskräftepotential, den Gesamtarbeiter, auszudehnen und sich als eine Komponente mehr oder weniger aller Arbeitsprozesse auf jede Arbeitsanforderung zu erstrecken.[5] Sucht man dennoch nach den Bereichen, in denen immaterielle Arbeit dominiert, findet man sie in den audiovisuellen Industrien, in Werbung und Marketing, Software und Mode, künstlerischen und kulturellen Tätigkeiten, in der Wissensarbeit, beim Management usf.. Intellektuelle, kulturelle und informationstechnische Fähigkeiten müssen gepaart sein mit Geschick, Kreativität, Imagination und technischen Fähigkeiten; darüber hinaus müssen unternehmerische Entscheidungen getroffen werden. Diese immaterielle Arbeit konstituiert sich unmittelbar kollektiv, existiert in Netzwerken oder Strömen. Auch wenn es sich nicht um eine Fabrik handelt, so kann man doch von einem Produktionszyklus ausgehen, dessen Ort die Gesellschaft ist.[6]

Der Anteil der immateriellen Arbeit in den einzelnen Arbeitsschritten ist jeweils sehr unterschiedlich, um dies deutlich zu machen, unterscheidet Robert Reich zwischen routinemäßigen Produktionsdiensten, zu denen z.B. die Datenverarbetung gehöre, deren Arbeitsrealität am Computer noch materiell, deren Arbeitsgegenstand jedoch ein immaterieller sei, und kundenbezogenen Diensten, solche, die von Verkäufern, Taxifahrern etc. geleistet würden und deren immaterieller Anteil gering, aber wichtig sei. Es gehe hier um Auftreten und Freundlichkeit, darum den anderen zufrieden zu stellen. Weiter grenzt er diese Tätigkeitsfelder von den symbolanalytischen Diensten ab, bei denen es um Wissen, know-how und um Erfahrung ginge, um Techniken des Umgangs mit Symbolen und Begriffen. Diese Wissensarbeiter seien im umfassenden Sinne immaterielle Arbeiter, zu ihnen zählten unter anderem Forscher, Manager, Spezialisten für Steuern und Finanzen usw., diese immaterielle Arbeit werde zu Höchstpreisen weltweit vermarktet.[7]

[...]


[1] Vgl. Carola Möller in: Immaterielle Arbeit- die neue Dominante in der Wertschöpfungskette, S. 215

[2] Vgl. W.F. Haug in: Immaterielle Arbeit, 1.Fassung für die InkriTagung

[3] Vgl. Lazzarato in: Umherschweifende Produzenten, Immaterielle Arbeit und Subversion, S. 40

[4] Vgl. Michael Hardts Essay (erweiterte Fassung eines Beitrags zum interaktiven Datenbankprojekt »IO_lavoro immateriale« der Gruppe Knowbotic Research aus Köln) online: www.io.khm.de/lavoro

[5] Ebd.

[6] Vgl. Lazzarato, ebd. S. 41

[7] Vgl.Rober Reich in: Die neue Weltwirtschaft, Frankfurt/M; Berlin, 1993, S. 195

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Der Einfluß immaterieller Arbeit auf die tätige Gesellschaft und die Frage nach dem Widerstand
Université
University of Kassel  (Politikwissenschaften)
Cours
New Economy - Modewort oder neues Entwicklungsmodell
Note
1,3
Auteur
Année
2003
Pages
19
N° de catalogue
V16589
ISBN (ebook)
9783638213936
ISBN (Livre)
9783656600220
Taille d'un fichier
516 KB
Langue
allemand
Annotations
sehr aktuelle Debatte!
Mots clés
Einfluß, Arbeit, Gesellschaft, Frage, Widerstand, Economy, Modewort, Entwicklungsmodell
Citation du texte
Yvonne Schäfer (Auteur), 2003, Der Einfluß immaterieller Arbeit auf die tätige Gesellschaft und die Frage nach dem Widerstand, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/16589

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