Ein mysteriöser Mord am Walensee. Ein Symbol, das keiner kennt. Eine Organisation, die im Schatten regiert. Als Jonas Keller einem rätselhaften Todesfall nachgeht, stößt er auf ein Netz aus Macht, Manipulation und psychologischer Kontrolle. Clara, eine Malerin, malt, was andere nicht sehen wollen. David, Journalist, erkennt Verbindungen zu einer Therapiegruppe, die ihn einst an den Rand brachte.
Zwischen Nebel, Symbolen und Stimmen, die nur wenige hören, stößt Jonas Keller auf eine Wahrheit, die gefährlicher ist als jede Lüge: Kontrolle beginnt dort, wo das Denken endet. Die Wahrheit ist kein Licht – sie ist ein Abgrund. Und wer zu lange hineinblickt, wird Teil davon.
Die Stunden der Schatten – ein Thriller über Kontrolle, Erinnerung und die stille Macht des Unsichtbaren.
F. Ludin
Die Stunden der Schatten
Thriller
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„Was wir sehen, sind nur Schatten der wahren Dinge.
Aus Platons Höhlengleichnis (Politeia, Buch VII)
Prolog - Die unsichtbare Hand
Die Sonne versank hinter den Hügeln von Luzern, als die letzten Zeilen des Berichts in einer unscheinbaren Mappe verschwanden. Niemand sprach laut darüber. Niemand wagte es. Denn wer wusste schon, wer zuhörte?
Die Organisation, die sich selbst nur „Stern“ nannte, hatte ihre Fäden längst gesponnen. Was einst als Gerücht in den Gängen der Kantonsregierung begann, war nun Realität: Direktionen, Ausschüsse, lokale Wirtschaftskammern – durchsetzt mit loyalen Mitgliedern, die einer neuen Wertkultur folgten. Kontrolle war ihr Credo. Transparenz ihr Feind.
Was einst als föderalistisches Bollwerk galt, war nun ein Marionettentheater. Die Strippenzieher blieben unsichtbar, ihre Ziele nebulös. Doch eines war klar: Die Schweiz sollte nicht länger ein neutraler Beobachter sein, sondern ein kontrolliertes Experiment. Wirtschaftsbetriebe wurden umstrukturiert, Verwaltungsräte ausgetauscht, Fördergelder gelenkt. Wer nicht mitspielte, wurde isoliert – nicht physisch, aber aus Entscheidungsprozessen, aus Netzwerken, aus der Relevanz.
Die neue Wertkultur, die der Stern propagierte, war eine Mischung aus technokratischer Effizienz und ideologischer Reinheit. Emotionen galten als Schwäche, Debatten als Zeitverschwendung. Entscheidungen wurden algorithmisch vorbereitet und menschlich abgesegnet – von jenen, die längst ihre Seele verkauft hatten.
Schatten über dem Walensee
Der Nebel lag schwer über dem Wasser, als das kleine Motorboot langsam auf das Dorf Quinten zusteuerte. Der Dunst erstickte jedes Geräusch des Motors, und die Uferlinie war kaum zu erkennen. Jonas Keller stand am Bug, die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, die Augen auf das Grau gerichtet, das sich wie ein Vorhang über die Landschaft gelegt hatte.
Er mochte solche Orte. Abgeschieden, still, fast vergessen von der Welt. Orte, an denen die Vergangenheit nicht nur in Erinnerungen lebte, sondern in jedem Stein, jedem Baum, jedem Blick der Menschen. Orte, an denen sich die Wahrheit nicht versteckte – sondern wartete.
Am Steg stand Kommissarin Nadine Lüthi. Sie hob die Hand, kaum sichtbar, als Jonas ausstieg. Ihre Miene war ernst, die Stirn leicht gerunzelt.
„Danke, dass du gekommen bist“, sagte sie knapp.
Sie gingen schweigend die schmale Gasse entlang, vorbei an alten Steinhäusern mit verwitterten Fensterläden. Der Nebel schlich durch die Mauern wie ein lebendiges Wesen.
„Der Tote wurde heute früh gefunden“, begann Lüthi. „Ein Fischer hat ihn am Ufer entdeckt. Keine Ausweispapiere, aber wir haben ihn identifiziert: Lukas Ammann. Vierundvierzig. Lebte in Zürich, war aber seit zwei Wochen hier.“ „Urlaub?“ „Oder etwas anderes.“
Sie blieben vor einem kleinen Bootshaus stehen. Dahinter, am Kiesufer, lag der Körper. Mit einer Plane bedeckt – nur das Gesicht war sichtbar. Blass, die Augen geschlossen, der Ausdruck seltsam friedlich.
Jonas kniete sich neben den Leichnam. Vorsichtig hob er die Plane an und betrachtete den Oberarm. Dort war ein Symbol eingeritzt: ein Kreis, durchzogen von drei Linien, die sich exakt in der Mitte kreuzten.
„Das ist kein Zufall“, murmelte er. „Das Zeichen – es ist zu präzise. Kein Kratzer, keine Wunde. Es wurde mit Absicht gemacht.“ Lüthi nickte. „Wir dachten zuerst an Selbstmord. Aber es gibt keine Abschiedsnotiz, keine Hinweise. Und dann das hier.“
Sie reichte ihm einen kleinen Zettel in einer Plastikhülle. Jonas las die Worte: „Siehst du es auch?“
Er sah Lüthi an. „Wer hat das gefunden?“
Jonas stand auf und blickte auf den See. Der Nebel hatte sich etwas gelichtet, und am gegenüberliegenden Ufer war für einen Moment eine dunkle Gestalt zu erkennen. Regungslos. Beobachtend.
Er blinzelte – die Gestalt war verschwunden.
Noch immer stand er am Ufer, den Blick auf das Wasser gerichtet, als Lüthi sich räusperte. „Es gibt jemanden, den du dir ansehen solltest: Clara Meier. Sie lebt oben im alten Kloster in Wesen. Ein Dominikanerinnenkloster – ein Ort der Stille. Clara ist Künstlerin, sie restauriert Gemälde. War mit Lukas Ammann liiert – zumindest eine Zeit lang. Jetzt spricht sie kaum noch. Die Leute sagen, sie sei … eigen.“ Jonas nickte. „Eigen ist oft ein anderes Wort für verletzt.“ „Oder für gefährlich“, ergänzte Lüthi.
Sie machten sich auf den Weg. Der Pfad zum Kloster war schmal, gesäumt von feuchtem Laub und moosbewachsenen Steinen. Der Nebel lichtete sich kaum, und das Gebäude tauchte aus dem Grau auf wie ein Relikt aus einer anderen Zeit.
Im Inneren war es still. Jonas folgte dem Klang eines Pinselstrichs – und fand Clara Meier.
Sie stand vor einem Gemälde, das eine Kreuzigung zeigte. Ihre Hände waren ruhig, ihr Blick konzentriert. Doch als sie Jonas bemerkte, veränderte sich etwas in ihrer Haltung. Keine Angst – eher ein inneres Zusammenziehen, wie ein Tier, das gelernt hat, sich zu verteidigen.
„Sie sind wegen Lukas hier“, sagte sie, ohne sich umzudrehen. Jonas trat näher. „Kannten Sie ihn?“ „Gut genug, um zu wissen, dass er sich selbst nicht kannte.“
Sie legte den Pinsel ab und drehte sich zu ihm. Ihre Augen waren groß, klar – aber da war etwas darin, das Jonas irritierte. Keine Trauer. Keine Wut. Etwas anderes. Etwas, das sich nicht benennen ließ.
„Er hat Dinge gesehen, die nicht da waren“, sagte sie. „Oder vielleicht waren sie doch da. Ich weiß es nicht mehr.“ „Und Sie? Sehen Sie auch Dinge?“ Clara lächelte. Es war kein freundliches Lächeln. „Ich sehe, was andere nicht sehen wollen.“
Jonas spürte, wie sich die Luft zwischen ihnen verdichtete. Clara war verletzlich – das war offensichtlich. Aber sie war nicht harmlos. Da war eine Schärfe in ihr, eine Tiefe, die gefährlich werden konnte, wenn man zu tief eintauchte.
„Wir können uns duzen – das macht das Gespräch einfacher“, sagte Jonas. „Ja“, erwiderte sie leise. „Wenn du etwas weißt, Clara, solltest du es sagen.“ „Und wenn ich es nicht weiß? Wenn ich es nur fühle?“ „Dann sag mir, was du fühlst.“
Sie trat ans Fenster. Der See lag still unter dem Nebel. „Ich fühle, dass etwas kommt. Etwas, das schon da war. Und dass ich nicht weiß, ob ich es aufhalten kann.“
Jonas schwieg. Er wusste, dass das Gespräch vorbei war – fürs Erste.
Die Maske des Täters
In der kleinen Pension am Walensee saß Jonas am Tisch, das Zeichen des Täters vor sich. Er hatte es auf Papier übertragen, mehrfach analysiert, gedreht, gespiegelt. Doch es blieb rätselhaft. Kein religiöses Symbol, kein bekanntes Zeichen aus der Psychologie. Es war … konstruiert. Absichtlich fremd.
Er dachte an Clara. An ihre Worte: „Ich fühle, dass etwas kommt.“ Und an den Zettel: „Siehst du es auch?“
In Zürich lehnte sich David Brunner in seinem Bürostuhl zurück, die Zigarette zwischen den Fingern. Auf dem Bildschirm: ein Foto von Lukas Ammann, aufgenommen vor einem Jahr. Darunter ein Artikelentwurf mit dem Titel: Grenze der Seele – Wenn Therapie zum Abgrund wird.
Er hatte Lukas gekannt. Nicht gut, aber intensiv. Sie waren gemeinsam in einer Therapiegruppe gewesen – geleitet von einem Mann, der sich nie mit Namen vorstellte. Nur als „Moderator“. David hatte ihn bewundert: seine Stimme, seine Gedanken, seine radikale Ehrlichkeit und seine Weltansicht.
Und jetzt war Lukas tot. Mit einem Zeichen auf dem Arm, das David kannte.
Er öffnete eine alte Datei. Skizzen, Notizen, Gesprächsprotokolle. Und das Symbol – gezeichnet von Clara Meier, damals in der Gruppe. Sie hatte es „das Auge der Tiefe“ genannt.
David spürte, wie sich etwas in ihm regte: Neugier. Angst. Und ein dunkler Stolz.
Am Walensee ging Jonas den Pfad zum Fundort erneut entlang. Diesmal allein. Er suchte nach Spuren, die übersehen worden waren – und fand sie: eine kleine Metallplatte, halb im Kies versunken. Darauf: das Symbol. Eingraviert. Professionell.
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- F. Ludin (Autor), 2025, Die Stunden der Schatten, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1660969